Читать книгу Die Missionen 131-140 der Raumflotte von Axarabor: Science Fiction Roman-Paket 21014 - Bernd Teuber - Страница 39
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Оглавление„ Abschalten!“, befahl Overdic.
Len Valadius blickte zu ihm herab und ließ seine Finger wiederum auf der Schaltkonsole spielen. Übergangslos verwandelte sich die Wüste in eine unter fahlem grünen Licht liegende Landschaft mit üppiger Vegetation. Die Kreatur mit dem Degen war verschwunden. Opril kam langsam auf die Füße und blickte sich irritiert um. Plötzlich gab der Boden unter ihr nach. Sie schrie und versank bis zur Brust in einem Schlammloch. Die junge Frau versuchte den Atem anzuhalten, damit die schmutzige Brühe nicht ihre Lungen überflutete. Es gelang ihr für einige Zeit, dann flimmerten rote Kreise vor ihren Augen. Sie verlor die Beherrschung über ihren Körper und riss mit einer qualvollen Anstrengung den Mund auf.
Knirschend riss der Boden auseinander. Eine tiefe Spalte öffnete sich. Glutrote Flammen schlugen ihr entgegen. Es brodelte und blubberte. In den Flammen tanzten hässliche Fratzen. Opril sah abscheuliche Gestalten, die sich auf die stürzen wollten. Immer höher leckten die Flammen und hüllten sie ein. Ihre Füße verloren den Halt. Sie fiel in die brennende Unendlichkeit, doch seltsamerweise spürte sie die Hitze nicht. Sie überschlug sich. Oben, unten, links, rechts, all das hatte keine Bedeutung mehr. Endlose glühende Weiten umgaben die junge Frau.
Brausende Stürme erfassten sie und trugen sie durch Zeit und Raum. Mit einer unvorstellbaren Geschwindigkeit raste sie durch fremde Welten und unbekannte Dimensionen. Eine furchtbare Angst bohrte sich plötzlich durch ihre Eingeweide, während ein unheimlicher Sog ihre Fallgeschwindigkeit um ein Vielfaches beschleunigte.
Abermals veränderte sich die Umgebung. Unter sich sah sie eine violette Wiese mit zahlreichen fremdartigen Pflanzen. Sie prallte hart mit den Füßen auf. Einen Herzschlag lang rang sie um ihr Gleichgewicht, dann fiel sie schwer in ein Blumenbeet. Einige Zeit lag sie bewegungslos da und fühlte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Die Todesfurcht wirkte noch in ihr nach und ließ ihre Glieder schwer wie Blei werden.
Sie versuchte zu erkennen, was wirklich mit ihr geschehen war. Gaukelten ihr die absterbenden Hirnzellen Sicherheit in einer zauberhaften Umgebung vor, die nichts als eine Illusion war? Oder hatte sie der Fall aus großer Höhe in ein Kraftfeld befördert, das sie dann in einer realen Umgebung absetzte? Langsam richtete sie sich auf und zog den Duft der exotischen Blumen ein. Plötzlich ertönte ein lautes Krächzen und Kreischen. Entsetzt blickte sie zum Himmel empor. Und dann sah sie die Schatten, die im Sturzflug angriffen.
Skelettierte Vögel mit bleich schimmernden Knochen. Die Augen glühten in einem hellen rot. Und wenn sie ihre Schnäbel aufrissen, stießen sie ein schrilles Kreischen aus. Im Sturzflug stießen sie auf Opril herab. Sie streckten der Frau ihre kräftigen Fänge entgegen. Die Krallen waren scharf wie Messer. Damit konnten sie einen Menschen nicht nur verletzen, sondern auch töten. Während sich Opril verstört zu Boden warf, rannte Overdic in die Arena.
„ Abschalten!“, brüllte er. „Schalten Sie das verdammte Ding endlich ab!“
Gleichzeitig wich er dem ersten Vogel aus. Ein harter Schnabel verfehlte seine Stirn nur knapp. Overdic duckte sich und stieß seine Faust kraftvoll nach oben. Sie traf den nächsten Vogel. Das Tier wurde hochgeschleudert, überschlug sich, torkelte flatternd durch die Luft. Mit dem nächsten Faustschlag brachte er einen Vogel zum Absturz. Das Ungeheuer prallte hart auf den Boden und schlug mit den weiten Schwingen. Overdic trat mehrmals zu. Knirschend zerbrachen die Knochen. Der Vogel löste sich auf.
„ Vorsicht!“, schrie Opril.
Overdic wirbelte herum und stieß die dolchartigen Fänge, die seinen Hals packen wollten, zur Seite. Dann zertrümmerte er das Skelett mit einem Schlag, in den er seine ganze Kraft legte. Die anderen Vögel schwirrten aufgeregt empor. Overdic wandte sich wieder Opril zu. Eines der Tiere stürzte auf sie herab. Er rannte los, erkannte aber sofort, dass er nicht rechtzeitig bei ihr eintreffen würde, um sie vor dem gefährlichen Angriff zu bewahren. Er zog seinen Blaster aus dem Holster, zielte auf den Vogel und drückte ab. Der Energiestrahl traf sein Ziel. Das Knochentier zersprang in tausende Einzelteile.
Overdic erledigte auch gleich den zweiten Vogel, dann stellte er sich der restlichen kreischenden Schar. Zwei weitere Skelettvögel vernichtete er mit gezielten Schüssen. Die verbliebenen Tiere erhoben sich in die Luft, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Opril kam schwerfällig auf die Füße. Der Schock saß so tief, dass sie kaum ein Wort hervorbrachte.
„ Verdammt“, stöhnte sie immer wieder kopfschüttelnd. „Verdammt, verdammt ...“
Overdic steckte seinen Blaster wieder in den Holster. „Doktor Valadius, können Sie mich hören? Schalten Sie den Apparat endlich ab!“
Er wartete auf eine Antwort, doch er bekam keine.
Valadius schaltete erneut. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse und bedeckte sich mit Schweiß. Ihm war offenbar klar geworden, dass er die Kontrolle über die fremdartige Maschine verloren hatte. Plötzlich verwandelte sich der Dschungel in eine bizarre Eislandschaft. Es ist nur eine Illusion , redete Overdic sich ein, trotzdem begann er zu frieren. Hoffentlich gelang es Valadius endlich, den Apparat zu deaktivieren. Hinter ihm ertönte ein dumpfes Knurren. Overdic wirbelte herum. Vor ihm stand eine weiße, beharrte Kreatur. Sie überragte ihn um mindestens zwei Köpfe. Die Hände bestanden aus Pranken mit gefährlichen Krallen.
Fauchend starrte ihn die Bestie mit glühenden Augen an. Als sie das Maul öffnete, entblößte sie ein Raubtiergebiss mit spitzen Eckzähnen. Overdic wusste, dass diese Kreatur in der Lage war, ihn mit einem einzigen Biss oder Tatzenhieb zu töten. Und genau das hatte sie vor. Geschmeidig kam das Wesen auf ihn zu. Overdic wich zurück. Stinkender Atem wehte ihm aus dem weit aufgerissenen Rachen entgegen. Die scharfen Zähne waren genauso weiß wie der Schnee. Die Bestie duckte sich zum Sprung.
Overdic stieß gegen einen Eisblock, der hinter ihm aufragte. Er konnte nicht mehr weiter zurückweichen. Auge in Auge standen sie einander gegenüber. Die Bestie und ihr Opfer. Die Kreatur stieß sich kraftvoll ab. Ein ohrenbetäubendes Gebrüll begleitete den Angriff. Mit einem weiten Satz flog sie Overdic entgegen. Das Maul war weit aufgerissen. In den Augen loderte die Gier nach Beute. Die Bestie riss die rechte Pranke zum mörderischen Schlag hoch.
Overdic sackte im entscheidenden Moment nach unten und sprang zur Seite. Die Pranke traf nicht ihn, sondern den Eisblock. Die scharfen Krallen hinterließen tiefe Einkerbungen. Overdic landete im Schnee. Seine Hand näherte sich dem Blaster. Im nächsten Moment wirbelte die Bestie herum. Sie hatte wohl geglaubt, leichtes Spiel mit dem Commander zu haben. Dass er Schwierigkeiten machen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Overdic war im Begriff, diese Schwierigkeiten auszuweiten.
Blitzschnell riss er den Blaster aus dem Holster. Vermutlich ahnte die Bestie nicht, wie gefährlich die Waffe war. Sie griff den Commander an, obwohl er seinen Blaster genau auf sie richtete. Overdic drückte überhastet ab, rollte zwei Mal über den Boden, feuerte noch einmal. Die Kreatur brüllte auf. Der erste Energiestrahl hatte sie verfehlt. Beim zweiten Mal war es lediglich ein Streifschuss. Doch er reichte aus, um der Bestie wahnsinnige Schmerzen zu bereiten.
Sie verlor nicht nur die Lust, Overdic anzugreifen, sondern begriff auch, dass er in der Lage war, ihr Leben mit einem präzisen Schuss zu beenden. Dazu wollte sie es nicht kommen lassen. Bevor er ein weiteres Mal abdrücken konnte, sprang sie mit einem gewaltigen Satz aus seinem Schussfeld. Opril konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen, als das Wesen auf sie zustürmte. Sie bekam einen Schlag mit der Pranke, stieß einen spitzen Schrei aus und stürzte zu Boden. Die Bestie wollte fliehen, doch im nächsten Moment überlegte sie es sich anders. Die Frau schien eine lohnende Beute zu sein. Nur ein Prankenschlag trennte sie vom sicheren Tod.
Die Kreatur stieß ein triumphierendes Gebrüll aus. Mit weit aufgerissenem Rachen stürzte sie sich auf Opril. Overdic feuerte ohne zu zögern. Der grelle Energiestrahl bohrte sich in den Leib des Monsters. Von einer Sekunde auf die andere verwandelte es sich in ein Skelett. Die Knochen fielen auseinander und lösten sich auf. Overdic schob seinen Blaster in den Holster. Plötzlich hatte er den Eindruck, alles um ihn herum würde sich um eine unsichtbare Achse drehen. Grelle Lichtkaskaden blitzten auf. Eine furchtbare Angst bohrte sich durch seine Eingeweide. Würden sie je wieder einen Weg aus diesem Alptraum finden?
Abermals veränderte sich die Umgebung. Sie befanden sich in einer Ruinenstadt. Zwischen den zerstörten Häusern türmten sich gewaltige Schuttberge. Overdic ging zu Opril hinüber. Der Weg war ziemlich uneben. Er musste aufpassen, dass er nicht stolperte. Deshalb achtete er auch nicht auf den Schuttberg, der sich plötzlich in halber Höhe zu bewegen begann. Steine gerieten ins Rutschen. Ein Loch wurde freigelegt. Wie ein Pfeil schoss eine lange gelbe Zunge daraus hervor. Das Geräusch ließ Overdic herumfahren. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er zu dem Berg hinüber.
Im nächsten Moment tauchte ein gewaltiger Echsenkopf auf, der doppelt so groß war, wie der eines Menschen. Die Haut zeigte eine grüne Farbe. Dazwischen schimmerten vereinzelt braune Schuppen. Die beiden Kiefer bewegten sich auf und ab, als sie das Maul bewegte. Lange, spitze Zähne kamen zum Vorschein. Die großen Augen quollen weit hervor und starrten Overdic an. Die Echse bewegte den Kopf. Ihr Körper wand sich weiter nach vorne und kam aus dem Schuttberg heraus.
„ Ich glaube, ich spinne“, flüsterte Overdic.
Er überlegte, wie er sich verhalten sollte. Dabei ließ er die Echse nicht aus den Augen, die immer weiter kroch und von der nur noch ein Teil des langen Schwanzes im Schuttberg steckte. Opril war ohne Bewusstsein. Wenn er mit ihr fliehen wollte, musste er sie tragen. Aber sie wären nicht schnell genug, um diesem Monster zu entkommen. Plötzlich wischte die klebrige Zunge aus dem Maul. So schnell, das Overdic es kaum verfolgen konnte. Dicht vor ihm klatschte die Zunge zu Boden.
Seine Hand wanderte zu dem Griff des Blasters. Er musste etwas unternehmen. Wenn dieses riesenhafte Geschöpf zuschnappte, war es aus. Das Tier hatte den Schuttberg inzwischen vollständig verlassen. Es rutschte auf der einen Seite hinunter und löste eine Steinlawine aus, die der gepanzerten Haut jedoch nichts anhaben konnte. Mit ihrem langen, hornigen Schwanz fegte sie die im Weg liegenden Steine zur Seite. Die Beine waren fast einen Meter lang. Wieder schnellte die Zunge aus ihrem Maul. Noch war die Entfernung zu den beiden Menschen zu groß, doch sie kam langsam näher.
Overdic wich zur Seite. Er wollte die Echse von Doktor Opril weglocken. Im selben Moment griff die Echse an. Die Zunge schnellte aus dem Maul, schlug in der Luft einen Bogen und kam auf den Commander zu. Overdic wich dem Angriff aus. Die Zunge verfehlte ihn. Er kniete sich hin, zog den Blaster aus dem Holster und jagte der Echse zwei Energiestrahlen ins Maul. Er sah genau, wie sie in den Schlund stießen und die Haut aufrissen, doch erledigt war die Bestie noch nicht. Im Gegenteil. Es machte die Echse noch wütender. Wahrscheinlich hatten ihr die Energiestrahlen nicht geschmeckt.
Sie riss den massigen Schädel hoch und stieß ein lautes Knurren aus. Und genau das war Overdics Chance. Abermals feuerte er zwei Schüsse ab. Mit tödlicher Präzision bohrten sie sich in den Hals. Er rechnete damit das sie den Kopf vom Körper der Bestie trennen würden, doch seine Erwartungen wurden enttäuscht. Die Energiebahnen trafen den Panzer, ohne einen nennenswerten Schaden anzurichten. Overdic stand da und staunte. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet.
Die Waffe verschoss gebündelte Energiestrahlen, die sogar eine Metallwand durchdringend konnten. Warum klappte es hier nicht? Er fand keine Erklärung. Es blieb ihm allerdings auch nicht genug Zeit, um nach einer Erklärung zu suchen. Er entfernte sich noch ein paar Schritte von Opril. Für die Frau hatte die Echse keinen Blick. Ihre großen, hervorquellenden Augen waren allein auf den Commander gerichtet. Hastig schaute er sich nach einem Ausweg um. Der Weg nach vorn war durch die Riesenechse versperrt. Seitwärts konnte er auch nicht ausweichen. Mit ihrer langen Zunge hätte sie ihn sofort gepackt. Ihm blieb nur die Flucht nach hinten.
Overdic setzte sich in Bewegung. Während des Laufens schaute er über die Schulter zurück. Die Riesenechse folgte ihm. Und sie holte auf. Wenn sie jetzt mit der Zunge zustieß, war er erledigt. Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als sie aus dem Maul schnellte. Er ließ sich zu Boden fallen, rollte sich zur Seite und hörte, wie die Zunge neben ihm aufklatschte. Sofort kam er wieder auf die Füße. Die Echse zog ihre Zunge zurück. Sie stand geduckt da. Es sah so aus, als würde sie springen.
In einiger Entfernung entdeckte Overdic einen Schuttberg, der sich als Deckung eignete. Im selben Moment wuchtete die Echse ihren gewaltigen Körper hoch. Ihr Schatten verdunkelte den Himmel. Sie flog genau auf Overdic zu. Er rannte, entging zwar der Echse, aber nicht ihrer Zunge. Sie schnellte über den Boden und wickelte sich um seinen rechten Fußknöchel. Mit einem Ruck wurde er von den Beinen gerissen. Der Blaster entfiel seiner Hand und landete auf dem Boden. Die Zunge hatte sich mehrere Male um seinen Fußknöchel geschlungen, das erkannte er, als er sich zur Seite drehte, und die Echse ihn auf ihr gewaltiges Maul zuzog.
Aber er wollte nicht sterben. Obwohl die Angst in ihm hochschoss, kämpfte er gegen sein Schicksal an. Mit beiden Händen versuchte er, sich am Boden festzuhalten, doch die Kraft der Zunge war um ein Vielfaches stärker. Sie riss ihn weiter. Stück für Stück näherte er sich dem Maul der Bestie. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er darin verschwinden würde. Doch er wollte nicht aufgeben. Hart stemmte er sich gegen die Kraft des Monsters.
Ihm fiel das Lasermesser ein, das er in der Beintasche seines Anzugs trug. Es war seine einzige Chance. Er stemmte sich nur mit einer Hand ab, die andere, öffnete die Tasche. Seine Finger tasteten nach dem Griff. Er fand ihn. Rasch zog er das Messer hervor und betätigte den Knopf. Eine rotglühende Laserklinge schob sich auf dem Griff. Overdic drehte sich auf den Rücken und zog seinen Körper zusammen. Er sah die dicke, klebrige Zunge und schnitt mit dem Messer hinein.
Im ersten Augenblick hatte er das Gefühl, mit der Klinge auf Leder zu treffen, aber dann spitzte eine grünlich schimmernde Flüssigkeit aus der Wunde. Die Zunge zuckte unkontrolliert hin und her. Overdic wurde mitgerissen und über den Boden geschleudert. Das Messer rutschte ihm aus der Hand und landete einige Meter entfernt zwischen den Steinen. Die Echse schüttelte unwillig den Kopf. Dann stampfte sie auf den Commander zu.
Overidic packte einen Stein und schleuderte ihn in das aufgerissene Maul des Gegners. Die Echse klappte beide Kiefer zu, doch den Stein konnte sie nicht zermalmen. Für einen Augenblick war sie irritiert. Overdic sah sich nach seinem Blaster um. Er wusste, dass er mit der Waffe nicht viel gegen den starken Panzer ausrichten konnte, aber trotzdem hatte die Bestie eine Schwachstelle, die vollkommen schutzlos war. Er musste die Augen treffen. Schließlich entdeckte er den Blaster. Er lag am Fuß einer Geröllhalde.
Auf Händen und Füßen kroch Overdic darauf zu. Die Echse kam hinter ihm her. Immer wieder riss sie ihr Maul auf und ließ die blutige Zunge hervorschnellen. Overdic erreichte den Blaster. Seine Finger umklammerten den Kolben. Gleichzeitig drehte er sich herum und feuerte. Der Energiestrahl bohrte sich in das rechte Auge. Die Echse brüllte. Ihrer Sehkraft beraubt schleuderte sie zuerst ihren gewaltigen Schwanz in die Höhe und warf dann den massigen Körper herum.
Overdic musste sich zur Seite rollen, sonst wäre er getroffen worden. Die Zunge klatschte nur wenige Zentimeter neben ihm auf den Boden. Das Monster schlug um sich, trampelte mit den Füßen und brüllte. Aber noch gab sie nicht auf. Der Schwanz peitschte hoch, prallte auf den Boden und riss dort Löcher und Furchen. Overdic hatte Mühe, sich vor dieser gefährlichen Waffe in Sicherheit zu bringen. Abermals hob er seine Waffe. Diesmal zielte er auf das andere Auge.
Sein Zeigefinger betätigte den Auslöser. Doch er hatte zu überhastet geschossen. Der Energiestrahl verfehlte sein Ziel. Er streifte lediglich den Kopf der Echse. Sie musste trotzdem etwas gespürt haben, denn sie zuckte zurück. Sofort feuerte Overdic den nächsten Schuss ab. Diesmal traf er. Eine grüne Flüssigkeit spitzte aus der Wunde. Die Echse bäumte sich auf, stieß einen lauten Schrei aus und stürzte zu Boden. Eine Staubwolke wurde emporgewirbelt. Als sie sich senkte, lag die Echse regungslos zwischen den Steinen. Doch Overdic traute dem Frieden nicht. Vielleicht gab es hier noch weitere Monster. Er blickte sich um, doch seine Sorge schien unbegründet. Es gab keine weiteren Echsen.
Stöhnend sank er zurück. Sein Atem ging keuchend. Über ihm spannte sich ein blauer Himmel, aber er wusste, dass es nur eine Illusion war. Mühsam richtete er sich auf und schob den Blaster zurück ins Holster. Plötzlich setzte ein leichtes Summen und Vibrieren ein. Es wurde lauter und intensiver. Einige Sekunden behielt das Summen die Lautstärke bei, dann wurde die Frequenz erhöht, fiel ab und baute sich erneut auf. Overdic hatte das Gefühl, die ganze Umgebung bewege sich. Die Ruinen schwangen rhythmisch, der Boden wölbte sich und der Himmel beschrieb wellenartige Bewegungen.
Lichter flackerten in allen möglichen Farben. Die Umgebung wurde in ein blutiges Rot getaucht, dann folgte ein grelles Grün, das wiederum von einem intensiven violett abgelöst wurde. Die Farbwechsel erfolgten in immer kürzeren Abständen, bis alles in einem hellen Weiß erstrahlte. Von einem Moment auf den anderen war der Spuk vorbei. Sie befanden sich wieder in der Arena. Corina Opril rührte sich nicht. Overdic hob sie vorsichtig hoch und brachte sie zu den anderen. Dort legte er sie vorsichtig auf den Boden.
„ Ist sie ...?“, fragte Doktor Ravon.
„ Nein, sie lebt.“
Er schob den rechten Ärmel ihrer Kombination hoch. Der Stoff war unbeschädigt, doch auf der matt glänzenden nackten Haut zeichneten sich vier blutige Kratzer ab. Ravon kam herbei und untersuchte das Material der Kombination.
„ Eigenartig “, stellte er fest. „Wie ist das möglich?“
„ Die Wunden sind durch Einbildung entstanden“, erwiderte Overdic. „Ein Psychostigma. Glaubt man fest genug an etwas, wird es subjektiv zur Wirklichkeit.“
„ Sie scheinen mit so etwas Erfahrung zu haben“, vermutete Ravon.
„ Eigentlich nicht. Aber es ist die einzige Erklärung, die mir im Augenblick einfällt.“
Len Valadius stieg aus der Loge herab. Er zitterte. „Ich habe nicht geahnt, was ich da auslöste.“
„ Das sollte Ihnen eine Warnung sein“, entgegnete Ravon. „Fassen Sie hier nichts mehr an. Wer weiß, was sonst noch alles passiert.“
„ Es ist nicht seine Schuld“, sagte Overdic. „Woher hätte er das wissen sollen?“
„ Er ist Wissenschaftler.“
„ Mich würde mehr interessieren, wozu diese merkwürdige Arena diente?“, meinte Throm Keblov. „Zu Unterhaltungszwecken oder zur Bestrafung?“
„ Vermutlich beides“, sagte seine Frau. „Welch krankes Gehirn denkt sich so etwas nur aus?“
„ Vielleicht sollten wir umkehren“, schlug der Commander vor.
„ Auf keinen Fall“, widersprach Ravon. „Ich halte es für falsch, zurückzugehen. Wir haben eine Mission zu erfüllen. Außerdem möchte ich erfahren, was mit den Bewohnern geschah.“
„ Neugier ist kein Motiv“, sagte Overdic,
Ravon lachte rau. „Für einen Wissenschaftler schon. Ich habe meinen Willen bisher immer durchgesetzt. Geben Sie sich also keine Mühe.“
„ Na schön, gehen wir weiter. Aber berühren Sie keine Apparate mehr, deren Zweck Sie nicht kennen.“
Overdic ließ sich von Lea Keblov die Medi-Tasche geben und behandelte die Wunden mit Heilplasma. Einige Minuten später kam Corina Opril wieder zur sich. Sie richtete ihre glänzenden Augen auf Overdic.
„ Wie schlimm ist es?“ Ihre Stimme klang ängstlich.
„ Keine Sorge“, antwortete der Commander. „Das heilt bald wieder.“
Er half ihr auf die Füße und führte sie Richtung Ausgang. Die anderen Wissenschaftler folgten ihnen. Mit einem leisen Zischen glitten die Schotthälften zur Seite. Die Männer und Frauen setzten ihren Weg fort. Auf beiden Seiten des Ganges gab es mehrere Türen. Sie ließen sich problemlos öffnen. Einige führten in spärlich eingerichtete Wohnräume, hinter anderen entdeckten die Wissenschaftler schrottreife Maschinen, deren Verwendungszweck nicht ersichtlich war.
Der Gang endete vor einem weiteren Schott, das zur Seite glitt, als sich der Trupp ihm näherte. Dahinter lag eine scheibenförmige Halle. Silberblaues Licht schuf eine eigentümliche Atmosphäre. Mitten in der Halle standen, vier Meter voneinander entfernt, auf massiven Sockeln aus glasartigem Stein, die Statuen zweier Tiere mit mächtigen Flügeln und weit aufgerissenen Schnäbeln. Doktor Ravon ging auf eine Statue zu und fuhr mit zitternden Fingern über die glatte Oberfläche.
„ Fantastisch“, flüsterte er. Seine Augen flackerten. „So etwas Beeindruckendes habe ich noch nie gesehen.“
Als sie weitergingen, kamen sie in einen wohnlich ausgestatteten Bereich. Zehn Sitzschalen aus Kunststoff waren über das gesamte Areal verteilt. Eine zehn Meter durchmessende runde Liege stand in der Mitte. Die Wände waren mit hellgrauem Leder bespannt, auf denen in gelber Farbe Fischmotive prangten.
„ Endlich eine Oase der Entspannung“, seufzte Valadius erleichtert, während er auf die Liege zuging. Er legte sich hin und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„ Es fehlt nur noch gedämpfte Musik“, sagte Lea Keblov, „und ein paar Roboter, die uns Essen zubereiten.“
Overdic hörte nur mit halbem Ohr zu. Misstrauisch musterte er die Wände. Dieser Raum war ihm zu kultiviert eingerichtet. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„ Die Wände sind in Ordnung“, meldete Throm Keblov und deutete auf den Bildschirm seines Handcomputers. „Ich werde jetzt die Decke abtasten.“ Auch diesmal fand er nichts, das auf eine Gefahr hindeutete.
„ Ich schlage vor, dass wir eine kleine Pause einlegen, damit wir uns erholen können“, sagte Valadius. „Anschließend setzen wir unsere Erkundung fort.“
„ Nein“, widersprach Ravon. „Dafür haben wir keine Zeit. Wir müssen so viel wie möglich über diese unterseeische Stadt und diejenigen, die sie errichtet haben, erfahren. Das ist die Marschrichtung, die wir einschlagen. Ausruhen können Sie sich, wenn wir wieder auf der STARFIRE sind.“
Valadius erhob sich langsam. „Na, schön, dann werden wir unsere kleine Odyssee fortsetzen.“
Die Männer und Frauen verließen den Raum. Als sie auf den Gang hinaustraten, flackerte für einen kurzen Moment die Beleuchtung. Dann wurde es dunkel.
„ Na, großartig“, sagte Overdic. „Das hat uns gerade noch gefehlt. Wenn die Energieversorgung ausfällt, kommen wir hier nicht mehr raus.“
Im nächsten Moment flammte die Beleuchtung wieder auf.
„ Sie haben sich ganz umsonst Sorgen gemacht“, meinte Ravon. „Die Energieversorgung funktioniert einwandfrei.“
„ Das denke ich nicht. Wenn es noch weitere Ausfälle gibt, haben wir ein echtes Problem. Die Apparate sind schon sehr alt. Wir können nicht erwarten, dass sie nach so langer Zeit noch einwandfrei funktionieren.“
„ Was erwarten Sie?“, fragte Ravon. „Sollen wir unsere Untersuchung abbrechen?“
„ Nein, aber wir sollten keine unnötige Zeit mit Diskussionen vergeuden.“
Unter Overdics Führung setzte sich der kleine Trupp wieder in Bewegung. Auf der rechten Seite zweigte ein Gang ab. Er unterschied sich deutlich von den anderen. Die Wände glänzten in einem matten Weiß. Der Gang endete vor einem breiten Schott. Als sich die Männer und Frauen näherten, glitt es mit einem leisen Zischen zur Seite. Dahinter befand sich ein medizinisches Labor. Dieser Teil der Stadt war eine Welt für sich. Und sie war auf einem sehr hohen medizinischen Stand. Das registrierte Doktor Ravon mit wenigen Blicken.
Hier konnte praktisch alles gemacht werden, und es gab keine Art von Operation, die man hier nicht hätte durchführen können. Auf der rechten Seite gab es mehrere Regale mit Gläsern, in denen Organteile in einer gelben Flüssigkeit schwammen. Auf der anderen Seite befanden sich eingebaute Schränke. Einige waren geöffnet. In ihnen blinkte Glas. Auf mehreren Tischen, die in drei Reihen angeordnet waren, lagen Destillierkolben, Reagenzgläser, Retorten und Schalen.
Unter den Tischen entdecken die Männer und Frauen einen Haufen beschädigter, tropfenförmiger Gefäße. In einer Ecke hing eine Art verglaster Rauchabzug, in der anderen gähnte eine quadratische Öffnung. Zwischen den Regalen auf der rechten Seite gab es eine Tür. Sie führte in einen Raum, in dem riesige, bauchige Flaschen standen, die mit einer grünen, schmierigen Masse gefüllt waren. An einem Glassplitter, der aus dem Scherbenhaufen herausragte, entdeckte Valadius einige Symbole. Er wollte ihn herausziehen, aber Throm Keblov hinderte ihn daran.
„ Rühren Sie besser nichts an. Gehen Sie hier durch.“
Er wies auf den freien Raum zwischen den Tischen.
„ Was ist das?“, fragte Valadius, während er auf einen metallischen Behälter deutete. Ein kleines Fenster war in den Zylinder eingelassen, sodass man in das Innere blicken konnte.
„ Bakterienkulturen“, antwortete Throm Keblov. „Sie können größte Hitze und tiefste Temperaturen aushalten.“
„ Inzwischen müssen sie doch längst abgestorben sein.“
„ Möglich. Trotzdem sollten wir vorsichtig sein.“
Die Wissenschaftler gingen weiter. Bei jedem Schritt wirbelte feiner Staub auf.
„ Hier drüben liegen einige medizinische Instrumente“, sagte Corina Opril. Sie deutete auf die metallenen Gegenstände, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Die meisten wirkten sehr fortschrittlich, aber es gab auch welche, die an altertümliche Folterinstrumente erinnerten. Auf einem anderen Tisch standen die Überreste eines Computers. Jemand hatte das Gerät in einen Trümmerhaufen verwandelt. Kabel und Platinen bildeten ein wildes Durcheinander.
„ Schade“, meinte Ravon. „Ich hätte die wissenschaftlichen Daten zu gerne ausgewertet. Sie hätten uns viele Informationen über die ehemaligen Bewohner liefern können.“
Auf der linken Seite gab es eine Tür, die zu den Patientenzimmern führten. Durch Glasscheiben konnte man in das Innere sehen. Sämtliche Zimmer waren leer.
„ Ich glaube nicht, dass wir hier noch etwas finden werden“, sagte Ravon.
„ Und was ist mit der Masse, die sich in den Behältern im Nebenraum befindet?“
„ Darum werden wir uns später kümmern. Jetzt machen wir erst einmal eine Bestandsaufnahme, anschließend sehen wir weiter.“
Die Männer und Frauen verließen das Labor und setzte ihren Erkundungsgang fort.
„ Wie haben die Bewohner sich hier bloß zurechtgefunden?“, fragte Valadius. „Nirgendwo gibt es Hinweisschilder. Nur diese seltsamen Symbole an den Wänden.“
„ Ja“, bestätige Ravon. „Aber diese Symbole haben durchaus etwas Vertrautes.“
„ Wie meinen Sie das?“
„ Sie beschränken sich auf das Notwendigste. Wenn man ihre Bedeutung kennt, findet man sich hier vermutlich schneller zurecht, als wenn man Hinweisschilder zurate ziehen müsste.“
„ Das ist Ansichtssache“, meinte Valadius.
„ Hören Sie das?“, fragte Overdic.
Die Männer und Frauen blieben stehen. Aus der Ferne ertönte ein dumpfes Brummen.
„ Was ist das?“, fragte Throm.
„ Eine Maschine“, antwortete Valadius überflüssigerweise.
„ Das ist mir schon klar. Aber welchen Zweck erfüllt sie?“
„ Wir sollten es herausfinden“, mischte sich Ravon ein. „Dieses Geräusch haben wir doch vorhin schon gehört.“
Das Brummen wurde immer lauter. Der kleine Trupp folgte dem Geräusch. Schließlich gelangten sie an ein Schott. Overdic legte die Hand auf die Stahlplatte und spürte ein schwaches Vibrieren. Dann verschwand das Schott so schnell in der Wand, dass er beinahe gestolpert wäre. Overdic und die Wissenschaftler blickten in eine Halle, die mit großen Maschinen angefüllt war. Eine dicke Staubschicht hatte sich auf dem Boden gebildet. Sie wirbelte empor, als sich der Commander den nächsten Maschinen näherte.
Infolge der fast lückenlosen Verkleidung konnte er nicht erkennen, welchem Zweck sie dienten, er war jedoch davon überzeugt, dass es etwas mit Energiegewinnung zu tun hatte. Ein fast meterdicker Kabelstrang führte aus dem Unterteil der Maschine in die Wand. Sämtliche Geräte zeigten starke Abnutzungsspuren. Doktor Ravon ging zu einer der beiden offenstehenden Türen. Er blickte in eine zweite Halle. Auch hier standen einige Maschinen. Sie machten einen verwahrlosten Eindruck. Man konnte deutlich die Rostspuren erkennen. Ein schwaches Brummen ging von ihnen aus. Aufgrund des Zustands grenzte es an ein Wunder, dass die Maschinen überhaupt noch funktionierten.
Doktor Ravon trat näher an eine heran und betrachtete sie eingehend. An der rechten oberen Ecke war ein Schild angebracht. Mit einer schnellen Handbewegung wischte der die Staubschicht beiseite und warf einen Blick auf die Symbole. Man sah seinem Gesichtsausdruck an, dass er scharf nachdachte. Dann holte er seinen Handcomputer aus der Beintasche seines Anzugs, schaltete ihn ein und hielt ihn vor die Symbole. Nach wenigen Sekunden war der Scan-Vorgang abgeschlossen. Er lächelte zufrieden, als er das Ergebnis auf dem Bildschirm sah.
„ Diese Maschinen dienen zweifellos der Energiegewinnung.“
„ Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Overdic.
Ohne zu antworten schob Doktor Ravon den Handcomputer wieder in die Beintasche. Er wandte sich um und ging zur zweiten Tür. Sie führte in einen breiten Korridor, der sich allmählich senkte. Nachdem er Overdic darauf aufmerksam gemacht hatte, beschlossen sie, in dieser Richtung weiterzuforschen. Sie gingen den Korridor entlang und stießen nach einiger Zeit auf einen Raum, in dem morsche Kisten und schrottreife Geräte lagerten. Hinter einem Kistenstapel entdeckten sie die Fugen eines Schotts. Es war verrostet und die orange Farbe blätterte in großen Fetzen ab.
Kurzentschlossen schob Doktor Ravon die Kisten beiseite. Sie zerfielen, als er sie berührte. Kleine Brocken einer grünen Substanz rollten auf den Boden. Doch er kümmerte sich nicht weiter darum. Wie die meisten Wissenschaftler verzichtete er darauf, nach der Lösung von Rätseln zu forschen, die nur Randerscheinungen bei der Suche nach einem größeren Ziel waren. Stattdessen versuchte er, das Schott zu öffnen. Doch es widerstand seinen Bemühungen.
Offenbar funktionierte der Öffnungsmechanismus seit vielen Jahren nicht mehr, und die Dichtungen waren verrottet und hatten sich mit dem Rahmen des Schotts chemisch verbunden.
„ Gehen Sie zur Seite“, sagte Overdic. Er zog seinen Blaster und ließ den scharf gebündelten Energiestrahl über die schwarze Fuge wandern. Nach einigen Minuten schwankte das Schott, neigte sich und fiel polternd um. Eine dichte Staubwolke wallte auf. Hinter der Öffnung war es hell. Als die Männer und Frauen eintraten, sahen sie einen langgestreckten Raum mit Wänden, die vor Feuchtigkeit glitzerten. Er war vollkommen leer – bis auf das Skelett eines annähernd humanoiden Lebewesen.
Langsam ging Doktor Ravon näher und beugte sich über das weiße Skelett. Er sah die Knochen von sehr langen Beinen, einen normalen Rumpf mit breitem Brustbein und an den Enden der langen dünnen Arme, die Knochen von Händen, die über fünf Finger verfügten. Unwillkürlich schüttelte Doktor Ravon den Kopf. Er musterte den Schädel, sah die breite, hochgewölbte Stirn und die weit ausladenden Hinterhauptknochenplatten.
Die Todesursache ließ sich nicht so einfach feststellen. Keiner der Knochen wies eine Fraktur auf. Es gab auch keine Verbrennungen, wie sie von Strahlwaffen hervorgerufen werden. Für Overdic verstärkte der Anblick des Skeletts das Gefühl drohender Gefahr.
„ Nun, Doktor, was denken Sie? Haben wir es hier mit einem der ehemaligen Bewohner dieses Planeten zu tun?“
„ Das kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen“, erwiderte Ravon. „Dazu müssten wir das Skelett einer genaueren Untersuchung unterziehen.“
„ Aber Sie haben eine bestimmte Vermutung, nicht wahr?“
„ Vielleicht, aber es ist noch zu früh, um sie in Worte zu fassen. Ich brauche noch mehr Fakten.“
Das Forscherteam setzte sich wieder in Bewegung. Sie durchquerten den langgestreckten Raum und kamen vor ein weiteres verrostetes Schott. Auch hier erwies sich Overdics Blaster als der einzig passende Schlüssel. Dahinter lag eine große niedrige Halle mit halb zerfallenen Stahlregalen. Ein ehemaliger Lagerraum. Bis auf die Regale war er leer. Nichts deutete darauf hin, was hier vor langer Zeit einmal gelagert worden war. Das Schott am gegenüberliegenden Ende stand offen.
Die Männer und Frauen gingen hindurch. Sie fanden sich in einer Verteilerhalle wieder. Transportbänder zerbröckelten unter den Sohlen der Raumfahrerstiefel. Das Stahlskelett einer Art Drehweiche war von sinterartigen Wucherungen überzogen. Fünf große Tore verrieten, woher die Transportbänder gekommen waren und wohin sie geführt hatten, zumindest was die Richtung anging.
„ Ich möchte wissen, wer das alles erbaut hat“, murmelte Overdic. Ihm war unbehaglich zumute.
Ein schwaches Knirschen alarmierte ihn. Er gab den Wissenschaftlern ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten. Dann wich er bis zum geöffneten Schott zurück, lehnte sich an die Wand daneben und lauschte angestrengt. Wieder ertönte das Knirschen. Es schien aus dem Tor zu kommen, das sich auf der rechten Seite befand. Der Commander zog den Blaster aus dem Holster und wartete. Er versuchte sich einzureden, dass er völlig kalt war, aber das dumpfe Pochen seines Herzens bewies das Gegenteil. Er zog die Lippen zurück und grinste.
Das Knirschen wurde lauter, kam offenbar näher. Dazu gesellte sich ein Poltern und helles Quietschen. Im nächsten Moment rollte ein halbkugelförmiges metallisches Gebilde auf drei rostigen Rädern aus dem Tor und hielt an. Overdics Anspannung wich einer plötzlichen Heiterkeit. Er lachte, als ihm das Komische der Situation bewusst wurde. Der Roboter starrte ihn aus seinen leuchtenden Augen an. Dann drehte er den Kopf und blickte zu den Wissenschaftlern hinüber.
„ Hallo“, sagte Overdic. „Kannst du mich verstehen?“
Der Roboter musterte ihn von oben bis unten, doch er antwortete nicht.
„ Bist du allein hier unten?“, versuchte es der Commander noch einmal.
Auch diesmal erhielt er keine Antwort. Stattdessen wandte sich der Roboter um und fuhr mit quietschendem Fahrgestell über die Reste eines Transportbandes davon.
„ Merkwürdiger Kerl“, meinte Doktor Ravon.
„ Wir sollten ihm folgen“, entschied Overdic. „Er kennt sich hier offenbar gut aus.“
„ Na gut.“
Die Männer und Frauen setzten sich wieder in Bewegung. Nach einigen Metern gelangten sie in eine Halle, die bis in die Unendlichkeit zu reichen schien. Überall lagen Skelette. Einen Herzschlag lang zögerte Overdic und erwog die Möglichkeit, in eine Falle zu geraten, doch dann siegte die Neugier über das angeborene Sicherheitsbedürfnis. Während er seine Umgebung wachsam beobachtete, ging er zu dem nächstliegenden Skelett und beugte sich nach unten. Die Knochen stammten von einem Humanoiden. Auch diesmal konnte er keine Verletzungen erkennen.
Der Roboter maß ihn mit einem fast menschlich wirkenden, ungeduldigen Blick, rollte ein Stück und blieb wieder stehen. Overdic starrte ihn durchdringend an. Er fragte sich, wie er auch nur eine Sekunde lang hatte glauben können, es mit einem ganz normalen Roboter zu tun zu haben. Und trotzdem – es gab einen Unterschied: So unheimlich und sonderbar diese vermeintliche Maschine auch sein mochte, er spürte nichts Feindseliges in ihr. Es gelang dem Commander nicht, den Roboter als seinen Feind zu betrachten, oder gar als Gefahr.
Overdic ging langsam weiter. Er versuchte, das Alter dieser Skelette zu schätzen. Sie konnten nicht länger als einige Jahrzehnte hier liegen, denn die Knochen zerbröckelten nicht, wenn man sie hart gegen den Boden schlug. Das Fehlen von Kleidungsstücken ließ sich nicht so ohne Weiteres erklären. Es sei denn, man nahm an, dass diese Lebewesen vor oder kurz nach ihrem Tod der Kleidung und ihrer übrigen Habseligkeiten beraubt worden waren. Obwohl es keinerlei Anzeichen auf physische Gewaltanwendung gab, sprach die große Anzahl der Skelette für sich. Overdic war sicher, dass es sich um Opfer eines Massenmordes handelte.
„ Was denken Sie?“, fragte Doktor Ravon.
Overdic zuckte nur mit den Schultern und ging weiter. Doch gleichzeitig schrie alles in ihm danach, auf der Stelle kehrt zu machen und zur Fähre zurückzukehren. Aber er hörte nicht auf diese innere Stimme – vielleicht, weil er zugleich auch spürte, dass er gar nicht mehr zurück konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Es war nicht das erste Mal, dass er feststellen musste, dass manche Wege nur in eine Richtung führten.
Die Wissenschaftler folgten ihm. Hinter einer Säule stand eine Maschine, die offenbar zum Auftragen des Bodenbelags gedient hatte. Daneben befanden sich zwei weitere Skelette. Overdic blieb stehen. Zum ersten Mal konnte er ein Ende der Halle absehen. Zwischen den zahllosen Säulen hindurch entdeckte er eine Wand mit den Fugen von Schotten. Der Roboter war ebenfalls stehengeblieben und blickte sie erwartungsvoll an.
Noch immer spürte Overdic nichts Feindseliges. Im Gegenteil. Er hatte das verwirrende Gefühl, die Maschine zu kennen. Da war etwas Vertrautes in ihrem Blick, irgendwo tief in den unergründlichen, gelben Augen und anders als bei dieser unheimlichen Unterwasserstadt war es ein freundliches Gefühl.
„ Meinst du nicht, dass es an der Zeit wäre, mit dem Versteckspiel aufzuhören und mir zu sagen, wer du wirklich bist?“, fragte er.
Zugleich kam er sich bei diesen Worten selbst ein bisschen albern vor. Stand er tatsächlich hier und redete mit einem Roboter? Er lachte. Aber insgeheim hoffte er trotzdem, eine Antwort zu erhalten. Wenn dieser Roboter nicht das war, was er zu sein schien, dann war es möglicherweise nicht nur kein normaler Roboter, sondern vielleicht überhaupt keine Maschine. Aber seine Hoffnung wurde enttäuscht. Der Roboter blickte ihn nur weiter aus seinen geheimnisvollen Augen an, und das einzige Gefühl, das er darin las, war etwas wie sanfter Spott, als amüsiere er sich über die Hilflosigkeit der Eindringlinge.
Schließlich gab Overdic das stumme Augenduell, das er sowieso nur verlieren konnte, auf und wandte sich wieder einem der Schotte zu. Es ließ sich nicht öffnen, also blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Blaster einzusetzen. In einem Funkenregen kippte das Schott nach außen. Er stieg durch die Öffnung und sah sich um. Auch hier lagen Skelette. Die Männer und Frauen stiegen über die Knochen hinweg, während der Roboter zwischen ihnen hindurchrollte. Gleichzeitig verstärkte sich das Rumpeln und Klappern, das die Maschine von sich gab.
Der kleine Trupp kam zu einem weiteren Schott. Overdic musste es ebenfalls mit dem Blaster aufschneiden. Dahinter befand sich ein leerer Raum mit glatten Metallwänden. Sie durchquerten ihn und stießen auf ein Schott, das sich von innen öffnen ließ. Vor sich sahen sie einen langen Gang, der irgendwo in der Ferne nach links abbog. Runde Öffnungen in der Decke ließen gelbes Licht hindurch. Deutlich ertönte das charakteristische Summen starker Energieleiter. In der Nähe musste es Anlagen geben, die in Betrieb waren.
Hinter der Biegung stießen sie auf eine Abzweigung. Nach links führte ein breiter, beleuchteter Korridor. Nach rechts ging es in einen dunklen Stollen, der nach Moder und Feuchtigkeit roch. Eine Gittertür versperrte den Zugang. Overdic zerstörte sie mit seinem Blaster. Krachend fiel sie zu Boden. Doktor Ravon drängte sich an ihm vorbei. Er holte eine kleine Lampe aus der Beintasche seiner Kombination und schaltete sie ein. Der helle Strahl glitt über feuchte Wände, an denen sich stellenweise Schimmel gebildet hatte. Die anderen folgten ihm. Nur der Roboter blieb zurück.
Der Gang endete vor einem Schott. Die Hälften waren verrostet und ließen sich nicht öffnen. Wieder einmal benutzte Overdic seinen Blaster als Schlüssel. Ein modriger Geruch wehte den Männern und Frauen entgegen. Sie gelangten in einen kühlen, dämmerigen Raum. In den flach fluoreszierenden Wänden steckten rechteckige Metallkonstruktionen, offenbar Wartungsroboter. Die Decke bestand aus einem milchigen Weiß. Überall in dem Raum standen rechteckige Becken, in denen sich eine dunkle Substanz befand.
Lea Keblov tauchte ihre Hand hinein, nahm etwas von dem körnigen Material und roch daran. „Erde“, sagte sie. „In diesen Becken befindet sich Erde. Vermutlich haben die Bewohner hier Obst und Gemüse angebaut.“
„ Faszinierend“, meinte Doktor Ravon.
Lea zog ihren Handcomputer aus der Beintasche und führte eine Abtastung durch.
„ Ihre Versuche waren aber nicht von Erfolg gekrönt“, sagte sie, nachdem sie die Daten auf dem Bildschirm betrachtet hatte. „Die Erde eignet sich nicht zum Anbau von Pflanzen. Sie ist stark säurehaltig.“
„ Vielleicht ist das einer der Gründe, warum hier niemand mehr lebt“, sagte Throm. „Die Bewohner sind schlicht und ergreifend verhungert. Das würde auch erklären, wieso die Skelette keine Verletzungen aufweisen.“
„ Aber im Meer gibt es doch genug Nahrung“, widersprach Valadius. „Dort wimmelt es von Fischen.“
„ Da gebe ich Ihnen recht. Aber wie hat es hier früher ausgesehen? Vielleicht gab es nicht mehr genug Nahrung, um alle Bewohner zu versorgen.“
Die Wissenschaftler verließen den Raum und kehrten zu der Abzweigung zurück. Der Roboter blickte ihnen entgegen. Noch immer hatte er kein Wort gesprochen. Overdic fragte sich, ob er dazu überhaupt in der Lage war. Doch worin bestand seine ursprüngliche Aufgabe? Für einen Kampfroboter war er definitiv zu klein. Vielleicht hatte man ihn für Reparaturaufgaben an Orten konstruiert, die für normal große Lebewesen schlecht zu erreichen waren. Der Roboter rumpelte den nach links abzweigenden Korridor hinunter. Die Männer und Frauen folgten ihm.
Nach etwa einem Kilometer schwenkte der Korridor stärker nach links ab und verwandelte sich bald darauf in eine abwärts führende Spiralrampe. Der seltsame Roboter wurde immer schneller. Er klapperte und zischte, während er von einer Wand zur anderen schleuderte.
„ Langsamer!“, rief Overdic.
Doch der Roboter schien ihn nicht zu verstehen. Seine rechte Seite schleifte knirschend an der Wand. Das Rad löste sich und überholte seinen Besitzer. Der Roboter verschwand um die nächste Biegung. Es polterte und krachte. Dann war es still. Sekunden später erscholl ein misstönendes Knacken, ein schleifendes Geräusch folgte, dann gab es einen harten Aufprall. Abermals wurde es still. Langsam gingen die Männer und Frauen die Rampe hinunter. Nach einigen Minuten sahen sie das dreirädrige Fahrgestell des Roboters. Es hing verbogen an der Seitenwand. Die Halterungen des Roboters waren abgebrochen. Eine helle Schleifspur führte davon weg.
Etwa einhundert Meter weiter kam der Trupp in eine halbkreisförmige kleine Halle. Der Rumpf des Roboters war gegen die Hinterwand geprallt und stark eingebeult. Gleich darauf ertönte ein helles Zirpen, ging über in metallisches Scheppern, dann verstummte die Maschine endgültig.
„ Auf unseren Begleiter müssen wir ab jetzt wohl verzichten“, meinte Overdic. Er musterte die beiden geschlossenen Schotte an der Rückwand des Raumes. „Wohin?“, fragte er grübelnd.
„ Probieren wir es mit dem rechten Ausgang“, schlug Doktor Ravon vor.
Overdic betätigte den Öffnungsmechanismus. Das Schott glitt ruckelnd zur Seite. Aus der Ferne ertönte ein dumpfes Rumpeln.
„ Haben Sie das gehört?“, fragte Valadius. „Es klang beinahe so, als ob es donnern würde.“
„ Ein Gewitter?“, fragte Doktor Ravon. tadelnd. „Das halte ich für ausgeschlossen. Wir sind viel zu tief, um so etwas hören zu können.“
„ Aber was war es dann?“, erkundigte sich Overdic.
„ Ich vermute, dass es sich um seismische Aktivitäten handelt.“
„ Ein Vulkan?“
„ Warum nicht? Unterseeische Vulkane sind durchaus nichts Ungewöhnliches.“
„ Dann können wir ja nur hoffen, dass er nicht ausbricht.“
„ Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. In diesem Fall würden wir nicht nur das Donnern hören, sondern auch die Erschütterungen spüren.“
Hinter dem Schott befand sich ein breiter Gang. Auf der linken Seite gab es zwei Türen. Die Männer und Frauen wandte sich der ersten zu. Die Schotthälften glitten zur Seite, als Overdic darauf zuging. In dem dahinterliegenden Raum befanden sich drei Kugeln, von denen jede einen Durchmesser von etwa zwanzig Metern aufwies. Sie waren durch Kabelstränge miteinander verbunden und bildeten ein gleichschenkliges Dreieck.
Mit gemischten Gefühlen näherten sich die Männer und Frauen der nächstgelegenen Kugel. Jetzt sahen sie, dass die Wölbung aus Stahl war. Es musste eine nichtrostende Legierung sein, denn man sah nicht die geringsten Spuren von Verwitterung. Lange Reihen von großköpfigen Nieten zogen sich entlang der einzelnen Bauteile.
„ Was machen wir?“, fragte Valadius. „Ich sehe nirgendwo einen Öffnungsmechanismus, geschweige denn eine Tür. Wie sollen wir herausfinden, was sich im Innern der Kugeln befindet?“
„ Ganz einfach“, antwortete Ravon, während er Overdic anblickte. „Wir werden ein Loch hineinschneiden.“
„ Halten Sie das wirklich für eine gute Idee?“, entgegnete der Commander.
„ Natürlich. Warum denn nicht?“
Und wenn sich etwas Explosives darin befindet? Dann fliegt uns hier alles um die Ohren.“
Ravon schüttelte den Kopf. „Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Kabelstränge deuten eher daraufhin, dass es sich um eine Maschine oder etwas Ähnliches handelt.“
„ Also, ich ...“
„ Nun machen Sie schon“, drängte Ravon.
Overdic zog seinen Blaster aus dem Holster und richtete ihn auf die Kugel, aber noch zögerte er, abzudrücken. Sie hatten es hier mit dem Erzeugnis einer fremden Kultur zu tun. Wie würde die Kugel auf den Beschuss reagieren? Was verbarg sich hinter den Wandungen?
„ Gut, ich fange an“, sagte Overdic schließlich.
Er betätigte den Abzug. Der grelle Energiestrahl zerschmolz die dicken, achtkantigen Schrauben, mit denen eine runde Platte befestigt war. Sie befand sich etwa einen halben Meter über dem Boden. Nacheinander schmolzen Muttern und Bolzen ab. Minuten später löste sich die Platte und fiel herab. Staub wurde emporgewirbelt. Overdic behielt die Waffe in der Hand, während er in die dunkle Öffnung blickte.
„ Ich gehe zuerst.“
Overdic holte eine kleine Lampe aus seiner Brusttasche und leuchtete in den Hohlraum hinein. Er sah nichts anderes als eine kurze Röhre, an deren Seiten sich rechteckige Glasplatten befanden, die mit einem weiteren Schott verschlossen war. Zögernd ging Overdic hinein und stand in der mannshohen Röhre. Er half Doktor Ravon hinein. Wortlos starrten sich die beiden Männer an, dann drehten sie sich langsam. Der Lichtkreis wanderte über Metall, das an den meisten Stellen mit einem fluoreszierenden Kunststoff bedeckt war.
„ Was sehen Sie?“, fragte Valadius. „Ist es gefährlich?“
„ Nein“, erwiderte Overdic. „Bis jetzt nicht.
Er richtete seine Lampe auf das Schott. Es war durch ein Handrad mit vier Speichen zu öffnen, das einen mächtigen Riegel bewegte. Obwohl die Mechanismen klar erkennbar waren, vermittelten sie den Eindruck von Fremdheit. Overdic unterdrückte einen Schauer, der über seinen Rücken lief.
„ Ich werde es öffnen.“
Das Handrad ließ sich überraschend leicht drehen. Das Schott schwang auf, und gleichzeitig erhellte sich der Bereich dahinter. Die beiden Männer standen schweigend nebeneinander und sahen in den Raum hinein, dann wagten sie zögernd einige Schritte. Überall standen Instrumente und Geräte. Der Innendurchmesser des Raums war mindestens um zehn Zentimeter geringer als der Außendurchmesser dieser Kugel.
„ Ich bin kein Experte“, sagte Overdic, während er an eine der Frontplatten herantrat, „aber für mich sieht das aus wie eine riesige Steueranlage.“
Zahllose Lichter bewiesen, dass sie in Betrieb war. Ravon ging langsam von einem Gerät zum anderen. Er bückte sich und versuchte hinter der Anordnung der Instrumente ein gewisses Schema zu entdecken.
„ Sie haben vermutlich recht“, sagte Doktor Opril, als sie neben Overdic trat. „Diese Anlage steuert sämtliche elektronischen Prozesse in dieser Stadt.“
„ Ist das eine Hypothese oder Gewissheit?“, erkundigte sich Ravon.
„ Beides.“
Overdic sprang plötzlich zurück und stolperte. Er fing sich wieder und riss die Waffe hoch.
„ Was ist das?“
Er deutete auf den Boden. Eine Platte schob sich zurück. Aus einem runden Loch hob sich eine merkwürdige Konstruktion. Während sie in den Raum hineinglitt, faltete sie sich auseinander. Es war ein Sessel, schon fast eine Liege. Etwa zwei Meter lang und einen halben Meter breit. Lampen leuchteten auf. Ein Farbenspiel begann. Nur das Knacken von winzigen Schaltern und ein dumpfes Summen waren zu hören.
„ Wir sollten uns zurückziehen“, empfahl Overdic.
Ravon nickte. „Ja, Sie haben recht.“
Opril und die beiden Männer verließen die Kugel.
„ Und?“, fragte Valadius. „Haben Sie etwas Interessantes entdeckt?“
„ Doktor Opril ist davon überzeugt, dass es sich um die Steueranlage der Stadt handelt“, antwortete Ravon.
„ Wir sollten weitergehen“, schlug Overdic vor.
„ Ja, natürlich“, sagte Ravon. „Ich weiß, dass man uns nur ein kleines Zeitfenster zur Erforschung genehmigt hat. Es reicht gerade mal aus, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen und um das weitere Vorgehen zu planen. Bei unserem nächsten Besuch werden wir Geräte mitbringen, um alles genau zu untersuchen. Wir werden Monate, wenn nicht sogar Jahren benötigen, um alles zu erforschen.“
Seine Stimme klang erregt. Doktor Ravon wusste, das die Erforschung dieser Unterwasserwelt die Krönung seiner beruflichen Karriere darstellte. Solch eine Chance bekam man nur einmal, und er war gewillt, sie zu nutzen.
„ Gehen wir weiter“, sagte er.
Die Männer und Frauen verließen den Raum, traten auf den Gang hinaus und wandten sich der zweiten Tür zu. Mit einem leisen Zischen glitten die Schotthälften auseinander. Dahinter befand sich ein großer ovaler Raum. Es gab mehrere Ebenen, die durch Rampen miteinander verbunden waren und einzelne Kontrollpulte. Alles war mit einer dichten Staubschicht bedeckt. Ein Schwall trockener Luft, der nach gegerbten Häuten roch, traf die Wissenschaftler. Unwillkürlich hielten sie den Atem an. Auf einem Sessel aus einem grünen, glasähnlichen Material saß steif und regungslos, eine Gestalt.
Langsam gingen die sechs Personen in den Raum und stellten sich davor auf. Der Mann auf dem Sessel trug rote Hosen aus einem schimmernden Material, dazu schwarze Stiefel mit silbernen Ornamenten und ein blaues Hemd. Das Gesicht war eingefallen und von einer ledrigen Haut überzogen.
„ Eine Mumie“, flüsterte Overdic.
„ Sie sieht beinahe menschlich aus“, sagte Valadius fast ebenso leise.
Doktor Ravon trat an eines der Pulte und ließ seine Finger über die Tastatur gleiten. In der Mitte des Raums erschien die dreidimensionale Projektion eines Symbols.
„ Wie haben Sie das gemacht?“, fragte Overdic erstaunt.
„ Das war leicht. Die Sprache der ehemaligen Bewohner dieses Planeten ist unserer sehr ähnlich.“
„ Wie meinen Sie das?“
„ Menschen“, antwortete Ravon mit einem leichten Lächeln. „Es waren Menschen. Doktor Valadius hatte recht, als er sagte, dass die Mumie beinahe menschlich aussieht.“
„ Sind Sie sicher?“
„ Als ich die Skelette sah, kam mir bereits ein Verdacht. Und jetzt habe ich Gewissheit.“
„ Aber diese Skelette unterscheiden sich in vielen Punkten von unseren. Sie stammen zwar von humanoiden Lebewesen, aber ...“
„ Umwelteinflüsse“, unterbrach ihn der Doktor. „Die Menschen mussten sich ihrem neuen Lebensraum anpassen.“
„ Aber der Grad der Anpassung scheint nicht ausgereicht zu haben“, erwiderte Overdic.
„ Diese Ansicht ist relativ“, meinte Ravon. „Im Laufe der vielen Jahre, in denen ich mich mit der Entstehung von Leben befasse, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die humanoide Körperform, die Idealform eines intelligenten Lebewesens darstellt. Variationen spielen dabei keine Rolle.“
Abermals betätigte er einige Tasten. Die dreidimensionalen Bilder wechselten und eine metallische Stimme ertönte. Sie erzählte die Geschichte der einhundertfünfzig Siedler, die mit einem Kolonistenschiff vor Jahrtausenden auf diesem Planeten landeten, um hier eine neue Heimat zu finden. Einst war Daregon von riesigen Landmassen bedeckt. Es gab ausgedehnte Wälder, grüne Wiesen, unzählige Pflanzen und Tiere und Nahrung im Überfluss.
Die Menschen gründeten Siedlungen, die bald zu großen Städten anwuchsen. Der Planet war reich an Rohstoffen und ermöglichte eine schnelle Expansion seiner Bewohner. Doch der Preis dafür war hoch. Durch den totalen Verbrauch regenerativer Energien und die katastrophale Umweltverschmutzung kam es zu weitreichenden Veränderungen in der Ökologie des Planeten. Jahreszeiten waren kaum noch voneinander zu unterscheiden. Regen im Winter. Schnee im Sommer. Heftige Stürme und Orkane, die ganze Städte zerstörten. Von Jahr zu Jahr nahmen sie an Heftigkeit zu. Und sie traten dort auf, wo es sie nie zuvor gegeben hatte.
Das Polareis schmolz. Die Meere stiegen an und überschwemmten weite Landstriche. Die Erwärmung ihrer Umwelt bedeutete für viele Arten eine Veränderung ihres Lebensraums. Problematisch war dies vor allem für jene Tiere, deren Ernährung an enge Temperaturgrenzen angepasst war. Da die Veränderung schneller geschah, als Arten sich durch natürliche Selektion anpassen konnten, mussten sie sich durch Abwanderung anpassen. Die meisten Tiere hatten jedoch keine Chance und starben. Das Meer wurde durch die Förderung von Bodenschätzen und Überfischung regelrecht ausgeweidet.
Darüber hinaus wurden viele Wesen gejagt, weil sie etwa als vermeintliche Potenzmittel oder als Showtiere Profit brachten. Als verheerende Konsequenz wurden viele Arten ausgelöscht, andere verschwanden. Die Balance im maritimen Ökosystem kippte. Jahrtausendelang hatte der Kreislauf der Natur auf nachhaltige Weise viele Kreaturen ernährt. Menschen ebenso wie Meeressäuger, große Raubfische oder Vögel. Selbst die kleinsten Lebewesen spielten eine zentrale Rolle für das Ökosystem, in dem sie Algen fraßen.
Sie spuckten den Großteil ihrer Nahrung jedoch wieder aus, der dann auf den Boden des Meeres sank. Durch diesen Vorgang wurde dem Wasser schädliches Kohlendioxid entzogen, das zuvor in den Algen enthalten war. Doch die Menschen achteten weder die Unterwasserwelt noch ihre Bewohner. Stattdessen verwandelten sie den wichtigsten Sauerstoff- und Proteinlieferanten des Planeten in eine Müllkloake.
Einige Meeresbewohner verfügten zwar über ein Gen, das dafür sorgte, das veränderte Zellen rasch entfernt wurden, doch auch sie waren nur begrenzt immun gegen schädliche Einflüsse. Die Menschen verloren eine ihrer wichtigsten Nahrungsquellen. Sie mussten sich auf künstlich hergestellte Speisen beschränken. Diese deckten jedoch kaum ihren Bedarf an Vitaminen ab. Es kam vermehrt zu Missbildungen und Fehlgeburten. Sämtliche Versuche, durch Veränderung des Erbguts gegenzusteuern, misslangen. Währenddessen stieg der Meeresspiegel immer weiter an.
Küstenstädte wurden von den Wassermassen hinfort geschwemmt. Hungersnöte brachen aus. Wirtschaftssysteme fielen zusammen. Kriege flammten auf. Mit zunehmenden Temperaturen breiteten sich Krankheitserreger viel leichter aus. Es kam zu Epidemien, denen Tausende zum Opfer fielen. Schließlich versanken sämtliche Kontinente im Wasser. Wenn die Menschen überleben wollten, mussten sie kooperieren und sich den neuen Lebensbedingungen anpassen. Schon bevor die Landmassen überschwemmt wurden, hatte man damit begonnen, Städte auf dem Meeresgrund zu errichten.
Eine der größten Herausforderungen war die Aufrechterhaltung des Klimas, insbesondere der richtigen Temperaturen. Maschinen mussten konstruiert werden, die Licht, Wärme und Sauerstoff erzeugten. Treibhäuser mit reduziertem Druck mussten errichtet werden, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. Viele Pflanzen mussten genetisch verändert werden, um ein schnelleres Wachstum bei schlechteren Lichtverhältnissen zu gewährleisten.
Zu den weiteren Problemen eines geschlossenen Systems gehörten die Abfallwirtschaft und die Entfernung von Kohlendioxid, die Zufuhr von Sauerstoff zu erhöhen und die Verunreinigung durch verschiedene Emissionen wie Rauch oder Staub zu verringern. Es gelang den Bewohnern, die meisten Probleme zu lösen, doch die Versorgung mit Nahrungsmitteln bekamen sie nicht in den Griff. Aufgrund des höheren Luftdrucks verdampfte das Wasser schneller aus den Pflanzenblättern. Dies veranlasste die Pflanzen zu der Annahme, dass eine Dürre bevorstand, obwohl sie eine konstante Wasserversorgung hatten.
Als Konsequenz starben viele Pflanzen ab. Auch weitere genetische Veränderungen konnten diesen Vorgang nicht aufhalten. Es dauerte nur wenige Jahrzehnte, bis sämtliche Ressourcen aufgebraucht waren. Die Bewohner von Daregon mussten erkennen, das sie für ein Leben auf dem Meeresgrund nicht geschaffen waren. Sie verhungerten. Trotz ihrer fortschrittlichen Technologie hatten sie es nicht geschafft, zu überleben.