Читать книгу Das Erbe der Skye O'Malley - Bertrice Small - Страница 9
Belle Fleurs Winter 1615 1
Оглавление»Du kannst einfach nicht allein hier bleiben, Mama!« Willow, Lady Edwards, sagte es in jenem bestimmten Ton, von dem jeder wusste, dass er keinen Widerstand zuließ. Skye O’Malley de Marisco starrte aus dem Fenster ihres Zimmers. Es hatte leicht zu schneien begonnen, und der Schnee bedeckte bereits Adams Grab oben auf dem Hügel. Schnee war besser als der Anblick der frisch aufgeworfenen Erde. Er machte alles sanfter.
»Du bist bald fünfundsiebzig, Mama«, sagte Willow.
»Ich habe erst vor einem Monat meinen vierundsiebzigsten Geburtstag gefeiert, Willow.« Skye drehte sich nicht um und blickte weiter auf die Landschaft vor dem Fenster. Es wurde dunkel. Bald würde sie Adams Grab nicht mehr sehen können. Nicht bis zum nächsten Morgen.
»Eine Frau in deinem Alter sollte nicht mehr allein leben«, entgegnete Willow hartnäckig.
»Warum nicht?«
»Warum nicht?« Willow zögerte einen Moment. Sie war auf diese Frage nicht vorbereitet. »Es gehört sich einfach nicht für eine Frau, die so alt ist wie du.«
Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Skye drehte sich um und sah ihre älteste Tochter an. »Geh nach Hause, Willow«, sagte sie. »Ich möchte, dass du und deine Familie mich allein lassen, damit ich um meinen Mann trauern kann, mit dem ich zweiundvierzig Jahre verheiratet war. Seit Adams Tod vor vier Tagen habt ihr mir keine Ruhe gegönnt. Ich möchte endlich allein sein. Geh nach Hause.«
»Aber ... aber ...« Willow verstummte, als sie den wilden Blick ihrer Mutter sah.
»Ich bin nicht hilflos, Willow. Und ich habe nicht den Verstand verloren. Ich habe nicht vor, mein Haus aufzugeben, meine Dienstboten zu entlassen und zu irgendeinem meiner Kinder zu ziehen. Ich will hier auf Queen’s Malvern bleiben bis zu meinem Tod. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
Daisy Kelly, Skyes treue Dienerin, musste schmunzeln, während sie neben dem Kamin saß und den Saum eines Kleides ihrer Herrin flickte. Sie war erstaunt, wie wenig doch Willow ihre Mutter zu kennen schien, wenn sie annahm, Skye würde tatsächlich mitkommen und bei einem ihrer Kinder wohnen. Daisy wusste, dass sie nicht mehr die Jüngsten waren, doch sie und ihre Herrin fühlten sich durchaus in der Lage, für sich selbst zu sorgen.
»Aber Mama«, beharrte Willow, »Queen’s Malvern gehört dir nicht mehr. Es gehört dem jungen Herzog von Lundy, Charles Frederick Stuart.«
»Du glaubst wohl nicht im Ernst, dass entweder meine Enkelin oder des Herzogs Vormund, der Graf von Glenkirk, mich von hier vertreiben werden?«, sagte Skye. »Es scheint mir fast so, als hättest du den Verstand verloren.«
»Jemmie Leslie kam diesen Herbst zurück, Mama«, entgegnete Willow. »Er war sehr erzürnt darüber, dass er Jasmine in Frankreich nicht gefunden hat. Es werden im Frühjahr bereits zwei Jahre vergangen sein, seit sie ihn mit ihren Kindern verlassen hat.«
Skye musste kichern. »Ich weiß gar nicht, warum er sie nicht gefunden hat«, sagte sie. »Schließlich hat ihm Adam genau gesagt, wo er sie suchen muss. Andererseits habe ich sie durch einen Boten warnen lassen.«
»Mein Gott, Mama, wie konntest du nur?«, klagte Willow. »Du wirst dir den König zum Feind machen, wenn er von deinem Streit mit James Stuart hört. Reicht es denn nicht, dass du bereits mit der Königin, Bess, zerstritten bist? Hast du denn nichts in deinem Alter dazugelernt?«
»Das gute Mädchen ist zwei Ehen eingegangen, um die Familie zufrieden zu stellen«, sagte Skye bestimmt. »Ich hoffe, dass sie diesmal ihre eigene Wahl trifft. Niemand, nicht einmal der König, kann Jasmine an den Altar zwingen. Es war unsinnig von James Stuart und der Königin, überhaupt den Versuch zu machen.«
»Aber Jemmie Leslie liebt Jasmine, Mama«, sagte Willow leise.
»Ich weiß«, antwortete Skye, »aber das heißt nicht, dass Jasmine ihn liebt. Ich werde im Frühjahr nach Frankreich reisen und meiner Enkelin vom Tod ihres Großvaters berichten. Dann werden wir sehen, was sie entscheidet. Obwohl ich sie vermisse, soll allein sie die Wahl treffen.«
»Du willst nach Frankreich gehen?«, fragte Willow entsetzt.
»Wenn du behauptest, ich sei zu klapprig, um noch länger zu reisen, dann bekommst du eine Ohrfeige, Willow!« Skyes blaue Augen blitzten kampfeslustig.
»Das habe ich nicht gemeint«, antwortete Willow, obwohl sie genau daran gedacht hatte.
»Und wenn es aufhört zu schneien, gehst du nach Hause«, sagte Skye. »Du und die ganze Familie. Ich brauche Zeit, um ich mit dem Ableben Adams auseinander zu setzen. Ich muss allein sein. Ich weiß, dass du das nicht akzeptierst, aber es ist nun einmal so.«
Willow nickte, verbeugte sich vor ihrer Mutter und verließ den Raum, um in die Halle hinunterzugehen, wo sie ihre Familie und ihre Brüder und die Schwester erwarteten.
»Nun«, wollte der Graf von Lynmouth, Robin Southwood, wissen, »wird Mutter zu dir ziehen?«
»Sei still, Robin!«, giftete Willow zurück. »Ich hasse es, wenn du so sarkastisch bist. Mama ist immer widerspenstig, wenn man von ihr verlangt, vernünftig zu sein. Ich habe nichts bei ihr erreicht, wie du ganz richtig angenommen hast, aber ich musste es wenigstens versuchen. Sie möchte, dass wir alle abreisen, sobald es zu schneien aufhört.«
»Sollen wir sie wirklich allein lassen?«, fragte Angel, Gräfin von Lynmouth.
»Sie beharrt darauf«, sagte Willow.
»Ich kann sie verstehen«, meinte Deidre, Lady Blackthorne, die mittlere Tochter von Skye.
»Mama will keine Schwäche zeigen, nicht einmal ihren Kindern gegenüber. Hat sie je eine von euch weinen sehen? Wir fahren alle, sobald es möglich ist, nach Hause, dann kann sie endlich um Adam trauern.«
Ihre Kinder, die Männer und sogar Willow nickten.
»Der Sturm ist nicht so schlimm«, sagte Padraic, Lord Burke. »Er wird bald vorüber sein, wir sollten unsere Dienstboten packen lassen.«
»Mama will selbst nach Frankreich reisen, um es Jasmine zu sagen«, warf Willow ein. »Irgendwann im Frühling.«
»Hat jemand meine Mutter und meinen Vater verständigt?«, fragte Sybilla, Gräfin von Kempe, eine Enkelin der de Mariscos.
»Ich habe einen Tag nach dem Tod einen Boten geschickt«, sagte Robin Southwood zu seiner Nichte. »Zwar glaube ich nicht, dass er bei diesem Wetter schon Dun Broc erreicht hat, aber spätestens in ein paar Tagen wird Velvet wissen, dass ihr Vater gestorben ist.«
»Arme Mama«, sagte Sybilla leise, und ihr Mann legte zärtlich seinen Arm um ihre Schultern.
»Velvet wird erschüttert sein«, meinte Murrough O’Flaherty. »Sie hat Adam vergöttert. Wir alle haben ihn verehrt, nicht wahr? Er war der einzige Vater, an den wir uns alle erinnern können. Kein anderer Ehemann von Mutter lebte lange genug, als dass wir eine Erinnerung an ihn hätten.«
Alle nickten.
»Adam war ein Vater für uns«, sagte Lord Burke. »Und er war ein guter Vater. Wir haben sehr viel von ihm gelernt.«
»Glaubt ihr, dass Mama diesen Verlust überleben wird?«, fragte Deidre.
»Sie wird ihn bestimmt sehr vermissen«, antwortete Robin, »aber ich bin sicher, dass Skye O’Malley niemals aufgeben wird; sie hat auch die anderen ganz gut überlebt.«
»Da war sie aber noch jünger«, sagte Willow.
»Das stimmt«, gab Robin zu, »aber sie ist im Moment stärker denn je. Wir lassen sie jetzt allein in ihrer Trauer, dann werden wir sehen.«
»Ob sie wohl noch einmal heiraten wird?«, überlegte Valentina Burke.
»Niemals!«, rief Robin. »Da bin ich mir ganz sicher.«
Es hatte zu schneien aufgehört, als am nächsten Morgen die gesamte Verwandtschaft Queen’s Malvern verließ. Jeder einzelne verabschiedete sich von Skye, bevor er oder sie in die jeweilige Kutsche stieg, die sie nach Hause bringen würde.
»Du wirst mich sofort benachrichtigen, wenn du Hilfe brauchst, ja?«, sagte Conn O’Malley St. Michael, Skyes jüngerer Bruder.
»Wenn es nötig ist«, antwortete seine Schwester.
Conn schüttelte den Kopf. Seine Schwester war eine stolze Frau, trotzdem war er froh, dass er und seine Gattin, Aidan, nicht weit von hier wohnten.
»Cardiff Rose wird immer für dich da sein, Mama«, sagte Murrough O’Flaherty so leise, dass nur sie es hören konnte.
Skye nickte und küsste ihren zweitgeborenen Sohn und dessen Frau.
»Gott möge euch sicher nach Hause geleiten«, sagte sie.
»Ich weiß wirklich nicht, was ich noch zu dir sagen soll, Mama«, erklärte Willow, noch immer an ihre Auseinandersetzung vom Vortag denkend.
»Auf Wiedersehen genügt, Willow«, entgegnete Skye und küsste ihre Tochter auf die Wange. Sie wandte sich an ihren Schwiegersohn James. »Ich beneide euch wirklich nicht um die lange Reise.«
»Ich kann ganz gut unterwegs schlafen«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
»Das ist ein Glück«, erwiderte Skye und betrachtete ihre Enkelin Sybilla. »Bekommst du schon wieder ein Kind, Sibby?«
Sybilla lachte. »Ja, es sieht ganz danach aus. Das wäre dann das fünfte. Es sollte Anfang Juni so weit sein. Ich hoffe, meine Mutter freut sich darüber.«
Skye nickte. »Passt auf euch auf«, sagte sie zu Sybilla und ihrem Mann, Tom Ashburne, Graf von Kempe.
Deidre Burke hatte Tränen in den Augen, als sie sich von ihrer Mutter verabschiedete.
»Aber Deidre«, tröstete sie Skye, »du wohnst doch nahe genug, dass du mich immer besuchen kannst, wenn dir danach ist.«
Deidre schluckte hart und nickte, als ihr Mann, John ihr in die Kutsche half.
»Ich lasse dich nur ungern allein«, sagte Padraic Burke.
»Ich möchte es aber so«, antwortete Skye ihrem jüngsten Sohn. »Es sind genügend Familienmitglieder in der Nähe, wenn ich jemanden brauche.« Sie umarmte ihn. »Du bist wie dein Vater. Auch er hat immer gemeint, ich könne nicht auf mich selbst aufpassen. Aber das stimmt nicht, Padraic.«
»Komm in die Kutsche!«, rief Valentina, seine Frau, und winkte Skye noch einmal zu.
Als letzter war der Graf von Lynmouth und dessen Familie an der Reihe. Angel und die Kinder hatten sich bereits verabschiedet. Jetzt stand Robin Southwood vor seiner Mutter. »Versprichst du mir, dass du mir Bescheid sagst, bevor du etwas unternimmst?«, fragte er.
»Wahrscheinlich nicht, Robin«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Du und deine Ränke«, meinte Robin anklagend.
»Wie kannst du das nur behaupten? Es ist Jahre her, dass ich wirklich Ränke geschmiedet habe, Robin.«
Er musste lachen. »Ich kenne diesen Ausdruck an dir!« Dann wurde er ernst. »Ich bin froh, dass ich hierher gekommen bin und nicht unser Fest wie üblich in London gefeiert habe. Außerdem ist es dort inzwischen sehr teuer geworden.«
»Ich habe die Feste deines Vaters immer sehr genossen«, sagte Skye. »Besonders das Dreikönigsfest. Ich sehe noch immer das Schiff mit der Königin an Bord, wie es den Fluss aufwärts bis Lynmouth House fuhr. Das Dreikönigsfest hatte schon immer besondere Bedeutung für mich. Einmal war ich bei diesem Fest mit dir schwanger, Robin. Und weißt du noch, wie vor ein paar Jahren Jasmine beinah einen Skandal ausgelöst hat, weil sie von Sybilla mit Lord Leslie im Bett erwischt wurde? Und jetzt wird das Dreikönigsfest für immer mit dem Tod von Adam verknüpft sein.« Sie zog ihren Mantel enger um die Schultern. »Ich werde diesen Tag nie mehr genießen können.«
»Obwohl ich weiß, dass du allein sein willst, habe ich kein gutes Gefühl dabei«, sagte Robin und legte den Arm um sie.
»Ich bin im Moment etwas schwach, Robin«, gab Skye zu, »aber das wird vorbeigehen. Das war so bei deinem Vater, und ebenso bei Niall.«
Aber da hattest du noch Adam als Trost, dachte Robin. »Gib mir Bescheid, bevor du England verlässt«, sagte er. »Und sag meiner Nichte, dass sie nach Hause kommen soll.« Er küsste sie auf die Wange und drückte sie noch einmal an sich.
»Gute Reise, Robin«, sagte Skye und blickte dann der Kutsche nach, wie sie um eine Wegbiegung verschwand.
»Sie sind eine listige alte Frau«, sagte Daisy zu ihrer Herrin, als sie beide ins Haus zurückgingen. »Sie haben nicht die geringste Absicht, ihm mitzuteilen, wann Sie nach Frankreich reisen.«
Skye schmunzelte. »Natürlich nicht«, antwortete sie. »Wenn ich es Robin erzähle, wird er es an den Grafen von Glenkirk weitergeben, und der wird versuchen, mir zu Jasmine und ihren Kindern zu folgen. Nein, kein Sterbenswörtchen wird er von mir erfahren!«
»Er wird es dem Grafen ohnehin sagen, wenn er in den nächsten Tagen nach London kommt«, meinte Daisy.
»Aus diesem Grund werde ich da schon auf dem Weg nach Frankreich sein«, sagte Skye. »Sie werden mich nicht dazu bringen, dass ich Jasmine zwinge, hierher zurückzukommen – nicht, wenn sie es nicht selbst will.«
»Sie können es nicht lassen«, antwortete Daisy und kicherte. Dann wurde sie ernst. »Aber wie steht es mit der Trauer um Ihren Gatten, wenn Sie auf der Reise sind?«
»Ich muss nicht auf Queen’s Malvern bleiben, um zu trauern, Daisy. Adam wird immer bei mir sein, wo ich mich auch aufhalte.«
»Ich werde heute noch packen, Mylady«, sagte Daisy. »Und ich hoffe auf eine ruhige See, wenn wir den Kanal nach Frankreich überqueren.«
»Du musst nicht mit mir kommen, Daisy. Ich kann eines der jüngeren Mädchen mitnehmen, das mir zur Hand geht. Ich denke Martha wäre die Richtige, was meinst du?«
»Um Himmels willen!«, rief Daisy entsetzt. »Diesmal werden Sie nicht ohne mich fahren, Mylady. Wir beide sind gleich alt. Und wenn Sie noch so weit reisen können, dann kann ich es auch. Martha! Das freche Gör ist schlampig und nicht einmal in der Lage, sich um ein kleines Kind zu kümmern. Martha!«, wiederholte Daisy mit Verachtung. Dann ließ sie Skye stehen und ging weg, um für die Reise zu packen.
Skye hatte noch immer ihren Mantel an. Sie zog die Kapuze hoch, ging aus dem Haus und watete durch den knöcheltiefen Schnee den Hügel hoch zum Grab ihres Mannes. Ein schlichtes Holzkreuz stand an der Grabstelle, wo später ein Steinmonument errichtet werden sollte. Sie blieb stehen und starrte auf den Erdhügel.
»Nun, alter Mann«, sagte sie sanft, »du hast uns Feiertage beschert, an die wir uns noch lange erinnern werden. Wie konntest du mich nur verlassen, Adam?« Sie seufzte tief. »Ich weiß, es war nicht dein Fehler. Und jetzt sind sie alle fort. Eigentlich ist mir gar nicht klar, warum mich gerade Willow so aufregt. Ja, ja, sie meint es gut, das weiß ich, aber du kennst mich doch und weißt auch, dass ich es nicht leiden kann, wenn jemand versucht, mein Leben zu bestimmen. Drei Töchter! Eine, die ständig den Mund offen hat. Die andere eine graue Maus, und die dritte in Schottland. Mein Gott!«
Ein leichter Wind zupfte am Pelzbesatz ihrer Kapuze, und Skye lächelte nachdenklich. »Versuch ja nicht, mir zu widersprechen, Adam de Morisco«, sagte sie. »Du weißt, ich habe Recht. Keine meiner Töchter gleicht mir. Nur Jasmine kann mir das Wasser reichen. Ich muss dich nun für eine Zeit lang verlassen, um nach Frankreich zu reisen. Sie weiß noch gar nicht, was mit dir geschehen ist. Sie genießt ihre Freiheit, aber sie wird nicht zur Ruhe kommen, bevor sie ihren Frieden mit Lord Leslie gemacht hat. Du hattest Recht, alter Mann. Ich hätte sie schon früher auffordern sollen, nach Hause zurückzukehren, anstatt sie in ihrer Rebellion zu unterstützen. Ja, Adam, ich kann dich genau hören, wie du jetzt über mein Zugeständnis lachst. Du warst selten klüger als ich, aber diesmal muss ich dir Recht geben.«
Zwei Tage später bestieg der Kutscher Thistlewood im Morgengrauen den Kutschbock, wo sein Gehilfe bereits wartete. »Nun, mein Junge«, sagte er, und sein Atem bildete in der Kälte kleine Wölkchen, »wir reisen also nach Frankreich. Wenigstens wird es ein schöner Tag, aber bei Gott, es ist kalt! Bist du so weit?« Und als sein Gehilfe nickte, schwang er die Peitsche. Die Kutsche fuhr los, die Auffahrt hinunter und auf die Hauptstraße zu.
Im Whitehall Palast in London traf der Earl von Lynmouth auf seinen Freund, den Earl von Glenkirk. »Bist du bereit, ein störrisches Füllen zur Räson zu bringen, Jemmie?«, fragte er mit einem Grinsen im Gesicht.
»Du weißt also, wo sie ist?«, antwortete James Leslie mit kaltem Unterton.
»Nein, aber wenn du schnell bist, weiß ich, wie du sie finden kannst«, sagte Robin Southwood. Dann erzählte er, dass sein Schwiegervater gestorben war, und dass Skye erwähnt habe, sie wolle nach Frankreich, um es Jasmine zu berichten.
»Im Frühjahr?«, sagte James Leslie. »Dann ist noch genügend Zeit.«
»Meine Mutter sagte im Frühjahr, aber sie ist hinterlistig wie immer. Ich würde wetten, dass sie bereits in diesem Moment auf dem Weg zur Küste ist, weil sie genau weiß, dass ich nach London gefahren bin und dich hier treffen und es dir sagen werde. Ich habe zwei Reiter auf meinen Bruder Murrough angesetzt, der nicht, wie er behauptete, nach Hause geritten ist, sondern nach Harrow. So berichteten mir heute meine Informanten. Mama will von dort aus nach Calais. Du musst also so schnell wie möglich nach Dover und versuchen, ihr von dort aus zum Versteck meiner Nichte zu folgen.«
Der Earl von Glenkirk schloss seine grünen Augen und dachte nach. Durch Robin Southwood würde er endlich auf die Spur der aufsässigen Witwe Jasmine de Marisco Lindley kommen. Einer Frau, die er einst meinte zu lieben und die er nun aus tiefstem Herzen zu hassen bereit war, nachdem sie ihn in aller Öffentlichkeit vor Gericht lächerlich gemacht hatte, als er sie nach dem Gesetz zu seiner Ehefrau machen wollte. Noch schlimmer, sie hatte auch den Enkel des Königs, den Sohn des verstorbenen Prinzen Henry, mit sich genommen. Doch der König hatte Lord Glenkirk als dessen legalen Vormund eingesetzt. Und jetzt endlich, nach zwei Jahren, hatte er die Chance, Jasmine zu fassen!
Er wusste schon seit langem, dass sie sich in Frankreich aufhielt, aber drei Versuche, sie dort dingfest zu machen, waren fehlgeschlagen, nachdem sie jeweils von Verwandten. Wind bekommen hatte, dass er ihr auf der Spur war. Sie hatten ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel mit ihm getrieben, und immer hatte Jasmine erfahren, dass er ihr auf den Fersen war und mit ihren Kindern rechtzeitig die Flucht ergriffen. Diesmal würde es anders sein, denn er konnte der alten Skye folgen, die ihn direkt vor das Haus Jasmines führen würde. Er grinste voller Vorfreude.
»Noch etwas, Mylord«, fügte der Graf von Lynmouth mit ernstem Unterton hinzu. »Charles Frederick Stuart ist jetzt Herzog von Lundy, aber Queen’s Malvern ist das Haus meiner Mutter, und das seit Jahrzehnten. Du kannst, auf welche Art auch immer, Rache nehmen an Jasmine, aber behandle meine Mutter mit Respekt und Anstand. Und lasse ihr ihren Besitz! Wenn du das nicht tust, wirst du mit mir Streit bekommen. Denk daran, dass BrocCairn, ihr Schwiegersohn, mit dem König verwandt und zugleich Jasmines Stiefvater ist. Vergiss auch nicht Alcester, Kempe und Lord Burke. Sie alle werden nicht gut auf dich zu sprechen sein, wenn du meiner Mutter in irgendeiner Form Schaden zufügst.«
Der Graf von Glenkirk schenkte ihm ein eisiges Lachen. »Ich weiß nur zu gut um Madame Skyes familiäre Verbindungen, Robin. Ich habe auch keinerlei Streit mit deiner Mutter, obwohl ich glaube, dass sie mehr in diese Geschichte verwickelt ist, als wir beide ahnen. Außerdem weißt du doch, dass Queen’s Malvern in jedem Fall ihr gehört, es ist nicht im Erbe enthalten.«
»Eben doch!«, rief Robin. »Sie und Adam kauften es vor Jahren von der Königin. Bess hatte nie genug Geld. Als es noch königlicher Besitz war, verpachtete sie es an die beiden, und als Bess ihre Schulden nicht mehr zahlen konnte, verkaufte sie es an meine Mutter und Adam. Sie brauchte immer Bargeld.«
»Dann musst du dir wohl Sorgen machen, dass deine Mutter bald bei dir einzieht«, versuchte Glenkirk seinen Freund zu hänseln.
»Bei mir einzieht!« Robin lachte. »Meine Schwester hat schon versucht, Mama zu überreden, nicht mehr allein zu leben und bei ihr zu wohnen. Ich muss dir wohl kaum schildern, was meine Mutter dazu gesagt hat! Seit ihrer Geburt hat sie gemacht, was sie für richtig hielt, und das wird sie beibehalten bis zu ihrem letzten Tag. Aber ich bin nicht einmal sicher, dass Gott sie so schnell bei sich haben will.«
Glenkirk lachte lauthals. »Da könntest du allerdings Recht haben«, sagte er.
Robin Southwood reiste nach diesem Gespräch mit seiner Familie von London nach Hause in Devon. Dort war gerade eine Stunde vor ihm sein Gefolgsmann eingetroffen.
»Ihre Ahnung hat sich bestätigt, Mylord«, sagte der Diener. »Die Cardiff Rose liegt im Hafen von Harwick und soll heute noch bei Flut auslaufen. Ihre Mutter wird an Bord erwartet. Ich habe ihre Kutsche vor zwei Tagen überholt.«
»Glaubst du, dass James Leslie Jasmine diesmal finden wird?«, fragte Angel, die Gräfin von Lynmouth, ihren Mann.
»Wenn er nicht trödelt, kann er von Dover aus vor meiner Mutter in Calais sein«, antwortete Robin. »Sogar mit gutem Wind braucht Mama die ganze Nacht für die Überfahrt. Von Dover aus geht es viel schneller.«
»Warum hat nicht auch sie diesen Weg genommen?«, fragte Angel.
»Weil Mama nicht in die Nähe von London kommen wollte, um nicht von irgendjemandem erkannt zu werden. Sie wollte lieber die längere Strecke nehmen, als ein Risiko einzugehen. Doch diesmal, so fürchte ich, wird ihr Plan nicht in ihrem Sinne aufgehen.«
»Aber Jemmie wird sich ganz bestimmt erst dann bei ihr zu erkennen geben, wenn er genau weiß, wo Jasmine steckt«, sagte Angel.
»Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung was er vorhat. Klar ist nur, dass Jasmine sich einen Feind aus dem Mann gemacht hat, der ihr Ehegatte werden soll. Sie wird sich sehr anstrengen müssen, um ihn wieder für sich einzunehmen.«
»Ich glaube eher, dass James Leslie sich bemühen und seinen Stolz zurückstellen sollte, sonst wird ihr gemeinsames Leben zur Hölle.«
Robin lachte. »Du bist eine weise Frau, Liebling«, sagte er. »Und du klingst schon fast wie meine Mutter.«
»Mein Gott, Robin, was für ein schönes Kompliment.« Angels Augen blitzten schalkhaft.
Er kicherte. »Bei jeder anderen Frau würde ich glauben, dass sie mich auf den Arm nehmen will, meine Liebe, aber bei dir weiß ich, dass du über den Vergleich mit meiner Mutter wirklich glücklich bist.«
Angel nickte. »Sie ist tatsächlich eine großartige Frau, Robin.«
»Ja, das stimmt. Aber sie ist ganz gewiss durch ihr Alter nicht einfacher geworden.« Wieder kicherte er. »Ich beneide James wirklich nicht, wenn er es mit diesen beiden zu tun kriegt.«