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1.5 Reduktion oder Steigerung von Komplexität?

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Siegen, so bemerkt schon Aristoteles lapidar über das Streitgespräch, »kann nicht mehr als einer«.1 Scholastische Disputationen bieten eine Vielzahl an Argumenten auf, um schließlich eine eindeutige Antwort festzusetzen.2 Für Thomas Hobbes zielen Wettkämpfe darauf, den anderen zu töten, zu unterwerfen und gesellschaftlich auszulöschen.3 Neigen Wettkämpfe also nicht eher dazu, Differenz gewaltsam zu vereinfachen statt zu vervielfältigen? Sind Vergleichsperspektiven nicht allenfalls Nebeneffekte von Strategien, die eigentlich auf Dominanz und Ausschluss des anderen zielen?4 Weshalb sollten sich dann ausgerechnet Wettkampfformen für Experimente der Pluralisierung anbieten?

Diese Ambivalenz lässt sich so wenig ausräumen, dass man geradezu von ihr ausgehen sollte.5 Denn einerseits wirken Wettkämpfe reduktiv, insofern sie Differenz in gemeinsamen Formzusammenhängen integrieren und unterwerfen. Darin tritt ein grundsätzlich zerstörerischer Zug zutage. Andererseits wirken Wettkämpfe der Reduktion von Differenz entgegen, insofern sie fortgesetzt Asymmetrien unterwandern, Bezeichnungen und Werte oszillieren lassen und dadurch in hohem Maße Beobachtungswechsel befördern. Auch in vormodernen Texten lässt sich die Fülle von Wettkämpfen kaum übersehen, die entweder krasse Reduktionen erzwingen oder aber fortwuchernde Dynamiken freisetzen. Einiges spricht also dafür, diese Spannung nicht als Defizit, sondern geradezu als Leistungsprofil von Wettkämpfen zu verbuchen: Sie bilden Formen von hoher Anziehungskraft, die fortlaufend Redundanzen aufwerfen, überprüfen und vereinfachen.6 Wettkämpfe verhandeln Identität, indem sie Relationen dynamisieren und Unterscheidungen aufs Spiel setzen – selbst dann, wenn dieses Spiel auf Ausschlüsse und Asymmetrien zielt.7 Diese Spannung prägt auch Wettkampfformen des Mittelalters. Einflussreiche religiöse Texte entwerfen Allegorien des Widerstreits, die Verhältnisse der Vielfalt zugleich als Gefahr der Zerstörung werten.8 Gott schmücke die Welt wie ein Gedicht mit unzähligen Gegensätzen (opposita), doch solle der Mensch diese Vielfalt auf die alles begründende Leitdifferenz von Gott und Welt zurückführen.9 Zwischen einfachen und komplexen Antworten changieren nicht zuletzt auch die Entwürfe kultureller Selbstbeschreibungen, die höfische Texte mittels Wettkampfformen erzählen. Man sieht sie genauer, wenn man von einseitigen Festlegungen und Entwicklungserwartungen ›von Einfachheit zu Komplexität‹ absieht.10

Wettkampfkulturen

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