Читать книгу Der verkaufte Feminismus - Beate Hausbichler - Страница 15
Procter & Gamble, der Genderprofi
ОглавлениеDer Konzern Procter & Gamble (P & G) ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Kampf gegen ein limitierendes Rollenverständnis professionell in die Markenkommunikation integriert werden kann und so verpackt wird, als würden Konzerne ein maßgebliches Verdienst an gesellschaftspolitischen Veränderungen haben. Im letzten Jahrhundert gab es viele solche Veränderungen. Und P & G wusste sowohl die herrschenden Geschlechterverhältnisse als auch die Ausbrüche aus diesen zu nutzen.
Der Konzern gehört zu jenen Unternehmen, die weltweit am meisten Geld für Markenkommunikation ausgeben. Allein im Jahr 2017 waren es sieben Milliarden Dollar. Der Konzern hat mit Pflege- und Kosmetikprodukten ein Produktportfolio, für das die Kategorie Geschlecht enorm wichtig ist. Die Geschlechterdifferenz zwischen Männern und Frauen ist noch immer eine zentrale Grundlage für dieses Produktportfolio. Gleichzeitig bringen immer prominenter geführte feministische und geschlechterpolitische Debatten die Probleme dieser Geschlechterdifferenzen regelmäßig aufs Tapet und es wird laufend dafür gekämpft, diese Differenzen abzuschaffen – oder zumindest ihr Gewicht zu verringern. Und das ist freilich eine schwierige Situation für einen Konzern, dessen Produkte sich in »für sie« und »für ihn« aufsplitten.
Doch P & G weiß den Kampf für Gleichstellung seit vielen Jahren geschickt für sich zu nutzen. Der Konzern setzt seit Langem auf geschlechterpolitische Themen, die er in seinen Kampagnen kontrovers und auf Emotion setztend verhandelt. Das liegt letztlich auch an den Marken des Konzerns, der als Waschmittel- und Seifenhersteller groß wurde und seit vielen Jahren bei der Bewerbung von geschlechterspezifischen Produkten Flexibilität beweisen muss. P & G brachte mit der Marke Gillette etwa die ersten Damenrasierer auf den Markt. Der Erste Weltkrieg brachte Gillette hohe Umsatzeinbußen, die eingezogenen Männer ließen den Verkauf regulärer Männerrasierer in den Keller rasseln. P & G reagierte darauf schon ein Jahr nach Ausbruch des Krieges mit einem Rasierer für Frauen. Flexibilität in der Vermarktung von »Frauen-« und »Männerprodukten« war und ist also nötig. Das erfordert auch, Frauen und Männer in ihrem gesellschaftlichen Rollenverständnis zu erreichen, allerdings ohne als zusätzliche patriarchale Instanz zu firmieren oder diese Rollenvorstellungen zu sehr zu zementieren – man weiß ja nie, was kommt.
P & G ist heute bei Produkten wie Rasierern oder Windeln Marktführer. Die Rasierer-Marke Gillette besetzt rund 65 Prozent des weltweiten Marktes für Klingen und Rasierer, Pampers ist die größte Einzelmarke von P & G. 25 Prozent aller verkauften Windeln und Babypflegetücher sind von P & G (The Motley Fool 2017). Trotzdem sind Billigprodukte eine Bedrohung, weshalb sich P & G von rund hundert Marken getrennt hat und sich auf die Marken mit der besten Marktposition konzentriert – P & G muss nun ein schnelleres Wachstum bei den rund 60 verbleibenden Marken verzeichnen. Das ist nicht unriskant auf einem Markt, der zahlreichen und oft schwer vorhersehbaren Trends und Moden unterworfen ist. Die Körperrasur ist dafür ein gutes Beispiel: Seit den 1970er-Jahren hat sich das Gebot, zu enthaaren, bei Frauen deutlich erweitert und viel mehr Körperteile müssen glatt sein. Bei Männern hingegen gehört die Gesichtsrasur nicht mehr zum täglichen Muss.
Man bewegt sich auf einem schmalen Grat, wenn man Kund*innen Vorstellungen davon vorsetzt, wie Männer und Frauen sein sollen. Es darf sich einerseits niemand bevormundet fühlen, andererseits muss man deutlich zeigen, was Männer und Frauen wollen sollen. Doch P & G tänzelt geschickt auf diesem Grat und seine Kampagnen zeigen, wie sich der Konsumkapitalismus erfolgreich an gesellschaftliche Entwicklungen heftet und sowohl repressive Geschlechterhierarchien für sich nutzt als auch von den in den letzten Jahrzehnten entstandenen Emanzipationsbewegungen profitiert, die versuchen, diese Hierarchien aufzubrechen.