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1.2 Exkurs: Zum Begriff des mentalen Lexikons

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Faktisch liefert das mentale Lexikon – über den Wortschatz, der uns in geschriebenen und gesprochenen Texten entgegentritt – das Material für linguistische Theoriebildung und den Versuch, Strukturen des Wortschatzes (= Lexikon 3) aufzudecken. Die von der Lexikologie entdeckten Strukturen (siehe Kapitel 4) sollten sich im Idealfall mit jenen des mentalen Lexikons decken. Das Fragezeichen in der Tabelle soll andeuten, dass damit eine große Unbekannte angesprochen ist, denn es bleibt trotz unzähliger empirischer Untersuchungen weitgehend eine black box, wenngleich seit vielen Jahren hoher Forschungsaufwand dazu betrieben wird. Die relevanten Disziplinen für die Erforschung des mentalen Lexikons und damit in Zusammenhang stehender Fragen der menschlichen Sprachverarbeitung sind neben der Linguistik i.e.S. vor allem die Psychologie sowie die Psycho- und Neurolinguistik.

Die folgenden Ausführungen gelten heute als einigermaßen gesicherte Erkenntnisse über das mentale Lexikon:

1 Man darf sich das mentale Lexikon als jenen “Teil unseres Langzeitgedächtnisses vorstellen, in dem das Wissen über alle Wörter einer Sprache gespeichert ist” (Schwarz 1992, 70), allerdings sind Konzepte und Wortformen wahrscheinlich getrennt gespeichert. Diese Sicht wird durch zahlreiche Erkenntnisse der Erstspracherwerbsforschung und der Psycho- bzw. Neurolinguistik (z.B. Priming-Experimente, cf. Rummer/Engelkamp 2005) gestützt. So erwerben z.B. Kinder Konzepte von Quantität oder räumlichen Dimensionen, bevor sie sie versprachlichen können. Alltägliche Erscheinungen wie das “tip of the tongue”-Phänomen, bei dem zwar das Konzept, aber nicht die dazugehörige Wortform präsent ist, weisen ebenfalls in diese Richtung. Auch der Umstand, dass wir mental Kategorien bilden, bevor wir sie bezeichnen (können), spricht für eine getrennte Speicherung und Verarbeitung. Daraus ergibt sich, dass die von Saussure postulierte untrennbare Verbindung von signifiant (Ausdruck, Form) und signifié (Inhalt, Bedeutung) eine Idealisierung darstellt, zu der uns die normalerweise problemlos funktionierende Sprachproduktion/ Sprachrezeption verleitet (cf. Börner/Vogel 1997, 1f.). Schließlich dürften aber auch die phonologische und die morphologische Komponente eines Eintrags im mentalen Lexikon getrennt gespeichert sein, wie Ergebnisse der Aphasie-Forschung suggerieren.

2 Das im mentalen Lexikon gespeicherte Wissen hat deklarative und prozedurale Komponenten, m.a.W. es handelt sich einerseits um eine Art Faktenwissen, andererseits um in jedem Fall unbewusstes Handlungswissen (motorische Muster, Artikulationsprogramme usw.), das auf Basis des deklarativen Wissens funktioniert.

3 Neben mehrgliedrigen Einheiten, deren Bedeutung nicht (mehr) transparent ist, also formelhaften Ausdrücken oder idiomatischen Wendungen wie z.B. (dar) carta blanca ‘(jmd.) freie Hand (lassen)’, cada oveja con su pareja ‘gleich und gleich gesellt sich gern’, con su permiso ‘wenn Sie gestatten’ oder (no tener) ni son ni ton ‘weder Hand noch Fuß haben’, sind wahrscheinlich auch zahlreiche transparente und aktuellen syntaktischen Regeln gehorchende Ausdrücke als solche im mentalen Lexikon gespeichert, da sonst flüssiges Sprechen vermutlich nicht möglich wäre (cf. Coulmas 1985). Solche Einheiten dürften (bei Muttersprachlern) in Form von prozeduralem Wissen vorliegen, das konzeptuell aktiviert wird (cf. Möhle 1997, 47f.). Aus der Annahme, dass solche Ausdrücke im mentalen Lexikon gespeichert sind, ergibt sich, dass linguistische Modelle, die eine scharfe Trennung von lexikalischer und grammatikalischer Komponente anstreben, den Prozessen der tatsächlichen Sprachverarbeitung nicht vollständig gerecht werden.

Spanische Lexikologie

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