Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 19
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Оглавление»Sie hat mich abgelehnt! In aller Öffentlichkeit! Ich bin am Hof zur Zielscheibe des Spotts geworden, Kipp! Die Hündin muss für ihr unerhörtes Verhalten bestraft werden – bei Gott, ich will sie leiden sehen!« Der Marquis von Hartsfield warf seinen Mantel quer durchs Zimmer, ergriff den großen Silberpokal mit Wein, den sein Bruder ihm hinhielt, und leerte ihn fast in einem Zug.
»Du wusstest, wie gering deine Chance war, dass sie dich Glenkirk vorziehen würde«, erinnerte Kipp St. Denis seinen Bruder. »Ich weiß, dass du gesagt hast, du würdest gewinnen, aber verdammt, Piers, du hättest wissen müssen, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Du bist doch kein Dummkopf, Bruder. Und jetzt erzähl mir, was der König gesagt hat.«
»Er sagte, er würde eine reiche junge Frau für mich suchen, oder vielmehr die Königin hat es gesagt. Das ist auch so eine Hexe, Kipp. Wenn mich nicht alles täuscht, steckt sie mit Villiers unter einer Decke.«
»Eine vermögende Frau, vom König höchstpersönlich ausgesucht, ist kein kleines Geschenk, Bruder«, versuchte Kipp ihn zu beruhigen. »Denk doch an den Spaß, den wir mit ihr haben werden!«
Piers St. Denis leerte seinen Pokal vollends und reichte ihn Kipp, damit er ihn wieder füllte. »Spaß mit einer hochwohlgeborenen und wahrscheinlich auch noch frommen Jungfrau? Eine Nacht, und sie ist gefügig wie ein Lamm, Kipp. Wo ist denn da der Spaß? Jasmine Lindley zu brechen wäre eine Herausforderung gewesen, weil sie feurig, leidenschaftlich und erfahren ist. Keine Jungfrau kann mit einer solchen Frau mithalten.«
»Du kannst eine Frau, die der König für dich aussucht, nicht ausschlagen, Piers«, warnte Kipp ihn. »Und wenn sie nur gut dazu ist, um dir einen Erben zu schenken. Wir können uns mit allen möglichen anderen Frauen amüsieren, wie wir das immer getan haben.«
»Ich habe den König um ihren Sohn gebeten«, sagte der Marquis von Hartsfield zu seinem Bruder. »Ich sagte ihm, wenn er mich glücklich machen wolle und ich Jasmine nicht haben könne, dann solle er mir seinen Enkel anvertrauen.«
»Du bist wahnsinnig!«, rief Kipp aus, verblüfft über diese Kühnheit.
»Nein! Wenn ich den Jungen bekomme, habe ich Macht über Jasmine, auch wenn sie mich nicht heiraten will. Ihre Schwäche sind ihre Kinder, Kipp. Sie wird tun, was ich will, um ihr Kind zu beschützen, auch wenn sie mit Glenkirk verheiratet ist. Ich kann die Hündin in aller Offenheit zu meiner Geliebten machen und diese Ehe zerstören, die sie so sehr will. Und als Vormund des einzigen Enkels des Königs, auch wenn er auf der falschen Seite des Kissens geboren wurde, habe ich auch eine gewisse Macht über James Stuart.« Seine blauen Augen glitzerten böse in Erwartung seines Sieges.
»Der König wird dir den Herzog von Lundy niemals geben«, erwiderte Kipp. »Schlag es dir aus dem Kopf, Piers, sonst erleidest du eine weitere bittere Enttäuschung.«
»Der Graf von Bartram hat ebenfalls um den Jungen gebeten«, erzählte der Marquis seinem überraschten Bruder.
»Und hat der König es ihm abgeschlagen?« Kipp St. Denis füllte den Silberpokal seines Bruders erneut.
»Der König hat sich noch nicht entschieden«, erwiderte der Marquis und nahm gedankenverloren einen Schluck Wein. »Vielleicht sollten wir ihm ein bisschen auf die Sprünge helfen – und zugleich die Leslies von Glenkirk schachmatt setzen.«
»Wie?« Kipp St. Denis blickte seinen Bruder interessiert an. Vielleicht war er ja wirklich in der Lage, seine Niederlage in einen Sieg zu verwandeln.
»Was wäre, wenn Bartram ermordet würde und der Verdacht auf James Leslie und seine junge Frau fiele?«, fragte der Marquis.
»Das würdest du dir zutrauen?«, erwiderte sein Bruder nachdenklich. »Das müsste aber äußerst gut geplant werden, Piers.«
»Ja, natürlich«, kam die Antwort, »aber wie gefällt dir denn meine Idee? Hältst du das für möglich, Kipp? So könnten wir alle beiden Vormünder für den Herzog von Lundy auf einen Schlag außer Gefecht setzen.«
»Aber das würde noch immer nicht bedeuten, dass der König dir den Jungen auch gibt«, erwiderte der praktisch veranlagte Kipp.
»Wem denn sonst, Bruder? Wem sonst?«, fragte der Marquis.
»Lady Lindleys Großmutter, der alten Gräfin von Lundy«, entgegnete Kipp. »Sie ist das Oberhaupt der Familie. Einer ihrer Söhne ist der Graf von Lynmouth, der andere Lord Burke von Clearfields. Ihr Schwiegersohn, der Graf von BrocCairn, ist sogar der Cousin des Königs. Der König mag die starke alte Frau, weil sie ihm schmeichelt. Er könnte den Jungen ihr oder jedem anderen ihrer Kinder geben.«
»Sie ist zu alt, um den Jungen großzuziehen«, sagte der Marquis. »Ihre Zeit ist bereits abgelaufen, und was ihre Kinder angeht, so ist sich der König ihrer Liebe und Loyalität sicher. Er braucht weiter nichts für sie zu tun, aber für mich muss er etwas tun, um mich für meine öffentliche Demütigung und große Enttäuschung zu entschädigen.«
»Ich frage mich, ob du für den König wirklich so wichtig bist, wie du denkst, Piers«, überlegte sein Bruder. »Villiers, dein großer Rivale, bezaubert den König mit seinem liebenswürdigen und gutherzigen Wesen. Du dagegen benimmst dich jedes Mal wie ein verwöhntes Kind, wenn du deinen Willen nicht bekommst. Bis jetzt hat der König dein kindisches Verhalten großzügig übersehen, aber wie lange wird seine Güte noch anhalten? Er ist nicht so dumm, wie die meisten glauben. Als Bartram ihm abgeraten hat, dir einen Besitz der Krone zu geben, was hast du da getan? Du hast so lange geschmollt und gejammert, bis der König gezwungen war, dir etwas anderes von größerem Wert anzubieten, in diesem Fall die Chance, die Hand von Lady Lindley zu gewinnen. Und das alles nur, um dich zum Schweigen zu bringen. Er hätte es nicht tun müssen, aber er wusste nicht, wie er dich sonst zufrieden stellen sollte, also gab er dir und Villiers eine Gelegenheit.
Dein Rivale hatte so viel Verstand, das Angebot des Königs mit Anstand abzulehnen, indem er ihm erklärte, dass er schon anderweitig gebunden sei und sein Herz für die überaus reiche Lady Katherine Manners schlüge. Du, Piers, hattest nicht so viel Verstand. Und nun, da es dir nicht gelungen ist, den angebotenen Preis zu erringen, schmollst du schon wieder. Der König wird deines Verhaltens überdrüssig werden, Bruder, vor allem angesichts Villiers’ sehr viel umgänglicherer Art.«
»Villiers ist ein Opportunist von niederer Geburt«, erklärte der Marquis ärgerlich.
»Vielleicht«, erwiderte Kipp, »aber er verfügt über beträchtlichen Charme, und der König ist seinem Zauber beinahe schon erlegen, wie mir scheint.«
»Ein weiterer Grund für uns, rasch zu handeln«, erklärte Piers St. Denis. »Wenn ich wirklich die Gunst des Königs verliere, dann schlage ich am besten zu, solange ich noch die Chance habe, das zu bekommen, was ich haben will. Wenn erst einmal der Herzog von Lundy unter meiner Obhut steht, dann soll Villiers ruhig die ungeteilte Aufmerksamkeit des Königs genießen. Das spielt dann für mich keine Rolle mehr, Kipp. Vielleicht sollte ich mich Prinz Charles mehr widmen. Er ist schrecklich eifersüchtig auf Villiers, weißt du, und er ist der zukünftige König. Ja, das ist es! Ich werde ein Band zwischen dem jungen Charles und seinem königlichen Onkel schmieden. Wenn der Ältere König wird, werden mir beide dankbar sein!«
»Das ist wahrlich ein besserer Grund, um die Vormundschaft über den Jungen zu erlangen«, sagte Kipp. »Seine Mutter ist nicht wirklich von Bedeutung, aber der Junge! Er bedeutet echte Macht, Bruder!«
»Wir sind uns also einig?«
»Ja.«
»Dann lass uns überlegen, wie wir den Grafen von Bartram am besten umbringen und die Schuld den Leslies von Glenkirk in die Schuhe schieben können, Kipp.«
»Lady Lindley sollte erfahren, dass der Graf von Bartram versucht, ihr das Kind wegzunehmen«, schlug Kipp vor.
»Ja!«, rief der Marquis begeistert aus. »Und entweder sie oder Glenkirk oder vielleicht auch alle beide sollten Bartram öffentlich darauf ansprechen. Wenn er dann unter seltsamen Umständen tot aufgefunden wird, fällt der Verdacht natürlich auf die Leslies von Glenkirk. Das wird den König veranlassen, seinen Enkel solch gefährlichen Menschen wegzunehmen, und – voilà! – Ich gewinne! Selbst wenn Glenkirk und Jasmine der Tod von Richard Stokes nicht bewiesen werden kann, dann sollte allein der Verdacht ausreichen, genauso wie es bei Somerset und seiner Frau gewesen ist.«
»Wir brauchen einen genauen Plan. Wie viel Zeit haben wir?«, fragte Kipp. »Wann kommt Glenkirk aus Schottland zurück?«
Piers St. Denis dachte einen Moment lang nach. »Ich weiß es wirklich nicht, aber er ist jetzt seit fast drei Wochen weg. Vielleicht ist er in zehn Tagen oder so wieder da. Er war schließlich auf der reinsten Narrentour.«
»Ich werde am Hof darüber Nachforschungen anstellen«, sagte Kipp. »Diskret natürlich. Du wirst keinen Ton mehr über den Herzog von Lundy verlauten lassen, Piers, damit du nicht mit diesem Verbrechen in Zusammenhang gebracht wirst. Das verstehst du doch, oder? Du kannst dich noch nicht einmal vor Villiers damit brüsten, dass dir die Vormundschaft über den Enkel des Königs zugesprochen wird. Kein anderer als der König weiß davon, und es muss auch kein anderer wissen.«
Adali hatte die Wachen um Greenwood House und das parkähnliche Grundstück mehr als verdoppelt. Ob seine Herrin wohl jemals ganz in Sicherheit wäre, fragte er sich. Vielleicht würde ihnen Schottland den Schutz bieten, den sie alle so sehr brauchten? Er betete darum.
Die Kinder waren aus Queen’s Malvern angekommen, und abgesehen von James Leslies Abwesenheit war Jasmine wieder glücklich. Ihre beiden ältesten Kinder glichen sehr ihrem Vater, obwohl sie beide dunkles Haar hatten. India jedoch besaß Rowans goldene Augen, während Henrys Augen wie ihre eigenen türkisfarben waren. Ihre zweite Tochter, Fortune, schien der Schwan unter den Enten zu sein.
Fortune hatte rotgoldene Haare, und Skye behauptete, ihre Großmutter wäre mit derselben Haarfarbe gesegnet gewesen. Da das Kind auch Skyes blaugrüne Augen hatte, musste Jasmine annehmen, dass die Kleine nach ihren keltischen Vorfahren geriet, und in der Tat sah sie aus wie die Kinder, die in MacGuire’s Ford, dem Dorf auf Jasmines irischem Besitz, gespielt hatten, und überhaupt nicht wie ihre älteren Geschwister.
Der Jüngste, Charles Frederick, war jeder Zoll ein Stuart mit seinen braunen Locken und den gleichen bernsteinfarbenen Augen wie sein Großvater, der König. Er war jetzt fast drei Jahre alt und besuchte mit seinen Geschwistern den Hof, gekleidet in einen orangefarbenen Satinanzug mit einem breiten Kragen aus zarter irischer Spitze. Er trug ein Miniaturschwert bei sich mit einem goldenen Knauf, besetzt mit winzigen Smaragden und Topasen, das extra für ihn angefertigt worden war. Schwungvoll riss er sich den weichen Hut mit den drei weißen Federn vom Kopf und verbeugte sich vor dem König und der Königin, während seine stolze Mama, hocherfreut über die hervorragenden Manieren ihres Jüngsten, zusah. Manieren, die Jasmine ihrem kleinen Sohn nicht beigebracht hatte, wie sie wusste. Insgeheim dankte sie ihrer Großmutter.
Hinter dem Herzog von Lundy, der wegen seines höheren Rangs seine Geschwister anführte, kam Henry Lindley, der Marquis von Westleigh, gefolgt von seinen Schwestern Lady India und Lady Fortune Lindley. Der junge Marquis war genauso gekleidet wie sein kleiner Bruder, nur dass sein Anzug aus türkisblauem Satin und sein Schwert mit Diamanten und Aquamarinen besetzt war. Seine Schwestern trugen Kleider aus rosa- und lavendelfarbener Seide. Als ihre älteren Brüder sich verbeugten, knicksten sie tief und erhoben sich dann langsam und anmutig, sehr zum Wohlgefallen der Königin und der Hofdamen.
»Wir freuen uns sehr, Euch wieder zu sehen, meine Lieben«, sagte der König lächelnd. Dann beugte er sich zu seinem Enkel. »Komm zu mir, Charlie, mein Junge«, bat er, und als der Kleine auf seinen Großvater zutrat, hob James Stuart ihn auf seinen Schoß und drehte ihn so, dass er Prinz Charles ansehen konnte. »Das ist dein Onkel«, sagte er zu Jasmines Jüngstem. »Du bist nach ihm genannt worden. Er heißt auch Charles. Eines Tages, wenn ich tot bin, Charlie, dann wird dieser Charles dein König sein, und du musst ihm treu dienen. Du bist ein Stuart, Junge, und wir Stuarts streiten uns vielleicht manchmal, aber wir sind einander treu bis in den Tod.«
»Ja, Sire«, antwortete der kleine Junge. Dann fragte er den Prinzen: »Warum siehst du mich so an?«
»Weil du deinem Vater sehr ähnlich bist, Charlie. Dein Vater war mein großer Bruder, so wie Henry dein großer Bruder ist«, erwiderte der Prinz. Tränen standen in seinen Augen.
Charles Frederick Stuart, der Herzog von Lundy, hob seine kleine Hand und wischte Prinz Charles eine Träne von der Wange. »Nicht weinen«, sagte er mit seiner Kinderstimme, »nicht weinen, Onkel.«
Der König zog ein seidenes Taschentuch hervor und schnaubte sich die Nase, und alle, die um den Thron herumstanden und das Gespräch mitangehört hatten, schnieften ebenfalls vernehmlich. Auch die Königin kämpfte mit den Tränen.
»Wollen wir Ball spielen?« Das Kind blickte seinen Onkel hoffnungsvoll an.
Zum Erstaunen aller lächelte Prinz Charles, was äußerst selten vorkam, hob das Kind vom Schoß seines Vaters und ergriff die kleine Hand. »Ja, ich möchte Ball mit dir spielen«, sagte er. »Lasst uns in den Hof gehen, mein Herzog.« Er befahl dem am nächsten stehenden Lakaien: »Holt uns einen Ball, Mann!«, und dann gingen die beiden Charles Stuarts Hand in Hand aus dem Saal und schwatzten dabei, als würden sie einander schon lange kennen.
»Er ist ein lieber kleiner Junge, Madame«, sagte der König zu Jasmine. »Alle Eure Kinder sind gut geraten.«
»Ich danke Eurer Majestät für Eure Freundlichkeit meinen Kindern gegenüber, und vor allem danke ich Euch für die Gunst, die Ihr dem Herzog von Lundy erwiesen habt«, erwiderte Jasmine aufrichtig. Dann knickste sie vor dem Königspaar und verließ mit ihren drei älteren Kindern ebenfalls den Saal.
»Gut gemacht, meine Liebe«, sagte George Villiers, der kurz darauf zu ihnen stieß. »Dafür, dass Ihr so gerissen seid, habt ihr gutgeratene Kinder«, meinte er mit spitzbübischem Grinsen.
Jasmine lachte und stellte Villiers ihre Kinder vor. »Der Herr wird bald der alleinige Favorit des Königs sein«, sagte sie später zu ihnen. »Es kann nicht schaden, ihn zum Freund zu haben, aber er ist nicht so liebenswürdig und einfach, wie man vielleicht glauben mag.«
»Er hat keinen Titel«, stellte ihr ältester Sohn fest.
»Er wird einen bekommen«, erwiderte Jasmine. »Der König wird ihn großzügig belohnen, und der junge Villiers hat ein Auge auf eine Erbin aus exzellenter Familie geworfen. Er muss die gleiche soziale Stellung wie ihr Vater oder sogar eine noch höhere haben, bevor sie ihn heiraten darf, aber ich bezweifle nicht, dass dies der Fall sein wird.«
»Er ist sehr schön«, sagte Lady India Lindley.
»Gut aussehend«, korrigierte ihre Mutter sie. »Ein Mann ist gut aussehend, und eine Frau ist schön, mein Püppchen.«
India schüttelte den Kopf. »Er ist mehr als gut aussehend. Er ist schön! Ich bin auch eine Erbin, und wenn er mir einen Antrag machen würde, hätte ich nichts dagegen, ihn auch ohne Titel zu heiraten.« Sie blickte George Villiers bewundernd nach.
»Ich mag seine Augen nicht«, meinte Lady Fortune Lindley.
»Warum nicht?«, fragte Jasmine ihre jüngere Tochter neugierig. Sie fand, dass das eine recht interessante Beobachtung für ein so kleines Mädchen war.
»Sie sind wie deine schwarzen Perlen, Mama. Sie spiegeln das Licht wider, aber ich kann nichts darin sehen«, bemerkte Fortune.
»Du bist wirklich dumm, Fortune!«, spottete India. »Ich finde seine dunklen Augen wie eine samtige Nacht voller Sterne.«
»Du meine Güte!«, sagte Jasmine. »Du bist ein sehr romantisches Kind, India. Ich werde von jetzt an ein scharfes Auge auf dich haben müssen, Miss!« Sie fand die Beobachtungen ihrer Töchter in Bezug auf George Villiers interessant. Zwar fand sie selbst ihn amüsant und bestimmt nützlich, neigte jedoch dazu, ihrer jüngeren Tochter zuzustimmen. Rowans nachgeborene Tochter war schon von Geburt an sensibel gewesen, überlegte sie nachdenklich. India dagegen hatte, ähnlich wie Jasmines Bruder, der jetzt Großmogul von Indien war, etwas eigensinnig Wildes an sich. Hoffentlich würde sich das noch auswachsen.
Prinz Charles bat darum, dass sein kleiner Neffe ein paar Tage bei ihm am Hof bleiben dürfe. Es wäre unhöflich von Jasmine gewesen, ihm die Bitte abzuschlagen, und auch der kleine Charlie wollte unbedingt bei seinem Onkel sein. Adali persönlich brachte eine Truhe mit den Kleidern des Jungen in die königlichen Gemächer. Der Prinz, der sehr religiös war, begann damit, seinem Neffen seine Gebete und die Schrift beizubringen. Das kleine Kind, das eine rasche Auffassungsgabe besaß, war ein hervorragender Schüler, sehr zum Entzücken seines königlichen Onkels.
»Es ist genauso wie am Hof Eures Vaters; die Höflinge bemühen sich ständig um die Aufmerksamkeit und die Gunst des Königs«, bemerkte der kluge Adali. »Wahrscheinlich sind alle Königshöfe gleich, Mylady. Unser kleinstes Kind passt recht gut hierher, bestimmt fühlt er sich wohl bei seinem Onkel.«
»Seine beiden Großväter sind Könige«, erwiderte Jasmine, »und beide Onkels sind oder werden Könige sein. Wenn mein unehelicher Stuart als Erbe seines Vaters zur Welt gekommen wäre, dann wäre er eines Tages auch König geworden.«
»Als Herzog wird er ein sehr viel unbeschwerteres Leben führen«, sagte Adali lächelnd, und seine Herrin lachte.
»Wie kannst du so fröhlich sein, wo ich doch weg war?«, fragte James Leslie, der gerade den Raum betrat und sie beide überraschte.
»Jemmie!«, schrie Jasmine und flog in seine Arme. »Du bist zurück! Oh, jetzt können wir London verlassen und nach Queen’s Malvern zurückkehren! Wie schön! Wie schön!« Sie küsste ihn leidenschaftlich und schmiegte sich an ihn. »Hast du mich vermisst, Mylord?«, murmelte sie und drückte ihr Gesicht an seinen Hals. Er war feucht und roch nach Pferden, aber sie entdeckte auch den Geruch von James Leslie, ihrem Jemmie.
Es war so gut, sie in den Armen zu halten. Gott, er hatte sie so sehr vermisst! Er hob ihr Gesicht an und sagte: »Noch einen Kuss, Madame! Ich komme um vor Sehnsucht nach dir.« Dann senkte sich sein Mund auf ihren, er schmeckte ihre weichen Lippen, und der Duft ihres Parfüms, des nachtblühenden Jasmins, hüllte ihn verführerisch ein. Sie presste sich fest an ihn, und als er sie endlich losließ, grinste er glücklich. »Darf ich annehmen, dass du mich auch vermisst hast, Madame?«
Sie nickte. »Und außerdem habe ich inzwischen den Marquis von Hartsfield davongejagt, Jemmie! Und zwar in aller Öffentlichkeit. Er wird mir nicht mehr zu nahe kommen, das schwöre ich dir!«
»Und was ist mit dem König?«, fragte er besorgt.
»Oh, der König hat mich vollkommen verstanden, als ich es ihm erklärt habe«, erwiderte Jasmine fröhlich. »Und die Kinder sind alle hier! Der kleine Charlie ist am Hof bei Prinz Charles geblieben, der unseren kleinen Jungen lieb gewonnen hat, und Henry, India und Fortune haben ebenfalls alle einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Jetzt können wir endlich nach Hause fahren!«
Der Graf von Glenkirk wandte sich zu Adali. »Was sollte ich noch wissen?«, fragte er. »Oder besser, was hat sie mir nicht gesagt?«
»Jemmie!« Jasmine blickte ihn vorwurfsvoll a.
Adali grinste. »Eigentlich, Mylord, ist es genauso, wie sie gesagt hat. Ihr wart kaum weg, da stand der Marquis vor der Tür. Er wollte meine Herrin zu einem Picknick einladen. Selbstverständlich habe ich sie begleitet. Dann hat sich meine Lady draußen auf dem Fluss eine Erkältung zugezogen, die sich zu einer Grippe auswuchs, und sie konnte den Marquis leider mehrere Tage lang nicht empfangen.«
Glenkirk schmunzelte. Was war Jasmine doch für ein kluges Mädchen.
»Und dann gab die Königin einen Maskenball«, fuhr Jasmine fort, »und der Marquis hat meinen Zorn erregt, indem er mich in einen Alkoven gelockt und mich angefasst hat, als wenn ich ihm gehörte! Ich war gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen, Jemmie.«
Der Graf von Glenkirk zuckte zusammen, als er sich die Maßnahme vorstellte, mit der Jasmine ihren unerwünschten Verehrer in die Schranken gewiesen hatte.»Hast du ihn für alle Zeit unschädlich gemacht?«
»Nur für kurze Zeit«, erwiderte Jasmine. »Ich ging sofort zum König und bat ihn, mich von St. Denis’ unerwünschten Aufmerksamkeiten zu erlösen.«
»Sie kniete nieder«, sagte Adali. »Sie hat sich Ihren Majestäten zu Füßen geworfen. Es war recht dramatisch, Mylord, und der König war sehr bewegt. Das konnte ich sogar von meinem Platz auf der anderen Seite des Saales sehen.«
»Jasmine!« James Leslie wusste nicht, ob er ärgerlich sein sollte oder nicht.
»Nun, es war nicht gerecht«, erklärte Jasmine. »Ich liebe einen Mann, den ich in zwei Wochen heiraten will, und dann wird mir ein unerwünschter Verehrer aufgedrängt, Jemmie, der mich ständig anstarrt und mich begrapscht wie ein Stalljunge das Milchmädchen. Ich hatte genug davon, dass mir jeder vorzuschreiben wagte, was ich tun sollte! Wenn ich London verlasse, komme ich nie wieder zurück! Ich hasse den Hof mit all seinem falschen Getue! Und ich schätze auch die meisten Leute nicht, die den Hof bevölkern. Ich habe meines Vaters Hof nicht gemocht, und diesen hier mag ich genauso wenig, Jemmie. Ich will einfach nur deine Frau und die Mutter meiner Kinder sein. Und natürlich möchte ich mich um Großmamas Handelsgesellschaft kümmern. Wir müssen Tee nach England bringen und ihn hier so populär machen, wie es die Spanier mit der Schokolade gemacht haben, die ich im übrigen für ein abscheuliches Getränk halte. Und wir müssen uns auch um die Pferdezucht in MacGuire’s Ford kümmern. Und dann gibt es ja auch noch Schloss Glenkirk. Wir haben so viel zu tun, Jemmie, da bleibt keine Zeit für den Hof und all die lächerlichen Höflinge. Und irgendwann wollen wir ja schließlich auch noch eigene Kinder haben«, schloss sie.
»Ja«, stimmte er ihr zu. »Wir sollten in der Tat noch ein paar Kinder haben, Madame. Es freut mich, dass du dich bei all deinen wundervollen Plänen hinsichtlich Teeimport und Pferdezucht auch an deine Pflichten als Gattin erinnerst«, schmunzelte er.
»Oh, Jemmie, die Kinder kommen zuerst, ich schwöre es«, versprach sie.
»Gut!«, erwiderte er. »Und jetzt, Adali, möchte ich ein heißes Bad und ein gutes Abendessen, und ich will meine Kinder sehen. Und dann, Madame, werden wir früh zu Bett gehen«, meinte er viel sagend.
»Die Kinder zuerst, Mylord«, erwiderte Adali. Er wusste, wenn erst das Bad und das Essen an der Reihe wären, dann würde nichts mehr das Verlangen von Jasmine und James Leslie aufhalten können. Sich verbeugend eilte er davon, um Henry, India und Fortune zu holen, die sich freuten, als sie erfuhren, dass der Graf von Glenkirk von seiner Reise nach Schottland zurückgekehrt war.
Sie stürzten in die Bibliothek, wo ihre Mutter und der Graf sie erwarteten. »Papa! Papa!«, kreischten sie, warfen sich alle zugleich auf ihn und wurden lachend umarmt. »So, ihr freut euch also, mich zu sehen, meine Frechdachse«, sagte er vergnügt. »Nun, ihr habt mir auch gefehlt.«
»Wir waren bei Hof, Papa!«, sagte Henry. »Charlie hat uns hereingeführt, und der König persönlich hat uns begrüßt. Er sieht so traurig aus, aber ich mag ihn. Und ich habe mich so verbeugt, wie du es mir beigebracht hast.«
»Und die Mädchen haben einen wundervollen Hofknicks gemacht«, warf Jasmine ein.
»Hast du uns aus Schottland etwas mitgebracht, Papa?«, fragte India.
»Papa war auf Befehl des Königs unterwegs«, erwiderte Henry. »Wenn ein Mann für den König unterwegs ist, dann bleibt keine Zeit für Geschenke.«
»Oh?« Der Graf blickte Henry gespielt überrascht an. »Dann willst du das Geschenk also gar nicht, das ich dir mitgebracht habe, Henry?«
»Du hast uns wirklich etwas mitgebracht?«, fragte Henry Lindley aufgeregt. »Was denn, sag schon!«
»Einen guten Dolch für dich, Henry, und Silberkettchen für die Mädchen«, entgegnete der Graf und zog die Geschenke aus seiner Tasche.
»Und für mich nichts?«, neckte Jasmine ihn.
»Dein Geschenk bekommst du später, wenn wir allein sind«, sagte James Leslie und blickte ihr tief in die türkisfarbenen Augen. Vorsichtig legte er India und Fortune ihre Ketten um. »Seht her, Mädchen, jedes Kettenglied trägt einen winzigen Amethyst, geformt wie eine Blüte.«
»Ich werde meine Kette immer tragen«, sagte Fortune und blickte den Mann, der bald ihr Vater werden sollte, anbetend an.
Er umarmte sie und küsste sie leicht auf die Wange.
»Das hast du gut ausgesucht, Papa«, bemerkte India. »Ich mag Schmuck.«
»Das tun die meisten Frauen, wie ich herausgefunden habe«, erwiderte er und küsste und umarmte auch sie. Sein Blick fiel auf Henry Lindley, der entzückt den kleinen Dolch mit Silberscheide und geschnitztem Elfenbeingriff untersuchte.
Der Junge blickte auf. »Das ist eine gute Waffe, Sir«, sagte er langsam. »Zeigst du mir, wie man sie benutzt? Und du vergisst auch nicht meine Fechtstunden?«
»Wir fangen damit an, sobald wir in Queen’s Malvern sind«, sagte der Graf. »Und wenn wir diesen Winter in Glenkirk sind, wirst du jeden Tag außer Sonntag Unterricht bekommen, Henry.«
»Jetzt kommt, Kinder«, mahnte Adali. »Euer Papa hat einen langen Ritt hinter sich und ist müde. Er möchte baden, etwas essen und dann ins Bett. Sagt euren Eltern gute Nacht.« Er führte sie aus der Bibliothek.
»Wie gut du zu ihnen bist«, sagte Jasmine. »Dafür liebe ich dich noch mehr, Jemmie Leslie. Ich werde dir wunderbare Söhne schenken, denn offenbar bist du ein Mann, der Kinder mag.«
»Für Charlie habe ich einen bunten Ball, den ich an einem Straßenstand in Edinburgh gefunden habe«, erwiderte er. Dann zog er sie auf seinen Schoß. »Du hast mir gefehlt«, sagte er zu ihr. »Und du hast wirklich Recht, wir brauchen nicht wieder nach London zu kommen. Wirst du dann auch bestimmt glücklich sein, Jasmine? Ich liebe dich so sehr, dass der Gedanke daran, du könntest unglücklich sein, mir Schmerzen verursacht, mein wildes Mädchen.« Er fuhr mit seinen Lippen über ihren dunklen Scheitel.
Sicher. Das Wort kam ihr auf einmal in den Sinn. Sie war endlich in Sicherheit. Aber sie war auch mit Rowan in Sicherheit gewesen, bis ein Wahnsinniger seinem Leben ein Ende gesetzt hatte. Zwei Ehemänner hatte sie auf gewaltsame Weise verloren, und einen jungen Geliebten durch einen unnötigen und zu frühen Tod. Dieses Mal würde bestimmt alles gut gehen. Hatte nicht ihre eigene Großmutter auch fünf Gatten verloren, bis sie Adam de Marisco geheiratet hatte? Alles würde gut gehen. »Du riechst nach Pferd, und ich jetzt auch«, sagte sie und glitt von seinem Schoss. »Adali hat bestimmt dein Bad schon vorbereitet.«
»Also muss ich nicht nach Lynmouth House zurück?«, neckte er sie.
»Ich will nie wieder von dir getrennt sein, Jemmie Leslie«, erwiderte sie, ergriff seine Hand und ging mit ihm nach oben in ihre Gemächer, wo die große alte, eisengefasste Eichenwanne bereits vor dem Kamin im Tagesraum stand. »Ich helfe dir beim Ausziehen, Sir«, sagte sie und zog ihm die Stiefel und seine feuchten Wollsocken aus.
»Ich dir auch«, erwiderte er, setzte sie hin und streifte ihr die Schuhe von den schmalen Füßen.
Jasmine stand wieder auf und zog ihm die Weste und das Hemd aus. Er schnürte ihr Mieder und ihr Hemdchen auf und zog sie kurz an sich, um ihre weichen Brüste an seiner dunkelgelockten Brust zu spüren. Widerstrebend löste Jasmine sich von ihm, knöpfte seine Reithosen auf und streifte sie über seine schmalen Hüften bis zu den Knöcheln hinunter. Er trat heraus und schob sie mit dem Fuß weg. Dann öffnete er die Verschlüsse ihres Rocks und ihrer zahlreichen Unterröcke und hob sie heraus, als sie um ihre Knöchel lagen. Nackt bis auf die Strümpfe zog Jasmine ihm die Unterhose herunter. Er kniete sich hin, löste ihre Seidenstrümpfe über die Zehen.
Dann presste er heftig atmend sein Gesicht an ihren weichen Bauch, stand wieder auf, nahm ihr Gesicht in die Hände und sagte: »Ich kann nicht mehr warten, geliebte Jasmine. Ich muss meinen Hunger nach dir stillen. Es war der längste Monat meines Lebens.«
»Für mich auch«, erwiderte sie und streichelte ihn. Sein Schaft war eisenhart und pochte vor Verlangen. Jasmine zog ihn auf den Boden zwischen dem Kamin und der Wanne, legte sich auf den Rücken und öffnete einladend die Beine für ihn.
Stöhnend drang er in sie ein. Zu seinem Entzücken war sie heiß und nass und hieß ihn willkommen. »Ah, wie schön!«, stöhnte er, als er tief in sie hineinstieß und sie die Beine um ihn schlang. Sein Hunger schien eher noch größer zu werden, als sie beide zum leidenschaftlichen Rhythmus ihrer Liebe fanden.
Jasmine seufzte auf, als sein Glied in die tiefsten Tiefen ihres Seins drang. Schamlos genoss sie das Zusammensein mit ihm; ihre inneren Muskeln zogen sich zusammen; ließen ihn wieder los – und er schrie auf vor Lust.
»Es ist zu viel«, schluchzte er fast, und dann explodierte er in ihr, aber Jasmine folgte ihm und kam selber zum Höhepunkt, während sich ihre Lippen in einem leidenschaftlichen Kuss begegneten.
Danach lagen sie mit ineinander verschränkten Händen auf dem Teppich, gestanden sich gegenseitig leise ihre schamlosen Gedanken und lachten glücklich.
»Jetzt brauchen wir aber wirklich ein Bad«, murmelte Jasmine. Ihre Schenkel glänzten von seinem Liebessaft, der reichlich geflossen war. Wenn ihr jemals der Gedanke kommen sollte, dass James Leslie ihr vielleicht untreu würde, wenn er fern von ihr war, dann wurde dieser Verdacht rasch zerstreut durch das, was sie sah, und durch seine Leidenschaft.
Irgendwie gelang es ihm, aufzustehen und sie mit sich hochzuziehen. »Ich habe noch eine Frau so sehr begehrt wie dich, geliebte Jasmine«, sagte er zu ihr. »Und ich bin mir noch nicht einmal sicher, dass mein Verlangen gestillt sein wird, wenn ich erst einmal mit dir verheiratet bin.«
Jasmine kletterte in die Wanne und bedeutete ihm, sich zu ihr zu gesellen. »Du schmeichelst mir, Jemmie Leslie«, sagte sie. »Ich bin nur eine Frau.«
Der Graf von Glenkirk lachte. »Du wirst nie nur eine Frau sein, meine geliebte Jasmine«, erwiderte er. »Und jetzt, Madame, wasch mir den Rücken wie eine gute Ehefrau, und danach werde ich dich für deine Mühen belohnen.«
Jasmine kicherte. »Ich bin noch nicht deine Ehefrau, Mylord. Ich würde viel lieber wie eine gute Geliebte belohnt werden. Geliebte, habe ich mir sagen lassen, haben viel mehr Spaß als Ehefrauen.«
»Nicht in meinem Haus«, antwortete er vergnügt.
Adali betrat in Begleitung von Rohana und Toramalli die Gemächer. Er trug ein silbernes Becken mit parfümiertem Wasser und einige kleine weiße Leinentücher, die er ins Schlafzimmer brachte. Die Zofen trugen Tabletts mit Essen, die sie auf einen rechteckigen Tisch stellten.
»Oh ...«, schnüffelte Jasmine. »Das riecht ja köstlich. Was habt ihr uns gebracht?« Sie stieg aus der Wanne, um sich von Rohana abtrocknen zu lassen.
»Die Köchin hat verschiedene Gerichte zubereitet, M’lady«, sagte Rohana, während sie Jasmine abtrocknete und einpuderte. »Sie dachte, M’lord würde vielleicht gerne etwas Herzhaftes zu sich nehmen, da er laut Fergus More, der gerade in der Küche sitzt und isst, einen langen Ritt hinter sich hat.« Sie half Jasmine in einen cremefarbenen Hausmantel. Dann eilte sie Toramalli zu Hilfe, die gerade den leicht verlegenen Lord Leslie abtrocknete, der sich nicht ganz daran gewöhnen konnte, dass ihm hübsche Frauen nach seinem Bad behilflich waren.
Jasmine begann die Deckel von den Gerichten zu nehmen. Es gab kalte, rohe Austern auf gestoßenem Eis, Kanincheneintopf in einer brauen Weinsauce mit Karotten und jungen Erbsen, einen gebratenen Kapaun, eine mittelgroße Forelle auf einem Kressebett, in Weißwein gedämpft, einen kleinen Schinken, eine Schüssel mit Salat aus dem Küchengarten, frisches Brot, das noch ofenwarm war, süße Butter, ein Viertel Tortenbrie, der auf seiner Silberplatte bereits zerlief, und schließlich eine Schüssel winziger neuer Erdbeeren mit einem Klecks Sahne. Sie summte zustimmend. »Sagt Mrs. David, dass wir ihr Menü sehr zu schätzen wissen, Adali«, bat Jasmine.
»Soll ich Euch servieren?«, fragte er höflich.
»Ja«, erwiderte sie zu seiner Überraschung. »Sagt den Lakaien, sie sollen die Wanne leeren und wegbringen. Dann wollen wir essen.«
Die Diener kamen, jeder mit zwei Eimern, und die Wanne wurde rasch geleert und entfernt. Rohana und Toramalli stellten den Tisch vor den Kamin, und Adali servierte seinem Herrn und seiner Herrin zu essen und zu trinken. Dann zog er sich mit den Frauen zurück. James Leslie und Jasmine aßen mit gutem Appetit. Sie füllte seinen Kelch mehrere Male mit Wein, und bald übermannte ihn die Müdigkeit.
»Komm«, sagte sie und stand auf. »Du musst schlafen, mein Lieber.« Sie führte ihn ins Schlafzimmer, und kaum hatte sein Kopf das Kissen berührt, war er auch schon eingeschlafen. Nachsichtig lächelnd deckte Jasmine die Glut im Kamin ab, zog die Decke über ihn, legte sich neben James Leslie ins Bett und kuschelte sich an ihn. Automatisch glitt sein Arm über sie und er zog sie in seine Umarmung.
Als der Graf von Glenkirk erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel, und Jasmine war bereits angezogen. Adali reichte ihm eine Tasse mit dampfend heißem Tee, den er zu seiner Überraschung äußerst erfrischend fand. Während der Diener ihm beim Anziehen half, schwatzte Jasmine glücklich mit ihm.
»Wir müssen heute früh an den Hof gehen und uns vom König und der Königin verabschieden, Jemmie. Bereits morgen können wir die Reise nach Queen’s Malvern antreten; die Diener packen schon. Ich nehme das Personal mit, da ich nie wieder nach London zurückkehren will. Großmama wird sie sicher unterbringen können, und ich will sie nicht einfach hier lassen, nachdem sie der Familie jahrelang treu gedient haben. Greenwood House wird dann abgeschlossen. Vielleicht verkaufe ich es sogar eines Tages, wenn es mir gehört.«
»Wenn du es verkaufst«, bemerkte der Graf, »dann weiß deine Familie nicht, wo sie unterkommen soll, wenn sie nach London kommt, Jasmine.«
»Sie können doch in Lynmouth House wohnen«, erwiderte sie.
»Möchtest du wirklich, dass deine Tante Willow mit deinem Onkel Robin zusammenwohnen muss?«, neckte er sie. »Falls sie beide gleichzeitig in der Stadt sein müssen?«
Sie dachte einen Moment lang nach, dann lachte sie. »Ja, du hast Recht, Jemmie, aber ich schließe das Haus trotzdem ab, und wenn es jemand benutzen will, muss er es eben auf eigene Kosten herrichten. Der Hausmeister und seine Frau sollen sich darum kümmern und dafür sorgen, dass der Park in Ordnung gehalten wird. Und jetzt beeil dich und zieh dich an, Mylord.«
»Ich habe schon wieder Hunger«, beschwert er sich. »Ich werde nirgendwohin gehen, bevor ich nicht etwas zu essen bekomme.«
»Toramalli, hol Lord Leslie etwas zu essen«, befahl Jasmine, und als das Frühstück kam, aß sie mit genauso großem Appetit wie er.
Ihre Kutsche fuhr vor, und der Graf von Glenkirk und Jasmine ließen sich nach Whitehall bringen. Sie waren elegant, aber konservativ gekleidet. Der Graf in dunkelgrünen Seidenbreeches, die Weste cremefarben und golden gefüttert. Jasmine trug ein apfelgrünes Goldbrokatkleid mit einem breiten cremefarbenen Spitzenkragen; um ihren Hals lag eine goldene Kette mit Topasen.
Das Gesicht des Königs hellte sich auf, als sie den Saal betraten. »Jemmie!«, rief er. »Ihr seid wieder zurück, wie ich sehe!«
Der Graf von Glenkirk verbeugte sich vor dem König, und Jasmine knickste.
»Das bin ich, Euer Gnaden, und ich freue mich, Euch mitteilen zu können, dass Schottland den Besuch von James Stuart gespannt erwartet«, sagte James Leslie. »Jetzt, Euer Majestät, komme ich, um Abschied von Euch und Ihrer Majestät der Königin zu nehmen. In wenigen Tagen findet meine Hochzeit statt, und ich muss nach Queen’s Malvern zurückkehren, bevor die alte Gräfin von Lundy eine Suchmannschaft nach mir ausschickt.«
Der König nickte. »Lady Lindley hat uns bereits in aller Deutlichkeit mitgeteilt, dass ihre Wahl auf Euch und keinen anderen fällt, Jemmie. Ist das nicht so, Madame?« Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten.
»Ja, Euer Gnaden«, erwiderte Jasmine sanftmütig.
»Ha!«, bellte der König. »Als Ihr es mir vor ein oder zwei Tagen gesagt habt, wart Ihr nicht so milde. Und Ihr habt dem armen Piers St. Denis das Herz gebrochen, Madame. Jetzt muss ich ihn mit irgendetwas entschädigen, und ich weiß gar nicht, was ich dem armen Jungen anbieten soll.«
»Es stimmt«, fiel der Graf von Glenkirk ein, bevor Jasmine etwas sagen konnte, das sie vielleicht in Schwierigkeiten gebracht hätte, »meine Braut ist ein unschätzbares Juwel; trotzdem wird sicher alles, was Eure Majestät für den Marquis von Hartsfield aussucht, mehr wert sein als Jasmines Hand, da es doch von Eurer Majestät kommt.«
Der König lächelte bei James Leslies Worten. Er wusste, das man ihm schmeichelte, und doch würden die öffentlich ausgesprochenen Worte des Grafen seinen Liebling Piers dazu zwingen, alles anzunehmen, was James Stuart ihm als Entschädigung wegen Jasmine anbieten konnte. Er nickte dem Grafen zu und murmelte: »Gut gemacht, Jemmie. Ihr werdet mir fehlen.« Lauter fuhr er fort: »Wir sind traurig, dass Ihr beide geht, aber wir verstehen, das Ihr uns verlassen müsst.«
»Wir sind die treuen Diener Eurer Majestät, und wann immer Ihr uns braucht, kommen wir zurück«, versprach der Graf von Glenkirk dem König.
»Gut, gut!« Der König erhob sich. »Kommt mit mir, Jemmie Leslie. Ich möchte einen ausführlicheren Bericht unter vier Augen.« Er blickte Jasmine an.»Dann habt Ihr Zeit, Madame, Euch von Euren Freunden zu verabschieden, nicht wahr?«
Jasmine knickste wieder. »Danke, Euer Majestät«, erwiderte sie.
»Ich komme zu dir zurück, wenn ich fertig bin«, sagte der Graf zu Jasmine. »Versuch bitte, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, während ich bei Seiner Majestät bin, ja?« Er warf ihr eine Kusshand zu und folgte dem König, der bereits durch den Saal ging.
Die Königin hatte seine Bemerkung gehört und lachte leise. »Er kennt Euch gut, nicht wahr, meine Liebe? Wenn Ihr einander aushaltet, werdet Ihr eine sehr interessante Ehe führen.«
»Ich werde Eure Majestät vermissen«, sagte Jasmine. »Ihr seid die einzige Freundin, der ich bei Hof Auf Wiedersehen sagen möchte, Madame.«
»Was? Bin ich nicht ebenfalls Euer Freund?«, fragte George Villiers und tat so, als sei er beleidigt. Er stand zwischen dem Thron des Königs und dem der Königin.
Jasmine lachte. »Oh, Steenie, natürlich seid auch Ihr mein Freund. Ich hätte gerne zugesehen, wie Ihr große Höhen erklimmt, aber ich verspreche, Euch manchmal zu schreiben. Werdet Ihr mir auch schreiben und mir von all Euren Triumphen berichten?« Sie reichte ihm die Hand. »Früher einmal, so wurde mir erzählt, galt mein Onkel Conn als der bestaussehendste Mann am Hof. Ich glaube, Sir, diese Ehre gebührt nun Euch. Er war jedoch nicht so umsichtig wie Ihr. Die Königin musste ihn heiraten, um ihn vor Schwierigkeiten zu bewahren.«
George Villiers ergriff ihre Hand, küsste sie und sagte: »Ihr könnt darauf vertraue, dass ich Euer Freund bleibe, Madame, und wenn Ihr so freundlich seid, mir zu schreiben, werde ich bestimmt antworten und Euch all den reizenden Klatsch erzählen, der Euch bei Eurem Leben auf dem Land sicher fehlen wird. Wollt Ihr wirklich die Winter in Schottland verbringen?«
Sie nickte. »Ja.«
»Mögt Ihr Regen und Nebel?«, fragte er erstaunt.
»Warum?«
»Weil mir erzählt wurde, dass es häufig neblig ist in Schottland, und es regnet auch ziemlich viel. Stimmt das nicht, Majestät?« Er wandte sich an die Königin.
Königin Anne nickte. »Ihr werdet Euch daran gewöhnen«, meinte sie.
»Was für eine reizende Szene«, ertönte eine schnarrende Stimme neben ihnen.
Jasmine, die den Marquis von Hartsfield erkannte, drehte sich nicht um. Ihre Augen jedoch funkelten.
»Ich wünsche Euch einen guten Tag, Euer Majestät«, sagte Piers St. Denis, wobei er George Villiers ausdrücklich ignorierte.
»Guten Tag, Mylord«, erwiderte die Königin höflich. Sie fragte sich, was er wohl wollte. Wahrscheinlich Ärger verursachen, dachte sie. Er war wirklich ein schlechter Verlierer.
»Und wo ist Euer Liebhaber, Madame?« Die Stimme war schneidend.
»Mylord ist beim König, das geht Euch jedoch nichts an, Sir«, antwortete Jasmine, ohne sich umzudrehen.
»Zweifellos erzählt der König ihm, dass Euer kleiner Bastard jemandem anvertraut wird, der geeigneter als Ihr ist, um ihn großzuziehen«, sagte der Marquis bissig. »Ich selbst habe ihn um das Kind gebeten, und ich wäre ein hervorragender Vormund, Madame, da ich ihn hier am Hof bei seinen Großeltern und seinem Onkel, der sich um ihn kümmern kann, erziehen würde. Ich würde ihn nicht in die wilden Weiten von Schottland entführen, wo er wahrscheinlich wie ein Barbar aufwachsen müsste, und nicht wie der Sohn eines Prinzen.«
Jasmine erbleichte, und dieses Mal drehte sie sich um und schaute Piers St. Denis direkt ins Gesicht. »Geeignet? Ihr haltet Euch für geeignet, meinen Sohn großzuziehen. Ihr? Ein Mann, der bei einer Frau nur dann Lust empfinden kann, wenn er sie missbraucht? Ich würde Euch umbringen, wie jeden anderen auch, der versuchen sollte, mir meinen Sohn oder eins meiner anderen Kinder wegzunehmen?«, sagte Jasmine in schneidendem Tonfall. »Ihr, Mylord, seid überhaupt nicht dazu geeignet, irgendein Kind großzuziehen!«
Der Marquis von Hartsfield errötete, als sie in aller Öffentlichkeit enthüllte, was er für sein geheimes Laster gehalten hatte, aber bevor er etwas erwidern konnte, ergriff die Königin das Wort.
»Jasmine, meine Liebe, hört nicht auf ihn. Der König überlässt keines Eurer Kinder Piers St. Denis. Er ist sich der Schwächen und Unzulänglichkeiten des Marquis sehr wohl bewusst.« Sie streckte die Hand aus, um die junge Frau zu trösten. Dann wandte sie sich zornig an den Marquis. »Sir, Ihr geht zu weit!«
Piers St. Denis war empört über die Zurechtweisung und sein Zorn wuchs, und doch hatte die Königin ihm unwissentlich in die Hände gespielt. »Wenn ich es nicht bin, Madame«, sagte er, »dann wird vielleicht der Graf von Bartram den Jungen bekommen. Ich habe selbst gehört, wie er den König um die Vormundschaft gebeten hat.« Er blickte Jasmine wieder an. »Lord Stokes hält Euch für unzüchtig, Madame. Er sagt, eine Frau mit Mischlingsblut dürfe nicht den Sohn eines christlichen Prinzen erziehen, ganz gleich, ob ehelich oder unehelich. Er stellt sogar Euren Erbanspruch in Frage, denn hat Eure Mutter Euch nicht Eurem Vater geschenkt, als sie noch mit dem Grafen von BrocCairn verheiratet war? Das würde Euch auch zu einem Bastard machen, nicht wahr?«
Sie gab ihm eine Ohrfeige, und der große, prächtige, ovale Golconda-Diamant, den sie am Mittelfinger der rechten Hand trug, schlitzte das Gesicht des Marquis von Hartsfield vom rechten Augenwinkel bis zum rechten Mundwinkel auf. »Ich bin eine rechtmäßige Prinzessin von Indien, Mylord«, sagte sie zu dem blutenden Mann mit eisiger Stimme, ohne laut zu werden. »Ich fürchte, Ihr seid der Bastard! Und ich wiederhole noch einmal für Euch und für alle, die es hören wollen, ich werde jeden Mann töten, der versucht, mir meine Kinder, jedes meiner Kinder, zu stehlen. Ich bin ihre Mutter. Ich bin ihr Vormund, und niemand ist geeigneter als ich, um sie großzuziehen!« Sie lächelte den Marquis von Hartsfield an. »Ich fürchte, Ihr werdet nie mehr wieder so gut aussehen wie früher, nachdem Ihr heute mir begegnet seid. Wie schade.« Dann wandte Jasmine sich um, knickste vor der Königin und wandte sich zum Gehen. Ihr Herz klopfte heftig vor Wut. Wie konnte James Stuart es wagen, sich wieder einmal in ihr Leben einzumischen? Sie hörte nicht, wie die Königin hinter ihr herrief, weil in diesem Augenblick gerade der Graf von Bartram mit seiner sonst sehr zurückgezogen lebenden Frau am Arm den Saal betrat.
Jasmine versperrte ihnen den Weg. »Wie könnt Ihr es wagen, mir meinen Sohn stehlen zu wollen, Mylord!«, schrie sie ihn an. »Nun, weder Ihr noch Eure puritanische Gattin werdet ihn bekommen!« Damit drängte sie sich an dem Paar vorbei und verließ den Saal.
Die Gräfin von Bartram fiel beinahe in Ohnmacht, so sehr hatte sie die Erscheinung mit den türkisfarbenen Augen erschreckt. Später würde sie bei der ewigen Verdammnis schwören, dass Höllenfeuer aus Jasmines Augen geschlagen sei. Ihr Mann bemühte sich zu verhindern, dass seine Frau auf dem Fußboden zusammenbrach; unnötigerweise, denn Mary Stokes war nicht mehr so ein zartes Mädchen wie früher.
Königin Anne hätte am liebsten gelacht, und sie merkte es Steenie deutlich an, dass auch ihm nach Lachen zu Mute war, aber irgendwie gelang es beiden, sich zu beherrschen. Sie reichte dem blutenden Marquis von Hartsfield ihr Taschentuch. Seine Weste war bereits ruiniert. »Ihr werdet am Leben bleiben, Mylord«, sagte sie trocken.
»Ich will, dass sie eingesperrt wird!«, schrie er.
»Nein«, erwiderte die Königin unerbittlich. »Ihr habt ihr absichtlich die Unwahrheit gesagt, Mylord. Und Ihr habt das einzig und allein getan, um Ärger zu machen. Ihr seid wütend, weil sie Euch zugunsten von Jamie Leslie abgewiesen hat, aber Ihr hättet Euch über ihre Gefühle klar sein müssen, als mein liebster Gatte Euch noch einmal eine Chance bei ihr eingeräumt hat. Steenie wusste es, und war klug genug, das Angebot abzulehnen, Ihr jedoch nicht. Eure Gier, nicht nur nach Lady Lindleys Reichtum, sondern auch nach der Nacht, die ihr glaubtet zu besitzen, wenn ihre Kinder die Euren wären, hat Euch in diese unglückliche Lage gebracht, die Ihr absolut verdient. Ihr besitzt meine Freundschaft nicht mehr, Mylord. Und ich werde ganz gewiss dem König von Eurem Hang zur Perversität erzählen. Ich werde meinem Gatten rate, Euch kein junges Mädchen aus guter Familie anzuvertrauen, Mylord. Gott allein weiß, was ihr in Eurer Obhut passieren könnte! Und jetzt geht mir aus den Augen!«
George Villiers versuchte mannhaft, Haltung zu bewahren, als er zusah, wie der Marquis von Hartsfield aus dem Saal schlurfte. Ich habe gewonnen!, dachte er glücklich. Und ich musste kaum etwas dafür tun. St. Denis ist ein Narr, sich selbst so außer Gefecht zu setzen. Natürlich hätte er nie die Hand von Jasmine Lindley gewonnen, aber er hätte eine reiche Frau für sich dabei herausschlagen können, der blöde Trottel – und ich musste nichts unternehmen, um das alles so zu arrangieren! Er konnte ein Kichern nicht unterdrücken.
»Beherrscht Euch, Steenie«, sagte die Königin leise. »Selbstgefälligkeit steht Euch nicht an, Sir.«
»Ja, Majestät«, erwiderte George Villiers sanftmütig, war aber trotzdem berauscht von seinem Sieg.