Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 18
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Оглавление»Ihre Majestät, die Königin«, sagte Adali und geleitete Königin Anne in Jasmines Salon.
Jasmine erhob sich rasch von ihrem Sessel am Kamin und knickste. »Ihr ehrt mich, Madame«, sagte sie.
»Lasst mich Euch ansehen, Kind«, sagte die Königin, und die junge Frau trat vor. Sie nahm Jasmines Gesicht zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte es prüfend. »Wie ich mir gedacht habe«, erklärte Königin Anne schließlich. »Was seid Ihr doch für eine schreckliche kleine Betrügerin, meine Liebe, aber jetzt müsst Ihr mit Eurem Eigensinn aufhören, sonst kann ich Euch nicht mehr helfen. St. Denis jammert dem König bereits vor, dass er nicht genug Zeit habe, um Euch den Hof zu machen, und ich konnte lediglich verhindern, dass der König etwas sehr Dummes angeordnet hat. Ihr werdet ihm leider erlauben müssen, Euch in den nächsten Wochen auf ein paar Bälle zu begleiten.«
»Wenn der König doch nur ...«, begann Jasmine.
»Ich weiß, ich weiß«, beruhigte die Königin sie. »Wenn mein wohlmeinender Jamie doch nur nicht eingegriffen hätte, als Ihr und der Graf von Glenkirk Euch einig geworden seid. Er liebt Euch sehr, und ihr ihn auch, nicht wahr?«
Jasmine nickte.
»Wir wollen uns hinsetzen«, schlug die Königin vor. An Adali gewandt, sagte sie: »Bringt Ihr uns bitte etwas zu trinken, Adali?«
Adali verneigte sich. »Selbstverständlich, Madame.«
Sie setzten ich an den Kamin, und die Königin ergriff wieder das Wort. »Stennie und ich sind uns einig, dass wir in dieser Angelegenheit Eure Verbündeten sind, meine Liebe. Und nun kommt noch ein weiteres Element hinzu. Der Graf von Bartram hat Seiner Majestät vorgeschlagen, ihm die Vormundschaft für den kleinen Charles Frederick Stuart zu übertragen.«
»Wer ist dieser Graf?«, fragte Jasmine.
»Ein Schützling von Robert Cecil, der seit vielen Jahren im Dienst seiner Majestät steht. Er hat seine Karriere unter der verstorbenen Königin begonnen. Kürzlich hat er wegen der Gier und der Eifersucht von Piers St. Denis und der Dummheit der Gräfin von Bartram, die offensichtlich noch dümmer ist als ich, bei meinem Gatten an Gunst verloren. Er glaubt anscheinend, diese Gunst wiedererlangen zu können, wenn der König ihm das Sorgerecht und die Vormundschaft für unseren Enkel überträgt. Jamie hat natürlich keineswegs die Absicht, das zu tun, aber Ihr wisst, was er für ein weiches Herz hat. Er kann dem armen Lord Stokes diese Bitte nicht rundheraus abschlagen. Zwar will er ihm eigentlich seine Gunst nicht wieder schenken, und er will ihn auch vom Dienst entheben, da der Mann puritanische Neigungen hat, aber er denkt natürlich andererseits an die jahrelangen treuen Dienste, die Richard Stokes der Krone erwiesen hat, und sucht nach einem Weg, um ihn in den Ruhestand zu versetzen.
Inzwischen haben Steenie und ich uns jedoch überlegt, dass wir Lord Stokes für unsere Zwecke einsetzen könnten, indem wir St. Denis mitteilen, dass sich der König mit dem Gedanken trägt, Lord Stokes die Vormundschaft Eures Sohnes zu übertragen. Der Marquis wird natürlich vom König zu erfahren versuchen, ob das stimmt, aber Jamie wird solange um den heißen Brei herumreden, bis er sich klar darüber geworden ist, wie er den Grafen von Bartram auf anständige Weise loswerden kann. Das wird zu der allgemeinen Verwirrung noch beitragen. St. Denis wird nicht genug Zeit haben, um Euch den Hof zu machen, was Euch seine Gesellschaft erspart. Und er wird auch verzweifelt abwägen, was mehr zu seinem Vorteil ist: eine reiche Frau oder eine mächtige Beziehung.« Das Lachen der Königin klang durch das Zimmer; dankbar nahm sie einen Silberpokal mit fruchtigem Wein von Adali entgegen. Während sie daran nippte, erklärte sie: »Ihr habt den besten Weinkeller in ganz London, meine liebe Jasmine! Nun, was haltet Ihr von unserem kleinen Plan?«
Jasmine war sich nicht sicher, wie sie die Intrige der Königin bewerten sollte. Eine Zeit lang schwieg sie. Dann sagte sie: »Ich glaube, Ihr und George Villiers unterschätzt den Marquis vielleicht. Unter gewissen Umständen kann er äußerst gefährlich sein. Im Augenblick muss er nur mit James Leslie fertig werden, und es ist ihm gelungen, ihn fortzuschicken; aber wenn er glaubt, dass jemand anderer die Vormundschaft über meinen Sohn bekommen könnte ...« Jasmine schwieg wieder und tippte sich nachdenklich mit dem Finger auf den Arm, der auf der Sessellehne ruhte.
»St. Denis? Gefährlich?« Wieder lachte die Königin perlend. »O nein, meine Liebe. Piers St. Denis ist einfach nur ein ehrgeiziger junger Mann, der versucht, das Beste für sich zu erreichen, ganz ähnlich wie unser lieber Steenie. Am Ende heiratet Ihr Glenkirk, und wir geben St. Denis unseren königlichen Segen für eine Verbindung mit einer anderen Erbin. Dann wird er auf seinen Besitz zurückkehren, und wir werden nie wieder etwas von ihm hören.«
»Er hat mir erklärt, Madame, dass er nach seiner Heirat am Hof bleiben will«, berichtete Jasmine der Königin. »Ich denke, Ihr habt Recht, Majestät, wenn Ihr ihn für ehrgeizig haltet. Ich glaube, er ist ein Mann, der sich Macht mehr als alles andere wünscht.«
»Ach ja? Wie interessant«, erwiderte die Königin zerstreut. Sie hatte gesagt, was sie sagen wollte, und konnte sich jetzt nicht mehr auf das Thema konzentrierten. Besorgt blickte sie Jasmine an. »Ihr werdet doch mit uns kooperieren, meine Liebe, oder? Ihr müsst St. Denis nur für kurze Zeit ein wenig ermutigen. Ich glaube, wir können ihn wirklich ziemlich verwirren.«
»Selbstverständlich werde ich mit Euch zusammenarbeiten, Madame, wenn Euch daran liegt. Ich will nur eins – nämlich James Leslies Frau werden«, erwiderte Jasmine.
»Oh, gut!« Die Königin leerte ihr Weinglas und sagte, sich erhebend: »Ich muss jetzt gehen, meine Liebe. Es freut mich, dass Ihr so wohl seid, und ich erwarte Euch natürlich auf meinem Maskenball am Samstagabend in Whitehall.«
»Madame«, auch Jasmine war aufgestanden, »die Kinder kommen in ein paar Tagen aus Queen’s Malvern. Es schien mir eine gute Methode, um St. Denis auf Abstand zu halten, wenn ich ihm meine kleinen Rebellen vorstelle.«
»Aber das ist ja eine geniale Idee!« Die Königin kicherte. »St. Denis wird es verabscheuen, sich mit Eurem Nachwuchs zu messen.«
»Ja.« Jasmine lächelte. »Er hat bereits vorgeschlagen, India und Henry zu Pflegefamilien zu geben. Natürlich habe ich ihm gesagt, dass ich meine Kinder auf keinen Fall Fremden anvertraue.«
»Ihr wäret ein Ungeheuer!«, erklärte die Königin mit Nachdruck. »Natürlich nicht! Ich wisst, wie ich zu Pflegefamilien stehe. Ihr hattet absolut Recht, ihm das zu sagen!« Königin Anne küsste Jasmine auf beide Wangen und verließ Greenwood House, um in den Palast zurückzukehren.
Jasmines nächster Besucher war St. Denis, der wieder einmal mit einmal bändergeschmückten Blumenstrauß ankam. Sie vergrub die Nase in die bunten Blumen, begeisterte sich über ihren Duft und dachte dabei, dass es St. Denis sichtlich an Fantasie mangelte. Ständig brachte er ihr Blumen und nichts anderes, was bedeutete, dass er entweder mittellos oder gedankenlos war. Sie vermutete eine Kombination aus beidem.
»Die Königin hat mich besucht«, sagte sie fröhlich. »Sie kam hierher, um zu sehen, wie es mir geht, und um mich auf ihren Maskenball am Samstagabend einzuladen. Wollt Ihr mich begleiten, Mylord?« Sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Was wollt Ihr tragen?«, fragte er aufgeregt. »Wir müssen natürlich unsere Kostüme aufeinander abstimmen.«
»In so kurzer Zeit kann ich mir kein passendes Kostüm schneidern lassen, Mylord«, erwiderte Jasmine. »Ich werde ein wunderschönes königsblaues Seidenkleid tragen. Die Wahl der Maske überlasse ich jedoch Euch. Ich möchte die schönstmögliche Maske haben. Wir müssen alle anderen ausstechen, was, Mylord?«
Er konnte es kaum glauben. Sie war äußerst zugänglich und bat ihn sogar um einen kleinen Gefallen. »Ihr sollt die eleganteste Maske von ganz London bekommen«, versprach er ihr.
Wieder zu Hause angekommen, wandte er sich sofort an seinen Bruder: »Ich glaube, ihre Entschlossenheit, mich zu hassen, lässt langsam nach, Kipp. Sie war heute sehr liebenswürdig zu mir. Die Königin hatte sie gerade besucht, und wahrscheinlich hat sie Jasmine geraten, mein Werben ernsthaft zu bedenken. Ich hatte gedacht, sie habe sich mit Villiers zusammengetan, aber vielleicht habe ich mich geirrt. Wer macht die besten Masken in ganz London?«
»Ein Kerl namens Barrow, in der Nähe von St. James«, erwiderte Kipp.
»Du musst dorthin gehen und zwei seiner absolut besten Kreationen bestellen, Kipp. Sie müssen bis zum Maskenball im Palast am Samstag fertig sein«, erklärte der Marquis von Hartsfield seinem Halbbruder.
»Sie werden entsetzlich teuer sein, zumal nur so wenig Zeit für ihre Fertigstellung bleibt«, antwortete Kipp.
»Er wird den Favoriten des Königs nicht abweisen«, sagte Piers St. Denis selbstbewusst. »Außerdem, wenn ich Jasmine Lindley geheiratet habe, werde ich der reichste Mann in England sein«, fügte er grinsend hinzu.
»Wenn du sie heiratest«, warnte ihn Kipp.
»Ich werde sie heiraten!«, beharrte der Marquis. »Und in unserer Hochzeitsnacht werden wir beide sie für ihre Arroganz bestrafen, was, Kipp?«
»Wie?«, fragte Kipp seinen Bruder.
»Wir werden sie mit gespreizten Beinen über den Strafbalken legen. Und dann werde ich ihr den Hintern versohlen, bis er rosarot glänzt. Sie wird heftig weinen, daran zweifle ich nicht. Und während ich sie züchtige, wirst du mit ihren wunderschönen Brüsten spielen, sodass sie zwischen Schmerz und Lust hin und her gerissen ist. Bald wird sie das zweifellos mögen. Wenn ich sie für bereithalte, werde ich sie, immer noch über den Balken gebeugt, nehmen.«
»Und wirst du sie mit mir teilen, Piers, wie du das für gewöhnlich mit deinen Frauen tust?«, fragte sein Bruder.
»Nicht vollständig, jedenfalls nicht gleich, erst wenn ich genug von ihr habe; aber ich werde dir erlauben, dass sie dich mit dem Mund befriedigt, Kipp. Gemeinsam werden wir dieser stolzen Schönheit beibringen, wer der Herr ist. Und nach einem Jahr oder so, wenn sie genug gelernt hat und gehorsam ist, werden wir sie die Kunst lehren, andere zu züchtigen. Überleg dir das, Kipp! Wir drei werden schöne junge Mädchen und gut aussehende junge Männer in unser Netz verbotener Liebe locken. Es wird wundervoll werden!«
»Ich habe mir schon gedacht, dass du alles bis ins Letze geplant hast«, sagte sein Halbbruder bewundernd.
Der Marquis von Hartsfield lächelte. »Geh und bestell die Masken«, befahl er. »Und sag diesem Barrow, er wird für seine Mühen extra bezahlt. Aber er soll sein Bestes geben!«
»Selbstverständlich«, erwiderte Kipp und eilte davon, um den Auftrag seines Bruders auszuführen.
Jasmines Kleid für den Maskenball war eine prächtige Kreation. Es war aus königsblauer Seide mit knöchellangem Rock, und der Unterrock bestand aus Silberstoff, der spiralförmig mit winzigen, glitzernden blauen Steinen bestickt war. Der viereckige Ausschnitt war ziemlich tief, mit einem gerüschten Kragen aus zarter silberner Spitze. Durch die Ärmelschlitze schimmerte silberner Stoff, und ihre feinen Handgelenke wurden von silbernen Spitzenmanschetten betont. Die Schuhe bestanden ebenfalls aus blauer Seide mit silbernen Rosen darauf, und ihr Haar hatte sie zu einem eleganten Chignon geschlungen. Über ihrem linken Ohr ringelte sich eine Locke mit einem Silberband. Die Ohrgehänge waren Saphire, und um ihren Hals lag ihre berühmte Saphirkette.
Der Marquis von Hartsfield sperrte bewundernd den Mund auf, als er sie sah, wobei sein Blick besonders an ihrem Saphircollier hängen blieb. Wortlos reichte er ihr ihre Maske, ein exquisites Gebilde aus Silber und Gold mit weißen Federn.
»Sie werden die Sterne von Kaschmir genannt«, sagte Jasmine und fuhr sich mit der Hand an den Hals. »Mein erster Mann, Prinz Jamal, hat sie mir geschenkt. Der See, an dem ich aufwuchs und an dem unser Palast lag, hat genau diesen blauen Farbton. Als diese Steine in Ceylon geschürft wurden, fand man noch einen zusätzlichen Stein. Es war ein großer, tränenförmiger Saphir, genannt Wular Blau, nach eben diesem See. Wir haben ihn meinem Vater zur Feier seines fünfzigsten Jahres als Herrscher geschenkt.« Mit der anderen Hand nahm sie die Maske von ihm entgegen. »Sie ist reizend, Mylord, und passt hervorragend zu meinem Kleid, findet Ihr nicht?«
Er nickte. Seine Kehle war wie zugeschnürt von dem Bemühen, irgendetwas Kluges zu sagen, das ihre Zustimmung finden würde. »Ihr seid die schönste Frau, die ich je gesehen habe«, brachte er schließlich hervor, wobei ihm klar war, wie gewöhnlich das in ihren Ohren klingen musste. Sie wusste, dass sie schön war, und hatte es zweifellos tausendmal gehört.
»Wie galant Ihr seid, Mylord«, erwiderte sie anmutig. »Wenn Ihr gestattet, nehmen wir mein Boot. Es ist viel bequemer als alle anderen, mit denen ich bisher gefahren bin.«
»Natürlich«, stimmte er zu. Er versank fast in ihrem Lächeln. So hatte er es sich vorgestellt. Sie mit ihrem schwarzblauen Haar, der blassgoldenen Haut und den türkisfarbenen Augen und er, aschblond, hellhäutig und blauäugig. Sie passten perfekt zusammen! Sein Kostüm, aus cremefarbener Seide mit Silber und Gold, war die ideale Ergänzung zu ihrem königsblauen und silbernen Kleid. Sie sahen so aus, als gehörten sie zusammen, und das taten sie ja auch! Er ergriff ihren Arm und folgte dem allgegenwärtigen Adali zur Anlegestelle, wo die Barke bereits auf sie wartete. Seltsamerweise machte ihm die Anwesenheit des Dieners gar nichts mehr aus. Adali, im weißen Anzug und mit Turban, verlieh ihnen das gewisse Etwas, das niemand bei Hof besaß.
Whitehall war erleuchtet. Durch die Menschenmenge traten sie in die Halle, in der Ihre Majestäten saßen. Die Königin war, wie immer, viel zu aufwendig gekleidet, aber trotzdem eine charmante und anmutige Gastgeberin. Der König kauerte missmutig auf seinem Thron. Er hasste die Feste seiner Frau. Bestimmt würde er nur kurz bleiben und dann verschwinden, um mit ein paar Freunden Whiskey zu trinken und zu würfeln. Der Anblick von Jasmine am Arm des Marquis von Hartsfield jedoch zauberte ein Lächeln auf sein trauriges Gesicht, und er winkte sie beide zu sich heran. Sie erwiesen ihm ihre Reverenz, und als Jasmine sich aus ihrem Hofknicks erhob, sah sie Prinz Charles neben dem Stuhl seines Vaters stehen.
»Ah, Piers, Ihr habt also endlich Lady Lindley hierhergebracht«, tönte der König. »Sie ist wirklich eine seltene Schönheit, nicht wahr?«
»In der Tat, Majestät«, erwiderte der Marquis. »Ich bin Eurer Majestät äußerst dankbar für diese Gelegenheit.« St. Denis verbeugte sich vor der Königin und nickte dem Prinzen zu. Jasmine lächelte Prinz Charles an. Er war ein kleiner, aber würdevoller junger Mann, der bis zum Tod seines Bruders vollkommen in dessen Schatten gestanden hatte. »Mylord«, sagte sie, »wie schön, Euch wieder einmal zu sehen.« Dann machte sie einen tiefen Knicks.
Charles Stuart verzog seine Mundwinkel zu einem winzigen Lächeln. Für gewöhnlich zeigte er seine Gefühle nicht, aber die Geliebte seines älteren Bruders hatte er immer sehr gemocht. Jasmine hatte ihm beigebracht, sich gegen seinen brillanten Bruder mit Worten zur Wehr zu setzen und sogar Streitgespräche mit ihm zu gewinnen, sehr zu Henrys Freude, denn Henry Stuart hatte seinen kleinen Bruder geliebt. Charles hatte das jedoch erst begriffen, als Jasmine ihm den Charakter Henrys erklärt hatte. Der englische Thronfolger war fast fünfzehn, und obwohl man ihn am Hof seines Vaters für prüde hielt, mochte er, wie seine Mutter, Musik und Drama.
»Ich f-freue m-mich auch, Euch wieder zu sehen, M-Madame«, begrüßte er Jasmine. Manchmal stotterte der Prinz, weil er eigentlich recht schüchtern war.
»Danke, Euer Hoheit«, erwiderte Jasmine und knickste noch einmal. Dann sagte er: »Euer Namensvetter wird in ein paar Tagen hier sein, Sir. Darf ich Euch den Herzog von Lundy bringen, damit er seinen Onkel sieht?«
»O ja, M-Madame«, entgegnete der junge Mann. »Ich war nicht da, als Eure – Großmutter das letzte Mal m-mit ihm hier war. Ich h-habe ihn n-nur als Säugling gesehen.«
»Er ähnelt seinem Vater sehr«, erklärte sie dem Prinzen lächelnd.
»Ich mag Kinder«, erwiderte der Prinz. »Ich m-möchte eines Tages eine g-große Familie haben.«
»Dann müsst Ihr Euch die richtige Frau dafür aussuchen«, sagte Jasmine.
»Ich habe ein Auge auf die spanische Infantin geworfen«, meinte der König.
»Eine französische Prinzessin wäre besser«, murmelte die Königin. »Jasmine, meine Liebe, setzt Euch zu mir auf den Hocker, während wir uns die Maskenparade ansehen. St. Denis, Ihr könnt Euch hinter mich stellen.«
Die Maskenparade wollte ein Salut an den Frühling und den kommenden Sommer sein, war aber nicht so fantasievoll wie die Maskenfeste, an denen Jasmine und Prinz Henry vor einigen Jahren teilgenommen hatten. Es gab nur wenig erzählerische Elemente und mehr Musik und Tanz, aber die Kostüme waren reizend. Jasmine kannte niemanden von den jungen Leuten, die beteiligt waren. Die Zeiten ändern sich, dachte sie, und ich werde älter. Nachdem das Maskenfest vorüber war, wurde getanzt. Der Marquis von Hartsfield machte Anstalten, Jasmine auf die Tanzfläche zu führen, aber Prinz Charles trat vor.
»Der erste Tanz gehört mir, Mylord«, sagte der junge Mann, ohne einmal zu stottern.
»Natürlich, Euer Hoheit«, antwortete Piers St. Denis und verbeugte sich vor dem königlichen Prinzen.
Charles Stuart ergriff Jasmines Hand, und sie begannen mit einem gemächlichen Bauerntanz. »Ihr werdet ihn doch nicht heiraten, oder, M-Madame?«, fragte der Prinz.
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun«, erwiderte Jasmine. »Da Euer Vater darauf besteht, muss ich es allerdings zulassen, dass Piers St. Denis mir den Hof macht, aber ich verabscheue ihn, Euer Hoheit, und ich liebe Glenkirk.«
»W-Warum seid Ihr dann davongelaufen?« Er schwenkte sie anmutig im Kreis.
»Wie Euer Hoheit bin ich das Kind eines Königs. Ich mag es nicht, wenn man mir vorschreibt, was ich zu tun habe, und ich trauerte immer noch um Hal. Ich war noch nicht so weit, um wieder zu heiraten. Nicht so schnell jedenfalls. Jetzt jedoch ist es anders. Lord Leslie hat mich schon geliebt, noch bevor ich meinen geliebten Rowan Lindley geheiratet habe. Er liebt mich immer noch, und ich habe ebenfalls gelernt, ihn zu lieben. Versucht, das Mädchen, das Ihr heiratet, zu lieben, Euer Hoheit. Es ist so wichtig für eine Frau, dass sie geliebt wird.« Sie hob ihre Röcke und machte drei zierliche Schritte.
Er hob sie hoch, wirbelte sie herum und stellte sie dann wieder auf den Boden, wo sie die letzten Schritte des Tanzes ausführten. »Ich m-mag St. Denis nicht. Er hat so etwas Unaufrichtiges. Und Villiers m-mag ich sogar noch weniger. Er entzieht mir die Aufmerksamkeit meines V-Vaters. Aber wenn ich die Wahl hätte, w-würde ich Villiers w-wahrscheinlich vorziehen. Er ist zwar gierig, aber h-harmlos.«
»Da stimme ich Euch zu, Euer Hoheit. Ihr seid sehr klug für einen jungen Mann«, lobte sie ihn. Dann knickste sie tief, und der Tanz war vorüber.
Er brachte sie zu St. Denis zurück und nickte dem Marquis knapp zu. Piers St. Denis konnte seine Erregung kaum verbergen. Die königliche Familie behandelte Jasmine, als sei sie eine der Ihren! Nicht nur das Kind, sondern auch die Mutter würde ihm Macht bringen. Mit breitem Lächeln führte er sie zum nächsten Tanz.
Er war ein ausgezeichneter Tänzer, und das machte den Abend angenehmer für sie, als sie erwartet hatte. Nach einer Weile schlug er eine kurze Pause vor, holte ihnen gekühlten Wein und führte sie zu einem mit Kissen ausgestatteten Alkoven an einem Fenster, wo sie sich niedersetzen und erholen konnten.
»Der König und seine Familie behandeln Euch mit größter Hochachtung«, sagte er anerkennend zu ihr. »Ihr werdet bald wegen Eurer hervorragenden Verbindungen eine gewisse Macht hier am Hof habe.
»Wenn ich Glenkirk heirate«, sagte sie, »werde ich nicht am Hof bleiben.«
»Warum haltet Ihr so beharrlich an dieser Fantasie fest, den Grafen von Glenkirk zu heiraten?«, fragte er ärgerlich. »Ich bin der Mann, den Ihr heiraten werdet, Jasmine. Und wir werden am Hof leben.«
»Mylord«, erwiderte sie ungeduldig, »die Wahl liegt bei mir, wie Ihr wisst. Alles andere betrifft Eure Fantasie, nicht meine.«
»Ich kann Eure Heirat unendlich verzögern, Jasmine. Der König wird tun, worum ich ihn bitte. Ich kann den König überreden, seine Meinung zu ändern und Euch mir zu geben«, drohte der Marquis.
Sie lachte. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig, denn sonst hätte sie schreien müssen. »Der König ist zwar schwach, was seine Favoriten angeht, Mylord, aber er wird niemals sein Wort zurücknehmen, wenn er es öffentlich gegeben hat«, erklärte ihm Jasmine.
Statt einer Antwort drückte er sie gewaltsam gegen die steinerne Fensterbrüstung und küsste sie leidenschaftlich. Eine Hand glitt in ihren Ausschnitt und knetete ihre Brust. Wie im Rausch küsste er sie und zwang ihr seine Zunge in den Mund.
Für Jasmine kam sein Angriff völlig überraschend, und sie bemühte sich, nicht in Panik zu geraten. Sein Kuss war entsetzlich, sie erstickte fast an seiner Zunge. Und wie er ihre Brust begrapschte, war widerwärtig und tat nur weh. Sie würde blaue Flecken bekommen. Sie biss in seine Zunge und schob ihn heftig von sich, dann versetzte sie ihm eine schallende Ohrfeige.
»Wie könnt Ihr es wagen, mich anzufassen!«, zischte sie wütend.
Er versuchte, sie erneut zurückzudrücken, aber dieses Mal war Jasmine darauf gefasst, und stieß ihm heftig ihr Knie zwischen die Beine. Als er überrascht und schmerzerfüllt aufstöhnte, schob sie ihn weg, um aus dem Alkoven zu fliehen. Geistesgegenwärtig hielt er sie am Rock fest.
»Ihr werdet mein sein!«, stöhnte er. Ihm wurde übel vor Schmerzen.
»Lasst mein Kleid los, Mylord«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wie kann ich Euch davon überzeugen, dass mir an Eurer Werbung nichts liegt? Muss ich Euch umbringen, Mylord? Ich bin durchaus dazu in der Lage. Rowan Lindleys Mörder habe ich höchstpersönlich in der gleichen Stunde gehängt, in der mein Mann starb.« Jasmines Wut wuchs. »Ihr seid mir widerwärtig, Mylord. Am liebsten würde ich Euch im Handumdrehen den schönen Hals aufschlitzen! Ich spiele dieses Spiel nicht mehr mit! Ich werde Euch unter keinen Umständen heiraten, Mylord St. Denis!« Mit einer entschlossenen Bewegung befreite sie sich aus seinem Griff und eilte durch den Saal.
Als sie den Bereich erreiche, in dem die königliche Familie saß, sank sie in einen tiefen Hofknicks vor dem König. Sie war hochrot im Gesicht. »Euer Gnaden?«, sagte sie mit leiser, aber fester Stimme zu James Stuart.
»Ja, Mädchen, was ist los?«, fragte er.
»Mylord, ich bitte Euch, zwingt mich nicht, den Marquis von Hartsfield zu heiraten«, keuche sie und sank dramatisch auf die Knie.
»Nein, nein, Mädchen, ich habe doch gesagt, dass Ihr die Wahl habt«, erwiderte der König, offensichtlich peinlich berührt von ihrem spektakulären Auftritt.
»Dann bitte ich Euch, meine Entscheidung in dieser Angelegenheit zu akzeptieren. Euer Majestät hatten vor zwei Jahren absolut Recht, als Ihr James Leslie zu meinem Ehemann bestimmt habt. Ich brauche einen Mann, zu dem ich aufblicken kann, und ich achte den Grafen von Glenkirk. Ich brauche einen Mann, den ich lieben kann, und der mich liebt. Dieser Mann ist der Graf von Glenkirk. Ich habe mich ihm vor Gott dem Allmächtigen versprochen, und dass ich die Umarmungen eines anderen Mannes erdulden muss, der mich unter solchen Umständen zu seiner Frau machen will, kommt mir unehrenhaft vor. Bitte, ich flehe Eure Majestät an, meine Entscheidung in dieser Angelegenheit zu akzeptieren! Ich werde keinen anderen Mann zu meinem Gatten nehmen als James Leslie, den Grafen von Glenkirk!
Ich weiß, wie sehr Eure Majestät die Freundschaft des Marquis von Hartsfield schätzt, deshalb bitte ich Euch, ihm eine andere geeignete Frau zur Gattin zur geben. Wenn Ihr ihn liebt, und ich weiß, dass Ihr das tut, dann sucht ihm eine Frau, die ihn ehrt und die ihm entspricht. Diese Frau bin ich leider nicht. Ihr habt mir die Wahl meines Ehemannes überlassen, und ich kann nur sagen, dass ich James Leslie wähle.«
»Du meine Güte«, murmelte George Villiers, an die Königin gewandt. »Sie setzt alles auf eine Karte! Was für ein unglaublicher Stil!«
Der König saß da wie erstarrt. Er wusste nicht, was er tun sollte. Natürlich hatte er Jasmine die Wahl versprochen; aber er hatte auch Piers St. Denis die Gelegenheit versprochen, ihr den Hof zu machen. Und jetzt stand diese schwierige Person vor ihm und weigerte sich, weiter mitzuspielen. Sie hatte in aller Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass sie St. Denis, den armen, süßen Jungen, nicht haben wollte; er konnte sie wohl wirklich nicht mehr zwingen, die Avancen des Marquis’ weiter zu erdulden.
»Vater?«, sagte der junge Charles Stuart leise.
Der König zuckte zusammen. »Ja, mein Junge, was ist?«
»Lady Lindley hat zwar ihre Entscheidung früher getroffen, als du eigentlich wolltest, aber ich denke, du wusstest, dass sie am Ende Glenkirk wählen würde. Der Marquis ist dumm, wenn er etwas anderes geglaubt hat, denn in seinem Herzen ahnte er es sicher auch. Sei gnädig und großzügig, wie nur du es sein kannst, Vater. Ich mag Lady Lindley, und Hal liebte sie sehr. Er würde wollen, dass du ihr deinen Segen gibst, und ich weiß auch, dass er Glenkirk mochte.«
»Der Junge hat Recht«, warf die Königin leise ein.
»Ja, Mylord, für jemanden, der noch so jung ist, zeigt er sich bemerkenswert weise«, sagte Villiers und ignorierte den abweisenden Blick, den der Prinz ihm zuwarf. Es war ganz eindeutig, dass er Villiers’ Hilfe weder wollte noch brauchte. Villiers zwang sich zu einem Lächeln. Prinz Charles war eifersüchtig auf ihn, das wusste er wohl, aber trotzdem traute er sich zu, die Zuneigung des jungen Mannes zu gewinnen. James Stuart stand am Ende seines Lebens, und Charles Stuart würde Englands nächster König sein. George Villiers hatte vor, auf der richtigen Seite zu stehen, wenn die Thronfolge akut wurde.
Der König hörte sie alle. Er blickte Jasmine an, die in ihrem königsblauen Kleid vor ihm kniete, den dunklen Kopf gesenkt. Was war sie doch für eine schwierige Person, dachte er, aber sein Sohn hatte Recht. Henry Stuart hatte sie angebetet. Er würde wollen, dass sie glücklich heiratete, und wenn Glenkirk der Mann war, der sie glücklich machte, dann sollte es ebenso sein. »Nun gut, Lady Lindley«, grummelte er, »dann soll es also Glenkirk sein, und Gott möge dem Ärmsten beistehen bei so einer eigensinnigen Frau. Aber vermutlich weiß er, was er bekommt. Ihr werdet jedoch den Hof nicht verlassen, bis er aus Schottland zurückkehrt. Bevor Ihr beide wieder nach Norden geht, will ich endlich einmal meinen Enkelsohn wieder sehen.« James Stuart streckte seine Hand aus, und Jasmine küsste sie dankbar.
»Danke, Euer Majestät«, sagte sie. »Danke!«
»Steenie, bitte, helft Ihr auf und tanzt mit Ihr. Lady Manners wird nichts dagegen haben, weil es ein königlicher Befehl ist. Ich habe für heute Abend genug und gehe jetzt zu Bett.«
»Aber mein liebster, liebster Herr!« Der. Marquis von Hartsfield hatte sich wieder erholt und stand wie ein begossener Pudel vor dem König.
»Regt Euch nicht auf, Piers«, sagte der König. »Wir finden ein anderes nettes Mädchen mit Vermögen für Euch.«
»Ich will Lady Lindley, Sire!«
»Ihr könnt sie aber nicht haben, Piers. Und jetzt hört auf zu jammern, mein Junge, und vertraut darauf, dass die Alten das schon richten!« Er erhob sich. »Kommt und helft mir zu Bett, Piers. Diese ganze Aufregung hat mich erschöpft.« Er stützte sich schwer auf den jungen Mann.
»Ich gehe mit euch«, sagte die Königin und stand rasch auf, wobei sie dem Marquis ein reizendes falsches Lächeln voller Anteilnahme schenkte.
»Ich möchte nicht mehr tanzen, Steenie«, sagte Jasmine. »Bringt mich zu meinem Boot. Mein Diener wartet dort.« Sie ergriff seinen Arm, und sie schritten durch den vollen Saal. Die Menschen wichen vor ihnen zur Seite, und der ganze Saal summte vor aufgeregtem Flüstern.
»Nun, meine Liebe«, sagte Villiers mit einem unterdrückten Lachen, als sie endlich draußen waren. »Ihr habt heute Abend wahrhaftig den hinreißendsten Skandal verursacht. Was in aller Welt hat Euch dazu getrieben? Es war gefährlich und hätte auch übel für Euch ausgehen können.«
»Zunächst einmal kann ich St. Denis nicht ausstehen«, erklärte Jasmine dem jungen Favoriten des Königs, »aber außerdem hat er versucht, sich mir unzüchtig zu nähern, und das fand ich widerwärtig. Da wusste ich, dass ich dieses Spiel nicht eine Minute länger mitspielen konnte. Stellt Euch nur vor, ich hätte mir St. Denis so lange vom Leib halten müssen, bis mein Jemmie zurückkehrt. Und schließlich hatte der König ja betont, dass ich die Wahl hätte.«
»Verdammt gut, dass er das gesagt hat«, bemerkte Villiers. »Piers St. Denis scheint von Euch vollkommen besessen zu sein. Vermutlich wäre er bereit gewesen, fast alles zu tun, um Euch zu bekommen, wenn der König die Entscheidung nicht ausschließlich in Eurem Sinne getroffen hätte.«
»Danke, für Eure Hilfe, Steenie«, sagte Jasmine, als sie die Anlegestelle erreichten und ihre Barke rasch herangerudert wurde. »Ich vergesse meine Freunde nicht, und auch meine Familie vergisst diejenigen nicht, die ihnen einen Dienst erwiesen haben.« Sie ergriff Adalis ausgestreckte Hand und trat auf ihr Boot. »Eilt zurück zum König ins Schlafzimmer, sonst sticht der schreckliche St. Denis Euch noch aus!«
»Nicht, solange die Königin dabei ist«, erwiderte Villiers lächelnd. Er küsste ihre Hand. »Gute Nacht, Lady Lindley. Ihr habt hervorragend gespielt, und ich bewundere Euch sehr. Und die Krönung war, wie effektvoll Ihr Eure Röcke um Euch drapiert hattet.« Er drehte sich um und ging schmunzelnd weg.
Jasmine blickte ihm lachend nach. Ein äußerst geschickter junger Mann. Aber das war ihr ja schon früher aufgefallen. Ihm entging nichts.
»Adali«, sagte sie, »wir sind den Marquis von Hartsfield endlich los.« Und dann erzählte sie ihrem Diener in allen Einzelheiten, wie der Abend verlaufen war, ohne zu wissen, dass Adali sich im Saal aufgehalten und alles gesehen hatte.
»Können wir dann nach Queen’s Malvern zurückkehren, Mylady?«, fragte Adali und legte ihr einen Umhang um die Schultern, damit sie sich im kühlen Wind auf dem Fluss nicht erkältete.
»Der König möchte, dass ich dableibe, bis Jemmie zurückkehrt, damit er den Herzog von Lundy wieder sehen kann«, erwiderte sie.
»Mit Eurer Erlaubnis, Mylady, werde ich zusätzlich bewaffnete Männer anheuern, die Greenwood bewachen können. Der Marquis von Hartsfield scheint mir kein besonders guter Verlierer zu sein. Ihr habt ihn öffentlich zurückgewiesen. Wenn mich nicht alles täuscht, wird er versuchen, sich zu rächen.«
»Es dauert ja nur noch ein paar Wochen, Adali, und dann sind wir weg«, beruhigte Jasmine ihn, »aber es schadet sicher nichts, vorsichtig zu sein. Stellt die zusätzlichen Männer ein, um den Park und das Haus zu bewachen.«
»In ein paar Wochen wird sie für mich verloren sein, Mylord«, sagte Piers St. Denis zum König. »Ich bitte Euch, Eure Meinung zu ändern und sie mir zu geben!«
»Nein, mein lieber Piers, ich habe mein Wort so öffentlich gegeben, dass ich es nicht zurücknehmen kann, und das möchte ich auch nicht. Lady Lindley ist zu kompliziert für Euch. Überlasst sie Glenkirk. Es ist besser so.«
Der Marquis von Hartsfield verzog ärgerlich den Mund und wandte sich ungezogen vom König ab.
»Wir finden schon eine nette junge Frau mit Vermögen für Euch«, versprach ihm die Königin. »Ich bin sicher, das wird Euch für Eure Enttäuschung entschädigen.«
»Nein!«, erwiderte St. Denis heftig. »Wenn Ihr mich glücklich machen wollt, mein lieber Herr, und wenn ich Jasmine Lindley schon nicht haben kann, dann gebt den Herzog von Lundy in meine Obhut. Erst dann kann ich sicher sein, dass ich Eure Gunst nicht verloren habe. Halst mir keine unschuldige junge Frau auf und schickt mich weg, ich bitte Euch!« Er ergriff die Hand des Königs und küsste sie inbrünstig.
»Was? Ihr wollt ebenfalls die Vormundschaft über meinen Enkel?«, fragte der König.
»Ebenfalls?«, wiederholte Piers St. Denis.
»Ja. Ihr seid schon der zweite, der mich um den Jungen bittet. Der Graf von Bartram ist erst gestern mit dem gleichen Anliegen bei mir gewesen, Piers.«
»Diesem Mann würdet Ihr den Jungen doch sicher nicht geben, mein lieber Herr?« Der Gram von Piers St. Denis schwand in dem Maße, in dem sein Überlebenswille und sein Ehrgeiz erwachten.
»Er hat mir brav gedient«, stellte der König fest, »und es wäre ein schönes Geschenk für den Ruhestand, wenn ich beschließen würde, meinen Enkelsohn der Obhut seiner Mutter zu entziehen – aber ich habe noch keine Entscheidung getroffen, mein lieber Junge. Regt Euch jetzt nicht mehr auf. Ich werde Euch gewiss mit etwas sehr Schönem für Euren Verlust entschädigen.«
»Was hat St. Denis verloren, Euer Gnaden?«, fragte George Villiers, der gerade das Schlafzimmer des Königs betrat.
»Lady Lindley«, erwiderte der König.
»Aber er hat sie doch noch nie besessen, Sire«, gluckste Villiers. »Da hat doch nur ein gefräßiger Kater die Krallen nach einer Schönheitskönigin ausgestreckt.«
Der König musste unwillkürlich lachen. Auch die Königin ließ ihre Erheiterung freien Lauf und kicherte, sehr zum Missfallen des Marquis.
»Ihr seid ein böser Junge, Steenie, den armen Piers so zu necken«, schalt ihn der König halbherzig. »Er hat einen großen Verlust erlitten.«
»Ja, den Verlust von Lady Lindleys großem Vermögen«, verspottete Villiers seinen Rivalen und grinste unverschämt.
Die Hand des Marquis von Hartsfield fuhr zu seinem Schwert, aber dann ließ er sie wieder sinken. In der Gegenwart des Königs zu kämpfen, war Hochverrat. »Ich habe große Zuneigung zu der schönen Jasmine empfunden«, sagte er steif.
»Große Zuneigung zu ihrem Schmuck, würde ich wetten«, gab Villiers zurück. »Als Ihr heute Abend mit ihr tanzen durftet, habt Ihr nicht sie angesehen, sondern dieses unglaubliche Saphircollier, das sie trug.«
»Wenn der König nicht dabei wäre, würdet Ihr es nicht wagen, so mit mir zu sprechen«, schnarrte der Marquis, »weil Ihr wüsstet, dass ich dann meine Ehre rächen würde, die Ihr so leichtfertig in den Schmutz zieht, Villiers.«
»Dann kommt«, forderte George Villiers ihn heraus, »lasst uns nach draußen gehen, Mylord. Ich freue mich darauf, mit Euch zu kämpfen.«
Der König wirkte erschüttert, und die Königin schaute die beiden erschrocken an.
»Ich mache mir die Hände nicht schmutzig an Euch, Villiers. Ein Marquis von Hartsfield schlägt sich nicht mit jemandem aus dem gemeinen Volk, wie ihr es seid.« Dann verbeugte er sich vor dem König. »Mit Erlaubnis Eurer Majestät werde ich mich jetzt zurückziehen.«
»Ja, geht nach Hause und beruhigt Eure Nerven, Piers, mein Lieber«, sagte der König. »Ich denke über Eure Bitte nach.«
Die Gentlemen des Königs brachten ihn zu Bett, und nachdem sie das Zimmer verlassen hatten, setzte sich die Königin auf die Bettkante. »Du wirst den kleinen Charles Frederick Stuart weder Stokes noch St. Denis geben, Jamie, nicht wahr? Er sollte bei seiner Mutter bleiben.«
»Ja, das weiß ich auch, Annie«, erwiderte der König. »Nennt man mich nicht den klügsten Narren der Christenheit?«
»Warum hast du es dann St. Denis nicht gesagt?«, fragte sie.
»Ach, Annie, dann hätte er nur noch mehr genörgelt und an mir herumgezerrt. Du hattest Recht. Ich hätte ihm gar nicht die Gelegenheit geben sollen, Lady Lindley den Hof zu machen, vor allem nicht, nachdem sie bereits eingewilligt hatte, James Leslie zu heiraten. Ich habe nur seine Hoffnungen genährt, und dann habe ich alles noch schlimmer gemacht, indem ich Jemmie nach Schottland geschickt und Jasmine dadurch betrübt habe. Er war ernsthaft beleidigt heute Abend, als Lady Lindley so laut und in aller Öffentlichkeit gesagt hat, dass sie ihn nicht zum Mann haben will.«
»Er hat es verdient«, sagte die Königin. »Ich habe gesehen, wie er sie in einem Alkoven bedrängt hat. Jasmine war über seine plumpen Annäherungsversuche nicht gerade erfreut, Jamie.«
»Ach, das hat sie also so aufgebracht«, bemerkte der König. »Nun, jetzt geht alles seinen Gang, Annie. Mach dir keine Sorgen. Ich habe nicht vor, unseren Enkel seiner Mama und Glenkirk wegzunehmen. Sie werden ihn gut erziehen. Stokes ist ein Dummkopf mit seinem Geschwätz über den unzüchtigen Lebenswandel von Lady Lindley, und mein guter Piers unterschätzt mich, wenn er denkt, ich merke nicht, dass er unseren Enkel haben will, um sich an Jasmine zu rächen. Außerdem glaubt er, der Junge verleihe ihm hier bei Hof und über uns Macht.« Lachend fuhr der König fort: »Vielleicht hat er heute Abend sein Schicksal besiegelt, Annie. Ich glaube, ich bin es langsam leid, ständig zwischen ihm und Steenie hin und her gerissen zu sein. Steenie ist viel angenehmer, findest du nicht auch? Es war ungezogen, Piers so gnadenlos zu necken, aber Piers hat auch überhaupt keinen Sinn für Humor, wenn es um ihn selber geht.«
»Dann hast du also wirklich vor, St. Denis wegzuschicken?« Königin Anne konnte ihre Erregung kaum verbergen.
James Stuart nickte. »Ich werde alt, Annie. Ich brauche keine Aufregungen mehr in meinem Leben. Es ist nicht leicht, König zu sein. Im Moment habe ich kein Parlament, das mich ärgert. Zwischen Spanien und Frankreich herrscht Frieden. Sicher, die Puritaner und die schottischen Presbyterianer versuchen, mir Schwierigkeiten zu machen, aber ich glaube, ich habe sie ganz gut im Griff. Bessie und ihr Frederick scheinen glücklich zu sein, wenn man ihren Briefen Glauben schenken darf. Und unser Charles wird einmal König von England werden. Zwar nicht so ein König, wie Henry es gewesen wäre – Gott sei seiner lieben Seele gnädig –, aber wir haben ja keine andere Wahl, Annie.
Ständig sind Menschen um mich herum, wie um alle Könige, die Anforderungen an mich stellen. Bartrams Zeit ist abgelaufen, und er ist nicht mehr nützlich für mich. Er muss seinen Abschied nehmen, und außer meinem Dank muss ich ihm noch etwas mitgeben, damit man sieht, dass er meine Gunst nicht verloren hat. Um zu etwas anderem zu kommen: Ich hege keinen Zweifel daran, dass der arme Sir Thomas Overbury ermordet worden ist, und höchstwahrscheinlich haben der Graf und die Gräfin von Somerset dahinter gesteckt. Er und seine Frances müssen im Tower bleiben, und wenn ich sie letztendlich begnadige, werde ich sie vom Hof verbannen. Ich will sie beide nie mehr wieder sehen.«
Der König seufzte tief. »Ach, Annie, ich habe meinem Robbie so viel gegeben, und sieh nur, wie er mich betrogen hat. Piers St. Denis ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Er ist blind von Ehrgeiz, und das macht ihn gefährlich. Wir werden eine gute Frau für ihn suchen, und dann muss er sich auf seinen Landsitz zurückziehen. Ich brauche einen fügsameren Jungen um mich. Ich weiß, dass auch Steenie ehrgeizig ist, aber er ist von Natur aus liebenswürdiger und gehorsamer. Ich denke, wenn er mich um etwas bäte, und ich würde es ihm nicht geben, dann würde er mich trotzdem noch lieben. Er erinnert mich ein bisschen an unseren armen Henry.«
»Was bei St. Denis wirklich nicht der Fall ist«, erwiderte die Königin. »Du bist gut beraten, Jamie, wenn du St. Denis eine reiche Erbin zur Frau gibst und ihn nach Hause schickst. Vorher würdest du keinen Frieden finden – vor allem wenn Glenkirk wieder aus Schottland zurück ist und Jasmine heiratet.«
»Jemmie will nicht am Hof bleiben, das hat er mir erklärt«, sagte der König zu seiner Frau. »Er sagt, er will den Herbst und den Winter auf Glenkirk und Frühjahr und Sommer auf den Gütern seiner Frau verbringen. Er muss Rücksicht auf den jungen Marquis von Westleigh nehmen und zumindest einen Teil des Jahres auf seinem Besitz bleiben. Und Jemmie möchte auch noch eigene Kinder haben.«
»Ja«, erwiderte die Königin. »Seine Söhne wären jetzt fast erwachsen, wenn sie nicht vor so langer Zeit mit ihrer armen Mutter hätten sterben müssen. Es ist so schrecklich, Jamie, und man hat die Mörder nie gefasst, nicht wahr?«
Der König schüttelte den Kopf. »Gott kennt sie, Annie, und eines Tages wird sie ihre gerechte Strafe ereilen. Er wird ein härteres Urteil über die Männer fällen, die ein Kloster niedergebrannt haben, nachdem sie die Frauen und Kinder darin vergewaltigt und ermordet hatten. Es war ein entsetzliches Verbrechen!«
Das königliche Paar schwieg einen Moment lang. Sie dachten am James Leslies liebenswürdige erste Frau, Isabella Gordon, und ihre beiden Söhne. Dann erhob sich die Königin vom Bett ihres Mannes und gab ihm einen zärtlichen Kuss.
»Gute Nacht, mein Lieber«, sagte sie. »Gott möge dir eine gute Nachtruhe schenken.« Sie knickste vor ihm und ging aus dem Zimmer. »Der König schläft jetzt«, sagte sie zu dem Gentleman vor dem Schlafzimmer, der die Nacht über Wache hielt. »Sorgt dafür, das er nur im äußersten Notfall gestört wird.«
»Jawohl, Euer Majestät«, sagte der Gentleman und öffnete die Tür, damit die Königin nebenan zu ihren eigenen Gemächern gelangen konnte. »Gute Nacht, Madame.«
»Gute Nacht«, sagte die Königin, ohne sich noch einmal umzublicken.
»Villiers wartet auf Eure Majestät«, sagte Lady Hamilton, eine ihrer Kammerfrauen, die die Königin begrüßte. »Ich habe ihn in Euer Privatgemach geführt, Madame.« Sie knickste.
»Sehr gut, Jane. Ich will ihn noch rasch empfangen, dann möchte ich für die Nacht bereit gemacht werden. Es war ein sehr langer Tag.« Die Königin trat in den kleinen holzgetäfelten Raum, in dem George Villiers auf sie wartete. Er saß am Kamin und wärmte seine Füße, sprang aber rasch auf, als er sie erblickte, und verbeugte sich. »Nun, Steenie«, sagte die Königin lächelnd, »St. Denis wird sich in Kürze auf dem Weg nach Hause befinden. Ihr werdet jedoch dem König gegenüber nichts erwähnen, bevor es nicht eine vollendete Tatsache ist. Er ist im Stande, seine Meinung von heute auf morgen zu ändern, wie Ihr wisst.«
»Das Geheimnis ist bei mir sicher aufgehoben«, erwiderte George Villiers. Angesichts des bevorstehenden Sieges schlug sein Herz schneller. Er würde den König nicht so enttäuschen wie sein Rivale oder wie Robert Carr.
»Wenn Ihr Euch gut benehmt«, fuhr die Königin fort, »und damit meine ich, dass Ihr Eurer Majestät absolut ergeben seid, dann könntet Ihr an Weihnachten Baron sein, Steenie. Und danach, wer weiß? Der Graf von Rutland und seine Tochter werden ebenfalls sehr erfreut sein, wenn Ihr vorwärts kommt, was?« Die Königin lächelte kokett.
»Eines Tages möchte ich mehr Bedeutung erlangen, als Rutland«, sagte George Villiers. Seine dunklen Augen funkelten.
Königin Anne lachte. »Was Ihr doch für ein böser Junge seid, Steenie, obwohl. Ihr so engelhaft ausseht. Wenn Ihr das Spiel weiter so geschickt spielt wie bisher, könntet Ihr wahrscheinlich eines Tages wirklich höher steigen als der Graf von Rutland. So hoch, dass es ihm wie eine große Ehre vorkommen wird, wenn Ihr seine Tochter heiratet«, schloss die Königin.
»Nein, Madame, Kate, würde ich eines Tages auch heiraten, wenn sie kein großes Vermögen besäße«, erklärte George Villiers.
»Aber was ist es doch für ein großes Glück für Euch, dass sie ein großes Vermögen besitzt«, erwiderte die Königin neckisch.
George Villiers grinste. »Ja, Madame, in der Tat, nicht wahr?«
Und beide lachten.