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6. Verantwortlichkeit von Leitungszuständigen (Organisationsfehler)
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Unterläuft dem behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler, so kann dies neben seiner persönlichen Strafbarkeit zusätzlich eine Bestrafung der für die Organisation des Krankenhausbetriebs (oder derjenigen einer sonstigen Organisation zur Erbringung ärztlicher Leistungen) Verantwortlichen[620] auslösen. Da die Leitungspersonen stets die Letztverantwortung für die ordnungsgemäße Organisation des Krankenhausbetriebes trifft, wurden diese Organisationspflichten von der Zivilrechtsprechung – sicherlich auch zur Schließung als unbillig empfundener Haftungslücken – immer weiter ausgedehnt, so dass in der Literatur inzwischen schon von einem „catch-all“-Instrument gesprochen wird.[621] Es geht hierbei um Pflichten des für die Organisation der Patientenbehandlung Verantwortlichen, deren Verletzung eine Sorgfaltspflichtverletzung i.S.d. §§ 222, 229 StGB begründet.[622] Auch die Gesetzesbegründung zu § 630a Abs. 2 BGB[623] begreift die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Krankenbehandlung als Teil des medizinischen Standards. Insgesamt liegt diesen Pflichten die Überlegung zu Grunde, dass die Krankenbehandlung so zu organisieren ist, dass eine sachgemäße und für den Patienten gefahrlose Behandlung gewährleistet ist.[624] Diagnostik, Therapie und Nachbehandlung müssen in einer Form organisiert sein, dass jede vermeidbare Gefährdung der Patienten ausgeschlossen ist.[625] Als strafbarkeitsbegründender Organisationsfehler kann sowohl das Fehlen gebotener organisatorischer Maßnahmen als auch eine fehlerhafte (oder gar fehlende) Organisation angesehen werden.[626] Die Schaffung gefährlicher Strukturen genügt für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, sofern dieser Mangel eine Patientenschädigung zurechenbar verursacht hat.[627] Die in diesem Zusammenhang für zivilrechtliche Ersatzansprüche im Falle von Verkehrspflichtverletzungen praktizierte Umkehr der Beweislast für die Pflichtverletzung (sofern sich ein sog. voll beherrschbares Risiko i.S.v. § 630h Abs. 1 BGB realisiert hat[628]) kann für das Strafverfahren allerdings keine Rolle spielen.
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Mit Katzenmeier[629] und Quaas[630] sind insoweit am Beispiel der Krankenhaus-Organisation folgende Pflichten der Leitungszuständigen zu unterscheiden:[631] Die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Krankenhaus müssen durch Einsatzpläne und Vertreterregelungen deutlich abgegrenzt[632] und insbesondere Sonntags-, Nacht- und Bereitschaftsdienste gesichert sein.[633] Das Personal muss sorgfältig ausgewählt, angelernt[634] und überwacht werden.[635] In jeder Behandlungsphase muss ein qualifizierter Arzt bereitstehen, um die notwendigen Anweisungen zu geben und ihre Ausführung zu kontrollieren.[636] Der Facharztstandard muss personell[637] und apparativ[638] gesichert sein.[639] Die Patientensicherheit ist durch hinreichende Hygiene[640] sowie die Funktionsfähigkeit aller medizinischen Geräte zu gewährleisten.[641] Zusätzlich ist dem Schutzbedürfnis besonders gefährdeter Personen Rechnung zu tragen (insbesondere bei suizid-[642] oder sonst verletzungsgefährdeten[643] Personen). Nachfolgend sollen stellvertretend die Problembereiche der sog. Anfängeroperation sowie des Bereitschaftsdienstes betrachtet werden.