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Kapitel 2

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»Im Namen von Hawkes Energy möchte ich Sie ganz herzlich in Sun City willkommen heißen, Mr. O’Brien. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.«

Diesmal lächelte ihm eine schwarzhaarige Asiatin zu, wahrscheinlich eine Japanerin, aber das konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Trotz seiner ausgedehnten Reiseerfahrung fiel es ihm immer noch schwer, einige ethnische Gruppierungen auseinanderzuhalten.

»Danke der Nachfrage; es war so angenehm, wie ein Fünf-Stunden-Flug nur sein kann«, bemerkte er ironisch und reichte sein Handgepäck einem Roomboy in adretter Uniform, der sich bisher diskret im Hintergrund gehalten hatte.

»Ich bin die Hotelmanagerin, mein Name ist Amaya Ling. Wenn Sie irgendetwas benötigen, zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.«

»Der Regen in der Nacht - ein interessanter Name«, bemerkte Shane zur Überraschung der jungen Managerin.

Sie schaute ihm fasziniert in die Augen, als ob sie darin nach einer Erklärung für seine Sprachkenntnisse suchte. »Eine … treffende Übersetzung«, begann sie zögerlich. »Entschuldigen Sie, wenn ich irritiert wirke, aber bislang sind mir nicht viele Menschen begegnet, die auf diesem Gebiet bewandert sind, und Sie sehen nicht aus, als hätten Sie asiatische Wurzeln.«

Shane lächelte entwaffnend. »Nein, in der Tat nicht. Allerdings werden Sie noch viel erstaunter sein, wenn ich Sie darauf aufmerksam mache, dass Ihr Vorname japanischen, Ihr Nachname hingegen chinesischen Ursprungs ist. Äußerst merkwürdig.«

Mit beinahe mystischer Stimme wies er sie auf diesen Umstand hin, als wäre er ein Zauberer, der sein Publikum mit der Magie seiner Worte fesseln wollte. Sie konterte mit einem herzerwärmenden Lächeln und gratulierte ihm konsequenterweise mit einer westlichen Redewendung: »Hut ab!«

Shane ließ seinen Blick schweifen. Alles wirkte so mondän, wie man es von den Riesen der Energiebranche erwarten konnte: edle Marmorfliesen im Schachbrettmuster, weiß getünchte Wände, mit Samt bespannte Stühle … er hätte den Raum mit geschlossenen Augen beschreiben können.

»Würden Sie mir bitte folgen?«, sagte Miss Ling und führte ihn von der Gangway fort. »Ich schlage vor, dass ich Sie zunächst mit den Annehmlichkeiten des Hotels vertraut mache, bevor ich Ihnen Ihr Zimmer zeige.«

Ihre spitzen, hochhackigen Schuhe klackten auf dem kalten Steinboden, als sie dicht gefolgt von Shane die klimatisierte Wartehalle durchquerte. Sie kamen zu einem Durchgang, vor dem ein Ganzkörperscanner und ein Röntgengerät für Handgepäckstücke standen. Ling nickte den Sicherheitsleuten kurz zu und schritt dann durch den Scanner.

Als sie Shanes skeptischen Blick bemerkte, erklärte sie kurz: »Eine Routinekontrolle. Zu Ihrer eigenen Sicherheit!«

Belustigt und zugleich resigniert schüttelte der Journalist den Kopf. »Sie haben eine wundervolle Art, von den Tatsachen abzulenken, aber ich lebe nicht hinter dem Mond, wissen Sie? Mir ist sehr wohl bewusst, dass wir es mit einer neuartigen, hochsensiblen Technologie zu tun haben, an deren Geheimhaltung und Schutz Hawkes Enterprises sehr gelegen ist. Ich bin schließlich seit über zwanzig Jahren im Geschäft.« Befreit, das losgeworden zu sein, legte er ohne weitere Aufforderung Armbanduhr, Gürtel sowie Brieftasche ab und ließ sich durch den Scanner führen.

Auf der anderen Seite wurde er von Ling in Empfang genommen, die ein wenig wie vor den Kopf gestoßen wirkte, allerdings ihre professionelle Freundlichkeit aufrechthielt. Shane konnte sich gut vorstellen, was in diesem Moment in ihr vorging. Erst hatte er sie für sich eingenommen und ihr dann ihre eigene Unzulänglichkeit vor Augen geführt. Bereute er seine spitze Bemerkung? Ein wenig, aber im Gegensatz zu ihr würde er sich nicht weiter damit befassen.

Versöhnlich nahm er das Gespräch wieder auf, so als wäre nichts geschehen. »In Anbetracht der Ausmaße der Kollektorflächen stelle ich es mir schwierig vor, überall einen hohen Sicherheitsstandard aufrechtzuerhalten. Man sagte mir, es sei in letzter Zeit vermehrt zu Übergriffen seitens einheimischer Extremisten gekommen.«

Auf Lings Gesicht trat ein Ausdruck von Überraschung, aber auch Verärgerung. »Ich weiß nicht, woher Sie diese Informationen haben und kann Ihnen versichern, dass es sich nicht um Übergriffe, sondern lediglich um friedliche Protestaktionen gehandelt hat – von Nomaden, die seit Jahrtausenden diese Wüste bevölkern und in unserer Anwesenheit eine Schändung ihres Lebensraumes sehen. Bisher haben sie jedoch keine aggressiven Tendenzen oder Absichten gezeigt; sie wollen schlicht und ergreifend, dass wir ihr Land verlassen.«

Shane konnte förmlich spüren, wie es in Ling kochte. Sie empfand offenbar große Sympathie für die Wüstenbewohner, daran änderte auch ihre Anstellung bei diesem Unternehmen nichts. Er vermutete, dass ihr eigener kultureller Hintergrund maßgebend für ihre Anteilnahme war.

»In den Nomaden hat man praktischerweise einen Verantwortlichen gefunden«, fuhr die Managerin fort.

»Einen Verantwortlichen wofür?«, hakte Shane sofort nach. Seine journalistische Neugier wurde schlagartig geweckt, und einmal angefacht brannte sie wie ein Napalm-Feuer.

Ling stockte, und aus den Augenwinkeln konnte Shane sehen, wie sich ihr Gesichtsausdruck verhärtete. Es schien, als würde sie abwägen, wie viel sie sagen konnte. Sagen durfte.

»Die Sicherheit der Anlage zu gewährleisten ist kein Kinderspiel. Dass es da zu gewissen …« Sie zögerte.

»Es gab also Schwierigkeiten, verstehe ich Sie da richtig?«

»Nun ja …«

»Und Sie denken, dass die Nomaden als Sündenbock dafür herhalten müssen.«

Mit seinen Schlussfolgerungen manipulierte Shane die junge Frau geschickt und sie ging ihm in die Falle.

»Ja, aber die Nomaden können es unmöglich gewesen sein.«

Shane ließ nicht locker. »Weil …?«

Doch Ling durchschaute sein Spiel allmählich und unterbrach ihn barsch. »Hören Sie, wir haben hier alles unter Kontrolle, verstanden? Ich schlage vor, ich zeige Ihnen nun das Hotel. Sollten Sie weitere Fragen haben, die Sicherheit betreffend, wenden Sie sich bitte an Mr. Fritzsch. Er ist dafür zuständig.«

Shane begann, die junge Frau zu mögen. Sie konnte sich ja doch behaupten! Was für ihn leider bedeutete, dass sie wahrscheinlich keine weiteren Informationen mehr über die Zwischenfälle mit den Nomaden preisgeben würde. Deshalb beschloss er, es vorerst dabei zu belassen.

Sie betraten eine gähnend leere, dem Bauhaus-Stil nachempfundene Hotellobby. Klare Formen und gradlinige Schnitte dominierten das Bild. Ein Atrium mit exotischen Grünpflanzen und künstlichem Flusslauf lud zum Verweilen ein.

»Warum ist es hier so leer?«, erkundigte sich Shane. Von den Mitarbeitern, die gemeinsam mit ihm das Flugzeug verlassen hatten, fehlte jede Spur.

»Sie sind der erste offizielle Gast«, erklärte ihm Ling. »Die anderen werden erst morgen im Laufe des Tages eintreffen. Aufgrund von engen Terminplänen hat sonst niemand den Testflug in Anspruch genommen.«

Shane nickte. »Unter anderen Umständen träfe das sicherlich auch auf mich zu, doch ich komme gerade aus dem Urlaub und wollte die Zeit zu Hause nicht ungenutzt auf dem Sprung verbringen. Stattdessen erschien es mir sinnvoller, mich hier vorab ein wenig umzusehen.«

Was er verschwieg, war die Tatsache, dass er zu besonderen Anlässen immer auf diese Weise vorging. Der Urlaub war lediglich ein Vorwand. Er pflegte grundsätzlich, die Lage zu sondieren bevor andere es taten, so war er ihnen stets einen Schritt voraus. Nur wenn ihn die Aussicht auf eine bestimmte Gala oder einen bestimmten Empfang in Langeweile versetze, zögerte er den Moment des Eintreffens so lange wie möglich hinaus.

Ling führte ihn durch einen langen, an eine Felsgrotte erinnernden Gang zum Wellness-Bereich. »Der Aqua-Park und die Saunalandschaft sind rund um die Uhr geöffnet«, sagte sie. »Der Massagetempel schließt täglich um 22:00 Uhr. Handtücher und Badelatschen erhalten Sie an der Rezeption oder vom Zimmerservice.«

Sie verließen den Nassbereich und besichtigten die Tagungsräume, die Tennis- und Squash-Plätze, den Kinosaal und das Kasino. Shane staunte nicht schlecht, was man hier in der kurzen Zeit alles geschaffen hatte. Wenn das PECS-Kraftwerk nur halb so überzeugend war wie das Hotel und das Freizeitangebot, dann waren dem Unternehmen positive Kritiken sicher.

»Eine Frage könnten Sie mir vielleicht noch beantworten«, wandte sich Shane beim Verlassen des Kasinos an Ling. »Warum baut man in dieser Einöde eine solch luxuriöse Ferienanlage und einen eigenen Flughafen?«

»Man hat mich gewarnt, dass Sie alles hinterfragen würden«, bemerkte Ling spitz und blieb kurz stehen.

»Das ist nun einmal mein Job«, meinte Shane. »Außerdem hinterfrage ich nicht, ich recherchiere. Wenn Ihre Arbeitgeber einen repräsentativen Bericht über ihr Unternehmen lesen wollen, brauche ich Informationen und keine Rätsel. Was verbindet diese Ferienanlage mit dem PECS-Kraftwerk?«

»Der Endkunde«, sagte Ling kurz und knapp.

Endkunde. Das Wort schwebte zwischen ihnen. Shane sah sie fragend an.

»Das ist eigentlich ganz einfach: Im Planungsausschuss diskutierte man die Bedeutung der Anlage im Hinblick auf die erklärten Unternehmensziele, und man wurde sich einig, dass diese ihre Umsetzung am besten in der Errichtung einer Ferienanlage finden würden. Immer mehr Menschen sollen von den Vorteilen alternativer Energien überzeugt werden. Sie können hier einen interessanten und erholsamen Urlaub verbringen und tun dabei gleichzeitig etwas für die Umwelt. Es sind noch weitere Projekte geplant, aber ich möchte Miss Meinhard, der Forschungsleiterin von Hawkes Enterprises, nicht vorgreifen.«

Shane bedankte sich für die Auskunft. »Das ist schon mal ein guter Anfang, auf dem ich meine Berichterstattung aufbauen kann.« Er bedachte sie mit einem freundlichen Blick, der sie für den ruppigen Kommentar von vorhin entschädigen sollte.

»Möchten Sie jetzt Ihr Zimmer sehen?«, fragte sie und konnte ihre Erleichterung, nicht länger über das Thema sprechen zu müssen, nur schwer verbergen.

»Ja, gerne. Aber zuvor müsste ich dringend wissen, wo …« Er sah sich suchend um und wirkte beinahe verzweifelt.

»Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen, kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein«, schlug Ling vor. »Was kann denn nicht warten, bis Sie auf dem Zimmer sind?«

Seine vermeintliche Verklemmung erfüllte sie mit leichter Schadenfreude. Vom ersten Moment an, da sie Shane begegnet war, hatte sie die autoritäre Aura, die ihn umgab, gespürt und fühlte sich gleichsam davon angezogen wie abgestoßen. Wenn er nicht so eine fordernde und verletzende Art gehabt hätte, hätte sie möglicherweise versucht, ihn näher kennenzulernen. So aber hoffte sie lediglich, dass sie ihm nicht allzu oft begegnen würde.

Shane schaute sie lächelnd an und sagte: »Ich suche die Bar.«

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