Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 15
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ОглавлениеRobert Carr, Baron Rochester und Graf von Somerset, ging der Gunst des Königs verlustig. Er wusste es und war verzweifelt. Seine Laufbahn am Hof hatte er als Page begonnen. Mit zwanzig war er Kammerherr, weil König James ihn bemerkt hatte, als er sich beim Turnier den Arm brach. Im Jahr darauf schenkte der König dem jungen Mann ein Tablett aus massivem Gold voller Diamanten. Drei Jahre später wurde er zum Baron ernannt. Als sein Blick auf Frances Howard, die verheiratete Gräfin von Essex fiel, wusste er, dass er sie zur Frau haben wollte.
Frances Howard war im Alter von vierzehn Jahren von ihrer Familie buchstäblich zum Altar gezwungen worden. Sie und Robert Deveraux, der Graf von Essex, verabscheuten einander. Sie war mit Prinz Henry liiert gewesen, bevor er Jasmine kennen lernte. Dann hatten sie und Carr sich ineinander verliebt. Es würde jedoch keine Scheidung geben. Frances Howard verlangte die Annullierung ihrer Ehe, indem sie behauptete, ihr Mann sei impotent, und zwar nicht nur bei ihr, sondern bei allen Frauen. Das war natürlich ein Lüge, aber der König und der Erzbischof glaubten ihr. Die Ehe wurde annulliert, und Frances heiratete Robert Carr, der mittlerweile zum Grafen von Somerset ernannt worden war. Sie war sechzehn und er war sechsundzwanzig.
Einer von Robert Carrs Freunden, Sir Thomas Overbury, hatte lauthals Einspruch gegen die Verbindung zwischen Frances und Carr erhoben. Er hatte die Lady, die er nicht ausstehen konnte, öffentlich verleumdet und war sogar beim König vorstellig geworden, um Carr vor Frances Howard zu retten. Aber seine Bemühungen waren vergeblich, und kurz darauf war das glückliche Paar miteinander verheiratet, und Sir Thomas Overbury wurde verhaftet und in den Tower geworfen. Dort blieb er die nächsten Monate, bis ihn eines Morgens einer der Gefängniswärter tot in seiner Zelle fand. Man hatte ihn vergiftet.
Der entsetzte König ordnete die Untersuchung des Falles an. Man entdeckte, dass Sir Thomas Overbury vergiftete Süßigkeiten gegessen hatte. Es dauerte eine Zeit lang, bis man herausfand, wer ihm das tödliche Naschwerk geschickt hatte, aber mittlerweile ging das Gerücht um, die Süßigkeiten stammten aus dem Haushalt des Grafen von Somerset. Man konnte nicht mehr mit Sicherheit feststellten, ob der Graf oder die Gräfin von Somerset die Naschereien geschickt hatten – die Schachtel war nach der Aussage der Wache vor dem Tower einem Straßenjungen gegeben worden, der sie Overbury aushändigen sollte. Frances Howard war dafür bekannt, dass sie ihre Geschenke an Freunde häufig in solchen vergoldeten Papierschachteln verschickte. Der Händler, der sie herstellte, erklärte sogar, er mache diese Schachteln ausschließlich für Ihre Ladyschaft und für niemanden sonst. Es war zwar möglich, dass jemand eine der Schachteln gestohlen hatte, aber das wurde für wenig wahrscheinlich gehalten. Weder der Graf noch die Gräfin standen jedoch bisher unter Anklage, weil sie nicht mit Sicherheit mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden konnten.
Trotzdem war Robert Carr sich im Klaren darüber, dass er die Gunst des Königs verlor. Seit dem Overbury-Skandal ließ der König ihn immer seltener rufen und ignorierte seinen ehemaligen Favoriten. Stattdessen fielen die bernsteinfarbenen Augen des Königs auf zwei andere junge Männer, die in dieser Zeit seine Aufmerksamkeit erregten. George Villiers, ein unbedeutender kleiner Niemand vom Land errang offensichtlich rasch die Gunst seines königlichen Herrn. Wie dieser Trottel es geschafft hatte, im letzten Jahr königlicher Mundschenk zu werden, war Carr ein Rätsel. Jetzt jedenfalls gehörte er zu den Kammerherren. Oh, er sah gut aus mit seinen dunklen Augen und seinem lockigen dunklen Haar, aber Carr traute dem Emporkömmling nicht.
Und noch schlimmer war Piers St. Denis, der Marquis von Hartsfield. Mit seinem altehrwürdigen Titel schien er eigentlich die Gunst des Königs nicht zu brauchen, und doch gewann er sie genauso schnell wie Villiers. St. Denis war äußerst charmant und amüsierte den König über die Maßen. George Villiers, so hieß es, hatte das Gesicht eines Erzengels, und auch Piers St. Denis sah Aufsehen erregend gut aus. Seine Nase war gerade und hatte genau die richtige Länge, seine blauen Augen standen weit auseinander, sein Mund war groß und schmal, und eine einzelne honigfarbene Locke fiel ihm über die Stirn.
Wenn diese beiden Männer den König bezauberten und amüsierten, wie sollte Robert Carr dann die königliche Gunst seines Herrn wiedererlangen? Frances war nicht glücklich über die jüngste Wendung der Ereignisse. Sie hatte erwartet, dass ihr Gatte die königliche Gunst sein ganzes Leben lang genießen würde. Schließlich war sie eine geborene Howard. Zwei ihrer Kusinen waren Königinnen von England gewesen. Keine erfolgreichen Königinnen zwar, aber immerhin Königinnen.
»Wie konntest du nur so dumm sein, eine meiner Schachteln zu benutzen?«, fragte sie ihren Mann eines Abends in der Abgeschlossenheit des ehelichen Bettes. »Jetzt hat uns das verdammte Ding verraten. Was sollen wir nur tun, Rob?«
»Sie können uns nichts nachweisen«, erwiderte er, »es sei denn, du verrätst uns mit deiner Hysterie, Frances. Die Schachtel könnte doch genauso gut von einem deiner Dienstboten oder aus einem Laden gestohlen worden sein. Sie können uns nichts nachweisen!«
»Was ist mit dem verdammten Jungen?«, wollte sie wissen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihn erwürgt habe, als er sein Geld holen wollte. Seine Leiche liegt im Fluss.« Er war doch nur ein namenloser Straßenjunge und völlig bedeutungslos. Niemand hat ihn vermisst, und wenn das zufällig doch der Fall gewesen wäre, dann ist er eben irgendeinem dieser Kämpfe auf der Straße zum Opfer gefallen – oder er ist verschwunden, um sein Glück anderswo zu suchen. Keine Spur führt von den Süßigkeiten zu uns. Wir waren vorsichtig und klug. Du hast die Näschereien hergestellt, und ich habe mich um die Zustellung gekümmert. Niemand kann die Spur zu uns zurückverfolgen, Frances. Jetzt hör auf, dir Gedanken zu machen«, sagte der Graf von Somerset zu seiner besorgten Frau. »Das mit der Schachtel sind nur Mutmaßungen.«
»Die Königin will mich nicht mehr sehen«, erwiderte Frances. »Ich darf die königlichen Gemächer nicht mehr betreten! Ich! Frances Howard! Ich kannte diese Gemächer schon, bevor Königin Anne überhaupt nach England gekommen ist! Es spielt keine Rolle, Rob, ob sie beweisen können, dass wir Overbury getötet haben. Sie wissen es! Wir sind ruiniert. Ich sage es dir! Ruiniert!«
»Es ist nur ein zeitweiliger Rückschlag, Frances«, entgegnete er. »Der König kann ohne mich nicht leben. Jamie Stuart ist mein Freund.«
»Warum musstest du Overbury auch in den Tower werfen lassen, Rob? Du meine Güte, das war so Aufsehen erregend! Habe ich dir nicht vorgeschlagen, du solltest du König dazu überreden, ihm eine kleinere Stellung in Irland anzubieten? Dann hätten wir ihn dort ermorden lassen können! Und dann hätten wir den Mord den Iren in die Schuhe geschoben! Jetzt wird man uns vor Gericht zerren. Es wundert mich, dass wir noch nicht im Gefängnis sind! Wir werden im Tower enden, Rob, und das alles nur, weil du nicht auf deine Frau hören wolltest!«
»Der König liebt mich«, beharrte Robert Carr.
»Liebt dich?« Frances, Gräfin von Somerset, schnaubte verächtlich. »Es ist vorbei, Rob. Vorbei! Er ist vernarrt in Villiers und St. Denis und beschäftigt sich nur noch mit der Frage, wen von beiden er mehr begehrt. Du hast dem König das Herz gebrochen, Rob, und das wird er dir nie verzeihen. Er wird dich ersetzen und dich vergessen. Und das hätte nicht geschehen müssen, wenn du bereit wärst, auf mich zu hören!«
»Schlaf jetzt endlich, Frances, und hör auf zu nörgeln«, giftete der Graf seine Frau an. »Morgen kehrt der Graf von Glenkirk mit der verwitweten Marquise von Westleigh an den Hof zurück. Sie werden endlich heiraten, heißt es. Jasmine Lindleys Demütigung möchte ich um nichts in der Welt verpassen.«
»Vielleicht«, überlegte die Gräfin, »lenkt eine solche Gelegenheit den König ab, und er denkt nicht mehr an uns.«
»Wenn er nicht mehr an uns denkt«, erwiderte ihr Mann, »dann haben wir auch seine Gunst verloren. Möchtest du das denn, Frances?«
»Zumindest würden wir dann am Leben bleiben«, sagte sie. »Ich möchte nicht im Tower enden wie meine Kusinen Anne und Catherine.«
»Du machst dir viel zu viele Gedanken«, lachte er.
Aber dann kam der Morgen, und der Graf hatte nicht mehr viel zu lachen. Als er und seine Frau an den Hof kamen, um an den Ereignissen des Tages teilzunehmen, sagte man ihnen, sie sollten wieder nach Hause gehen. Sie seien auf Whitehall nicht mehr willkommen. Es wäre besser, sie würden sich in ihr Londoner Haus zurückziehen und auf die Entscheidung des Königs über ihr Schicksal warten. Verwirrt entfernten sie sich und bemerkten nicht einmal, dass Glenkirks Kutsche auf der Straße an ihnen vorbeifuhr. Ein paar Tage später wurden der Graf und die Gräfin von Somerset verhaftet und in den Tower gebracht.
»War das nicht Frances Howard mit ihrem Mann?«, fragte Jasmine und beugte sich aus dem Kutschenfenster, um dem Gefährt nachzublicken.
»Es würde mich sehr überraschen, wenn sie es gewesen wären«, antwortete James Leslie. »Robin hat mir erzählt, dass er wegen dieser Geschichte mit Overbury ziemlich in Ungnade gefallen ist. Außerdem ist der König völlig vernarrt in die beiden neuen jungen Männer, die kürzlich an den Hof gekommen sind. Nach dem heutigen Tag werden wir über die ganze Sache sicher vollständig informiert sein. Ich kann es gar nicht glauben, dass Carr so dumm war, einen Feind zu vergiften und sich erwischen zu lassen; aber ich habe ihn ja immer schon für einen Dummkopf gehalten.«
»Sehe ich gut aus?«, fragte sie ihn zum dritten Mal, seit sie das Haus verlassen hatten.
Er nickte grinsend. »Ja«, erwiderte er knapp.
Sie hatte versucht, sich so bescheiden zu kleiden, wie es einer reuigen Sünderin gebührte, aber es fiel Jasmine schwer, wirklich zerknirscht auszusehen. Dafür war sie zu schön. Zu elegant. Zu sehr die Tochter des Moguls. Aber sie hatte sich Mühe gegeben. Ihr Kleid war aus burgunderfarbener Seide und hatte einen Glockenrock. Die Taille war schmal, und die Ärmel wiesen kleine Schlitze auf, die mit schwarzer Seide unterfüttert waren. Das Oberteil lief nach unten spitz zu und war in einem geometrischen Muster mit schwarzen Perlchen bestickt. Das Mieder zeigte einen tiefen, viereckigen Ausschnitt, und um den Hals trug sie eine lange schwarze Perlenkette. An einer kürzeren Kette hing ein großer, runder Rubin, das Auge Kalins, den Jasmine aus Indien mitgebracht hatte. Ihre Haare waren zu einem eleganten Knoten geschlungen und an den Füßen trug sie schwarze Seidenschuhe mit rosafarbenen Perlen. Alle Frauen, denen sie heute begegnete, würden sie beneiden, und alle Männer würden sich nach ihr verzehren, dachte James Leslie.
Er selbst war in Schwarz und Weiß gekleidet, um seriös zu wirken. Wenigstens einer von ihnen musste reumütig aussehen, bei all den Problemen, die sie dem König verursacht hatten. Während sie den Flur zu dem Raum entlanggingen, in dem der König heute empfing, hörte James Leslie das Flüstern und Zischeln der Höflinge, an denen sie vorbeikamen. »Mut, geliebte Jasmine«, murmelte er und tätschelte ihre Hand, die auf seinem Arm lag. »Wir tragen eben zur heutigen Unterhaltung bei.«
Die Königin und der König saßen auf ihren Throne. James Stuart war alt geworden. Er war jetzt neunundvierzig. Die Königin, eine gut aussehende Frau, die jedoch nie jemand als hübsch bezeichnet hätte, war vierzig. Jasmine fand, dass sie sich nicht verändert hatte, seit sie sich das letzte Mal begegnet waren. Die Königin und ihr Gatte hatten nicht viel gemeinsam außer ihrer Liebe zur Jagd und zu ihren Kindern. Sie gingen relativ getrennte Wege, liebten einander aber doch. Was gut für James war, gefiel auch Anne, und umgekehrt. Sie schliefen schon seit einiger Zeit nicht mehr im gleichen Bett, waren aber nach wie vor sehr gute Freunde.
James Stuart blickte unbewegt auf die Neuankömmlinge, die vor seinem Thron standen. Der Graf von Glenkirk verbeugte sich elegant; die verwitwete Marquise von Westleigh machte einen tiefen Hofknicks, wobei sie den Kopf gesenkt hielt und das königliche Paar nicht ansah. Dann erhob sie sich anmutig. Im Raum war es ganz still geworden, wie jeder hören wollte, was gesagt würde.
»So, Madame, Ihr seid also endlich zurückgekehrt«, begann der König. Sein Blick war überraschend milde. »Ich habe Eure Kinder gesehen. Ihr habt sie gut erzogen, Madame. Alle. Unser kleiner Enkelsohn ist ein braves Kind für einen so kleinen Jungen. Er hat Französisch mit mir gesprochen.« James Stuart schmunzelte. »Und er hat gesagt, er könne mir beibringen, auf Hindi zu fluchen. Wo mag er den wohl Hindi gelernt haben?« Der König neigte fragend den Kopf.
»Höchstwahrscheinlich von meinem Diener Adali«, erwiderte Jasmine leise. »Adali erinnert den kleinen Charlie gerne daran, dass er der Enkel von zwei Königen ist.«
»Ja«, stimmte James Stuart zu. »Unser kleiner Herzog von Lundy hat viel königliches Blut in seinen Adern, aber er ist in England geboren, Madame. Das werdet Ihr doch nicht vergessen, oder?«
»Nein, Euer Hoheit, wie könnte ich das vergessen«, erwiderte Jasmine. »Sein Vater wird immer in meinem Herzen bleiben.«
Einen kurzen Moment lang sah der König traurig aus. »Ja«, sagte er. »In unser aller Herzen. England hat einen großen König verloren, aber vielleicht lebe ich lange genug, damit unser Charles ein guter König wird.«
»Oh, Euer Hoheit«, erwiderte Jasmine, »ich bin sicher, dass Prinz Charles Euch und der Königin viel Freude bereiten wird.« Dann warf sich Jasmine, zur Überraschung aller, vor dem König zu Boden, wobei ihre burgunderfarbenen Röcke sich kunstvoll um sie bauschten. »Euer Majestät«, sagte sie mit ihrer klaren Stimme, »ich bitte um Vergebung für meinen Ungehorsam. Als Entschuldigung kann ich Euch nur sagen, dass mein Herz wegen Prinz Henry gebrochen war und dass ich mich noch nicht bereit fühlte, so schnell wieder eine neue Ehe einzugehen. Ich bin nur eine schwache Frau, Euer Hoheit, und ich habe in meinem kurzen Leben viel erlitten. Jetzt möchte ich gerne meine Pflicht tun und den Grafen von Glenkirk heiraten; wobei ich gelobe, Eurer Hoheit nie wieder ungehorsam zu sein.« Jasmine hielt den Kopf so tief gesenkt, dass sie fast die Schuhspitze des Königs berührte. Sie verharrte in dieser Stellung und wartete darauf, dass der König das Wort ergriff.
Der König war verblüfft, aber er war auch erfreut. Die junge Frau vor ihm erkannte seine absolute Autorität an, auch wenn sie dagegen aufbegehrt hatte. Er war sehr ärgerlich gewesen, als sie vor zwei Jahren aus England geflohen war. Aber dann hatte er vor zwei Wochen seinen Enkel gesehen, und das Kind hatte sein Herz erweicht. Und jetzt hatte sich die Sünderin, die er noch vor einem Monat hatte bestrafen wollen, ihm öffentlich zu Füßen geworfen. James Stuart war äußerst erfreut und nur zu bereit, ihr zu verzeihen.
»Steht auf, Mädchen«, sagte er gutmütig. »Helft ihr, Jemmie.« Und als Jasmine wieder aufrecht vor ihm stand, fuhr er fort: »Das war eine hübsch vorgetragene Entschuldigung. Ich verzeihe euch, Madame.«
»Danke, Euer Majestät«, erwiderte Jasmine und versank noch einmal in einem Hofknicks.
»Eine Frau, von allem eine so schöne Frau wie ihr es seid«, sagte der König, »sollte einen Gatten haben, der sie leitet. Ich habe meine Wahl für Euch zu hastig getroffen, Madame, und ich merke jetzt, dass ich Euch die Wahl zwischen mehreren Männern hätte treffen lassen sollen. Dazu werde ich Euch jetzt die Möglichkeit geben.« James Stuart lächelte selbstzufrieden.
Alle im Zimmer blickten erstaunt, auch die Königin. Wütend funkelte sie ihren Gatten an, aber er ignorierte sie.
»Euer Hoheit«, sagte Jasmine rasch, »ich bin glücklich, Lord Leslie heiraten zu dürfen. Wir sind alte Freunde und sind zu einer vollständigen Übereinkunft gekommen. Unsere Hochzeit ist für den fünfzehnten Juni im Haus meiner Großmutter, in Queen’s Malvern, geplant.«
»Es gibt keine Hochzeit, Madame, bis Ihr Euch nicht den Bräutigam ausgesucht habt«, entgegnete der König eigensinnig.
»Aber das habe ich doch!«, rief Jasmine.
»James!«, zischte die Königin.
Er ignorierte sie wieder und sagte stattdessen zu Jasmine: »Ihr seid ein gutes Mädchen, Madame, und wollt Euch meiner Wahl fügen. Anders als viele an diesem Hof anerkennt Ihr mein göttliches Recht über meine Untertanen. Vor zwei Jahren habe ich unüberlegt behandelt, um Euch und meinen Enkel zu schützen. Wegen meines übereilten Entschlusses seid Ihr nach Frankreich geflohen. Ich weiß zwar, dass Ihr die Gründe meines Handelns versteht, aber jetzt will ich zugeben, dass ich zu rasch vorgegangen bin. Deshalb dürft Ihr zwischen mehreren Gatten wählen, Madame. Nicht nur der Graf von Glenkirk ist ein Kandidat um Eure Hand, sondern auch Piers St. Denis, der Marquis von Westleigh, wird um Euch werben. Ich würde Euch auch meinen Steenie anbieten, aber er hat mir gesagt, dass sein Herz schon anderweitig vergeben ist. Also, Madame, habt Ihr zwei Herren, unter denen Ihr wählen könnt.« Er grinste sie an und war recht zufrieden mit sich, da er fand, er habe etwas Wundervolles getan. »Ihr werdet meinen Piers entzückend finden, und er ist Eurem Alter auch näher, was bei Glenkirk ja nicht der Fall ist.«
»Euer Hoheit ...«, setzte Jasmine an, aber der König bedeutete ihr zu schweigen, und auch Jemmie drückte warnend ihren Arm, damit sie nicht weiter protestierte.
»Piers, mein liebster Junge, wo seid Ihr? Kommt und lasst Euch der Marquise von Westleigh vorstellen«, plapperte der König, wobei sein Tonfall fast kokett klang.
Ein großer, blonder junger Mann löste sich aus der Menge der Höflinge, die um den Thron standen. Er war ganz in Blau gekleidet, und Jasmine hätte schwören können, dass die Seide genau zum Blau seiner strahlend blauen Augen passte. Er war sicherlich der schönste Mann, den sie jemals gesehen hatte, und doch zuckte sie unwillkürlich zurück, wie bei einer Kobra in Indien. Auch Kobras waren wunderschön, aber gefährlich. Der Marquis von Hartsfield verbeugte sich vor dem König. »Sire«, sagte er. Er hatte eine angenehme Stimme.
»Macht eine Verbeugung vor Lady Lindley, Piers«, ermunterte der König den jungen Mann. »Wenn Ihr ihr gefallt, nimmt sie Euch vielleicht zum Ehemann.«
Hartsfield gehorchte dem König lächelnd. Er verneigte sich vor Jasmine. »Madame«, sagte er.
»Und jetzt geht und plaudert miteinander«, wies der König ihn an. »Glenkirk, Ihr bleibt bei der Königin und gebt Eurem Rivalen eine Chance. Ihr seid einige Monate lang mit der Dame in Frankreich gewesen. Lasst Piers zum Zuge kommen. Und regt Euch nicht auf, Jemmie Leslie, wenn sie meinen Piers wählt. Ich gebe Euch eine nette Erbin zur Entschädigung.« Er kicherte selbstzufrieden.
James Leslie verbarg seinen Ärger, trat zur Königin und küsste ihr die Hand. »Ich freue mich, dass Ihr so wohl ausseht, Ma’am«, sagte er mit gezwungenem Lächeln.
»Ihr braucht nicht zu lächeln, Glenkirk«, erwiderte die Königin. »Nachdem er bekommen hat, was er wollte, richtet Jamie jetzt ein ziemliches Durcheinander an, nicht wahr? Ich wusste nichts davon, das versichere ich Euch, sonst hätte ich es ihm ausgeredet. Er will seinen jungen Männern eine Freude machen. Der junge George Villiers, den ich Piers St. Denis bei weitem vorziehe, hat sein Herz an Lady Katherine Manners, die Tochter des Grafen von Rutland, verloren. Er ist noch nicht gut genug für sie, aber Jamie will dafür sorgen, dass er bald einen kleinen Titel verliehen bekommt. Glücklicherweise war Villiers klug genug, um dem König von seinem Verlangen nach Lady Manners zu erzählen, sonst würde er sich jetzt auch in den Reigen der Bewerber um die Hand der armen Jasmine einreihen müssen.«
»Ich hätte sie in Frankreich heiraten sollen«, sagte Glenkirk wütend. »Das war mein erster Gedanke, aber sie wollte ihre Familie dabei haben, und schließlich will ich sie glücklich machen, Ma’am.«
»Ah«, erwiderte die Königin leise, »Ihr liebt sie, nicht wahr?«
»Ja«, gab er zu.
»Und liebt sie Euch auch?«
»Ja, das tut sie«, antwortete er. »Ich bin der glücklichste Mann der Welt, Ma’am. Ihr glaubt doch nicht, dass der König sie zwingen wird, diesen Marquis von Hartsfield zu heiraten, oder? Ich habe gehört ...« Glenkirk brach ab, weil er nicht wusste, ob er Königin Anne von dem Klatsch, den er gehört hatte, erzählen sollte.
»Ihr habt gehört, dass Piers St. Denis und George Villiers die Gunst meines Gatten gewonnen haben«, erwiderte sie. »Das stimmt. Und ihr wisst, dass James in seinen Freundschaften sehr leidenschaftlich sein kann, Mylord. Mir macht das nichts aus, denn es ist leichter, mit diesen charmanten jungen Männern auszukommen, als mit einer Mätresse en titre. Ich war recht erleichtert, als Eure Mutter Schottland verließ. Wie geht es Ihr überhaupt?«
Der Graf von Glenkirk schluckte. Also hatte Königin Anne die ganze Zeit über von der jugendlichen Passion ihres Mannes für seine Mutter gewusst, und doch hatte sie nie etwas gesagt. Sein Respekt vor dieser Frau, die die meisten für albern und dumm hielten, wuchs. »Es geht ihr gut, Ma’am«, erwiderte er. »Sie ist verwitwet, hat aber beschlossen, im Königreich Neapel zu bleiben. Mein jüngerer Bruder und meine beiden Schwestern sind bei ihr. Sie sagt, nach so vielen Jahren in der warmen Sonne Neapels könne sie das raue Klima in Schottland nicht mehr ertragen.«
»Wann habt Ihr sie zum letzten Mal gesehen?«, fragte die Königin.
»Ich habe sie besucht, kurz nachdem meine Frau und meine Kinder umgebracht worden sind«, sagte er leise. »Ich brauchte damals ihren Rat, aber es ist jetzt schon viele Jahre her, seit ich das Gesicht meiner Mutter gesehen habe.«
»Die Leslies von Glenkirk werden recht erleichtert sein, dass Ihr endlich wieder heiratet«, stellte die Königin fest. »Wahrscheinlich seid Lady Lindley und Ihr bereits Liebhaber. Sie ist recht fruchtbar, und sie wird Euch gewiss Söhne schenken. Ihre Kinder sind entzückend. Nicht nur im Aussehen, sondern sie sind für so kleine Geschöpfe auch sehr klug. Mögen Sie Euch, James Leslie? Es ist wichtig, dass Ihr gut mit ihnen auskommt.«
»Ich glaube, wir empfinden sehr viel Zuneigung füreinander, Ma’am«, erwiderte er. »Sie haben beschlossen, mich Papa zu nennen. Der kleine Henry möchte, dass ich ihm ab Sommer Fechtunterricht gebe.«
»Das ist gut«, sagte die Königin zustimmend. »Ihr werdet den jungen Lindleys und meinem Enkel ein ausgezeichneter Vater sein.« Sie bemerkte, dass er zu Jasmine und dem Marquis von Hartsfield hinüberblickte. »Wenn sie Euch liebt, braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen«, meinte Königin Anne, aber James Leslie sah, dass Jasmine ungeduldig wurde, und er fragte sich besorgt, wie lange es wohl noch dauern würde, bevor sie dem Marquis eine Ohrfeige gab und einen Streit heraufbeschwor.
Piers St. Denis war mit Jasmine quer durch den Raum gegangen. »Ihr seid noch viel schöner, als ich angenommen habe«, sagte er, »aber Ihr wisst natürlich selbst, wie schön Ihr seid. Es ist Euch sicher schon tausendmal gesagt worden, Madame.«
»Ich nehme Euer Kompliment an«, entgegnete sie. »Trotzdem – am fünfzehnten Juni heirate ich den Grafen von Glenkirk. Wir lieben einander. Ich habe keine Ahnung, warum der König, der auf dieser Heirat bestanden hat, jetzt auf einmal dieses Spiel mit uns treibt. Ich bin wütend!«
»Der König will mir eine Freude machen«, sagte der Marquis, »vor allem jetzt, wo dieser Trottel vom Land es gewagt hat, sein Netz nach der Tochter des Grafen von Rutland auszuwerfen. Du meine Güte! Villiers hat noch nicht einmal einen Titel. Rutland wird seine Tochter wohl kaum irgendeinem Landjunker geben«, höhnte Piers St. Denis. »Aber der alte Narr von König hat seinem Steenie versprochen, dass er alles in Ordnung bringen wird, und deshalb muss er mich jetzt auch zufrieden stellen. Habt Ihr schon mit Glenkirk geschlafen? Ihr seht aus wie eine Frau, die sehr gut geliebt worden ist. Ah, Ihr errötet. Wie reizend!«
»Warum nennt der König George Villiers Stennie?«, fragte Jasmine, um das Thema zu wechseln.
»Habt Ihr Villiers schon kennen gelernt? Offensichtlich nicht. Blickt mal auf die linke Seite neben dem König. Der junge Mann mit dem Engelsgesicht. Der alte Narr von König behauptet, er müsse immer an den heiligen Stephen denken, wenn er Villiers ansehe. Stennie ist eine Verniedlichungsform von Stephen. Es ist zum Erbrechen! Und nun beantwortet meine Frage, meine Schöne. Habt Ihr schon mit Glenkirk geschlafen?«
»Das geht Euch nichts an«, erwiderte Jasmine kurz.
Er packte sie am Arm. »Wenn Ihr meine Frau werden wollt«, sagte er zu ihr, »dann muss ich alles über Euch erfahren, meine Schöne.«
»Ich werde aber nicht Eure Frau«, erwiderte sie ärgerlich. »Lasst meinen Arm los! Ihr tut mir weh, Ihr Grobian!«
»Ah, Ihr habt also miteinander geschlafen. Nun, das spielt keine Rolle. Ihr wart ja sowieso keine Jungfrau mehr. Nicht bei vier Kindern, von denen eins ein königlicher Bastard ist«, sagte St. Denis. »Ihr seid eine wilde kleine Hexe, nicht wahr, meine Schöne?«
»Lasst meinen Arm los«, erwiderte Jasmine. »Wenn nicht, dann schreie ich und verursache einen netten kleinen Skandal, in dessen Mittelpunkt ihr stehen werdet, Mylord!«
Er ließ lachend ihren Arm los. »Das glaube ich Euch aufs Wort«, sagte er. »Nun, wenn wir erst einmal verheiratet sind, werde ich Euch schlagen, wenn Ihr Euch schlecht benehmt.«
Jasmine funkelte ihn wütend an. »Ein Mann, der seine Hand gegen eine Frau erhebt, ist überhaupt kein Mann«, entgegnete sie. »Und jetzt geht und sucht Euch eine dumme kleine Erbin zum Heiraten. Ich bin Lord Leslie versprochen.« Jasmine drehte sich auf dem Absatz um, eilte quer durch das Zimmer auf James Leslie und die Königin zu und machte einen tiefen Hofknicks vor Anne. »Ich freue mich, Euch wieder zu sehen, Ma’am«, sagte sie.
»Ihr mögt den Marquis von Hartsfield nicht, wie?«, fragte die Königin freiheraus.
»Nein, Ma’am«, erwiderte Jasmine genauso freimütig.
»Ich auch nicht«, antwortete Königin Anne.
»Wird der König mich dazu zwingen?«, fragte Jasmine.
Königin Anne schüttelte verneinend den Kopf. »Da er Villiers versprochen hat, dass er die Erbin von Rutland heiraten kann, denkt Jamie, er muss St. Denis eine gleichwertige Braut verschaffen. Das ist wirklich Eure eigene Schuld, meine Liebe. Wenn Ihr Glenkirk geheiratet hättet, als wir es von Euch erwartet haben, dann wärt Ihr jetzt nicht mehr frei für St. Denis. Aber Jamie hat ein gutes Herz, wie Ihr sehr wohl wisst. Er wird Euch nicht zwingen. Er hat vor, Euch die Wahl treffen zu lassen, aber er wird versuchen, Euch zu dem schönen Marquis zu überreden, um St. Denis eine Freude zu machen. Ich wusste nicht, dass er sich noch einmal in diese Angelegenheit einmischen wollte, sonst hätte ich mit ihm geredet. Schließlich seid Ihr ja auch, als wir uns nach dem Tod unseres lieben Henry, Gott sei seiner lieben Seele gnädig, zum ersten Mal eingemischt haben, weggelaufen. Ich möchte nicht, dass Ihr wieder mit unserem lieben kleinen Charlie weglauft.« Sie tätschelte Jasmines Hand. »Alles wird in Ordnung kommen, meine Liebe, davon bin ich überzeugt. Aber Ihr dürft nicht wieder davonlaufen, und Ihr, Jemmie Leslie, übernehmt die Verantwortung für Lady Lindley.«
Der Marquis von Hartsfield beobachtete den Wortwechsel. Er konnte zwar nicht verstehen, was gesagt wurde, hätte aber wetten können, dass seine Name gefallen war. »Was hältst du von ihr, Kipp?«, fragte er den Mann, der neben ihm stand.
»Sie muss ernstlich gezähmt werden«, erwiderte sein Gefährte, »aber ich könnte mir vorstellen, dass dir das Spaß macht, Piers.« Er lachte.
Kipp St. Denis war der uneheliche Halbbruder des Marquis. Die beiden Männer waren zusammen aufgewachsen, wobei dem Bastard absoluter Gehorsam gegenüber dem legitimen Erben seines Vaters beigebracht worden war. Kipps Mutter war die Zofe der jungen Marquise von Hartsfield gewesen. Der Gatte ihrer Herrin hatte sie eine Woche vor der Hochzeit vergewaltigt, als sie noch Jungfrau war. Nach der Hochzeitsnacht hatte der Marquis darauf bestanden, dass beide Frauen jede Nacht in sein Bett kamen. Er war ein gewalttätiger Mann ohne jede Moral. Seine Frau, eine Waise, deren Mitgift in Land bestanden hatte, das an seinen Besitz grenzte, liebte ihren Mann und war bereit, alles zu tun, was er verlangte. Der Besitz lag völlig einsam, und es konnte niemand über sie klatschen außer den Dienstboten, und auch diese taten es selten, weil sie Angst vor ihrem Herrn hatten.
Die Halbbrüder kamen im Abstand von einer Stunde im gleichen Bett zur Welt, weil die beiden Frauen nebeneinander in den Wehen lagen. Wäre Kipp ein ehelicher Sohn gewesen, hätte ihm das Erbe zugestanden, weil er der Erstgeborene war. Piers war eine Stunde später in die gleiche Wiege gelegt worden, und seitdem waren sie selten in ihrem Leben voneinander getrennt gewesen. Kipp war das Ebenbild seiner Mutter, während Piers seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Beide Männer jedoch ähnelten ihrem Vater im Temperament. Trotz des Unterschieds in ihrer gesellschaftlichen Stellung waren die beiden Brüder einander treu ergeben, und es gab keine Eifersucht zwischen ihnen. Kipp ging dahin, wo Piers hinging, und diente seinem Bruder als Sekretär, Kammerdiener und Vertrauter.
»Ah, Kipp, das ist keine gewöhnliche Stute, die man zähmen kann, sondern ein Vollblutgeschöpf, das eine besondere Behandlung verlangt«, sagte der Marquis. »Hast du gesehen, wie ihre Brüste aus dem Ausschnitt quellen? Sie betteln doch geradezu danach, gestreichelt zu werden.«
»Wenn du ihr Herz gewinnen willst, wirst du den Grafen von Glenkirk loswerden müssen, Piers«, entgegnete sein Halbbruder. »Solange er hier ist, hast du nicht die geringste Chance bei ihr. Ich habe gehört, was sie sagte, als sie neben dir stand. Sie ist entschlossen, ihn zu heiraten. Und, Bruder, er wohnt bei ihr in ihrem Haus am Strand – wahrscheinlich liegen sie auch im gleichen Bett und schlafen jede Nacht miteinander. Wir wollen doch nicht, dass sie von ihm schwanger wird, oder? Sag es dem König, und er wird schon etwas unternehmen, das verspreche ich dir. Schließlich liebt der alte Narr seinen Piers doch, oder?« Kipp St. Denis lachte anzüglich.
»Du hast Recht«, stimmte der Marquis zu. »Ich möchte diese Chance nicht verderben. Lady Lindley besitzt ein märchenhaftes Vermögen, und, was noch wichtiger ist, sie ist die Mutter des königlichen Enkels. Ein Bastard wie du, Kipp, aber ein königlicher Bastard. Bis der kleine Charles sich eine Frau in Spanien oder Frankreich sucht und selbst ein Kind hat, wird der kleine Herzog von Lundy der Liebling seines Großpapas bleiben. Wenn man die Macht über den kleinen Jungen hat, besitzt man wirkliche Macht, Kipp! Villiers kann seine mondgesichtige kleine Erbin haben. Ich will ein Vermögen und Macht über den König besitzen!«
»Nur wenn du Lady Lindley überreden kannst, dich zu heiraten. Ich habe schon gemerkt, dass man sie nicht drängen kann. Sie ist selbst die Tochter eines Königs, und ihre Verwandten haben großen Einfluss beim König. Ihr Stiefvater ist sein Cousin, der Graf von BrocCairn. Ihre Onkel sind der Graf von Lynmouth und Lord Burke von Clearfields. Ihre Großmutter ist die alte Gräfin von Lundy. Sie war mit Bess Tudor befreundet, Bruder, und hat diese Königin nicht nur überlebt, sondern kann auch noch viele Geschichten von ihr erzählen. Lady de Marisco hängt sehr an ihrer Enkelin, Piers, und die Familie tut, was sie ihr sagt. Wenn du Lady Lindley bedrohst, dann werden sie sich zusammenrotten, um sie zu beschützen, und dich werden sie für deine Unverschämtheit vernichten. Es ist eine sehr große Familie. Es gibt eine Tante, die mit dem Grafen von Alcester verheiratet ist, und eine weitere, die Lord Blackthornes Frau ist. Jasmine Lindley verfügt über äußerst gute Verbindungen. Du wirst sie schon mit deinem Charme in eine Ehe hineinreden müssen, und das kannst du bestimmt auch.«
»Ich muss sie haben!«, sagte Piers St. Denis heftig. »Sie erregt mich wie keine andere Frau. Ihr Reichtum, ihre Schönheit, ihr königlicher Bastard. Aber selbst ohne das Gör würde ich sie begehren, Kipp.«
»Kümmere dich zuerst um den Graf von Glenkirk«, riet ihm sein Bruder. »Wenn er zu dicht bei Lady Lindley bleibt, hast du keine Chance. Sieh einmal!« Er wies durch den Raum. »Der Graf und Lady Lindley gehen gerade. Rasch, Piers! Du musst sofort mit dem König reden!«
Der Marquis von Hartsfield eilte durch den Saal und versperrte dem Grafen von Glenkirk und Jasmine, die sich gerade zum Gehen wandten, den Weg. »Sire!«, sagte er laut, an den König gewandt, »wenn Lady Lindley mir eine faire Chance geben will, ihr den Hof zu machen, glaube ich nicht, dass Lord Leslie in ihrem Haus wohnen und ihr Bett teilen sollte, nicht wahr?«
»Was ist das?«, sagte der König. »Jemmie, ist das richtig? Ihr wohnt in Greenwood bei Lady Lindley?«
»Ja, Mylord«, erwiderte der Graf von Glenkirk mit zusammengebissenen Zähnen und warf dem Marquis von Hartsfield einen grimmigen Blick zu.
»Nein, nein, Jemmie, das können wir nicht zulassen«, meinte der König.
»Sire, er kann mein Gast sein«, warf der Graf von Lynmouth ein, trat vor und verbeugte sich tief. »Jemmie und ich sind alte Freunde.«
»Ausgezeichnet, ausgezeichnet«, sagte der König. »Dann wohnt Ihr also bei Robin Southwood, Jemmie, nicht wahr?«
Der Graf von Glenkirk verneigte sich vor dem König. »Natürlich werde ich Jasmine nach Hause begleiten«, erklärte er James Stuart.
»Und ich komme auch mit«, sagte der Graf von Lynmouth. »Wir bringen Euch in Lynmouth House unter.« Er warf seiner Nichte und Lord Leslie einen warnenden Blick zu, damit sie schwiegen.
»Lynmouth House liegt neben dem Haus von Lady Lindley«, flüsterte Kipp seinem Bruder ins Ohr. »Ist das nicht ein bisschen zu nahe?«
»Wenn ich noch etwas sage, sieht es so aus, als ob ich jammere«, erwiderte der Marquis leise. »Ich werde mich nicht mit weiteren Klagen demütigen.«
»Mylord«, sagte Jasmine zu St. Denis, als sie das Zimmer verließen, »Ihr verschwendet Eure Zeit und macht Euch nur zum Narren. Lasst den Dingen ihren Lauf. Der König wird Euch eine reiche Erbin suchen, wenn Ihr ihn nur nett genug darum bittet, und das könnt Ihr doch gut, oder?« Sie lächelte ihn süss an, und sein gut aussehendes Gesicht verzerrte sich vor Wut.
Plötzlich jedoch lachte Piers St. Denis auf. »Ihr fasziniert mich mit jedem Wort. Ich glaube, nicht, dass mich jemals eine Frau so wütend machen konnte wie Ihr. Ich werde nicht aufhören, um Euch zu werben. Ihr seid viel zu bezaubernd, und ich schwöre, dass ich Euch Glenkirk abjage.«
»Niemals!«, entgegnete Jasmine heftig.
Der Marquis von Hartsfield ergriff sie am Arm und zog sie vom Grafen von Glenkirk weg. »Madame, seid nicht so ungezogen zu mir. Ihr werdet mich mögen. Alle mögen mich, außer vielleicht Villiers – weil ich ihn als Einziger so sehe, wie er wirklich ist. Er ist nur ein Emporkömmling. Ich dagegen bin ein äußerst charmanter Mann, wie Ihr erfahren werdet, wenn Ihr mir eine Chance gebt.«
Jasmine musste unwillkürlich lachen. »Mylord«, erwiderte sie ruhig, »wir befinden uns in einer schwierigen Situation. Ich erscheine Euch wahrscheinlich wie eine Xanthippe, aber Ihr müsst verstehen, dass ich Lord Leslie seit Jahren kenne. Ich habe gelernt, ihn zu lieben, und wir passen wunderbar zueinander. Meine Kinder beten ihn an. Selbst Euer umwerfender Charme wird bei mir nichts ausrichten. Ihr befindet Euch auf verlorenem Posten, und, ehrlich gesagt, bin ich wütend, dass der König überhaupt auf eine solche Idee gekommen ist.«
»Ihr seid anbetungswürdig, wenn Ihr wütend seid«, schnurrte er.
»Verdammt noch mal!«, fluchte Jasmine.
Piers St. Denis schmunzelte, und seine blauen Augen glitzerten. »Euer kleiner Sohn hat auf Hindi geflucht«, sagte er. »Könnt Ihr auch auf Hindi fluchen? Er war entzückend, Euer königlicher Bastard.«
»Ich kann in mindestens sieben Sprachen fluchen«, erwiderte sie.
Sie hatten den Hof erreicht, wo ihre Kutsche auf sie wartete. Er lächelte sie strahlend an und half ihr hinein. »Ich werdet Euch morgen meine Aufwartung machen, Madame«, sagte er. »Wenn das Wetter schön ist, können wir vielleicht irgendwo am Fluss essen. Ich werde mit meiner Barke kommen.« Dann schlug er die Tür zu und gab den Kutschern das Zeichen zur Abfahrt. Er winkte fröhlich hinter Jasmine her, dann drehte er sich um, nickte den beiden Grafen zu und ging zum König zurück.
»Der Bastard!«, fluchte Glenkirk. »Ich bin mit Jasmine hierher gekommen und habe kein Pferd. Wie zum Teufel soll ich zurück nach Greenwood kommen?«
»In meiner Kutsche«, sagte Robin. »Ich bin nicht hierher geritten. Geschickt von Hartsfield, wie er uns ausgegrenzt hat. Ich habe bemerkt, dass er nicht gern verliert. Er wird Jasmine ablenken, bis ihr zu Mutter fahrt.«
»Wir haben unseren Frieden mit dem König gemacht«, schnarrte Glenkirk, »und werden so schnell wie möglich nach Queen’s Malvern abreisen.«
»O nein, Jemmie«, sagte Robin Southwood, als sie sich in seine Kutsche setzten. »Der König hat beschlossen, dass Jasmine ihre Wahl treffen soll. Ein bisschen spät zwar ..., aber der richtige Zeitpunkt war noch nie die Stärke des alten Narren von König. Er hat Jasmine sein Lieblingsspielzeug angeboten. Wenn Ihr nach Queen’s Malvern abreist, wird der König wieder zornig werden, und Hartsfield läuft Euch am Ende noch den Rang ab. Bis zu Eurem Hochzeitstag sind es noch etwas über fünf Wochen. Bleibt am besten ungefähr vier Wochen lang hier in London. Lasst zu, dass Piers St. Denis den eifrigen Verehrer spielt, und dann wird Jasmine verkünden, dass sie schließlich doch Euch heiraten will. Erst dann könnt Ihr mit dem Segen des Königs zu Mutter reisen. Der Königin ist es lieber, wenn Ihr Jasmine heiratet. Und jetzt versprecht mir, Glenkirk, dass Ihr keine Dummheiten macht und meinen Plan befolgt.«
»Warum möchte ich eigentlich unserem hübschen Marquis so gern aufs Maul schlagen?«, grollte Glenkirk.
»Weil er ein schleimiger kleiner Dreckskerl ist«, erwiderte Robin Southwood.
»Was zum Teufel sieht Jamie bloß ihn ihm?«
»Er ist jung, amüsant und klug. Er buhlt um die Zuneigung des Königs, und im Moment scheint James Stuart diese beiden jungen Männer zu brauchen, die sich um seine Gunst und seine Aufmerksamkeit streiten. Er ist nie wirklich über Prinz Henrys Tod hinweggekommen, und Prinz Charles ist ein ernster kleiner Kerl, ganz anders als sein älterer Bruder es war. Der König bezweifelt, dass er jemals ein guter Herrscher wird, und das sagt er ihm auch bei jeder Gelegenheit. Charles ist natürlich schrecklich eifersüchtig auf Villiers und Hartsfield, weil er glaubt, sie entzögen ihm die Zuneigung seines Vaters, aber ich frage mich manchmal, wie viel Zuneigung der König überhaupt für seinen jüngeren Sohn empfindet. Also, Jemmie, Ihr werdet Euch benehmen, oder?«
»Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl«, murrte der Graf von Glenkirk.
Robin Southwood schmunzelte. »Nun«, sagte er trocken, »wir könnten Hartsfield auf einem dunklen Feldweg auflauern und ihn erwürgen.«
»Na, das ist mal eine gute Idee!«, entgegnete James Leslie begeistert.
»Wir müssen Jasmine davon überzeugen, dass sie unser Spiel mitspielt«, meint Lynmouth.
»Dieses Privileg gebührt Euch«, entgegnete Glenkirk.
»Ihr müsst mir dabei zur Seite stehen, Jemmie«, sagte Lynmouth. »Meine Nichte kann teuflisch wütend werden, wie Ihr wisst.«
»Ich helfe Euch«, willigte Glenkirk ein, »aber wenn sie es nicht will, dann möge der Himmel uns helfen.«
»Verdammt, ich wünschte, Mutter wäre hier«, meinte Robin Southwood.
»Nun, sie ist es aber nicht, und sie wird uns dafür verantwortlich machen, wenn wir die Dinge hier nicht richten, Robin. Hoffentlich tun wir genau das, was Madame Skye von uns erwarten würde.«
»Nichts hält uns davon ab, ihr mitzuteilen, was hier vor sich geht«, sagte der Graf von Lynmouth. »Sie sollte es auf jeden Fall wissen.«
Glenkirk lachte. »Ja, das sollte sie«, stimmte er zu. »Sie hat keine Angst vor dem König. Göttliches Recht bedeutet Madame Skye nichts, nicht wahr, Robin?«
Sein Gefährte lachte. »Nein, Glenkirk, noch nie, und ich glaube, Jasmine ähnelt mehr meiner Mutter als sonst irgendjemand.«
»Aber Jasmine hat das Göttliche Recht immer respektiert«, erwiderte Glenkirk.
»Nicht, wenn es ihren Plänen zuwiderläuft, Euch zu heiraten«, erklärte der Graf von Lynmouth spitzbübisch. »Sie hat nie aufgehört, die Tochter des Moguls zu sein. Gott gnade uns allen, wenn der König nicht endlich aufhört, sich in ihr Leben einzumischen. Das wird er noch bereuen, und Hartsfield wird zu seinem Bedauern lernen müssen, dass man unsere wilde Jasmine nicht dazu bringen kann, etwas zu tun, was sie nicht tun will.«