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c) Horizontale Arbeitsteilung

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Die moderne Medizin ist durch fachgebietsspezifische Spezialisierung und versorgungsstufenbezogene Differenzierung geprägt.[554] Die fachgerechte Patientenbehandlung verlangt nach Spezialisierung einerseits, hinreichender Koordination der arbeitsteilig Zusammenarbeitenden andererseits. Hierbei wird die Behandlung des Patienten auf verschiedene Personen aufgeteilt,[555] die ihre Tätigkeit jeweils weisungsfrei von anderen in fachlicher Gleichordnung ausüben.[556] Horizontale Arbeitsteilung liegt auch dann vor, wenn die weisungsfrei Zusammenwirkenden nicht über den gleichen Ausbildungsstand oder das gleiche Maß an Fachkompetenz verfügen.[557] Die horizontale Arbeitsteilung wird durch Einzel- und Eigenverantwortung jedes Beteiligten geprägt, der für die fachgerechte Erledigung seines eigenen Aufgabenbereiches verantwortlich ist.[558] Bei Bock finden sich instruktive Beispiele aus den Bereichen der interdisziplinären Zusammenarbeit[559] im stationären[560] und ambulanten Bereich[561] sowie zur Zusammenarbeit zwischen Fachärzten für Allgemeinmedizin und anderen Fachärzten bzw. niedergelassenem Arzt und Krankenhausarzt[562] sowie bei der Hinzuziehung eines Konsiliarius[563] oder dem Einschalten eines (Krankenhaus-)Apothekers.[564]

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Die Sorgfaltspflichten arbeitsteilig zusammenwirkender Mediziner beziehen sich nicht nur auf eigene Behandlungsmaßnahmen. Sie erstrecken sich auch auf die Organisation ihrer Zusammenarbeit, um patientenschädlichen Risiken der Arbeitsteilung entgegenzuwirken. Hierzu zählt auch die hinreichende Bestimmung der Zuständigkeitsbereiche, um gerade in Grenzbereichen Überschneidungen und Lücken in der ärztlichen Betreuung zu vermeiden.[565] Zu den Sorgfaltspflichten gehört auch die Festlegung eines behandlungsführenden Arztes, der die Koordination sowie den Kommunikationsfluss gewährleistet und ggf. positive Kompetenzkonflikte entscheidet.[566] Jeder mitwirkende Arzt ist verpflichtet, das eigene Verhalten mit demjenigen der Kollegen derart abzustimmen, dass die fachgerechte medizinische Versorgung des Patienten gewährleistet ist. Diese Koordinationspflicht[567] gilt nicht nur für die Information des Kollegen bspw. über den festgestellten Befund, über spezielle Gesundheitsrisiken des jeweiligen Patienten oder über bereits eingeleitete Therapiemaßnahmen. Sie verlangt auch eine Abstimmung zwischen mehreren an einer Heilmaßnahme beteiligten Ärzten – bspw. Anästhesist und Operateur[568] – in solchen Fällen, in denen sich die Gefährdung des Patienten gerade aus dem Zusammenwirken mehrerer Ärzte bzw. einer Unvereinbarkeit der von ihnen angewendeten Methoden oder Instrumente ergibt.[569]

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Bei dieser Zusammenarbeit gilt der oben (Rn. 85 ff.) dargestellte Vertrauensgrundsatz: Die Beteiligten dürfen sich grundsätzlich auf die fehlerfreie Mitwirkung des Kollegen aus der anderen Fachrichtung verlassen.[570] Andernfalls wäre jeder Mitwirkende gezwungen, seine Aufmerksamkeit auf die korrekte Arbeit der anderen Beteiligten zu richten (soweit er dies überhaupt zu beurteilen vermag),[571] statt sich auf seine eigene Arbeit zu konzentrieren, womit die Vorteile der Arbeitsteilung hinfällig würden.[572] Eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht nicht.[573] Diese Entlastung von eigener Verantwortlichkeit endet aber dann, wenn offensichtliche Qualifikationsmängel[574] oder Fehlleistungen erkennbar werden, da dann keine Gewähr mehr dafür besteht, dass auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt.[575]

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Der Vertrauensgrundsatz kann mithin dann keine Anwendung finden, wenn dem Vertrauen auf richtiges Verhalten anderer erkennbar die Grundlage entzogen ist,[576] sobald also Umstände erkennbar sind, die ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Vor- oder Zuarbeiten des Kollegen begründen. Diese Begrenzung des Vertrauensgrundsatzes greift nicht nur dann ein, wenn der Arzt die Fehlleistung des Kollegen tatsächlich erkennt, sondern bereits dann, wenn diese Fehlleistung für ihn erkennbar war. Da aber keine gegenseitige Überwachungspflicht besteht, wird – um die patientennützlichen Vorteile der Arbeitsteilung nichts aufs Spiel zu setzen – zu verlangen sein, dass insoweit konkrete Verdachtsmomente für eine Fehlbehandlung vorliegen, mithin ernsthafte Zweifel am Vorgehen lege artis bestehen oder bestehen müssten. Für die Frage der Erkennbarkeit sind hierbei die Anforderungen zugrunde zu legen, die an einen Facharzt in entsprechender Situation zu stellen sind.[577] Infolge der dem (mit-)behandelnden Arzt gegenüber dem Patienten obliegenden Schutzpflicht hat er dann den Patienten vor einer Fehlleistung seines Kollegen zu bewahren bzw. nicht in blindem Zutrauen auf korrektes fremdes Handeln selbst den Patienten zu schädigen.[578] Tut er dies nicht, so kommt infolge seiner – nun nicht mehr vom Vertrauensgrundsatz zurückgedrängten – Gesamtverantwortung (Rn. 85) für die Gesamtheit der in verschiedenen Händen liegenden ärztlichen Tätigkeiten Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht, und zwar entweder als Begehungstäter (Beispiel: Ein niedergelassener Arzt setzt die von den Fachärzten des Krankenhauses fälschlich angeordnete, erkennbar schädliche Medikamentation fort[579]) oder als Unterlassungstäter (Beispiel: Der Anästhesist hindert den Chirurgen nicht an der Durchführung des Eingriffs, obwohl dieser infolge Erschöpfung oder Krankheit erkennbar nicht mehr zur Einhaltung des Facharztstandards in der Lage ist).

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