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aa) Erkennbares Fehlverhalten Dritter
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Keine strafbarkeitseinschränkende Wirkung entfaltet der Vertrauensgrundsatz dann, wenn dem Vertrauen auf richtiges Verhalten anderer erkennbar die Grundlage entzogen ist. Dies ist bspw. im Bereich des Straßenverkehrs dann der Fall, wenn für den Täter das verkehrswidrige Verhalten oder die Verkehrsuntüchtigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers deutlich erkennbar ist.[545] Diese Konstellation, in der das grundsätzlich schutzwürdige Vertrauen in sorgfaltsgemäßes Verhalten Dritter infolge konkreter Verdachtsmomente erschüttert ist,[546] kommt in dem Bereich arbeitsteiliger Patientenbehandlung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu; ein Beispiel aus der Rechtspraxis:[547] Zwar darf ein nur für die Durchführung der Operation (Testovarektomie, d.h. die Entfernung einer Zwitterdrüse, die die Funktion von Eierstock und Hoden vereint) hinzugezogener Chirurg darauf vertrauen, dass der zuweisende Arzt (Direktor einer medizinischen Universitätsklinik) die Operationsindikation zutreffend gestellt hat. Dies gilt aber dann nicht mehr, wenn sich intraoperativ ein Befund (hier: normale weibliche Anatomie) ergibt, der ihm Anlass geben muss, an der Richtigkeit der Indikation zu zweifeln.[548] In den deutlichen Worten des für die Arzthaftung zuständigen 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs: „Für einen vergleichbaren Sachverhalt hat der Senat (…) zu den Anforderungen an einen Hausarzt entschieden, dieser dürfe sich zwar im Allgemeinen darauf verlassen, dass die Klinikärzte seine Patienten richtig behandelt und beraten haben, und dürfe meist auch auf deren bessere Sachkunde und größere Erfahrung vertrauen. Anders sei es aber dann, wenn der Hausarzt ohne besondere weitere Untersuchungen auf Grund der bei ihm vorauszusetzenden Kenntnisse und Erfahrungen erkennt oder erkennen müsse, dass ernste Zweifel an der Richtigkeit der Krankenhausbehandlung und der dort seinen Patienten gegebenen ärztlichen Ratschläge bestehen. … Kein Arzt, der es besser weiß, darf (…) sehenden Auges eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss, es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten.“[549]