Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 10

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James Leslie hatte London gleich nach diesem Gespräch mit seinem Diener Fergus More verlassen. In Dover hatten sie die Fähre bestiegen und warteten jetzt im Schatten der Docks, als die Cardiff Rose im Hafen von Calais festmachte. Die Gangway wurde heruntergelassen, und das Entladen des Schiffes begann. Skyes große Reisekutsche war auf dem Deck vertäut und wurde nun losgemacht. Langsam rollte sie die Gangway herunter und hielt nahe einem Ladeschuppen. Sofort öffneten sich dessen Tore, und schwere Zugpferde wurden herausgeführt und vor die Kutsche gespannt. Doch der Graf von Glenkirk schenkte diesem ganzen Treiben nur wenig Aufmerksamkeit, sein Augenmerk galt der Gangway, auf der nach einiger Zeit Madame Skye auftauchte, begleitet vom Kapitän des Schiffes. Ihre Bediensteten folgten.

Erst als sie in der Kutsche saß, sagte der Graf leise zu seinem Begleiter: »Wir müssen zu unseren Pferden, Fergus, sonst verlieren wir noch ihre Spur.«

»Es gibt nur einen Weg aus den Docks hinaus, Mylord. Am besten ist es, wir reiten voraus und erwarten sie am Eingang. Hier sind zu viele Leute, die uns sehen könnten, wenn wir ihnen folgen.«

James Leslie nickte. Sie bestiegen ihre Pferde und ritten aus dem Hafen hinaus; im Schutz von Bäumen warteten sie auf die Kutsche. Wenig später kam sie die Straße in Richtung der Stadt herunter, und sie folgten ihr in einigem Abstand.

Von Calais ging es über Amiens nach Paris. James Leslie verfolgte mit Staunen, wie rastlos Skye ihre Reise vorantrieb. Sie verbrachte nie mehr als eine Nacht in einem Gasthaus, gerade so lange, dass sie und ihre Pferde sich ein wenig erholen konnten. Selbst in Paris, wo sie bei einem Verwandten ihres verstorbenen Mannes übernachtete, hielt sie sich nicht länger auf.

»Sie hatten Recht«, sagte Fergus am folgenden Tag, als sie die Fährte wieder aufnahmen.

»Ja, sie schlau«, stimmte der Graf zu. »Und sie hat es eilig, an ihr Ziel zu kommen. Sie reist gerade so schnell, wie es ihre Pferde zulassen.«

Von Paris ging es über Fontainbleu nach Montargis weiter nach Orléans und Blois. »Sie ist auf dem Weg nach Archambault«, sagte der Graf.

»Da waren wir schon einmal und konnten sie nicht finden«, antwortete Fergus. »Sie wird doch nicht gemerkt haben, dass wir hinter ihr her sind?«

»Nein, dazu waren wir zu vorsichtig.«

Aber sie ließen auch Archambault hinter sich. Doch endlich, wenige Meilen hinter dem Dorf, das zum Schloss gehörte, bog die Kutsche in einen schmalen Seitenpfad ab. James Leslie hielt sein Pferd an. Ein leichter Regen fiel, wie schon die ganzen vergangenen Tage. Mit einer Handbewegung befahl er Fergus an seine Seite. »Dieser Weg kann nur zu einem einzigen Gebäude führen«, sagte der Graf. »Wir warten hier, bis Madame Skye ihr Ziel erreicht hat.« Er zog den Mantel enger um sich, weil ihn fröstelte.

»Ich habe vorhin im Dorf ein Gasthaus gesehen«, sagte Fergus voller Hoffnung.

James Leslie schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte nicht, dass die Kunde von Fremden die Runde macht, bevor ich nicht weiß, was sich am Ende dieser Straße befindet. Wie warten hier.«

Fergus seufzte.

Nach ungefähr einer halben Stunde schien es dem Grafen sicher genug, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Als sie um eine Kurve bogen, lag plötzlich vor ihnen ein kleiner See. Fast in der Mitte darin, von drei Seiten vom Wasser umgeben, stand ein malerisches kleines Schoß. Erbaut aus rötlichgrauem Schiefergestein wies das Hauptgebäude an jeder der vier Ecken einen Turm mit weit heruntergezogenem Dach auf. Zutritt erhielt man nur durch ein vorgebautes befestigtes Torgebäude, das an jeder Seite des Eingangs von einem runden Wehrturm flankiert wurde. James Leslie verharrte eine Weile und genoss die Schönheit der Anlage. Hinter dem Schloss befand sich ein kleiner Garten, eingefasst von einer niedrigen Mauer, der ihn gegen den dahinter liegenden Wald schützte. Selbst jetzt im Winter konnte man ahnen, wie schön er im Frühjahr und im Sommer sein musste.

»Mylord?«, fragte Fergus leise.

Der Graf gab ihm mit der Hand das Zeichen weiterzureiten. Die Zugbrücke hallte von den Hufen der Pferde, als sie darüber ritten und gleich danach in den Schlosshof kamen. Die große Reisekutsche wurde gerade ausgeladen. Die Diener musterten die Ankömmlinge neugierig, und zwei Stallknechte kamen heran und nahmen die Pferde in Empfang. James Leslie betrat, gefolgt von Fergus, das Gebäude.

»O Gott!« Thistlewood kam gerade aus dem Stall, wo er zusammen mit seinem Gehilfen die Zugpferde untergebracht hatte. »Das ist doch der Graf von Glenkirk!«

»Ich hatte schon während der Reise ein paar Mal das Gefühl, das uns jemand folgt«, sagte der Gehilfe und stolperte gleich darauf, weil ihm der Kutscher einen heftigen Schlag gegen den Kopf versetzte.

»Du Schwachkopf! Warum hast du mir nichts davon gesagt?«

»Ich war mir doch nicht sicher«, verteidigte sich der Junge und rieb sich die Schläfe. Thistlewood schüttelte den Kopf. Nun, das alles ging ihn in Wirklichkeit nichts an. Seine Herrin würde sich darum kümmern, und bestimmt hatte sie eine Lösung für das Problem. Ihr Alter hatte sie bisher nicht weniger schlau gemacht. »Gehen wir in die Küche und besorgen uns was Warmes zu essen und zu trinken«, sagte er zu seinem Gehilfen.

Adali sah den Grafen als erster, weil er gerade mitten in der Halle stand, und die Diener mit dem Gepäck herumkommandierte. Die Überraschung war ihm anzusehen, obwohl er sie gleich zu verbergen suchte.

James Leslie lächelte mit kalter Miene. »Sag deiner Mistress, dass ich hier bin«, befahl er dem Mann. »Nein warte noch! Ich glaube, es ist besser, du bringst mich gleich zu ihr. Ich will nicht riskieren, das sie wieder weg ist, bevor ich sie überhaupt gesehen habe.«

»Folgen Sie mir, Mylord«, sagte Jasmines treuester Diener.

Hinter dem Eingangsbereich war eine kleine Halle, in die Adali den Grafen und Fergus führte. Es war ein warmer und freundlicher Raum. Skye saß in einem hochlehnigen Stuhl neben dem Kamin. Sie hatte ihre Stiefel ausgezogen, und in der Hand hielt sie einen Becher. Ihre Füße ruhten auf dem Sims vor dem Kamin. Neben ihr saß Jasmine auf einem Stuhl. Sie sah fast wie ein junges Mädchen aus, obwohl sie inzwischen bereits fünfundzwanzig war und vier Kinder hatte. Ihr dunkles Haar war zu einem dicken Zopf geflochten und mit roten Bändern geschmückt. Für einen kurzen Moment erhellte sich James Leslies Miene, um gleich darauf wieder einen grimmigen Ausdruck anzunehmen.

»Der Graf von Glenkirk«, sagte Adali.

Jasmine sprang vom Stuhl hoch und drehte sich um.

»Du!«, stieß sie wütend hervor.

»Ja, meine Liebe. Ich bin’s. Du hast mich ganz schön in die Irre geführt, aber damit ist jetzt Schluss.«

»Verschwinde sofort aus meinem Haus!«, schrie Jasmine. »Du hast keinerlei Macht über mich. Wir sind hier in Frankreich und nicht in England!«

»Ich glaube, du bist im Irrtum. Der König von England hat diese Ehe vor zwei Jahren befohlen. Er ist mit Frankreich befreundet und verhandelt zurzeit mit König Louis, weil er nämlich Prince Charles mit dessen Tochter verheiraten will.«

»König James will eine spanische Hochzeit mit der Infantin Maria«, zischte Jasmine. »Das hat sich sogar bis hierher herumgesprochen.«

»Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?«, fragte Glenkirk. »Du bist von unserem König für mich bestimmt worden, und du wirst mich heiraten, ob du willst oder nicht. Vergiss auch nicht, dass ich der Vormund deiner Kinder bin.«

»Du bist nur der Vormund von Charles Frederick Stuart«, antwortete Jasmine. »Obwohl es gar keinen Grund dafür gibt.«

»Falsch, meine Liebe. Ich bin Vormund für alle deine Kinder. Dein törichtes und ungesetzliches Verhalten überzeugte den König davon, dass du nicht in der Lage bist, deine Kinder richtig zu erziehen, daher hat er mir auch die Vormundschaft über den jungen Westleigh, Lady India und Lady Fortune Lindley übertragen.«

»Du Bastard!«

»Falsch, meine Liebe. Meine Eltern haben gerade noch rechtzeitig vor meiner Geburt geheiratet«, antwortete der Graf grinsend.

Jasmine wandte sich an ihre Großmutter. »Wie konntest du ihn nur hierherbringen?«, fragte sie. »Bist du deswegen gekommen? Das verzeihe ich dir nie!«

»Ich habe ihn nicht hergebracht, mein liebes Mädchen«, entgegnete Skye leise.

»Ich bin deiner Großmutter bereits von Calais aus gefolgt«, sagte der Graf.

»Robin?«, fragte Skye.

Der Graf nickte. »Er hat gleich vermutet, dass Sie nicht erst im Frühjahr reisen werden und war sicher, dass Sie von Harwich aus den Kanal überqueren wollten.«

Skye nickte mit schmalen Lippen. »Robert Southwood ist wirklich mein Sohn«, sagte sie. »Und er verfügt über die Gerissenheit seines Vaters.«

Jasmine hielt den Atem an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »O Gott, Großvater«, flüsterte sie. Dann wandte sie sich an den Grafen von Glenkirk. »Das ist allein deine Schuld!«, rief sie. »Hättest du mich nicht von England aus verfolgt, hätte ich wenigstens die letzten paar Monate bei ihm verbracht. Jetzt werde ich ihn nie wieder sehen, und das nur wegen dir, James. Ich hasse dich!«

»Nein, meine Liebe«, entgegnete er in eisigem Ton. »Es ist alles dein Fehler, nicht meiner. Du hast dich dem Befehl des Königs widersetzt und bist vor fast zwei Jahren davongelaufen. Unsere Hochzeit war besprochen. Ich liebte dich. Und ich war bereit, dir genügend Zeit zu lassen, um den Tod von Prinz Henry Stuart zu betrauern. Ich wollte dich nicht mit Gewalt vor den Traualtar zerren, Jasmine. Du allein hast beschlossen, mit deinen Kindern aus England zu fliehen – und zwar gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs. Ich wusste, dass du in Frankreich bist. Dreimal habe ich dich hier gesucht, und jedes Mal haben dich deine Verwandten versteckt. Jetzt ist das Spiel aus. Wir werden nach England zurückkehren, und du wirst mich vor aller Öffentlichkeit heiraten, vor dem selben Gericht, vor dem du mich vor so vielen Monaten zum Narren gemacht hast.«

»Das werde ich nicht tun.«

»Ganz bestimmt, meine Liebe.«

»Ich bin eine Prinzessin von Mughal ...«, begann sie.

»Die nicht nach Indien zurück kann«, unterbrach er sie. »Du bist seit zehn Jahren wieder in Europa. Du bist eine englische Adelige und nicht mehr in Mughal. Deine Großmutter braucht nur ein paar Tage Ruhe, und dann werden wir nach England aufbrechen. Versuche ja nicht, mir noch einmal zu entkommen! Cadby braucht seinen jungen Herren; außerdem – möchtest du Rowan Lindleys Sohn von seinem Erbe fern halten? Und was ist mit deinen Töchtern? Wahrscheinlich hast du sie mit den Bauernkindern herumlaufen lassen. Vermutlich ist keine von ihnen je von einem Hauslehrer unterrichtet worden. Sie stammen von englischem Adel ab, vergiss das nicht.«

»Ich bringe dich um, wenn du über meine Kinder verfügen willst«, schnaubte sie ihn an.

»Hört sofort auf, alle beide!«, sagte plötzlich Skye mit schneidender Stimme. »Adali, bring dem Grafen einen Becher Wein und zeig seinem Diener, wo die Küche ist. Wie heißt du überhaupt?«, fragte sie.

»Fergus More, Mylady.«

»Geh mit Adali, Fergus. Dein Herr ist hier sicher.« Dann wandte sie sich an Jasmine und sagte: »Ich bin gekommen, um dir vom Tod deines Großvaters zu berichten, mein liebes Mädchen, aber auch, um dir zu sagen, dass es Zeit ist, deinen Streit mit dem Grafen von Glenkirk zu beenden. Du musst einen Schlussstrich ziehen. Auch wenn es nicht in Ordnung war, dass der König diese Hochzeit befohlen hat, so glaube ich inzwischen, dass es gar keine so schlechte Idee ist. Du kannst nicht hier in Belle Fleurs bleiben, allein mit deinen Kindern und den Dienstboten. Das ist nicht gut für dich, und schon gar nicht für meine Enkel. James Leslie hat Recht. Henry Lindley ist der Marquis von Westleigh, wie sein Vater vor ihm. Er wird bald sieben Jahre alt, und wahrscheinlich ist sein Französisch inzwischen besser als sein Englisch. Er muss heim nach Cadby und muss lernen, sich wie ein Adliger zu benehmen. India wird im nächsten Monat acht, und Fortune ist fünf. Kann eine von ihnen schon schreiben? Und was ist mit dem Enkel des Königs, mit Charles Frederick Stuart? Was wird mit ihm passieren, wenn er nicht nach England zurückkehrt und versucht, die Gunst seines Großvaters zu gewinnen? Du musst an deine Kinder denken, Jasmine.«

Sie wusste, dass ihre Großmutter Recht hatte, doch es fiel ihr schwer, das einzugestehen. Aus tränenverschleierten Augen sah sie James Leslie an. Er war noch immer ein stattlicher Mann, auch wenn er im Augenblick einen grimmigen Eindruck machte.

»Ein einziges Mal nur«, sagte sie, »nur einmal möchte ich mir meinen Ehemann selbst aussuchen. Mein Vater wählte Jamal Khan für mich, und du, Großmutter, Rowan Lindley. Wann darf ich endlich selbst entscheiden?«

»Und warst du mit einem deiner Ehemänner je unglücklich?«, fragte Skye.

»Nein«, gab Jasmine zu.

»Dom O’Flaherty«, fuhr Skye fort, »meinen ersten Mann – er möge übrigens in der Hölle schmoren –, suchte mein Vater aus. Willows Vater wiederum rettete mich vor der Sklaverei in Algier und heiratete mich dann. Niall Burke war die Wahl meines Onkels, des Bischofs. Fabron de Beaumont hatte die alte Königin für mich bestimmt. Nur Geoffrey Southwood und dein Großvater waren meine eigenen Entscheidungen, Jasmine.«

»Und genau die beiden waren deine glücklichsten Ehen«, entgegnete ihre Enkelin. »Ich will keine sechs Ehemänner, Großmutter. Ich will selbst entscheiden und nicht zu irgendetwas gezwungen werden.«

»Du hast keine andere Möglichkeit, als den Anweisungen des Königs zu folgen«, meinte der Graf leise. »Genauso wie ich. Sich zu widersetzen, bedeutet Hochverrat. Wenn du das willst, ist es deine Sache. Ich werde jedenfalls mit deinen Kindern in ein paar Tagen nach England zurückreisen. Wenn du ihnen eine Mutter bleiben willst, wirst du uns begleiten. Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, dass du sie nie wieder sehen darfst und dass du für immer vom Herrschaftsgebiet des englischen Königshauses verbannt bleibst.«

Jasmines türkisgrüne Augen weiteten sich im Schock. »Du Bastard!«, zischte sie. »Das wirst du nicht wagen.«

Er sah sie emotionslos an. »Ich werde dem Befehl des Königs gehorchen.«

Sie wollte ihm das Weinglas an den Kopf werfen, doch er packte ihr Handgelenk und hielt es in eisernem Griff fest. Langsam drehte er ihren Arm nach hinten und zog sie an sich. Dann küsste er sie hart auf die Wange, mehr eine Kriegserklärung als eine liebevolle Geste. Jasmine zappelte, konnte aber seinen Griff nicht lockern. Als er sie endlich freigab, holte sie aus und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Dann lief sie aus der Halle.

»Hassen Sie Jasmine eigentlich, oder lieben Sie sie?«, fragte Skye.

James Leslie schüttelte seine dunklen Locken. »Ich habe sie einst über alles geliebt. Als ich heute hier ankam, dachte ich, ich würde sie hassen, doch jetzt weiß ich nicht mehr, welches von beidem zutrifft, Madame. Warum widersetzt sie sich so sehr ihrem Schicksal?«

»Sie haben sicher schon festgestellt, dass Jasmine eine stolze Frau ist und einen starken Willen hat«, antwortete Skye. »Wir wissen beide, dass der König mit seiner Anordnung nur ihr Wohl im Sinn hatte. Und tatsächlich ist es für Jasmine die beste Lösung. Selbst ich bin dieser Meinung. Sie sind ein idealer Ehemann für sie, und Sie stehen beim König in höchster Gunst. Und Sie haben genug eigenes Vermögen.«

»Sie erstaunen mich, Madame«, antwortete der Graf. »Wenn mich nicht alles täuscht, haben gerade Sie Jasmines Flucht vor zwei Jahren durchaus unterstützt.«

»Das stimmt«, gab Skye zu. »Doch ich wollte nur, dass Jasmine etwas Zeit gewinnt, um ihre Gedanken zu ordnen. Doch dann folgte ein Monat dem anderen, und bald war es ein Jahr. Ich schwöre Ihnen, ich wollte sie wieder zurückholen, doch ich habe eine große Familie und musste mich immer wieder um andere Dinge kümmern. Es tut mir wirklich Leid, dass ich nicht früher gehandelt habe. Inzwischen, so fürchte ich, hat Jasmine Gefallen an ihrer Unabhängigkeit gefunden.«

»Liebt sie ihre Kinder genug, um ihnen nach England zu folgen?«, fragte James.

»Was immer passiert, Mylord, geben Sie Ihre Absicht nicht auf. Ich werde Sie, so gut ich kann, unterstützen.«

»Sie haben meine Frage aber nicht beantwortet, Madame.«

»Sie liebt ihre Kinder über alles«, erklärte Skye. »Und ich werde zusehen, dass sie nicht wieder überstürzt handelt. Dazu brauche in allerdings auch die Hilfe ihrer Diener. Alle drei kennen sie seit ihrer Geburt. Sie sind mit allen ihren Marotten vertraut. Adali ist fast wie ein Vater für sie. Er will nur das Beste, ebenso wie ihre zwei Zofen. Und Ihnen, Graf Leslie, möchte ich den Rat geben, sie nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Vollblüter wie Jasmine reagieren störrisch auf zu stramme Zügel oder gar die Peitsche. Als Pferdezüchterin weiß ich Bescheid, und Sie wären gut beraten, auf mich zu hören.« Etwas schwerfällig stand sie auf und dachte dabei, dass zwar ihr Verstand im Lauf der vielen Jahre in keiner Weise gelitten hatte, ihre Knochen aber inzwischen doch dem schlechten Wetter und dem Alter Tribut zollen mussten. »Sind Sie hungrig, Mylord? Ganz bestimmt nach dieser langen Reise. Ich beneide Sie um Ihre Pferde. In so einer Kutsche zu reisen ist eine einzige Mühsal.«

Er nahm lächelnd ihren Arm und geleitete sie in den Speisesaal, wo die Diener gerade dabei waren, die Tafel herzurichten. Sie hatte es nicht für nötig befunden, ihre Schuhe wieder anzuziehen und begleitete den Grafen in Strumpfsocken. Das tat ihrer Würde aber keinen Abbruch, dachte James Leslie.

Adali tauchte auf und stellte Skye einen Stuhl bereit.

»Wo ist deine Herrin?«, fragte ihn der Graf.

»Sie hat sich in ihr Schlafgemach eingeschlossen und flucht sehr drastisch in mindestens drei Sprachen«, antwortete Adali. »Rohana und Toramelli leisten ihr Gesellschaft. Sie werden darauf achten, dass sie Belle Fleurs nicht ohne Ihre Lordschaft verlässt.«

»Und wo stecken die Kinder?«, fragte James Leslie. Ihm fiel erst jetzt auf, dass er noch keines von ihnen gesehen hatte.

»Im Kinderzimmer, Mylord. Wünschen Sie sie jetzt zu sehen oder erst nach dem Essen? Dann werden sie allerdings bereits zu Bett sein.«

»Madame Skye und ich können sie morgen besuchen, Adali«, sagte der Graf.

»Soll ich meiner Herrin das Essen in ihrem Zimmer servieren?«, fragte Adali.

»Nein. Wenn sie essen will, soll sie hierher in den Speisesaal kommen. Schließlich ist sie nicht krank. Geh zu ihr und sag ihr, wir würden uns über ihre Gesellschaft freuen.«

»Ganz wie Sie wünschen, Mylord«, antwortete der Kammerdiener, ohne eine Miene zu verziehen. Er konnte sich gut vorstellen, wie seine Herrin auf diese Einladung reagieren würde. Trotzdem war er froh über die konsequente Haltung des Grafen. In den vergangenen Monaten war Jasmine immer schwieriger im Umgang geworden. Sie hatte ihren Kindern zu viel Freiraum gelassen. Die drei älteren sprachen inzwischen eine wilde Mischung aus Französisch und Englisch. Nach dem Tod von Prinz Henry hatte sie sie in ihrer Trauer vernachlässigt. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nur mehr Henrys Sohn, der im vergangenen September zwei Jahre alt geworden war. Jasmine und ihren Kindern würde es gut tun, wieder einen Mann im Haus zu haben. Das Problem war nur, sie davon zu überzeugen.

Er traf seine Herrin und ihre zwei Dienerinnen beim Packen.

»Wir werden das Haus verlassen, bevor der Graf und meine Großmutter morgen früh wach sind, Adali«, sagte sie. »Kannst du ihnen etwas in den Wein geben, dass sie besser schlafen?«

Adali bedeutete den beiden Zofen, im Packen innezuhalten. »Würden Sie wirklich Ihre Kinder im Stich lassen, Mylady?«

»Niemals!«, rief sie entrüstet. »Die Kinder kommen mit uns. Warum sollte ich sie hier zurücklassen?«

»Mit Ihrer Sturheit, Mylady, widersetzen Sie sich dem Befehl des Königs und berauben Ihre Kinder der Erbschaft. Dieses Verhalten erinnert mich an Ihren Bruder, Mughal Jahangir«, sagte Adali. Seine braune Augen musterten sie eingehend. Als Junge hatte er noch seiner indischen Mutter ähnlich gesehen, nun, im mittleren Alter, glich er mehr seinem französischen Vater.

Jasmine war überrascht über diese Worte. Adali war zeit ihres Lebens an ihrer Seite gewesen, und sie hatte ihn immer als ihren besten Freund angesehen. »Du willst doch damit nicht sagen, dass ich den Grafen von Glenkirk heiraten soll?«, fragte sie erstaunt.

»Er ist keine schlechte Wahl. Ein reicher Mann – und ein Freund des Königs. Er sieht gut aus, und Sie haben vor Jahren schon einmal eine Nacht mit ihm verbracht. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie ihn für einen schlechten Liebhaber hielten. Er liebt Ihre Kinder und möchte eigene haben. Was können Sie mehr verlangen, Mylady? Frauen von Ihrem Stand müssen sich ihre Männer sorgfältig aussuchen, und ohne einen mächtigen Mann an Ihrer Seite sind Sie und Ihre Kinder immer gefährdet.«

»Zwei meiner Ehemänner sind eines gewaltsamen Todes gestorben, Adali«, erwiderte Jasmine. »Und Prinz Henry ging völlig unerwartet in der Blüte seiner Jahre von mir. Der Graf von Glenkirk sollte auf der Hut sein vor einer solchen Frau. Vielleicht hat mich mein Bruder aus der Ferne verflucht. Außerdem liebt mich James Leslie schon lange nicht mehr. Er will mich nur aus Loyalität seinem König gegenüber heiraten. Ich glaube, er hasst mich sogar, Adali.«

»Dann müssen Sie sich ja keine Gedanken machen, wenn er plötzlich sterben sollte wie Jamal Khan und Rowan Lindley vor ihm«, antwortete Adali ungerührt. »Und Sie haben dem Befehl des Königs gehorcht. Wenn der Fluch ihres Bruders wirklich wirksam sein sollte, so wird er auch den Grafen von Glenkirk treffen, und das wäre doch ein idealer Weg, ihn loszuwerden.«

»Du glaubst nicht an diesen Fluch, Adali. Ich sehe dir das an. Ihr seid alle gegen mich, sogar meine Großmutter. Auch sie will dem Grafen helfen, und deswegen muss ich noch heute Nacht fliehen, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe.«

»Sie stellen Ihre Selbstsucht über das Wohl Ihrer Kinder«, ermahnte sie ihr Diener. »Sie waren zu lange allein, Mylady. Sie müssen wieder in die Welt zurückkehren, ebenso wie Ihre Kinder. Diesmal werde ich Sie nicht bei Ihrer Flucht unterstützen, und Rohana und Toramelli auch nicht. Haben Sie sich überhaupt Gedanken gemacht, wohin Sie von Belle Fleurs fliehen wollen? Das Herrschaftsgebiet von König James bleibt Ihnen verwehrt. Also können Sie nicht nach England, Schottland oder Irland. Sie müssen hier in Frankreich bleiben und sind auf Ihre Verwandten angewiesen. Doch wenn Madame Skye es nicht will, dass Sie hier bleiben, werden auch sie Ihnen nicht mehr helfen. Außerdem wird hier bald ein Religionskrieg ausbrechen, sodass Ihre. Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Oder wollen Sie etwa nach Indien zurück, zu Ihrem Bruder? Nein, Mylady, Ihr Platz ist an der Seite von James Leslie.« Der Gesichtsausdruck von Adali sagte ihr, wie ernst es ihm war. Und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, keine andere Wahl zu haben. »Soll ich seiner Lordschaft sagen, dass Sie ihm und Ihrer Großmutter beim Abendessen Gesellschaft leisten?«

Sie wollte ablehnen, doch sie hatte auch Hunger. Der Gedanke, sich allein in die Küche zu schleichen und etwas zum Essen zu holen, war wenig verlockend. Und außerdem, warum sollte sie sich von ihrem eigenen Tisch vertreiben lassen? »Ich muss mich noch umziehen«, seufzte sie. »Sag meiner Großmutter, dass ich bald nachkommen werde.«

Adali ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. Er wusste auch genau, dass seine Herrin noch lange nicht aufgegeben hatte. Als er in den Speisesaal kam, verkündete er: »Meine Herrin wird Ihnen bald Gesellschaft leisten, sie muss sich nur noch umziehen.«

»Vielen Dank, Adali«, sagte Skye. »War sie bereits beim Packen?«

Der Diener lachte. »Ja, Madame. Aber ich habe ihr klar gemacht, dass sie sich nirgendwo mehr verstecken kann. Ihr Platz ist von nun an der Seite ihres Mannes, auch wegen der Kinder.« Adali verbeugte sich und gab dann den anderen Dienern die Anweisung, das Essen aufzutragen.

Lord Leslie betrachtete ihn mit skeptischem Blick.

»Er ist ihr mit Haut und Haaren verpflichtet«, sagte Skye leise zu dem Grafen. »Aber er widerspricht ihr auch, wenn er der Meinung ist, es trage zu ihrem Wohl bei. Wenn Sie Jasmine gut behandeln, wird er immer auf Ihrer Seite sein.«

Der Graf nickte, und dann sah er auf, als Jasmine den Saal betrat. Für einen Moment vergaß er sogar seine Wut auf sie, denn sie war so schön, wie er sie immer in Erinnerung gehabt hatte. Gekleidet in burgunderrotem Samt, der ihr schwarzes Haar leuchten ließ, schritt sie voller Würde zum Tisch. James Leslie erhob sich, nahm ihre Hand und küsste sie. Jasmine schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick.

»Wie reizend du aussiehst, meine Liebe«, sagte Skye bewundernd.

»Die Mode hat sich geändert, Großmutter«, erwiderte Jasmine beiläufig. »Ich werde neue Kleider brauchen.«

»Du sollst alles haben, was dein Herz begehrt«, sagte der Graf. »Du weißt, das mir für dich nichts zu teuer ist.«

»Ich bin selbst in der Lage, mir neue Kleider zu kaufen«, erklärte Jasmine in eisigem Ton. »Ich habe mehr Geld als du. Und wenn wir schon darüber reden, dann sei dir im Klaren, dass vor einer Hochzeit die finanziellen Dinge geregelt sein müssen. Du wirst eine stattliche Mitgift erhalten, doch der Rest meines Vermögens bleibt in meiner Hand. Wenn du damit nicht einverstanden bist, wird es trotz des Befehls des Königs keine Heirat geben.« Das wird seinem stolzen schottischen Kopf zu denken geben, überlegte sie zufrieden.

»Natürlich, meine liebe Jasmine«, antwortete der Graf ruhig. »Dein Vermögen will ich nicht antasten. Meine und sicherlich auch deine Mutter haben ebenfalls solche Abmachungen in ihren Eheverträgen. Mein Vorschlag wäre, so schnell wie möglich ein schriftliches Abkommen auszufertigen, doch bin ich nicht sicher, ob ein von einem französischen Notar verfasstes Papier in England Gültigkeit hätte. Deswegen werden wir wohl warten müssen, bis wir wieder in England sind.«

»Bevor der Vertrag nicht unterschrieben vorliegt, wird es zwischen uns keinerlei Beziehung geben«, sagte Jasmine.

»Wie du willst«, antwortete er.

Skye nagte an einem Kaninchenbein und hörte zu, wie ihre Enkelin und der Graf von Glenkirk sich auseinander setzten. James Leslie hatte offensichtlich ihren Rat beherzigt und ging behutsam mit Jasmine um. Doch die machte es ihm nicht leicht. Warum sieht sie in ihm nur den Feind?, dachte Skye. Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, könnte ich mich durchaus für ihn begeistern, überlegte sie. Sie beugte sich über den Tisch und brach ein Stück Brot vom Laib ab.

»Darauf bestehe ich«, fauchte Jasmine.

»Ich habe es gehört«, antwortete der Graf ruhig.

»Dann können wir ja morgen nach England zurückkehren«, entschied sie.

»Das werden wir nicht. Wir bleiben noch eine Woche in Belle Fleurs. Deine Großmutter braucht eine Zeit lang Ruhe. Und außerdem bin ich der Meinung, dass es für uns beide besser ist, wenn wir uns auf neutralem Boden ein paar Tage aneinander gewöhnen können.«

»Ist das nötig, mein Lieber? Was willst du über mich noch erfahren? Ich bin schön. Ich bin reich. Ich habe königliches Blut in meinen Adern. Ich hatte zwei Ehemänner und einen Prinzen als Liebhaber. Ich bin Mutter von vier Kindern. Und ich habe dir vor einigen Jahren im Bett Freude bereitet. Was brauchst du mehr?«

»Ja«, antwortete er kalt, »das stimmt alles. Aber ich will herausfinden, ob unter dieser harten und unnachgiebigen Schale, die du dir zugelegt hast, noch immer ein Rest von dem verborgen ist, was ich einst kennen gelernt habe, nämlich eine liebenswerte, zärtliche Frau.«

Skye verschluckte sich fast an ihrem Wein.

»Du arroganter schottischer Bastard«, zischte Jasmine voller Wut. »Wie kannst du es wagen, in diesem Ton mit mir zu reden?«

»Weil ich dein zukünftiger Ehemann bin und du diesen Ton vorgegeben hast.«

»Wenn wir wieder in England sind, werde ich den König bitten, seine Meinung zu ändern«, sagte Jasmine.

»Das wird er nicht, das weißt du ganz genau«, antwortete James Leslie. »Er hat seine Entscheidung getroffen und wird davon nicht abrücken, schon gar nicht, wenn eine Frau ihn darum bittet. Es geht auch nicht um dich oder um mich, Jasmine. Es geht um den erstgeborenen Enkel des Königs, um Charles Frederick Stuart. Ein Stuart kann sich nicht der königlichen Verantwortung entziehen.«

»Ich brauche keinen Mann, um meine Kinder zu erziehen.«

»Trotzdem hat der König befohlen, dass du einen haben sollst. Er weiß, dass ich diese Position nicht zu seinem Ungunsten ausnützen werde.«

»Du überheblicher Kerl!«, giftete sie.

»Du bösartiges Weib!«

»Schluss jetzt!«, rief Skye. Beide blickten voller Überraschung hoch. Skyes Gesicht war ernst. »Ihr streitet wie die Kinder.« Sie wandte sich an Jasmine. »Der König hat dir diesen Ehemann ausgesucht. Er sieht gut aus, er hat genug Vermögen, um euch alle zu versorgen. Und ich bin ihm gewogen. Das heißt in dieser Familie mehr als alles andere. Deshalb wirst du den Grafen von Glenkirk heiraten, meine liebe Jasmine. Ich wünschte, du könntest selbst die Entscheidung treffen, aber die Umstände wollen es anders. Und Sie, James Leslie«, sagte sie zu ihm gewandt »Sie werden meine Enkeltochter mit Würde und Respekt behandeln, wenn sie Ihre Frau geworden ist. Ich hoffe, ihr werdet einander mit der Zeit lieben, das ist noch immer die beste Grundlage für eine Ehe. Wenn das nicht möglich ist, werdet ihr wenigstens einander ehren und eurem Namen keine Schande bereiten.« Sie erhob sich von ihrem Sessel. »Ich bin eine alte Frau und brauche jetzt meine Ruhe. Adali!« Sie nahm den angebotenen Arm des Dieners und verließ ohne ein weiteres Wort den Saal.

James Leslie griff nach seinem Weinglas. »Wenn du willst«, sagte er leise, »dann bleiben wir bis zum Frühjahr in Frankreich und versuchen, uns aneinander zu gewöhnen. Die Überfahrt ist im Winter nicht ungefährlich.«

»Vielleicht ist das die beste Lösung«, überlegte Jasmine laut. »So hätten die Kinder die Möglichkeit, mit dir näher Bekanntschaft zu schließen. Außerdem gefällt mir nicht, wie meine Großmutter aussieht. Der Tod ihres Mannes muss sie schwer getroffen haben. Und dann noch ihre überstürzte Abreise von Queen Malvern. Wir könnten bis Mai hierbleiben.«

»Ich dachte an den ersten April«, sagte er ruhig.

»Das kann nicht dein Ernst sein«, antwortete Jasmine. Sie erinnerte sich noch genau, wie sie ihn vor zwei Jahren hingehalten hatte mit dem Versprechen, mit ihm am ersten April vor den Traualtar zu treten. Doch als er sie an diesem Tag in Queen Malvern abholen wollte, war sie mit ihren Kindern geflohen.

»Du kannst froh sein, dass ich nicht für diesen Tag unsere Hochzeit angesetzt habe.«

Ein kalter Schauer überlief sie plötzlich. »Hasst du mich wirklich so sehr?«, fragte sie. Seine abweisende Haltung machte ihr zu schaffen. Was hatte sie denn schon getan? Sie wollte doch nur mehr Abstand gewinnen und um ihren verstorbenen Mann trauern. Das musste er doch verstehen.

»Ich weiß nicht, wie meine Gefühle für dich wirklich sind, Jasmine«, sagte er nachdenklich. »Früher war ich überwältigt von deiner Schönheit und Leidenschaft. Ich war sicher, dich zu lieben. Deine Überheblichkeit verschaffte mir ein anderes Bild von dir. Ich weiß nicht, ob ich dich je lieben kann, aber aus Rücksicht auf die Kinder und die Kinder, die wir noch haben werden, müssen wir es versuchen.«

»Wir werden keine Kinder haben, James Leslie«, sagte sie, ohne einen Moment zu überlegen. »Es sei denn, wir lieben uns. Ich bin keine Zuchtstute, die dir zur Verfügung steht. Ich werde dich heiraten und niemals Schande über deinen Namen bringen und dir in allen Dingen zur Seite stehen, aber es wird keine Kinder geben – außer aus Liebe.«

»Wie edel von dir«, sagte er mit Spott in der Stimme. »Du hattest mit Westleigh drei Kinder, obwohl deine Familie die Heirat arrangiert hatte, um deinen losen Lebenswandel in geregelte Bahnen zu lenken. Hast du Rowan Lindley wirklich geliebt?«

»Natürlich!«, antwortete Jasmine entschieden. »Mein loser Lebenswandel, wie du es bezeichnest, war die Folge deines Begehrens, mein Lieber. Ich erinnere mich noch sehr genau an jenen Dreikönigstag. Du hast mich damals verführt, und ich habe zugestimmt, weil wir beide Trost brauchten nach dem Verlust unserer Partner. Hätte uns meine Stiefschwester Sybilla nicht ertappt und so für einiges Aufsehen gesorgt, wäre alles in Ordnung gewesen. Wir beide hätten die Affäre schnell vergessen und wären unserer Wege gegangen – was wir ohnehin getan haben.«

Er nahm ihre Hand in einen harten Griff. »Niemals hätte ich das vergessen können!«, sagte er. »Du warst die schönste und aufregendste Frau, die ich je kennen gelernt hatte. Ich werde aber auch nie vergessen, wie du mich zum Gespött des Hofes gemacht hast, als du vor zwei Jahren davongelaufen bist. Glaubst du, dein Stolz ist größer als meiner? Was weißt du wirklich über mich, Jasmine?«

»Nichts«, gab sie leise zu und löste sich aus seinem Griff.

»Dann sollst du mehr erfahren«, sagte er. »Vor langer Zeit, als König Malcolm und Königin Margret regierten, heiratete mein Vorfahre, Angus Leslie von Glenkirk, die Schwester der Königin. Die Mutter der beiden Schwestern war Agatha, eine Prinzessin aus Ungarn. Mein Urgroßvater, Charles Leslie, war ein geborener Prinz aus dem osmanischen Reich, denn sein Vater war Sultan Selim. Meine Ur-Urgroßmutter, Janet Leslie, war Sultan Selims Lieblingsfrau. Du siehst also, auch ich habe königliches Blut in meinen Adern.«

So erstaunt sie über diese Neuigkeiten war, so wenig ließ sie es sich anmerken. »Dann passen wir ja wunderbar zusammen«, sagte sie trocken und erhob sich. »Es ist spät geworden. Ich werde dich zu deinem Schlafzimmer begleiten.«

Er folgte ihr aus dem Saal, sah ihre steife Haltung und fragte sich, ob er ihr wohl trauen konnte. Und was führte ihre Großmutter im Schilde? Wollte sie ihn nur in falscher Sicherheit wiegen, damit ihre Enkelin umso ungestörter ihre erneute Flucht planen konnte? Nun, eine Ränkeschmiedin war sie vielleicht, aber sie hatte auch den Ruf, von Grund auf ehrlich zu sein. Er musste ihr vertrauen; die andere Möglichkeit wäre nur, die ganze Nacht über wach zu liegen. Und wie lange konnte er das durchhalten? War es falsch von ihm, Jasmine noch so viel Zeit zu lassen, oder sollte er nicht doch gleich morgen einen Priester bestellen, der sie beide traute? Er schüttelte den Kopf. Heirat oder nicht, wenn Jasmine ihn wieder verlassen wollte, würde sie es tun. Er hatte nur zwei Möglichkeiten: entweder sie einzusperren oder ihre Freundschaft zurückzugewinnen.

»Dein Diener erwartet dich«, sagte Jasmine, als sie vor einer schweren Eichenholztür anhielten. »Gute Nacht.«

Er nahm ihre Hand und drückte einen Kuss darauf. »Gute Nacht, meine Liebe«, sagte er und öffnete die Tür.

Jasmine zog hastig ihre Hand zurück, drehte sich mit einem Ruck um und eilte den Gang hinunter. Sie fühlte noch immer seine Lippen auf dem Handrücken. Diesen Mann musste sie nun also heiraten, einen Mann, mit dem sie vor fast zehn Jahren eine leidenschaftliche Nacht verbracht hatte, den sie aber kaum kannte. Sie wusste nicht, was er dachte, und sie hatte fast ein wenig Angst vor ihm, würde das aber niemals eingestehen, vor allem nicht vor James Leslie selbst. Er war ein Mann, das musste sie zugeben, den man nicht einschüchtern konnte oder gar provozieren sollte.

Sie hatte ihn beleidigt und bloßgestellt. Dennoch wollte er den Befehl des Königs ausführen und sie heiraten. Er war gefährlich, und wenn sie nicht einen Weg fand, ihn zu besänftigen, würde ihr Leben nicht leicht werden. Jasmine erreichte ihr Schlafzimmer, wo ihre Zofe wartete. Ihre Großmutter würde wissen, was zu tun war. Morgen wollte sie mit ihr reden, und sie sollte ihr helfen herauszufinden, wie sie James Leslies Herz rühren konnte. Wenn er überhaupt eins hatte.

Das Erbe der Skye O'Malley

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