Читать книгу Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014 - Bernd Teuber - Страница 36

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Eine halbe Stunde später öffnete sich das Schott des Haupthangars und eine Landefähre wurde ausgeschleust. Major Miguel Yacoban hatte die Position des Piloten übernommen. Neben ihm saß Commander Gavin Overdic. Doktor Ravon und die anderen Wissenschaftler befanden sich im hinteren Teil der Fähre. Kurz nach dem Verlassen des Schiffs erhöhte Yacoban die Geschwindigkeit und steuerte auf direktem Kurs dem Planeten entgegen. Nur wenige Wolken verdeckten den Blick auf das Wasser.

Die Fähre tauchte in die Atmosphäre, hing für einen kurzen Augenblick über dem Horizont wie eine erlesene Perle und versank dann im Wasser. Overdic fühlte die geringe Gewichtsverlagerung, die erst eine hundertstel Sekunde später von der Ausgleichsautomatik kompensiert wurde. Die Fähre senkte den Bug in steilem Winkel und beschleunigte den Tauchvorgang mit dem leistungsstarken Hecktriebwerk.

Im Grunde genommen unterschied sich das Tauchmanöver nicht von dem Eintauchen in die Atmosphäre, nur der Widerstand des Wassers war bedeutend stärker - und natürlich auch dessen Druck. Mit einer ihrer schiffseigenen Landefähre hätte man es niemals wagen können, in derartige Meerestiefen zu gehen; der Wasserdruck hätte sie zusammengepresst. Nur mit dieser Spezialkonstruktion war so etwas möglich. Normalerweise operierte die Landefähren außerhalb der Atmosphäre. Deshalb konnte auf einen aerodynamischen Schnitt verzichtet werden. Man beschränkte sich auf ein Gerüst, dem je nach Bedarf für jeden spezifischen Flug die benötigten Teile angepasst wurden. Bei dieser Fähre musste man jedoch einige Verbesserung vornehmen, damit sie sich unter Wasser fortbewegen konnte.

Unterwasserdrohnen hatten den Planeten im Vorfeld der Mission abgetastet und kartografiert. Deshalb fiel es Major Yacoban auch nicht schwer, sich hier unten zu orientieren. Direkt unter der Oberfläche war die Sicht noch ausgezeichnet, aber je tiefer sie vordrangen, desto dunkler wurde es. Das Tageslicht drang nicht mehr hierher vor. Die ganze Umgebung war grau und verschwommen. Yacoban schaltete die Scheinwerfer ein.

Nach zehn Minuten tauchten die ersten bizarren Felsformationen in den Lichtkegeln auf. Ganze Schwärme von torpedoförmigen Fischen strichen direkt an der Fähre vorüber. Yacoban flog in die Schlucht eines unterseeischen Gebirges hinein. Plötzlich tauchte ein großer Schatten auf. Ein riesiges Maul mit dolchartigen, langen Zähnen wurde sichtbar. Er pflügte mitten durch einen Schwarm kleiner, roter Fische und verschlang, was er erreichen konnte.

Yacoban wich dem riesigen Maul geschickt aus und erhöhte die Geschwindigkeit. Doch plötzlich fuhr der Kopf des Fisches herum. Yacoban erschrak, als sich die Fähre zur Seite neigte. Mit einer Verwünschung auf den Lippen steuerte er das Schiff tiefer. Sofort startete das Tier einen neuen Angriff. Gerade als der Major den Finger auf die Taste der Bordkanone legte, wechselte der Fisch die Stellung. Fast spielerisch elegant schwang der lange Leib herum. Das grün-gelbe Leuchten der Oberseite wurde intensiver. Nicht weniger elegant wirkte die Bewegung der großen Schwanzflossen.

Overdic fühlte, wie ihm der Angstschweiß über seine Stirn rann. Der Schlag der Schwanzes hatte die Fähre getroffen. Sie kam ins Trudeln. Yacoban verringerte die Geschwindigkeit. Schließlich gelang es ihm, die Fähre zu stabilisieren. Yacoban löste eine Salve von fünf Energieschüssen aus. Er versuchte, das dunkel umrandete, rote Auge des Tieres zu treffen, konnte aber nicht mehr feststellen, ob es ihm gelang. Der Fisch wirbelte in einer fließenden Bewegung herum. Er floh und verschwand in den Weiten des Meeres.

„ Das war verdammt knapp“, sagte Overdic, während er sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn wischte.

„ Ja“, stimmte Yacoban ihm zu. „Und es ist vermutlich nicht der einzige gefährliche Bewohner dieser Welt.“

Nach einigen Metern wurde die Schlucht enger. Yacoban musste aufpassen, dass er nicht zu dicht an die Felswände heransteuerte. Bunte Meerestiere bevölkerten die Riffe wie Pflanzen. Sie ließen sich durch das Erscheinen der Fähre nicht in ihrer Beschäftigung stören. Overdic deutete nach vorn.

„ Da rechts. Was ist das? Ein Loch im Fels?“

Yacoban steuerte darauf zu. Das Loch war fast rund und hatte einen Durchmesser von fast dreißig Metern. Dahinter war es dunkel.

„ Eine Höhle“, meinte Yacoban. „Was sonst?“

„ Das sehen wir uns mal etwas genauer an.“

„ In Ordnung.“

Yacoban richtete die Scheinwerfer auf die Öffnung. Gleich hinter dem Eingang vergrößerte sich die Höhle zu einem weiten Tunnel, der gerade in den Felsen hineinführte. Die Wände waren glatt und ohne Vorsprünge. Es gab weder Pflanzen noch Tiere.

„ Diese Höhle ist nicht auf natürlichem Weg entstanden“, sagte Yacoban.

„ Nein, das glaube ich auch nicht. Jemand hat sie angelegt.“

„ Aber wozu?“

„ Finden wir es heraus.“

Langsam und vorsichtig steuerte Yacoban die Fähre in den Unterwasserkanal hinein. Die Wände glitten an den Cockpitfenstern vorbei. Bald war der grün schimmernde Eingang verschwunden. Fast einhundert Meter ging es geradeaus, dann musste er Major den Controller betätigen, um nicht den Boden zu rammen. Der Kanal bog leicht nach oben ab. Gleichzeitig wurde er immer enger. Yacoban musste sein ganzes Können aufbieten, um die Fähre unbeschadet zwischen den Felswänden hindurchzunavigieren.

„ Wenn es noch enger wird, können wir nicht mehr wenden“, gab er zu bedenken.

„ Ich will wissen, wohin der Tunnel führt“, sagte Overdic. „Er muss aus einem ganz bestimmten Grund angelegt worden sein. Es interessiert mich, was wir an seinem Ende finden.“

Über ihnen erschien ein schimmerndes Glitzern. Eine Sekunde später durchbrach die Fähre die Wasseroberfläche und schwamm auf einem riesigen, unterirdischen See. Die Scheinwerfer reichten gerade bis zum Ufer und zur Decke, die sich mehr als zweihundert Meter über dem See spannte. Das Wasser war ruhig. Der Durchmesser der Höhle mochte dreihundert Meter betragen. Hackett betrachtete die Anzeigen.

„ Atembare Luft“, stellte er fest.

Die Fähre trieb auf das Ufer zu.

„ Hoffentlich finden wir später die Ausfahrt wieder“, sagte Yacoban.

Overdic nickte. „Kein Problem. Der See erinnert in seiner Form an einen Trichter. Der Kanal beginnt genau in der Mitte des Sees auf seinem Grund. Der Hohlraum ist mit Sauerstoff angefüllt. Hier hat sich eine Luftblase gebildet. Deshalb wurde dieser Bereich nicht überflutet. Außerdem ...“

Overdic schwieg plötzlich. Aufmerksam blickte er nach vorn zum Ufer hinüber. Es war nicht steil, wie man es hätte erwarten können, sondern flach. Der helle Streifen mochte zehn Meter breit sein. Erst dann stieg die Felswand senkrecht nach oben. In einer Nische stand eine Maschine. Sie war aus Metall und fast zehn Meter hoch.

„ Ein Computer?“, vermutete Overdic. „Oder ein Sender.“

Yacoban landete die Fähre auf dem Ufer.

„ Ja, es könnte ein Sender sein. Aber weshalb hat man ihn hier in dieser Höhle untergebracht?“

Overdic löste die Sicherheitsgurte, stand auf und ging in den hinteren Teil der Fähre.

„ Sind wir endlich da?“, erkundigte sich Doktor Ravon.

„ Noch nicht“, antwortete der Commander. „Wir haben eine Höhle mit einer merkwürdigen Maschine entdeckt.“

„ Was für eine Maschine?“, fragte Valadius.

„ Das weiß ich nicht. Aber vielleicht ist sie von Bedeutung. Es könnte sich um eine Sendeanlage handeln.“

„ Na, dann sollten wir uns diese Maschine mal ansehen“, schlug Ravon vor.

Die Männer und Frauen stiegen in ihre Schutzanzüge.

„ Sollen wir den Helm verschließen?“, erkundigte sich Lea Keblov.

„ Das wird nicht nötig sein“, erwiderte Overdic. „Den Sensoren zufolge gibt es in dieser Höhle atembare Luft.“ Er betätigte die Taste der internen Kommunikationsanlage. „Major, wir sind soweit.“

„ Verstanden“, ertönte Yacobans Stimme aus dem Lautsprecher.

Mit einem leisen Zischen glitt das Schott zur Seite. Die Rampe wurde ausgefahren. Ein Schwall kalter Luft strömte herein. Overdic und die Wissenschaftler verließen die Fähre. Sie gewöhnten sich schnell an den Temperaturunterschied. In der Höhle gab es keine Spuren. Die Maschine machte einen verlassenen und unbenutzten Eindruck. Aber sie zeigte deutliche Anzeichen von Verfall. Das Metall war an vielen Stellen derart korrodiert, dass es bei der geringsten Berührung zu Staub zerfiel.

„ Die salzige Luft“, sagte Overdic. „Und die Zeit. Das Ding muss schon Jahrtausende hier stehen. Ohne jede Wartung. Ob es wirklich ein riesiger Sender und Empfänger ist?“

Ravon gab nicht sofort Antwort. Er betrachtete das technische Wunder mit zusammengekniffenen Augen. Viel war eigentlich nicht zu sehen – ein metallener Block mit verschiedenen Auswüchsen, eine eingelassene Kontrolltafel mit verrotteten Instrumenten, ein total verschmutzter Bildschirm, einige Leitungen – und eine silbern glänzende Metallstange, die oben aus dem Block kam und senkrecht in der Felsendecken verschwand.

„ Ja, es könnte eine Sendeanlage sein“, bestätigte Ravon. „Aber sie ist schon lange nicht mehr in Betrieb.“

Ihre Worte, auch wenn sie nur sehr leise gesprochen wurden, hallten durch das unterirdische Gewölbe, von dem Wasser noch getragen. Das Echo kam Sekunden später vom gegenüberliegenden Ufer zurück. Ravon betrachtete noch immer die fremde Anlage.

„ Versuchen wir, sie in Betrieb zu setzen“, schlug er vor. „Dann werden wir ja wissen, welchem Zweck diese Maschine dient. Vielleicht handelt es sich um einen Sender. Das Prinzip der Funkwellen ist im ganzen Universum gleich. Wenn die Maschine noch funktioniert, werden wir es gleich wissen.“

Er ging zur Kontrolltafel, während die anderen stehenblieben.

„ Energie ist vorhanden.“

Ravon probierte einige Tasten. Sehr vorsichtig und langsam drückte er sie nach unten. Es gab einige knirschende Geräusche. Eine Kontrolllampe leuchtete auf. In dem Metallblock begann es zu summen.

„ Der Bildschirm wird hell, aber er ist zu verschmutzt. Viel werden wir nicht sehen können.“

„ Wenn es tatsächlich eine Funkanlage ist, müssten wir Verbindung mit der STARFIRE aufnehmen können“, meinte Valadius.

Ravon drückte noch einige andere Tasten, doch nichts geschah. Aus dem Lautsprecher kam nur ein undeutliches Rauschen. Der Bildschirm blieb zwar hell, doch auf ihm waren nur ein paar undeutliche Wellenmuster zu erkennen. Nach dem fünften Versuch gab Ravon seine Bemühungen auf. Er betätigte die rote Taste, die er als erste betätigt hatte. Das Summen in der Maschine verstummte, und der Bildschirm erlosch. Ravon zuckte mit den Schultern.

„ Na ja, den Versuch war es wert.“

Die Fähre schaukelte plötzlich, als habe sie eine leichte Brise erfasst. Winzige Wellen rollten heran. Und dann begann das Wasser langsam zu steigen.

„ Wie ist das möglich?“, fragte Valadius. „Gibt es hier etwa Gezeiten?“

„ Das halte ich für ausgeschlossen“, antwortete Ravon. „Ich glaube eher, es hängt mit der Maschine zusammen. Offenbar wurde durch das Einschalten ein Mechanismus aktiviert, der die Höhle überflutet.“

„ Aber wozu?“

„ Um eine unbefugte Inbetriebnahme zu verhindern?“

Allmählich begann die Lage kritisch zu werden. Das Wasser stieg schneller.

„ Es muss durch den Kanal hereingepumpt werden“, sagte Ravon.

„ Wir sollten die Höhle so schnell wie möglich verlassen“, forderte Overdic.

„ Ja, Sie haben recht“, stimmte der Doktor ihm zu. Er warf noch einen bedauernden Blick auf die Maschine, dann nickte er.

Die Männer und Frauen nahmen wieder ihre Plätze in der Fähre ein. Yacoban schloss das Schott. Er steuerte das Schiff in den See und näherte sich der tiefsten Stelle in der Mitte. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, als er die starke Strömung spürte, die sich ihm entgegenstemmte. Sie kam vom Kanal her. Dann sah er im Licht der Scheinwerfer das Gitter. Es hatte sich vor die Ausfahrt geschoben und den Weg zum Meer versperrt. Aber auch ohne das Gitter wäre die Flucht durch die Strömung derart erschwert worden, dass sie mit den größten Gefahren verbunden war.

„ Zurück können wir nicht“, sagte Overdic. „Wenn das Wasser weiter steigt, kleben wir mit der Fähre bald an der Decke.“

„ Ich werde das Gitter beseitigen“, entschied Yacoban.

Er betätigte den Auslöser der Bordkanone. Grelle Energiebahnen schossen aus der Mündung und jagten auf die Gitterstäbe zu. Sie begannen zu glühen und schmolzen zusammen. Der Weg war frei. Yacoban erhöhte die Geschwindigkeit, um gegen die Strömung anzukommen. Doch der Sog war ziemlich stark. Er hielt die Fähre gefangen. Es gab nur eine Möglichkeit, um hier wieder herauszukommen. Yacoban steuerte die Fähre soweit wie möglich nach unten. Die Kraft der Strömung ausnutzend ließ er sich fast bis auf den Grund tragen.

Hier unten war der Sog nicht mehr ganz so stark. Yacoban gab sämtliche zur Verfügung stehende Energie auf das Triebwerk. Die Fähre schoss vorwärts und schlingerte hin und her. Ein Knirschen ging durch die Maschine, als sie an der Felswand entlangschrammte. Yacoban konnte nur hoffen, dass das Material der Belastung standhielt. Ein Riss in der Außenhülle würde das sichere Todesurteil bedeuten. In der Ferne entdeckte er die kreisrunde Höhlenöffnung. Yacoban hielt genau darauf zu. Die Strömung hatte etwas nachgelassen.

Schließlich hatte er es geschafft. Die Fähre verließ die Höhle und beschrieb einen kleinen Bogen nach rechts ab. Bunte Meerestiere tauchten im Licht der Scheinwerfer auf. Größere Fische jagten ganze Rudel kleinerer Schwimmkrebse und ließen sich durch das Erscheinen der Fähre nicht in ihrer Beschäftigung stören. Nach einigen Kilometern weitete sich die Schlucht. Gleichzeitig schlug das Ortungsgerät an. Overdic blickte auf den Bildschirm. Ein weißer Punkt wanderte von oben zur Mitte.

„ Es muss sich um etwas sehr Großes handeln“, sagte er. „Und es bewegt sich verdammt schnell.“

„ Ein Unterseeboot?“, fragte Yacoban.

Overdic zuckte mit den Schultern. „Die Sensoren zeigen nichts an. Aber wenn es eins ist, müsste es ja auch jemanden geben, der es steuert.“

„ Nicht unbedingt. Es könnte auch Teil eines automatischen Verteidigungssystems sein“, gab Yacoban zu bedenken.

„ Bloß das nicht“, stöhnte Overdic.

Er blickte wieder auf den Bildschirm. Der leuchtende Punkt hatte fast das Fadenkreuz in der Mitte erreicht.

„ Es ist definitiv kein Unterseeboot“, sagte Yacoban.

„ Woher wollen Sie das wissen?“

Der Major deutete mit dem ausgestreckten Arm nach vorne. Ein gigantischer Krake mit sechs langen Tentakeln tauchte im Licht der Scheinwerfer auf. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein, denn er bewegte sich mit einem Ruck auf die Fähre zu. Yacoban verringerte die Geschwindigkeit. Plötzlich zuckten die Tentakel zurück, dann streckten sie sich mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit und schon schoss der Krake mit einem mächtigen Satz nach vorne. Yacoban versuchte ein Ausweichmanöver, doch es war bereits zu spät. Die Tentakel schlangen sich um die Fähre. Die Saugnäpfe sogen sich fest. Das scharfkantige Maul näherte sich dem Cockpit. Yacoban blickte in riesige schwarze Augen, die böse glitzerten.

Unwillkürlich erinnerte er sich an die Abenteuergeschichten, die er in seiner Jugend auf dem Multimediagerät gesehen hatte. Damals wäre es ihm niemals in den Sinn gekommen, das er selbst auch mal mit einem Riesenkraken kämpfen musste. Seine Finger umklammerten den Auslöser der Bordwaffen. Das Maul des Tieres befand sich nun ganz nah vor der Scheibe des Cockpits. Die Fähre wurde in schwammiges, nachgiebiges Fleisch eingehüllt, das mit unzähligen Saugnäpfen gespickt war.

Er musste feuern, wenn sie überleben wollten. Hatte der Krake die Fähre erst einmal in seinem Maul, würde er sie mit einem einzigen Biss glatt in zwei Teile trennen. Ohne noch länger zu überlegen, betätigte Yacoban den Auslöser. Er zielt nicht einmal, sondern richtete das Geschütz nur auf diesen Fleischberg von vierzig Tonnen. Als die Wirkung des Energiestrahls den Kraken zusammenzucken ließ, begann der Kampf erst richtig. Yacoban feuerte sofort einen zweiten Schuss ab. Aber die Fangarme, die sich um die Fähre geschlungen hatten, gaben nicht nach.

Die Maschine wurde um die eigene Achse geschleudert. Der Krake war sicher tödlich verwundet. Er verfärbte sich ins Rötliche. Die Umklammerung der Fangarme lockerte sich. Yacoban erhöhte die Geschwindigkeit und steuerte die Fähre rückwärts. Das Tier schien tot zu sein, dennoch bewegte es sich noch. Erneut schnellten die Fangarme auf die Fähre zu. Sie schienen zu züngeln und wurden umhergewedelt wie Haare im Sturm, dann wieder ähnelten sie den verdorrten Ästen eines Baumes im Winter, und schließlich einem Knäuel von Schlangen, die alle auf die gleiche Beute zustürzen.

Yacoban suchte den idealen Winkel, von dem aus er dem Kraken den sicheren Todesschuss beibringen konnte. Er drückte ab, feuerte gleich wieder, traf jedoch im Eifer des Gefechts nicht den eigentlichen Körper des Ungeheuers. Die Bestie verfärbte sich gelblich. Dann drangen Unmengen dunklen Blutes aus dem Maul. Sie wirbelten wie Wolken durch das Wasser. Die furchtbaren Schmerzen, die der Krake empfinden musste, machten das Tier rasend.

Die langen Fangarme peitschten durch das Wasser. Sie rollten sich ein Stück auf, schossen dann nach vorne und streckten sich. Der Krake wirbelte herum, überschlug sich und war offenbar nicht in der Lage, seinen Gegner auszumachen. Yacoban nutzte die günstige Gelegenheit. Diesmal zielte er sorgfältiger. Und er traf den Körper. Explosionsartig wurde der Krake zerrissen. Blut und der gesamte Inhalt des Verdauungsapparates schossen heraus und bildeten eine rötlich schwarze Wolke, welche die Fähre restlos einhüllte und Yacoban jegliche Sicht nahm. Vorsichtig steuerte er die Maschine durch die blutigen Fetzen.

„ Das ist noch einmal gutgegangen“, bemerkte er.

„ Hoffentlich war es die letzte Begegnung dieser Art“, erwiderte Overdic.

Die Fähre glitt nun etwa zwanzig Meter über dem Meeresboden durch das Wasser. Das Gelände war nicht flach. Es gab kleine Hügel, dann wieder Täler. Etwas anderes stach den beiden Männern jedoch vielmehr ins Auge. Am Rande der von den Scheinwerfern erzeugten Lichtkegel ragten vor ihnen aus dem Meeresgrund einige kantige Objekte aus dem Sand. Diese Gegend war eine gewaltige Müllkippe. Da lagen Fässer neben- und übereinander, vermischten sich mit Metallteilen, Schutt und Verpackungsmaterial. Leichtere Gegenstände wurden von der Strömung über den Meeresboden getrieben.

„ Der Fluch der Zivilisation“, meinte Overdic. „Das erklärt auch, warum es hier keine Fische gibt.“

„ Vielleicht.“

Yacoban steuerte die Fähre über die Müllberge hinweg. Einige Fässer waren völlig verrostet. Zum Teil lief der Inhalt ins Meer. Der Boden zeigte eine tiefschwarze Färbung. Hinterlassenschaften einer hochtechnisierten Welt. War der Inhalt dieser Fässer der Grund, weshalb die Bewohner ihre Städte verlassen hatten? Overdic fand keine Antwort auf diese Frage. Er ging jedoch davon aus, denn im weiten Umkreis gab es keine Pflanzen. Yacoban umrundete die Müllberge und erreichte freies Gelände.

Dann tauchte im Licht der Scheinwerfer eine gigantische Kuppel auf. Sie hatte einen Durchmesser von achteinhalb Kilometern und eine Höhe von zweitausend Metern. Es existierten noch fünf kleinere Kuppeln, die durch Tunnel miteinander verbunden waren. Nirgendwo brannte Licht. Nirgendwo gab es Anzeichen dafür, dass hier noch jemand lebte.

„ Beeindruckend“, sagte Overdic.

Er kannte einige Spezies, die in Städten auf dem Meeresgrund lebten. Auch für die Menschheit war es ein lang gehegter Traum. Manchmal erfüllte er sich, aber es gab auch viele Projekte, die scheiterten. Menschen waren für das Leben unter Wasser nicht geschaffen.

Als die Entfernung nur noch einen halben Kilometer betrug, verringerte Yacoban die Geschwindigkeit. In einer weiten Kurve steuerte der die Fähre um die Kuppel herum. Auf der anderen Seite gab es eine Flutschleuse, durch man in das Innere der Kuppel gelangen konnte. Yacoban hielt direkt darauf zu. Er musste vorsichtig sein. Schon die kleinste Kollision reichte aus, um die Schleuseneinfahrt ernsthaft zu beschädigen. Die Fähre begann zwischen den transparenten Wänden zu pendeln, von denen die Schleusenkammer umschlossen wurde.

Das Manöver klappte problemlos. Es gab nur einen sanften, federnden Ruck in der Fähre. Im nächsten Moment flammten überall Lichter auf. Das hintere Schleusentor wurde automatisch geschlossen und das Wasser bis auf halbe Höhe aus der Kammer gepumpt. Dann glitt das vordere Schleusentor zur Seite. Alles geschah vollautomatisch. Das verlassen wirkende Areal erstrahlte im Glanz von Hunderten von Lichtern.

„ Wer hat denn die Beleuchtung eingeschaltet?“, fragte Yacoban. „Das gefällt mir nicht. Vielleicht sollte ich das Bordgeschütz in Position bringen. Da unten ist bestimmt noch jemand am Leben.“

„ Abwarten“, erwiderte Overdic. „Vielleicht wurde durch das Auftauchen der Fähre ein Computerprogramm aktiviert, dass das Einschleusen überwachte.“ Yacoban nahm wieder Fahrt auf, bis er eine große Halle erreichte. Dort stoppte er das Schiff und schaltete das Triebwerk aus. Gleichzeitig wurde das restliche Wasser abgepumpt.

„ Ich hätte nicht gedacht, dass die Technik noch funktioniert“, meinte Overdic.

„ Ja, erstaunlich“, pflichtete Yacoban ihm bei. „Den Sensoren zufolge haben wir sogar ausreichend Sauerstoff.“

„ Wir werden trotzdem die Raumanzüge anbehalten. Ich möchte keine böse Überraschung erleben.“

Overdic löste die Anschnallgurte, erhob sich und ging in den hinteren Teil der Fähre. Yacoban blieb im Cockpit. Über einen kleinen Monitor beobachtete er, wie Overdic und die Wissenschaftler ihre Anzüge überprüften. Die Helme ließen sie heruntergeklappt.

„ Wir sind soweit“, ertönte die Stimme des Commanders über die interne Kommunikationsanlage.

„ Verstanden“, erwiderte Yacoban. Er betätigte einige Tasten auf der Steuerkonsole. Das Schott wurde geöffnet und die Rampe ausgefahren. Mit gemischten Gefühlen verließen die Männer und Frauen die Fähre. Sie hatten nun die Möglichkeit, sich umzusehen und neugierig und kritisch zugleich den ersten Eindruck von dem Ort aufzunehmen, den sie erforschen wollten. Die Halle wirkte vernachlässigt. Alles sah so aus, als wäre sie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden.

Len Valadius hatte den untrüglichen Verdacht, dass die Luft innerhalb der Unterwasserstadt stickig roch. Es war ein seltsamer Geruch, wie nach Moder oder fauligem Holz, doch zugleich fremd und eigenartig, als ströme er durch unsichtbare Öffnungen aus einer unfassbaren Quelle. Valadius verwarf diese Idee, denn es war anzunehmen, dass es eine logische Erklärung für die schlechte Luft gab. Außerdem schienen die anderen nichts davon zu bemerken.

Commander Overdic blickte nach oben, zum kuppelförmigen Dach der Halle. Durch das transparente Material konnte man das Meer sehen. Auch Doktor Ravon war aufgefallen, was Overdic mit großen Augen beeindruckt, beinahe fasziniert beobachtete. Er bezweifelte, ob es Wirklichkeit war, was er sah. Seiner Ansicht nach handelte es sich um eine Projektion.

„ Die Konstrukteure haben wirklich Erstaunliches geleistet“, meinte Doktor Ravon.

„ Ja, nur zum Überleben hat es nicht gereicht“, erwiderte Overdic.

„ Bis jetzt ist es nur eine Theorie. Es könnte genauso gut sein, dass die Bewohner den Planeten verlassen haben.“

„ Die Drohnen haben bei ihrer ersten Erkundung keine Hinweise auf einen Raumhafen oder Abschussrampen gefunden.“

„ Das muss nichts heißen.

„ Vielleicht stoßen wir auf die Spuren einer bisher unbekannten hochentwickelten Lebensform“, ereiferte sich Valadius. „Das wäre die Krönung unserer Expedition.“

„ Sie denken an Wesen mit Kiemen oder so etwas?“, fragte Ravon sofort.

„ Nun, nicht unbedingt Wesen mit Kiemen, aber vielleicht etwas, das wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Lassen wir uns überraschen.“

Overdic gab den Wissenschaftlern ein Zeichen, ihm zu folgen. Ein dumpfes Brummen war allgegenwärtig, aber es beunruhigte ihn nicht sonderlich. Vermutlich stammte es von einem Aggregat zur Energiegewinnung. Diese unterseeische Stadt mochte viele Gefahren bergen, aber sie hatte auch etwas Vertrautes. Die wirkliche Gefahr drohte stets von jener Besonderheit des Lebens, die man mit dem Wort „Intelligenz“ bezeichnet.

Am Ende des schlauchartigen Ganges entdeckte er die Fugen eines Schotts. Es öffnete sich von selbst, als er sich bis auf einen Meter genähert hatte. Dahinter befand sich ein beleuchteter Gang mit rechteckigen Türen zu beiden Seiten. Zweifellos war diese Stadt für humanoide Lebewesen erbaut worden. Die Türen ließen sich ohne Schwierigkeiten öffnen. Sie führten fast ausnahmslos in Lagerräume. Doch die Regale, die an den Wänden standen, waren leer. Ein Raum unterschied sich jedoch von den anderen.

Er hatte eine Größe von zwanzig mal zwanzig Metern. Auf niedrigen Sockeln standen kleine Unterseeboote mit Glaskuppeln, die für eine Besatzung von höchstens zwei Personen konzipiert waren. An der Vorderseite befanden sich Metallstangen, in denen die zerfetzten Überreste von Netzen hingen. Die Boote waren stark beschädigt. In jedem Rumpf klafften faustgroße Löcher. An vielen Stellen blätterte die dunkelblaue Farbe ab. Overdic zählte sechs U-Boote. Wodurch sie angetrieben wurden, war nicht zu erkennen.

Während er im Eingang stehenblieb, machten sich die Wissenschaftler daran, die U-Boote zu untersuchen. Mithilfe ihrer Handcomputer führten sie einige Abtastungen durch und machten Fotos. Nach einer Viertelstunde hatten sie ihre Arbeit beendet. Der kleine Trupp verließ den Raum und setzten seine Erkundung fort. Overdic ging voran. Seine rechte Hand hielt er immer in der Nähe seines Blasters, um auf eine etwaige Bedrohung sofort reagieren zu können. Mit angespannten Sinnen ging er den Gang entlang, an dessen Ende sich wiederum ein Schott befand.

Es unterschied sich von allen anderen, die sie bisher gefunden hatten, durch die Größe und die friesenartige Verzierung. Das Material bestand an der Oberfläche aus transparentem Kunststoff. Darunter lag eine Schicht aus metallisch blauen und goldfarbenen Steinen, die zu Ornamenten zusammengesetzt waren. Man erkannte sofort eine goldene Sonnenscheibe mit strahlenartig geformten Schwingen, darunter zwei Ornamente aus blau funkelnden Steinen. Mit einem leisen Zischen glitt das Schott zur Seite und gab den Blick auf eine ovale stählerne Arena frei.

Sie hatte einen Durchmesser von mehr als dreißig Metern. Ringsum gab es steigend angeordnete Zuschauersitze. Dazwischen befanden sich einige größere Logen, die besser ausgestattet waren, als die normalen Sitzplätze.

„ Was halten Sie davon?“, fragte Overdic.

„ Hm, das kann ich noch nicht genau sagen“, antwortete Doktor Ravon. „Ihnen wird sicher nicht entgangen sein, dass es in dieser Stadt einige Geheimnisse und Rätsel gibt, und ich bin davon überzeugt, dass uns die Lösung dabei helfen wird, herauszufinden, was mit den Bewohnern passiert ist. Wie, das weiß ich noch nicht. Für mich genügt es vorläufig, dass es Rätsel und Geheimnisse gibt.“

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Overdics Gesicht. Er hatte Doktor Ravon als einen Mann kennengelernt, der über einen analytischen Verstand verfügte. Er sichtete erst sämtliche Anhaltspunkte, bevor er sich ein umfassendes Urteil bildete. Doktor Len Valadius, das jüngste Mitglied des Teams, machte eine Armbewegung, welche die gesamte Arena umfasst. „Wer mag hier wohl früher aufeinander losgegangen sein? Eine Arena in einer Unterwasserstadt.“

„ Was veranlasst Sie zu der Annahme, dass hier Kämpfe veranstaltet wurden?“, fragte Ravon.

„ Welchem Zweck sollte diese Arena sonst gedient haben?“

„ Es gibt viele Verwendungszwecke. Vielleicht wurden hier Theaterstücke aufgeführt oder eine andere Art der Unterhaltung.“

Valadius schlenderte auf eine Loge zu, deren Brüstung ein Kontrollpult aufwies. Die Sitze dahinter waren gepolstert. Er setzte sich und legte die Finger auf die Konsole. Knisternd baute sich vor der Loge ein flimmernder Energieschirm auf. Starke Scheinwerfer leuchteten die Arena von unten aus. Corina Opril ging in die Mitte und sah sich um. Der Boden wies keine Kratzer auf. Kämpfe wurden hier offenbar nicht ausgetragen. Aber welchem Zweck diente diese eigenartige Konstruktion? Plötzlich versank ein Teil der Arena im Boden. Rechteckige Stahlbehälter schoben sich aus dem unteren Rand, öffneten und schlossen sich in einem kaum erkennbaren Rhythmus.

Overdic riss erstaunt die Augen auf, als sich die Arena von einer Sekunde auf die andere in eine Wüste verwandelte. Ein Sturm heulte über die Dünen und trieb feine Schleier gelben Sandes vor sich her. Opril war kurz stehengeblieben. Als sie sich wieder in Bewegung setzte, hinterließen ihre Schuhe keine Abdrücke im Sand.

Eine Illusion , überlegte Overdic. Diese Landschaft musste eine Illusion sein. Aber welchem Zweck diente sie?

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