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d) Ärztliche Eingriffe ohne Indikation
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Ärztliches Agieren, das sich nicht mehr als ein (nur) die Heilungs-Bedürfnisse des Patienten befriedigendes, sondern als ein darüber hinausgreifendes, Patientenwünsche erfüllendes Verhalten (Stichwort: „Enhancement“[425]) darstellt, wirft sicherlich auch die Frage nach den strafrechtlichen Grenzen entsprechenden ärztlichen Tuns auf. Als Stichworte seien hier reine Schönheitsoperationen ohne medizinische Veranlassung,[426] eine medizinisch nicht gebotene Kaiserschnittentbindung („Wunschsectio“)[427] oder die aus welchen Gründen auch immer erfolgende Abtrennung gesunder Körperteile[428] genannt. Hier stellt sich die Frage, ob – und wenn ja: in welchem Umfang – entsprechendes ärztliches Handeln allein auf Basis der vom Betroffenen erteilten Einwilligung strafbarkeitsbefreiende Legitimation erfährt.[429] Ob ein ärztlicher Eingriff, für den keine medizinische Indikation[430] besteht, überhaupt noch als ein zulässiger Heileingriff angesehen werden kann, ist bekanntlich umstritten.[431] Die Notwendigkeit einer medizinischen Indikation für eine Straflosstellung körperverletzenden ärztlichen Handelns könnte sich daraus herleiten lassen, dass man – anders als die ständige Rechtsprechung[432] – einen medizinisch indizierten, von einem Arzt lege artis (erfolgreich) durchgeführten Heileingriff aus dem Tatbestand der Körperverletzungsdelikte auch des Strafgesetzbuches ausgeklammert sehen will.[433] Fehlt die medizinische Indikation als die nach allen Spielarten dieser Auffassung unerlässliche Grundvoraussetzung eines aus dem Anwendungsbereich der §§ 223 ff. StGB herauszunehmenden ärztlichen Heileingriffs, so steht zumindest fest, dass dieses ärztliche Handeln dem Anwendungsbereich der Körperverletzungstatbestände nicht von vornherein entzogen ist, da eine medizinische Indikation als privilegierender Tatbestandsausschlussgrund[434] nicht vorliegt. Daraus kann allerdings nicht im Gegenschluss die Annahme hergeleitet werden, dass bei fehlender Indikation strafbares Unrecht verwirklicht wird.[435] Bei der sich anschließenden Überlegung scheiden sich die Geister: Während ganz überwiegend ein indikationsloses Handeln zwar dem Straftatbestand des § 223 StGB zugeordnet, eine Rechtfertigung dann aber infolge der erteilten Einwilligung für möglich erachtet wird,[436] gelangen andere Autoren[437] zu dem Ergebnis, es läge eine Strafbarkeit[438] wegen vorsätzlicher Körperverletzung vor.
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Es besteht jedoch keine Veranlassung, im Bereich ärztlicherseits bewirkter Körperverletzungen gleichsam ein Sonderrecht[439] (etwa durch Annahme einer wegen Standeswidrigkeit infolge fehlender ärztlicher Indikation unwirksamen Einwilligung des Verletzten) zu schaffen und von den sonst geltenden Grundsätzen abzuweichen,[440] wonach bei freiverantwortlicher Disposition des Rechtsgutsinhabers infolge Einwilligung die Strafbarkeit entfällt.[441] Zusätzlich ist zu beachten, dass die hergebrachten Grenzen ärztlicher Berufstätigkeit und damit auch des ärztlichen Heileingriffs ohnehin zunehmend verschwimmen; erinnert sei an Schönheitsoperationen, aber auch an ärztliche Hilfestellungen im Rahmen der Reproduktionsmedizin.[442] Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Grenzen medizinischer Indikation[443] als allgemeiner arztrechtlicher Voraussetzung für zulässiges ärztliches Handeln[444] sind noch nicht absehbar.[445] Dies bildet im Übrigen einen weiteren Grund, den Einsatz des scharfen Schwertes des Strafrechts von vornherein nicht auf dem Treibsand sich wandelnden ärztlichen Standesrechts zu verankern.[446] Hinzu kommt der Umstand, dass schon der Bezugspunkt der ärztlichen Indikation, nämlich die Krankheit des Patienten, nicht ausschließlich objektiv bestimmt werden kann, sondern als Abweichung vom „Normalen“ die Sicht des betroffenen Patienten, die von ihm empfundene Belastung, einzubeziehen hat.[447] Auch dieser Aspekt spricht für die strafrechtliche Relevanz des Patientenwillens in der vorliegend diskutierten Fragestellung.
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Wollte man hingegen die Unzulässigkeit eines ärztlichen Heileingriffs, der ohne ärztliche Indikation[448] allein auf Grund der Patienteneinwilligung durchgeführt wird, annehmen, so würde sich folgende Überlegung aufdrängen: Eine derartige – wegen der Hintanstellung der Selbstbestimmung des Patienten hinter das Primat einer Bewahrung ärztlicher Standards ohnehin abzulehnende[449] – Einwilligungsschranke[450] wäre materiell letztlich nur damit zu begründen, dass andernfalls das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit der Ärzteschaft als Basis eines funktionierenden Systems der Heilbehandlung gefährdet würde.[451] Ein derartiges Vertrauen in eine ärztliche Praxis, die sich sowohl an fachlich-medizinischen Vorgaben als auch an arztethischen Parametern ausrichtet, wäre indessen allenfalls dann beeinträchtigt, wenn ärztlicherseits „Heil“behandlungen durchgeführt würden, die kontraindiziert wären (hierzu Rn. 78).[452] Ein solcher Vertrauensverlust ist hingegen nicht zu befürchten, wenn lediglich die Durchführung von nicht indizierten Heilmaßnahmen im Raum steht.[453]
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Mithin kann eine Einwilligung des Patienten den vorgenommenen Eingriff auch ohne Vorliegen einer medizinischen Indikation strafrechtlich legitimieren. Dem steht auch nicht die Dispositionsschranke des § 228 StGB entgegen,[454] da diese Vorschrift nicht dem im Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG) enthaltenen Gebot hinreichend bestimmter täterbelastender strafrechtlicher Regelungen gerecht wird.[455]