Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 17
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ОглавлениеJemand kratzte leise an den Fensterläden von Jasmines Schlafzimmer. Ein leichter Wind kräuselte die Wellen auf der Themse, und der Mond schien silbern auf die Wiesen und den Fluss. Wenn jemand nach oben geblickt hätte, wäre ihm die dunkle Gestalt eines Mannes aufgefallen, der an den dicken Weinranken an der Seite des Hauses hochgeklettert war. Während er sich mit einer Hand an seinen schwankenden Stützen fest hielt, versuchte er mit der anderen Hand die Läden zu öffnen. Als ihm das gelungen war, schwang er sich über die Fensterbrüstung ins Zimmer, trat zum Bett und blickte auf die Frau hinunter, die dort lag.
Jasmine war erschreckt von dem Geräusch am Fenster und den Schritten aufgewacht. »Jemmie!«, sagte sie, als sie den Schatten an ihrem Bett erkannte. »Bist du verrückt?«
»Ja«, erwiderte er. »Verrückt nach dir, mein Liebling!« Er setzte sich auf die Bettkante, um seine Stiefel auszuziehen, dann legte er seine Kleider ab. »Hast du etwa geglaubt, ich würde für einen ganzen Monat nach Edinburgh reisen, ohne mich vorher anständig von dir zu verabschieden?« Nackt schlüpfte er unter das Laken und nahm sie in die Arme.
»Aber was ist mit Kipp St. Denis, meinem treuen Wachhund?«, fragte sie. »Er wird sofort zu seinem Bruder laufen, und anschließend beklagt sich der Marquis beim König, und weiß der Himmel, was dann geschieht«, jammerte sie.
»Kipp ist nach Hause gegangen. Ich habe einfach solange gewartet, und dann bin ich ihm bis zum Haus seines Bruders gefolgt, um ganz sicherzugehen. Wachablösung ist doch eine faire Angelegenheit, oder nicht, Jasmine?« Er drückte sein Gesicht an ihr Ohr und sog tief ihren warmen Duft ein. »Ich habe sogar noch abgewartet, bis überall in St. Denis’ Haus die Lichter ausgegangen sind.« Er knabberte an ihrem perfekt geformten Ohrläppchen. »Und erst dann bin ich zu dir gekommen.«
»O, Jemmie«, seufzte sie und drückte sich an ihn. »Ich habe mich so nach dir gesehnt, und jetzt musst du mich verlassen.«
»Aber erst morgen früh, meine Süße. Bis dahin haben wir noch ein paar Stunden vor uns, und ich beabsichtige, das Beste daraus zu machen. Es war die Hölle, nicht mit dir in einem Bett liegen zu können. Ich kann es kaum erwarten, bis du endlich meine Frau bist.«
»Versprich mir, dass wir nie wieder an den Hof müssen und nie wieder etwas mit den Stuarts zu tun haben werden«, sagte sie heftig. »Ich mag es nicht, wenn andere sich in mein Leben einmischen, Jemmie. Wenn es sein muss, werden wir eben unser Leben lang in den Highlands bleiben. Ich weiß, dass der König sein Geburtsland nicht mag, aber dann stellt er uns dort wenigstens nicht nach.«
Genüsslich küsste er ihren Mund. »Wir Schotten sind ein streitlustiges Volk, Jasmine. Wir bringen es fertig unsere Könige umzubringen oder ihnen zu gehorchen. Unsere Lords, die großen wie die kleinen, sind schwer zu regieren. Jamie hatte immer Angst vor ihnen, und das mit Recht. Wenn wir in Schottland leben, wirst du merken, dass ich dich in ein aufregendes und aufrührerisches Land gebracht habe, Liebste. Du wirst herausfinden, dass du, wie deine Mutter, jedes Jahr eine gewisse Zeit in England verbringen möchtest. Du wirst auch entdecken, dass unser Klima einzigartig ist. Der Herbst ist die beste Jahreszeit.« Seine Hand, die sich unter ihren Kopf geschoben hatte, glitt liebkosend über ihren Rücken und tiefer.
Sie schnurrte zufrieden, wand sich unter seinen Berührungen und zog seinen Kopf in das Tal zwischen ihren Brüsten. Einen Moment lang lauschte er ihrem Herzschlag. Dann umfasste er ihre Taille, legte sich auf sie und begann langsam über ihren Oberkörper zu lecken. Seine Zunge glitt über die Rundung ihrer Brüste zur Schulter und von dort zu ihrem Hals. Dann blies er, sanft wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, die Feuchtigkeit trocken, bis sich schließlich seine Lippen um einen ihrer Nippel schlossen. Zuerst saugte er nur daran, dann begann er sanft zu beißen.
»Biest!«, murmelte sie und saugte an seiner muskulösen Schulter, wobei sie ihre Zähne tief in sein Fleisch grub.
»Kleine Hexe!«, stöhnte er und hielt ihre Hände fest. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit der anderen Brustwarze zu. Er leckte fest daran, währen der mit der Hand die andere Brust knetete. Gleich darauf glitt seine Hand zwischen ihre Schenkel. »Gott, du bist wirklich eine heiße kleine Hexe. Nass und geil und bereit für mich, liebste Jasmine!«
Sie löste sich aus seinem Griff, schlang die Arme um ihn, streichelte ihn sanft und flüsterte heiß in sein Ohr: »Nimm mich, Jemmie! Ich sterbe, wenn du es nicht sofort tust!«
»Noch nicht!«, entgegnete er. »Ich habe gerade erst begonnen, mich an deiner Bereitschaft zu ergötzen, meine Süße.« Sein Finger fand, was er suchte, und er begann, sie an ihrer empfindsamsten Stelle zu reizen. Vorsichtig ließ er den Finger über die empfindliche Knospe gleiten und spürte sofort, wie sie unter der zärtlichen Qual anschwoll, bis sie vor Lust keuchte.
Sie grub die Finger in seine Schultern. »Bastard!«, zischte sie. »Ich will dich! Ich will dich!«
Er lachte glücklich. »Gleich, mein Liebling«, versprach er ihr. Dann küsste er sie, während er zwei Finger in ihre Muschel schob und sie so schnell hin und her bewegte, dass sie ganz durchtränkt von ihrem Honig waren. »Hier, meine Süße, das wird deinen Hunger lindern«, sagte er.
»Ich hasse dich.« Sie schluchzte beinahe, aber für den Moment hatte er ihre Sehnsucht gestillt.
»Und ich bin wild nach dir«, neckte er sie. Sie küssten sich wieder. »Jede Nacht, in der ich fern von dir bin, werde ich an heute Nacht und an alle anderen Nächte denken, in denen wir uns geliebt haben. Ich zähle die Tage, bis wir endlich verheiratet sind und du für immer mein bist, Jasmine.« Er küsste ihre Lippen, ihre geschlossenen Augenlider, ihre Nasenspitze und ihr energisches kleines Kinn. »Sag mir, dass du dich in diesen langen Wochen ebenso nach mir sehnen wirst.«
»Ja, verdammt«, keuchte sie. Was geschah mit ihr? Für gewöhnlich hatte sie sich, wenn sie sich liebten, ebenso unter Kontrolle wie er, aber heute Nacht hatte er die Führung übernommen, und sie entdeckte, wie sehr ihr das gefiel. Sie wollte, dass er sie grob nahm, sie vollkommen überwältigte, sie zur Sklavin seiner wilden Leidenschaft machte. Heute fühlte sie sich wieder wie ein ganz junges Mädchen.
Er ließ sie los und glitt an ihr hinunter, nahm einen ihrer kleinen, schmalen Füße in seine große Hand, küsste ihn, saugte leicht an jedem Zeh und leckte über ihren Spann. Seine Küsse glitten über ihren Knöchel, ihre Wade und ihr Knie bis zu ihrem Oberschenkel, und dann wanderten sie zum anderen Bein und von dort wieder hinunter.
Schließlich schob er sich hoch und begann erneut, an ihren vollen Brüsten zu saugen, während sie ihm durch die dunklen Haare fuhr. Er drückte sein Gesicht an ihren Nabel und rieb seine Wange an der seidigen Haut. Jeder Nerv in ihrem Körper pulsierte vor Verlangen. Ganz langsam glitt er tiefer hinunter. Ihre Vulva war geschwollen und schimmerte bereits nass von ihren Säften. Er leckte sie ab und lächelte, als sie wimmerte und schließlich wütend anfing zu fluchen. Dann spreizte er ihre Beine und schob mit dem Daumen die Schamlippen auseinander, bis ihre pochende Knospe sich seinem geilen Blick darbot.
»Lieber Himmel«, stöhnte er, »du bist so verdammt schön!«
»Jemmie! Du bringst mich um!, schrie sie auf.
Er beugte sich vor und leckte ein paar Mal um ihre korallenfarbene Muschel herum, dann umfasste er ihr Juwel mit den Lippen und saugte heftig daran, während sie sich wild unter ihm aufbäumte.
Eine Lust, wie sie sie noch nie erlebt hatte, überrollte sie mit einer solchen Gewalt, dass sie das Gefühl hatte, sie müsse auf der Stelle sterben. Rasch ließ er sich auf sie fallen und drang so heftig in sie ein, dass eine weitere Welle der Lust sie überschwemmte. Ihr Körper erzitterte in einem mächtigen Orgasmus; sie krallte ihm die Nägel in den Rücken, und er stöhnte laut.
Er konnte nicht genug von ihr bekommen, stieß immer wieder in sie hinein und stöhnte auf, als sie die Beine um ihn schlang, damit er noch tiefer in sie eindringen konnte. Endlich, als er schon dachte, es gäbe keine Erlösung mehr, erbebte er, und seine Säfte schossen mit einer solchen Gewalt aus ihm hervor, dass es einer Überschwemmung gleichkam. Erschöpft sank James Leslie über seiner Geliebten zusammen und schluchzte vor Erleichterung.
»Aah, du exotische Hexe«, flüsterte er. »Wir haben uns beinahe gegenseitig umgebracht!«
Jasmine lächelte. »War es nicht wundervoll?«, fragte sie und schlang die Arme um ihn.
»Und jetzt muss ich dich für einen ganzen Monat verlassen«, beklagte er sich.
»Beeil dich«, erwiderte sie. »Ich weiß nicht, wie lange ich St. Denis’ Gesellschaft ertragen kann. Es wird schwierig und lästig werden, ihn mir vom Leib zu halten. Gott sei Dank ist die Königin meine Freundin.«
»Wenn er es auch nur wagt, dich zu berühren«, grollte Glenkirk und blickte ihr in die türkisfarbenen Augen, »dann mache ich aus ihm den ersten Eunuchen an diesem Hof. Ich hasse es, wenn dieser geile Bastard dich so ansieht, als würde er ein köstliches Mahl betrachten.«
»Wenn er auch nur einen Bissen versucht, vergifte ich ihn«, versprach Jasmine ihm. »Ich gehöre dir, James Leslie. Mein Körper und meine Seele gehören dir. Kein anderer Mann soll mein Gatte werden. Und jetzt steig von mir herunter, du großes Tier. Ich muss Liebestücher vorbereiten, damit wir eine weitere Runde unserer süßen Leidenschaft genießen können. Es hat mir gar nicht gefallen, dass wir so lange nicht zusammen waren, und ich brauche viele Erinnerungen, um den nächsten Monat zu überstehen.«
»Du bist unersättlich!« Er grinste sie an.
»Du auch«, gab sie zurück.
»Bereite das Waschbecken vor«, wies er sie an. »Ich brauche solche Erinnerungen auch, meine Liebste.«
Als sie lange nach Sonnenaufgang am nächsten Morgen erwachte, war James Leslie fort, und sie wusste nicht einmal, wann er gegangen war. Auf dem Kopfkissen, auf dem sein dunkler Schopf gelegen hatte, lag jetzt ein halb offene, blutrote Rose. Lächelnd sog sie ihren Duft ein, und in Gedanken weilte sie bei den Erinnerungen an das, was sie vor dem Morgengrauen gemacht hatten. Diese Erinnerungen würden sie in den kommenden Wochen trösten müssen. Das Becken neben dem Bett war verschwunden, und sie merkte, dass ihre Dienstboten, diskret wie immer, bereits da gewesen waren. Sie griff nach der Klingelschnur, um zu verkünden, dass sie erwacht und bereit für ihren morgendlichen Tee war.
Kurz darauf trat Adali in ihr Schlafzimmer, das Tablett mit dem blauweißen Porzellangeschirr in der Hand. »Guten Morgen, meine Prinzessin«, sagte er und stellte das Tablett ab. Er goss den heißen, duftenden Tee aus der henkellosen Kanne in die tiefe Tasse und brachte sie ihr. »Euer Tee.« Dann nahm er die Rose entgegen, um sie in eine Vase zu stellen.
Jasmine nippte langsam an dem Getränk. »Wann ist Lord Leslie gegangen, Adali?«, fragte sie dann.
»Vor dem ersten Morgenlicht, Mylady. Der Spion war noch nicht wieder auf seinen Posten zurückgekehrt, und er ist auch jetzt noch nicht da. Wahrscheinlich braucht sein Herr ihn jetzt nicht mehr, da der Graf nach Schottland abgereist ist. Er und Fergus More sind kurz nach Morgengrauen losgeritten.«
»Und jetzt beginnt die mühsame Aufgabe, den Marquis von Hartsfield zu überlisten, während ich so tue, als zöge ich seinen albernen Antrag in Erwägung«, murmelte Jasmine.
Adali verzog missbilligend den Mund. »Der Gentleman hat so viel Feingefühl wie ein Kampfelefant Eures Vaters«, stellte er fest. »Ein gefährlicher Kerl nach meinem Gefühl.«
»Ja«, erwiderte Jasmine. »Jemmie sagt, er habe perverse Neigungen. Ich werde sehr vorsichtig sein müssen.«
»Ihr werdet doch sicher nicht zulassen, meine Prinzessin, dass Ihr alleine mit ihm seid«, sagte Adali besorgt.
»Das muss ich schon«, entgegnete Jasmine. »Deshalb hat er ja dafür gesorgt, dass Jemmie weggeschickt wurde, damit ich alleine mit ihm sein kann. Er glaubte, er könne mich dazu überreden, ihn zu heiraten. Natürlich möchte er nur die Herrschaft über mein Vermögen erlangen, und über meinen unehelichen Stuart-Sohn. Offensichtlich hat er eine geringe Meinung von Frauen, und auch das spricht in meinen Augen gegen ihn.«
»Ihr wollt sicher baden«, sagte Adali und ließ das unangenehme Thema Piers St. Denis fallen.
»Hmm«, stimmte Jasmine zu. »Ich fühle mich köstlich zerschlagen und ganz erfüllt von der Liebe meines Lords, Adali.«
»Dann seid Ihr also wirklich glücklich darüber, James Leslie nächsten Monat zu heiraten? Ich finde nämlich, dass er der richtige Gatte für Euch ist, meine Prinzessin. Ich möchte nicht, dass ihr unglücklich werdet. Schließlich liebe ich Euch wie ein Vater und habe Euch wie ein solcher von klein an großgezogen«, sagte Adali und blickte sie aus seinen braunen Augen zärtlich besorgt an.
»Ich bin glücklich«, erklärte Jasmine. »Danke, mein liebster Adali. Ihr sollt wissen, dass ich Euch genauso sehr liebe, wie ich Akbar geliebt habe, dessen königlicher Samen mich gezeugt hat.«
Er verneigte sich tief und eilte aus dem Zimmer. Seine Gefühle überwältigten ihn so sehr, dass er nichts entgegnen konnte. Jasmine lächelte. Sie konnte sich ein Leben ohne Adali gar nicht vorstellen. Er war immer bei ihr gewesen; er und ihre beiden Zofen. Ob sie sich wohl an das Leben im weniger zivilisierten Schottland gewöhnen würden? Na, zumindest würden sie gemeinsam ihr Leben so organisieren, wie sie es immer schon getan hatten, dachte sie schmunzelnd. Adali, Toramalli und Rohana schufen überall zivilisierte Verhältnisse.
Jasmine trat gerade aus dem Bad, als Adali sichtlich verärgert in ihr Schlafzimmer kam. »Der Marquis von Hartsfield ist hier, Mylady. Lasst mich ihn wieder fortschicken. Er ist mit einem seeuntüchtigen Kahn hier angekommen und sagt, er möchte eine Bootsfahrt mit Euch machen.«
Jasmine brach in Lachen aus. »Er versucht, romantisch zu sein, Adali«, kicherte sie. »Ich werde auf sein Picknick mitkommen, und wenn wir wieder zu Hause sind, werde ich mich erkältet haben, was mir für ein paar Tage seine Gesellschaft erspart. Männer mögen keine kränkelnden Frauen.«
»Sehr wohl, Mylady«, erwiderte Adali. »Wann könnt Ihr fertig sein? Er fragt mich sicher danach. In einer Stunde? Oder in zwei?«
»Sagen wir in zwei Stunden, Adali. Da er mir seine Gesellschaft vorher nicht angekündigt hat, kann er kaum erwarten, dass ich bei seiner Ankunft gleich bereit bin. Ein Lakai soll ihm etwas Wein und Gebäck bringen, und dann lasst ihn in der Bibliothek schmoren.«
Adali verbeugte sich und ging.
Abgetrocknet, eingepudert und in einen Hausmantel gehüllt, streckte Jasmine sich auf ihrem Bett aus und überlegte, was sie anziehen sollte. »Etwas Mädchenhaftes und Ländliches«, sagte sie zu ihren Zofen.
»Ihr habt ein lavendelblaues Seidenkleid mit einem breiten Spitzenkragen«, schlug Rohana vor.
»Das Ihr mit mehreren Unterröcken und ohne Reifrock tragen könntet«, fuhr Toramalli fort. »Allerdings ist der Ausschnitt sehr tief.«
»Hmm«, überlegte Jasmine. Es wäre bestimmt lustig, St. Denis mit dem Ausblick auf etwas zu necken, das er nie besitzen würde. Sie war sehr stolz auf ihren Busen, der trotz ihrer vier Geburten immer noch fest und cremeweiß war. »Lasst mich mal sehen«, sagte sie zu Rohana.
Rohana brachte das Kleid und breitete es vor ihrer Herrin aus. Es war knöchellang und wirklich ganz einfach, nur die Schlitze an den Ärmeln waren mit cremefarbener Seide gefüttert. Den einzigen Schmuck am Mieder bildete ein gerüschter Spitzenkragen. Um die Taille wurde eine cremefarbene Spitzenschärpe geschlungen.
»Ja«, entschied Jasmine. »Haben wir passende Schuhe dazu?«
Toramalli schüttelte den Kopf. »Ihr zieht besser nicht die schwarzen an, sie könnten schmutzig werden. Ihr habt ein paar neue, die für die Gelegenheit perfekt sind, Mylady. Welchen Schmuck?«
»Die Perlenkette mit dem birnenförmigen rosa Diamanten«, erwiderte Jasmine spitzbübisch. »Er wird kaum die Augen davon abwenden können, und doch muss er die ganze Zeit so tun, als interessierten ihn weder mein Schmuck noch meine Brüste.« Sie grinste die beiden Dienerinnen an, die bei der Vorstellung in Gelächter ausbrachen.
»Ihr seid noch genauso ungezogen wie früher als kleines Mädchen, wenn Ihr Euch im Palastgarten vor Adali versteckt habt«, sagte Rohana fest.
Einen Moment lang glitt ein Schatten über Jasmines Gesicht. Wie einfach doch ihr Leben als jüngstes Kind des großen Moguls Akbar gewesen war. Doch das alles schien schon so lange her und so weit entfernt von ihrer Wahlheimat England. »Vermutlich«, sagte sie, »lebt dieses kleine Mädchen immer noch irgendwo in mir, aber sagt das niemals den Kindern, Rohana.«
»Ihnen braucht man nicht beizubringen, wie man ungezogen ist«, erwiderte Toramalli. »Es scheint ihnen angeboren zu sein. Es erstaunt mich immer wieder, wie Eure Großmutter mit ihnen fertig wird.«
Jasmine lachte. »Für Skye O’Malley kann keine Herausforderung groß genug sein«, sagte sie zu den Zofen. »Es heißt immer, ich sei wie sie. Ich höre das natürlich schrecklich gerne, aber ich glaube nicht, dass ich an ihr Format herankomme.«
»Ihr seid noch jung, meine Prinzessin«, bemerkte Toramalli, »und außerdem fließt von Eures Vaters Seite her auch das Blut der Eroberer in Euren Adern.«
Genau zwei Stunden, nachdem der Marquis von Hartsfield angekündigt worden war, stieg Jasmine die Treppe von Greenwood House herunter und trat in die Bibliothek, wo er ungeduldig auf sie wartete. Sie sah taufrisch und unglaublich unschuldig aus. Ihre Schönheit verschlug ihm buchstäblich den Atem. Er musste sie einfach haben!
Sie machte einen Knicks. »Guten Tag, Mylord.«
Er verbeugte sich, um Fassung ringend. »Madame, ich dachte, es gefiele Euch vielleicht, irgendwo am Fluss ein Picknick zu machen.«
»Adali sagte es mir schon. Was für eine reizende Idee, Mylord. Sollen wir gehen?« Jasmine lächelte freundlich.
»Natürlich«, erwiderte er und beeilte sich, ihr die Tür offen zu halten. »Ein Boot wartet auf uns.«
Sie traten aus dem Haus und gingen zum Fluss hinunter, wo, zur Überraschung des Marquis von Hartsfield, ein anderes Boot sie erwartete, gemeinsam mit Adali, der enge lange weiße Hosen und eine knielange weiße Jacke trug, die mit Goldfäden und Perlen bestickt war. Um die Taille hatte er eine goldene Schärpe geschlungen, in der ein juwelenbesetzter Dolch steckte. Seine grauen Haare bedeckte ein kleiner weißer Turban. Jasmine hatte ihn seit Jahren schon nicht mehr in dieser Kleidung gesehen und zog fragend die Augenbrauen hoch.
Adali verneigte sich. »Das Boot des Marquis war völlig unzureichend, meine Prinzessin«, sagte er ruhig. »Ich habe es weggeschickt.«
»Aber mein Picknickkorb war in dem Boot«, protestierte Piers St. Denis, empört über die Kühnheit des Dieners.
»Der Inhalt Eures Korbes war nicht für den feinen Gaumen meiner Herrin geeignet, Mylord. Deshalb habe ich ihn durch einen Korb aus unserer eigenen Küche ersetzt«, erwiderte Adali und half Jasmine auf das Boot.
Als auch der Marquise eingestiegen war und sich neben Jasmine gesetzt hatte, stieg Adali ebenfalls ins Boot und wies die Bootsleute mit einer gebieterischen Geste an, mit dem Rudern zu beginnen.
»Ihr kommt mit uns?« Piers St. Denis wurde langsam wütend. Konnte er denn nie mit Jasmine allein sein?
»Meine Herrin geht nicht mit fremden Männern aus, Mylord«, antwortete Adali. »Es ist meine Pflicht, sie zu beschützen. Ihr Vater, der große Mogul Akbar, hat sie mir persönlich als Säugling in die Arme gelegt und mir meine Anweisungen gegeben. Ich habe meine Herrin noch nie im Stich gelassen und werde das auch nie tun. Ich werde sie beschützen, bis ich sterbe.«
»Dann seid Ihr also ein Sklave?«
Adali schüttelte den Kopf. »Ich bin ein freier Mann, Mylord«, erwiderte er mit unbewegtem Gesicht. Sein Tonfall verriet deutlich, wie sehr er jemanden missbilligte, der seine Autorität und seinen sozialen Stand nicht erkannte.
»Ich werde Eurer Herrin nichts zuleide tun, Adali«, sagte Piers St. Denis versöhnlich. »Das seht Ihr doch sicher ein.«
»Meine Herrin ist eine Dame von Stand, sie ist reich und außergewöhnlich schön, Mylord. Ich bin sicher, dass Ihr ehrenhafte Absichten hegt. Dennoch ist es meine Pflicht, sie zu begleiten, bis sie wieder verheiratet ist und ihr Ehemann auf sie aufpasst. Dann werde ich wieder ihren Haushalt führen, mich aber weiter um ihre Sicherheit und um die Kinder kümmern.« Er verzog keine Miene. »Lasst Euch durch meine Anwesenheit nicht stören. Ich sehe und höre alles, aber es wird nichts in die Öffentlichkeit dringen.« Damit wandte er ihnen den Rücken zu und blieb an der offenen Kabinentür der Barke stehen.
»Es überrascht mich, dass Ihr einem Diener erlaubt, so mit Euren Besuchern zu reden«, grollte der Marquis gereizt. Adalis Auftreten war beeindruckend. Wie zum Teufel konnte er Jasmine mit Leidenschaft überwältigen, wenn dieser verdammte Kerl dauernd dabei war? Musste Glenkirk das auch ständig in Kauf nehmen? Das bezweifelte er.
»Adali ist eigentlich kein Diener«, erklärte Jasmine ihrem Verehrer ruhig. »Er war mir immer ein Freund, und ist wie ein zweiter Vater für mich. Ich vertraue seinem Urteil und seinem Instinkt. Er will nur das Beste für mich, Mylord.« Sie wechselte das Thema, lächelte ihn freundlich an und sagte: »Wo werden wir denn anhalten und essen? Ist es nicht ein wundervoller Tag? Nirgendwo ist es so schön wie in England im Frühling, nicht wahr? Wart Ihr schon in anderen Ländern? Ich glaube, ich war schon überall.«
»Ich habe England noch nie verlassen«, erwiderte er steif. »Warum sollte ich? Hier habe ich alles, was ich brauche.«
»Seid Ihr denn niemals neugierig auf andere Länder und andere Menschen gewesen?«, fragte sie ihn. »Bevor ich Indien verlassen habe, war ich nirgendwo, aber ich bin natürlich mit dem Hof meines Vaters durch unser riesiges Land gereist. In Indien ist es jedoch sehr heiß, und als ich älter wurde, verbrachte ich sehr viel Zeit in Kaschmir, in dem Palast, den mein Vater meiner Mutter schenkte. Er steht an einem See. Das Klima dort war sehr viel gemäßigter als in Lahore, Fatahpur Sikri oder Agra. So heißen einige Städte dort!«
»Städte?«, erwiderte er überrascht. »Ich habe Indien immer für ein recht wildes und barbarisches Land gehalten, Madame. Eure Städte könnten natürlich gegen London oder unsere anderen Städte nicht bestehen. Bei Euch gibt es doch nur Schlamm und Holzhütten, oder? England muss Euch überwältigt haben, als Ihr das erste Mal hierher gekommen seid.«
Jasmine traute kaum ihren Ohren. Wusste er denn gar nichts von der Welt außerhalb Englands? »Indien«, erklärte sie ihm, »hat eine sehr alte Kultur, Mylord. Unsere Städte sind in vieler Hinsicht sehr viel städtischer als Eure. Den Armen bei uns ist zwar ein einfaches Dasein beschieden, wie überall auf der Welt, aber die Reichen führen ein sehr viel prächtigeres Leben. Die Paläste meines Vaters übertreffen alles, was ich jemals in England gesehen habe. Die Mauern der Residenz meines Vaters in Agra sind drei Meter dick und sechzig Meter hoch. Sie ist uneinnehmbar und unglaublich prächtig, und das ist nicht einmal das größte seiner Schlösser. Akbar hat eine ganze Stadt gebaut, die er Fatahpur Sikri nannte. Sie besteht ganz aus Marmor und Sandstein und ist so schön, dass man geblendet wird, wenn man sie betrachtet.
Warum haltet Ihr Indien für zurückgeblieben? Wir haben genauso viele, wenn nicht sogar mehr Künstler, Kaufleute und Handwerker wie Ihr. Unser Land ist riesig verglichen mit diesem kleinen Inselkönigreich England. Und im Land meines Vaters ist jeder Glaube willkommen. Das ist in England oder den anderen zivilisierten Ländern Europas nicht der Fall. Und nicht nur das, wir haben auch eine große, glorreiche Geschichte, die über die Jahrhunderte niedergeschrieben wurde und die in den Bibliotheken in den Palästen meines Vaters fest gehalten ist. Unsere Musik, unsere Malerei und Literatur sind unübertroffen ...«
Er war erschreckt über ihren Ausbruch. Er hatte angenommen, sie sei nach England gekommen, um der Barbarei in ihrem Heimatland zu entfliehen. »Wenn Ihr Indien so liebt«, sagte er, »warum habt Ihr es dann verlassen?«
»Weil«, entgegnete Jasmine unverblümt, »mein Halbbruder Salim, der jetzige Kaiser Jahangir, eine inzestuöse Beziehung mit mir wollte, Mylord. Er hat meinen ersten Mann, Prinz Jamal, den königlichen Gouverneur von Kaschmir, ermordet, um in mein Bett zu gelangen. Mein Vater lag im Sterben und wusste, dass er mich vor Salim nicht mehr beschützen konnte. Deshalb schickte er mich nach England, um den unnatürlichen Gelüsten meines Bruders ein Ende zu bereiten.« Sie lächelte ihn süss an. »Wusstest Ihr das nicht? Ich bin davon ausgegangen, dass Ihr neugierig auf mein persönliches Geschick wart, weil Ihr Euch doch für mich interessiert, aber offensichtlich ist das nicht der Fall.«
»Meine Zuneigung zu Euch, Madame, wächst mit jeder Minute, und ich merke, was für eine großartige Frau Ihr eigentlich seid.«
Adali gab ein Geräusch von sich, das wie ein scharfes Auflachen klang, drehte sich aber nicht um.
»Ihr wisst nichts von mir, Sir«, sagte Jasmine abweisend, »außer dem, was der König Euch erzählt hat. Dass ich als schwache Frau einen Gatten haben muss, weil ich nicht in der Lage bin, mein Leben allein in die Hand zu nehmen und meine Kinder großzuziehen. Und dass ich reich bin. Sogar reicher als der König. Und sicher hat der König Euch auch gesagt, dass ich schön wäre, aber bis zu dem Tag, als ich mit Glenkirk an den Hof zurückkehrte, war das alles, was Ihr von mir wusstest. Euch ist natürlich bekannt, dass ich Prinz Henrys Geliebte war und ihm einen Sohn geboren habe; aber Ihr wart nicht in London, als ich das letzte Mal hier weilte. Und als der König Euch die Gelegenheit geboten hat, mir den Hof zu machen, habt Ihr Euch noch nicht einmal die Mühe gemacht, etwas anderes über mich herauszufinden als das, was man Euch erzählte. Das finde ich nicht besonders schmeichelhaft, Mylord. Fast hat es den Anschein, als machtet ihr mir lediglich den Hof wegen meines Reichtums und wegen der Macht, die Ihr als Stiefvater meines unehelichen Stuart-Sohnes zu erlangen glaubt. Ihr wisst durchaus, dass ich Euch gar nicht haben will, und doch besteht Ihr auf diesem Spiel. Warum, Mylord St. Denis? Warum?«
»Alles, was Ihr sagt, ist wahr, Madame«, begann er, »aber vom ersten Moment an, als ich Euch sah, wusste ich, dass Ihr meine Frau werden müsst! Ich verzehre mich vor Verlangen nach Euch! Ihr habt mich jedoch nicht in Eure Nähe gelassen, und woher sollte ich etwas über Euch erfahren, wenn ich nicht mit Euch zusammen sein konnte? Ich wollte unsere Ehe nicht auf Gerüchten und Hörensagen, oder, noch schlimmer, auf falschen Informationen beruhen lassen. Nur Ihr könnt mir die wahre Geschichte von Jasmine Lindley erzählen.«
»Immerhin habt Ihr auch dafür gesorgt, dass Jemmie weggeschickt wurde«, beschuldigte sie ihn.
»Wie sonst hätte ich Euch näher kommen können?«, fragte er. »Es war äußerst geschickt vom Grafen, mit Euch im Schlepptau aus Frankreich zurückzukehren; und Euch zu heiraten ist für ihn der endgültige Diamant in seiner Krone. Ich jedoch möchte ihm diesen Diamanten wegnehmen und ihn selber tragen. Kein Mann auf der Welt, der die Situation kennt, würde mir daraus einen Vorwurf machen.« Er griff nach ihrer Hand und drückte einen glühenden Kuss darauf.
Jasmine zog ihre Hand weg. »Ihr vergesst Euch, Mylord!«, erklärte sie eisig. Der Kuss hatte sie vor Abscheu erschauern lassen. Etwas an ihm erinnerte sie an Salim, obwohl es absolut keine Ähnlichkeit zwischen ihrem Bruder und dem Marquis gab.
»Ich werde Euch bekommen, Jasmine«, erklärte er. Seine hellblauen Augen glitzerten dunkel. »Ihr seid dazu bestimmt, meine Frau zu werden.«
»Ich werde James Leslie heiraten«, erwiderte sie ruhig. »Und Ihr könnt nichts tun, Mylord, um meine Meinung zu ändern. Wenn Ihr mich jedoch unterhalten wollt, solange mein Jemmie in Schottland ist, so freue ich mich über Eure Gesellschaft; außerdem weiß ich, dass es den König glücklich macht. Vielleicht können wir dem König sogar eine Liste passender Mädchen präsentieren, wenn Ihr endlich eingesehen habt, dass Euer Werben um mich vergeblich ist. Ihr nehmt meinen Vorschlag besser an, Mylord. Für den König seid ihr ohnehin zu kompliziert. Am Ende wählt er noch Villiers zu seinem ersten Favoriten, und Ihr habt keinen Einfluss mehr auf ihn. Vermutlich habt Ihr nicht allzu viele Freunde, und Villiers wird es bestimmt gefallen, wenn Ihr in Vergessenheit geratet«, warnte sie ihn.
»Ihr seid äußerst schlau und eine sehr gute Beobachterin«, entgegnete er. »Bestimmt seid Ihr also eine von diesen intelligenten Frauen?«
»Ja, das bin ich«, gab Jasmine zu.
Adali, der der Unterhaltung gelauscht hatte, drehte sich um und sagte zu dem Paar: »An der nächsten Flussbiegung liegt ein hübscher Weidenhain. Mit Eurer Erlaubnis, meine Prinzessin, lasse ich die Ruderer dort anlegen.«
Jasmine nickte.
»Könnt Ihr lesen und schreiben?«, fragte der Marquis sie.
»Ja. Ich beherrsche auch die Mathematik, kenne mich in Geschichte aus und spreche mehrere Sprachen fließend, Mylord. Ein äußerst aufgeklärter Priester, der nur zu diesem Zweck an den Hof meines Vaters kam, hat mich unterrichtet. Ich wurde als Säugling im christlichen Glauben getauft. Meine Stiefmutter hing dagegen dem Islam an, ebenso wie meine Brüder. Zwei meiner drei Schwestern sind Hindus. Ich habe Euch ja bereits erzählt, dass im Land meines Vaters jeder Glaube willkommen ist. Meine Schwestern haben eine genauso exzellente Erziehung genossen wie ich, außer der armen Aram-Banu Begum. Sie ist ein wenig langsam, aber ein süßes Mädchen.«
Sie erstaunte ihn immer mehr. Zwar hatte sie gesagt, er sei kompliziert, aber er fand auch sie äußerst vielschichtig. »Hattet Ihr und Eure Geschwister unterschiedliche Mütter?«
Jasmine lachte. Sie wusste schon jetzt, dass er über ihre Antwort schockiert sein würde. »Ja«, erwiderte sie. »Es mag Euch sehr ausschweifend vorkommen, Mylord, aber in Indien ist es Sitte, dass ein Mann mehrere Ehefrauen und Konkubinen hat. Natürlich können sich nicht alle Männer in Indien mehr als eine Frau leisten, aber mein Vater musste schon aus dynastischen und politischen Gründen mehrmals heiraten. Viele seiner Frauen waren die Schwestern und Töchter der Männer, die er besiegt hat oder mit denen er sich verbünden wollte. Meine englische Mutter war seine vierzigste Frau, und natürlich hatte er einen großen Harem voller Favoritinnen. Ich habe es oft für unfair gehalten, dass Männern das Privileg zukommt, zahlreiche Frauen zu haben, aber Frauen immer einem Mann treu sein müssen. Wie denkt Ihr darüber, Mylord?« Ihre türkisfarbenen Augen funkelten.
»Ich ... ich ... ich habe noch nie darüber nachgedacht«, erwiderte er langsam. Ein Mann konnte eine Frau und eine Geliebte haben, aber das gab bei Gott schon genug Ärger. Vierzig Frauen? Der verstorbene Kaiser von Indien musste in der Tat ein toller Mann gewesen sein.
Sie lachte fröhlich. »Ihr seid schockiert«, verspottete sie ihn.
Das Boot glitt an das sandige Ufer, bevor er antworten konnte. Adali sprang heraus und trug seine Herrin an Land. Der Marquis von Hartsfield musste zusehen, wie er alleine zurechtkam. Zwei der Bootsleute kletterten aus dem eleganten kleinen Schiff und brachten einige Körbe. Adali nahm eine Leinentischdecke und breitete sie auf einem grasbewachsenen Flecken unter einer besonders großen Weide aus. Dann stellte er das Essen bereit. Ein kleines, goldbraun gebratenes Hühnchen, eine Kaninchenpastete, noch warm vom Ofen in einer irdenen Pastetenform, ein halber kleiner Landschinken, frisches Brot, ein Topf süße Butter, ein Viertel harten, gelben Käse, ein kleines Silbergefäß mit zerlaufendem französischem Brie, eine Schüssel frisch gepflückte Erdbeeren und eine Karaffe Wein. Gedeckt wurde mit zwei Silbertellern, zwei venezianischen Kristallkelchen mit silbernen Schmetterlingen und dem passenden Silberbesteck mit Horngriffen.
»Habt Ihr zu essen für Euch und die Bootsleute, Adali?«, fragte Jasmine, während sie sich vorsichtig auf dem Boden niederließ.
»Ja, meine Prinzessin«, antwortete er mit einer Verneigung.
»Dann könnt Ihr uns jetzt verlassen, um selber zu essen«, sagte Jasmine. »Ich glaube, wir können darauf vertrauen, dass der Marquis sich gut benimmt, Adali.«
»Ich bleibe in Hörweite«, erwiderte Adali und ging zum Boot zurück, wo die Bootsleute auf seine weiteren Anweisungen warteten.
»Wird er immer bei uns sein?«, fragte Piers St. Denis, als er sich setze.
»Es hält Euch von Dummheiten ab, glaube ich«, neckte Jasmine ihn. »Wenn ich gezwungen wäre, mich selbst zu verteidigen, könnte ich Euch wehtun.«
Er lachte. Sie war eine der irritierendsten Frauen, die er je kennen gelernt hatte, aber sie war auch ungeheuer begehrenswert. »Jasmine ... ich beabsichtigte nämlich auch ohne Eure Erlaubnis, Euch beim Vornamen zu nennen – wenn Ihr mir eine Chance geben wollt, werdet Ihr herausfinden, dass ich ein reizender Mensch bin. Ich würde einen hervorragenden Ehemann abgeben und könnte Eure Angelegenheiten genauso gut regeln wie Rowan Lindley, als er Euer Gatte war. Und jetzt werde ich ein bisschen von allem essen, denn ich bin ziemlich hungrig, und Euer Koch scheint recht gut zu sein. Adali hatte offensichtlich recht damit, meinen ärmlichen Korb zurückzuweisen; er war viel zu gewöhnlich.«
Jasmine musste unwillkürlich lachen. Sie machte ihm einen Teller zurecht und sagte: »Was das Regeln meiner Angelegenheit betrifft, so erzähle ich Euch besser gleich, dass ich geschäftliche Dinge selbst zu regeln pflege. Ich habe zwar Rowan gelegentlich um Rat gefragt, aber alle Entscheidungen, die mein Vermögen betreffen, liegen in meinen Händen. Und dort werden sie auch bleiben.« Sie reichte ihm den vollen Teller und schenkte ihm Wein in einem Kelch ein.
»Hat Glenkirk dem zugestimmt?«
»Ich würde ihn nicht heiraten, wenn er es nicht getan hätte«, erwiderte Jasmine und legte einen Hühnerschenkel, eine Scheibe Schinken und etwas Brot und Käse auf ihren Teller. »Ist der Wein gut? Er kommt vom französischen Zweig der Familie in Archambault an der Loire.« Genießerisch nahm sie einen Schluck aus ihrem Kelch.
»Ihr habt französische Verwandte?«
»Ja.« Sie knabberte an einem Hühnerflügel.
Schweigend aß er. Sie war keine einfache Frau, dachte er wieder. Sie war gebildet. Sie war unabhängig. Sie war weit gereist. Sie war die Geliebte eines Prinzen gewesen, der, wenn er noch leben würde, Englands nächster König geworden wäre. Sie hat ihm einen Sohn geboren. Sie war unermesslich reich. Das alles wog seine anderen Bedenken bei weitem auf, aber er brauchte Zeit, um seinen Angriffsplan neu zu überdenken.
Jasmine hatte offensichtlich keine Angst vor der Macht des Königs, und sie erstarrte auch nicht vor Ehrfurcht vor Piers St. Denis, dem Marquis von Hartsfield. Wie konnte er die Herrschaft über sie gewinnen? Wodurch könnte er ihr so viel Angst einjagen, dass sie ihm gehorchte? Wie konnte er den Zugriff auf ihr Vermögen bekommen? Glenkirk war entweder ein Idiot, oder er war auf ihre Wünsche eingegangen, um nach der Hochzeit die Hand auf Jasmines Vermögen legen zu können. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
Als sie mit dem Essen fertig waren, kehrten sie nach Greenwood zurück. Auf dem Fluss, in Anwesenheit der Bootsleute und unter den missbilligenden Blicken von Adali, konnte er sie kaum verführen. Während sie flussabwärts fuhren, begann Jasmine zu niesen. Nach einer Weile kam ein leichtes Schniefen hinzu. Ihre Augen wurden trüb, und sie war bei weitem nicht mehr so gesprächig wie zu Beginn ihres Ausflugs.
»Seid Ihr krank?«, fragte er nervös.
»Vielleicht bekomme ich eine Grippe, Mylord«, erwiderte sie unglücklich. Dann nieste sie wieder ein paar Mal hintereinander. »Es ist so feucht auf dem Fluss, und es ist immer noch Frühling. Möglicherweise war das Essen im Freien doch keine so gute Idee. Hatschi! O Gott!« Sie suchte nach ihrem Taschentuch und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase.
»Wir sind gleich zu Hause«, sagte er irritiert. Du lieber Himmel! Eine Grippe! Und wenn es eine dieser schlimmen Grippen war? Wenn sie nun starb, und er wurde dafür verantwortlich gemacht? Du meine Güte, Villiers würde sich ausschütten vor Lachen über sein Missgeschick. Dann würde er Jasmine nie bekommen, und auch nicht ihren Reichtum und die Macht, die damit verbunden wäre, der Vormund des kleinen Herzogs von Lundy zu sein.
»Adali!« Piers St. Denis zupfte Adali an seiner Seidenjacke.
»Mylord?« Adali drehte sich rasch um.
»Eure Herrin ist krank, Adali. Sagt den Ruderern, sie sollen sich beeilen, damit sie nicht so lange in der feuchten Luft bleiben muss.«
Adali blickte mit undurchdringlichem Gesicht in die Kajüte. »In der Tat, Mylord, meine Herrin wirkt fiebrig. Eine Grippe, würde ich sagen.« Er wandte sich wieder um und erteilte den Bootsleuten die Anweisung, schneller zu rudern.
Als sie an der Anlegestelle von Greenwood ankamen, nahm Adali die Dinge sofort in die Hand. Er hob Jasmine von ihrem Sitz und trug sie über den Rasen zum Haus. »Das Boot bringt Euch dorthin, wo Ihr hinmöchtest, Mylord!«, rief er dem Marquis zu.
Piers St. Denis, der den beiden eigentlich hatte folgen wollen, blieb abrupt stehen. Adali hatte ihn in eine unmögliche Lage gebracht. Unter diesen Umständen konnte er wohl kaum hinter Jasmine herlaufen. Ihm blieb nur eine Wahl. Er drehte sich um, ging zurück zum Boot und kletterte hinein. »Whitehall«, sagte er zu den Bootsleuten.
Jasmine sah ihm aus den Fenstern der Bibliothek nach und kicherte vergnügt. »Mich aus dem Boot ins Haus zu tragen, war eine wundervolle Idee, Adali«, lobte sie ihn.
»Das fand ich auch, meine Prinzessin«, erwiderte Adali. »Wie lange gedenkt Ihr an der Grippe zu leiden?«
»Zumindest ein paar Tage, und dann werde ich dem Marquis einen kurzen Besuch am Krankenbett gewähren«, entgegnete Jasmine.
»Seid nicht zu schlau«, warnte Adali sie. »Wenn der König findet, sein junger Freund habe zu wenig Zeit, um Euch zu werben, dann ist er imstande, die Hochzeit mit Lord Leslie zu verschieben. Und ich weiß, dass weder Ihr noch Eure Familie das wollte.«
»Ich mag den Marquis nicht«, sagte Jasmine. »Ich habe Euch doch erzählt, dass er mich an Salim erinnert, und jetzt weiß ich auch, warum. Erinnert Ihr Euch, wie mein Bruder die Dinge immer als absolute Fakten hinstellte? Ich werde Euch besitzen. Für Salim waren das nicht nur Worte, es waren Tatsachen. Er wollte mich. Er wollte mich besitzen. Für ihn gab es nicht den leisesten Zweifel, dass er bekommen würde, was er haben wollte. Piers St. Denis benimmt sich ganz genauso. Es ist ihm egal, dass ich ihn offensichtlich nicht leiden kann, es ist ihm egal, dass meine Hochzeit mit dem Grafen von Glenkirk bevorsteht. Er will mich haben. Er glaubt es aufrichtig, und das irritiert mich über die Maßen, Adali.
Die Zeit, die ich sonst mit Jemmie verbracht hätte, muss ich jetzt mit dem Marquis verbringen. Ich wollte überhaupt nicht in London bleiben, sondern lieber nach Hause fahren, um meine Kinder zu sehen, von denen ich seit Wochen getrennt bin. Ich wollte das Grab meines Großvaters besuchen und ihm Lebewohl sagen. Alles, was ich sonst getan hätte, muss jetzt zurückstehen, weil ich hier bleiben und diesem gierigen königlichen Speichellecker erlauben muss, mir den Hof zu machen. James Stuart ist ein sentimentaler alter Dummkopf, aber er hat sich das letzte Mal in mein Leben eingemischt, Adali! Ich habe es satt!«
Adali merkte, dass sich seine Herrin in eine gefährliche Stimmung hineinsteigerte. Er wusste, dass er das verhindern musste, damit sie die Situation, in der sie sich befand, nicht verschlimmerte. Wenn sie doch nur den Grafen von Glenkirk vor zwei Jahren schon geheiratet hätte, dann gäbe es jetzt nicht solche Schwierigkeiten. »Warum schickt Ihr nicht nach den Kindern?«, schlug er vor.
»Was?« Sie blickte ihn überrascht an.
»Wir senden morgen eine Nachricht zu Eurer Großmutter und bitten Sie, dass sie die Kinder nach London bringen lässt. Der Marquis von Hartsfield sollte meiner Meinung nach Bekanntschaft mit Eurem Nachwuchs schließen. Schließlich versucht er doch, ihr Vormund und Stiefvater zu werden.« Adalis dunkle Augen begannen zu zwinkern. »Der kleine Lord Henry und meine India werden die Situation verstehen, wenn wir sie ihnen erklären. Sie werden den Marquis genauso wenig mögen wie Ihr. Meine Lady Fortune wird sich ihren älteren Geschwistern anschließen und die ungezogenste von allen sein. Und der Jüngste, Herzog Charles, wird das alles mitbekommen. Wenn er begreift, dass seine Geschwister den Marquis nicht mögen, wird er ihn ebenfalls ablehnen, obwohl St. Denis, der sich für so schlau hält, versuchen könnte, die Gunst Eures Sohnes zu gewinnen. In diesem Alter haben Kinder ganz entschiedene Vorlieben und Abneigungen, meine Prinzessin.«
»Das ist brillant!«, rief Jasmine. »Und der König wird überaus entzückt sein, dass er mit seinem Enkel spielen kann. Schickt gleich im Morgengrauen eine Taube, Adali!« Lachend klatschte sie in die Hände. »Ich kann es kaum erwarten, Piers St. Denis Gesicht zu sehen, wenn er meinen Kindern gegenübersteht!«
»Ich werde die Nachricht an Madame Skye selbst schreiben«, sagte Adali.
Und das tat er auch, noch vor dem Morgengrauen, wobei er langsam und genau die winzigen Buchstaben auf das Pergament malte. Es war nicht notwendig, die Matriarchin der Familie über alles zu unterrichten, was seit Jasmines Rückkehr aus Frankreich nach England geschehen war. Das hatte Adali bereits getan, da er ständig in enger Verbindung mit Skye stand, wenn sie unterwegs waren. Sie wusste von den neuen Albernheiten des Königs und davon, wie irritiert Jasmine über Glenkirks Reise nach Schottland war. Jetzt schrieb er ihr in dem Code, den sie vor Jahren vereinbart hatten, dass die Kinder ihrer Mutter helfen mussten, ihren unerwünschten Verehrer wieder loszuwerden. Bei Erhalt der Nachricht sollten sie sofort nach London reisen. Dann rollte er den Pergamentbogen zusammen und steckte die Rolle in ein kleines Silberröhrchen, das er am Bein einer Taube von Queen’s Malvern befestigte. Er trat ans Fenster und ließ die Taube in den dämmernden Morgenhimmel emporsteigen. Dann sah er ihr nach, wie sie zielstrebig nach Hause flog.
In den nächsten drei Tagen erschien Piers St. Denis, mit einem Blumenstrauß bewaffnet, jeden Tag in Greenwood, nur um von Adali immer wieder weggeschickt zu werden. Seine Herrin, teilte ihm der Diener mit, sei noch zu krank, um Besucher zu empfangen. Nein, sie hätten keinen Arzt gerufen, damit er Blutegel ansetzte; seine Herrin glaube nicht ans Schröpfen. Vielleicht ginge es ihr morgen so gut, dass sie ihn empfangen könne. Am vierten Tag, als der Marquis bereits ärgerlich wurde, empfing Adali ihn mit einem breiten Lächeln und erklärte ihm, seine Herrin würde ihn gerne sehen, jedoch nur für kurze Zeit. Er führte den Besucher in den zweiten Stock zu Jasmines Gemächern.
Piers St. Denis schaute sich rasch um, während sie die Treppe hinaufstiegen, da er noch nie in den oberen Stockwerken gewesen war. Durch eine offene Tür blickte er in eine riesige Bibliothek, aber die anderen Türen im ersten Stockwerk waren fest geschlossen. Greenwood war nicht besonders groß, und er wunderte sich über seine Lage am Ende einer Reihe von Häusern, die den Reichen und Mächtigen gehörten. Das Haus war elegant eingerichtet, aber nicht besonders prunkvoll. Er hätte es sogar als einfach bezeichnet, wären nicht die Wandbehänge, die Teppiche und das Silber von allerbester Qualität gewesen. Sie waren im zweiten Stock angekommen, und Adali führte ihn in Jasmines Gemächer. Durch einen Salon gelangten sie direkt in ihr Schlafzimmer.
»Mylord!« Sie streckte die Hände aus, um ihn zu begrüßen. Ihre dunklen Haare hingen lose um ihr Gesicht, und sie trug einen unauffälligen Morgenmantel, der hochgeschlossen war. Erleichtert sah er, dass es ihr anscheinend besser ging.
»Geht es Euch gut?« Er küsste die dargebotenen Hände und setzte sich, ohne dass er dazu aufgefordert worden wäre, auf ihre Bettkante.
»Ich bin noch schwach, aber das Fieber und der Schüttelfrost sind zurückgegangen, glaube ich«, erklärte Jasmine und entzog ihm ihre Hände. »Und ich habe wundervolle Nachrichten von meiner Großmutter erhalten. Meine Kinder kommen nach London.«
»Eure Kinder?« Der Marquis von Hartsfield sah nicht sonderlich erfreut aus. »Ich dachte, Eure Kinder würden auf dem Land aufgezogen.«
»O nein, Mylord! Meine Kinder haben immer bei mir gelebt. Ich gehöre nicht zu den Müttern, die ihren Nachwuchs ausschließlich den Dienstboten überlassen. Gottseidank nicht! Meine Kleinen sind auf dem Land, weil Großmama sie aus Frankreich zu sich geholt hat, damit Jemmie und ich ein wenig Zeit füreinander haben, aber jetzt möchte ich sie wieder bei mir haben, zumal Jemmie fort ist und ich mich einsam fühle. Außerdem, wenn Ihr mein Gatte sein wollt, dann solltet Ihr auf jeden Fall meine Kinder kennen lernen, meint Ihr nicht auch? Und der König wird natürlich absolut entzückt sein, endlich meinen kleinen Stuart wieder zu sehen.« Sie lächelte ihn strahlend an. »Ich glaube, mir geht es einfach schon deshalb wieder besser, weil ich weiß, dass meine Kinder kommen.«
Piers St. Denis war nicht erfreut. Er hatte James Leslie loswerden wollen, damit er allein mit Jasmine sein konnte, und jetzt war der Graf seit einer Woche weg, und er war noch nicht einmal ungestört mit ihr zusammen gewesen. Und wenn nun ihre Gören kamen und ihre Zeit in Anspruch nahmen, wann würde er dann endlich zu seinem Recht kommen? Aber dem König konnte er sein Leid nicht klagen, denn der König war sentimental, wenn es um die Familie ging. Er würde froh sein, seinen Enkelsohn und die anderen drei kleinen Biester um sich zu haben. Betrübt lächelte er sie an. »Natürlich sollte ich die Kinder kennen lernen«, sagte er. »Sind die beiden Ältesten nicht schon groß genug, um bei anderen Familien aufwachsen zu können? Da wir unser Leben am Hof verbringen werden, Jasmine, sollten wir uns langsam auch über die Zukunft der Kinder Gedanken machen.«
»Meine Kinder werden nirgendwo anders leben, Mylord«, erwiderte sie. »Ich halte es für eine schreckliche Sitte, den eigenen Nachwuchs anderen Familien anzuvertrauen. Meine Kinder sind reich, besitzen einen Titel und einen untadeligen Stammbaum. Wenn die Zeit gekommen ist, werden sie begehrenswerte Partien sein, und zwar ohne dass sie in andere Haushalte geschickt worden sind.«
»Vielleicht sollten wir Euren Besuch jetzt abbrechen, Mylord«, unterbrach Adali, der im Zimmer geblieben war. »Aufregung schadet meiner Lady, wie Ihr sicher wisst. Morgen seid Ihr jedoch wieder willkommen.«
St. Denis erhob sich und verbeugte sich vor Jasmine. »Die Königin lässt Euch die allerbesten Wünsche übermitteln«, sagte er. »Ich komme morgen zurück, Madame. Am Wochenende findet ein Maskenball statt, auf den ich Euch gerne begleiten würde, wenn Ihr Euch bis dahin wohl genug fühlt.«
»Wir werden sehen«, murmelte Jasmine und sank zurück in die Kissen.
»Lebt wohl, meine Liebste«, sagte er.
»Lebt wohl, Mylord«, erwiderte sie. Seine Liebste? Wieder glaubte sie, Salims ferne Stimme zu hören, und sie erschauerte.