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c) Vereinbarte Standardunter- sowie -überschreitung

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Stimmt ein Patient nach entsprechender Aufklärung einer ärztlichen Behandlung zu, die nicht den Anforderungen des Facharztstandards entspricht, so liegt in dieser Standardunterschreitung kein, eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit begründender, Verstoß gegen ärztliche Sorgfaltspflichten. Da ein Patient in Ausübung seines durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Selbstbestimmungsrechts über seine körperliche Integrität eigenverantwortlich darüber entscheiden kann, welchen Behandlungen er sich unterziehen will, steht dem um die Tragweite seiner Entscheidung wissenden Patienten auch die Befugnis zu, sich mit einer nicht dem Facharztstandard entsprechenden Behandlungsmethode einverstanden[413] zu erklären.[414] Diese Rechtslage findet auch im 2013 neu eingefügten § 630a Abs. 2 BGB ihre Bestätigung, wonach die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, „soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“[415] Mit dieser Formulierung wollte der Gesetzgeber die Dispositionsmöglichkeit des Patienten entsprechend zum bisherigen Recht wahren.[416] Die höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht[417] hat ebenfalls einen entsprechenden Konsens für möglich erachtet.[418] – Hierzu auch in Rn. 135 ff. – Zivilrechtliche Überlegungen, wegen des Ungleichgewichts zwischen dem Patienten, der die Behandlung benötigt, und dem Behandelnden, der eine Haftpflichtversicherung hat, Haftungsbeschänkungen für unwirksam zu halten,[419] sollten nicht in das Strafrecht übertragen werden (vgl. Rn. 11). – Bei Durchführung der Behandlung hat sich der Arzt – wie in Fällen, in denen ein Facharztstandard noch nicht bzw. nicht mehr besteht – am Leitbild eines vorsichtigen Arztes zu orientieren und ggf. sein Vorgehen auf eine Behandlung umzustellen, die innerhalb des fachärztlichen Behandlungskorridors liegt. – Fehlt es hingegen an einer entsprechenden Aufklärung des Patienten, dann liegt infolge der Standardunterschreitung nicht nur ein Aufklärungs-, sondern bei einem hierdurch verursachten körperlichen Schaden auch ein Behandlungsfehler vor.[420] – Bei einer vom Arzt nicht eingehaltenen Vereinbarung[421] einer Behandlung, die umgekehrt die Anforderungen des Facharztstandards übertreffen sollte (etwa bei einer Neulandbehandlung[422]), erhöhen sich die Sorgfaltsanforderungen an den Arzt entsprechend. Sofern er zu ihrem Einhalten nicht in der Lage war, läge eine Sorgfaltswidrigkeit auch unter dem Aspekt einer Übernahmefahrlässigkeit (Rn. 142 ff.) dann nicht vor, sofern die Behandlung immerhin noch innerhalb des Facharztstandards erfolgt.[423] Allerdings würde in derartigen Fällen der ärztliche Eingriff als solcher eine strafbare vorsätzliche Körperverletzung darstellen, sofern die Einwilligung des Patienten infolge ärztlicher arglistiger Täuschung[424] (über die geplante Behandlungsweise) unwirksam ist.

Handbuch des Strafrechts

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