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4. Abenteuer am Meer Ein seltenes Naturschauspiel an der Ostsee

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Meine Eltern fuhren mit uns am Wochenende öfters an den nahe liegenden Ostseehafen Warnemünde zum Baden und in den Sommerferien für einige Wochen an die Ostsee. Es gab dort schöne Heilbäder wie Graal-Müritz, Ahrenshoop und Wustrow. Wir wohnten dort in einem schönen Hotel nahe dem Strand. Als wir erneut unsere Ferien im Ostseebad Ahrenshoop verbrachten, war eine Sturmflut angesagt. Mutti verbot uns eingedenk der Gefahr, dass die sich auftürmenden Wellenberge ungehorsame Kinder in den Abgrund ziehen und verschlingen würden, das Hotel zu verlassen und nach draußen zu gehen. Ich lief trotzdem weg – kaum sechs Jahre alt. Da ich recht gut schwimmen konnte, wollte ich selbst erleben, was sich da auf dem Meer zusammenbraute.

Ich lief zum verlassenen Strand und wurde Zeuge eines bemerkenswerten Naturschauspiels, wie es sich nach Aussagen ansässiger Fischer nur ein- oder zweimal binnen hundert Jahren ereignet. Auf einer Strecke von weniger als einem Kilometer kreuzten sich allem Anschein nach die Windrichtungen, sodass sich gurgelnde Strudel bildeten. Mit jeder Riesenwelle wurden Schlick und braune Algen an den Strand geworfen und seltsamerweise auch viele Bernsteine, die es sonst hier kaum gab.

Jetzt präsentierte das Meer seine sonst verborgenen Schätze und rückte freigiebig eine ansehnliche Anzahl heraus, darunter auch größere Bernsteine. Es kam darauf an, sobald die letzte Welle weg und die nächste noch nicht da war, blitzschnell nach einem Bernstein zu greifen. Da ich wie gewohnt mein Täschchen bei mir hatte, um Seesterne und Muscheln einzusammeln, konnte ich die Bernsteine gut unterbringen. So nutzte ich die kurze Zeitspanne zwischen zwei Wellenbrechern und bekam eine Menge wunderschöner Bernsteine zusammen, darunter einige mit eingelassenen Insekten. Fatal wäre es gewesen, habgierig zu sein und gleich nach zwei Bernsteinen zu greifen. Zu viel Gier ist schädlich, wie das oft hemmungslose Treiben an der Aktienbörse warnend zeigt.

Das Naturereignis währte nur mehrere Minuten. Ich denke, nach einer knappen halben Stunde war alles vorbei. Der Sturm wurde zwar stärker. Aber es gab keine sich aus zwei Richtungen vereinigenden und Strudel bildenden Wellen mehr, die diese Massen von Algen und Schlick von unten nach oben zum Strand wirbelten. Ich hatte so viele Bernsteine beisammen, dass meine Mutter für alle Töchter und sich selbst eine schöne Bernsteinkette anfertigen ließ. Trotz der Gefahr fühlte ich mich gut und spürte, Partnerin des Meeres zu sein.

Mutti erzählte, der Juwelier hätte sie betrogen und behauptet, die meisten Steine wären beim Durchbohren für die Kette in winzige Teile zerbrochen. Absolut unglaubwürdig – eine Lüge. Meine Kette besitze ich noch und trage sie, an das Abenteuer denkend, gern. Am nächsten Morgen suchten viele Badegäste das Ufer nach Bernsteinen ab, hatte doch das Meer nachts den Großteil des Strandes überflutet, sich im Morgengrauen aber zurückgezogen.

Das Meer hatte am Abend zuvor seine Schätze großzügig vor mir ausgebreitet und mir freundlicherweise etwas davon abgegeben, war danach aber nie mehr spendabel.

Warum ich das Lachen und Singen verlernte (Autobiografie)

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