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Lisa wartete draußen vor der Scheune, während Tom den Stacheldraht und das Werkzeug verstaute. Sie rührte auch keinen Finger, als er das alte Holz neben BigWams Feuerstelle aufschichtete. Sie verstand nicht, warum ihr Rücken so steif war und schmerzte. Schließlich arbeitete sie im Garten auch in gebückter Haltung. Sie rieb sich das Kreuz und schaute sich um. Erst jetzt bemerkte sie, dass niemand zu sehen war. Der Hof wirkte verlassen. Rufus war weg, die Kette achtlos hingeworfen.

„Wo ist Rufus?“, fragte sie, ohne eine Antwort zu erwarten.

„Die Kinder sind vermutlich mit ihm spazieren gegangen. Den ganzen Tag angekettet zu sein, macht jeden depressiv.“

Lisa lachte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rufus depressiv ist. Der ist aggressiv.“

„Viele sind wütend, wenn sie traurig sind. Wut ist besser als Trauer.“ Tom begann, das Holz umständlich umzuschichten.

„Wie kann man wütend sein, wenn man traurig ist?“

„Warst du noch nie wütend?“

„Natürlich. Was soll die Frage?“

„Dann weißt du, dass Wut oft die Folge von Trauer ist.“

„Hat dir das BigWam beigebracht?“, fragte sie schnippisch.

Tom legte das letzte Stück Holz auf den Stapel und klopfte sich dann die Hände an der Hose ab. „Wer sonst?“

Auf einmal ging ihr ein Licht auf. BigWam hatte ihm auch schon geholfen. Darum hatte Tom also gewusst, dass BigWam auch ihr würde helfen können. Beinahe hätte sie sich bei ihm dafür bedankt und wusste im Nachhinein nicht, warum sie es nicht getan hatte.

Vom Flur aus hörte sie das Wasser in der Küche rauschen. Agnes, dachte sie, doch es war Dave, der in der Küche vor der Spüle stand und Zucchini wusch. Er trug die Schürze mit den vielen bunten Tupfen. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Tupfen Kinderhände waren. Auf Brusthöhe prangten zwei große dunkle Hände. Auf dem Teller neben Dave lagen gewürfelte Tomaten und Peperoni.

„Hast du den Indianer gesehen? Ich hab ihm Holz für sein Lagerfeuer gebracht“, sagte Tom.

„Nein, habe ihn schon eine Weile nicht zu Gesicht bekommen“, gab Dave missmutig von sich.

„Was machst du da?“ Tom schaute seinem Bruder über die Schultern.

„Wie du siehst, putze ich das Gemüse.“

„Hast du das schon mal gemacht?“, fragte Tom.

Dave brummte irgendetwas.

„Wo ist Agnes?“, fragte Lisa.

„Sie hat Migräne“, antwortete Dave.

„Sie hatte doch noch nie Kopfschmerzen. Sie wird doch nicht krank werden?“, sagte Tom.

Dave schwieg, zuckte nur mit den Schultern und putzte weiter das Gemüse.

Lisa setzte sich auf die Bank und stöhnte leise. Das gebückte Arbeiten hatte ihrem Rücken nicht gutgetan. Sie legte sich der Länge nach auf die harte Sitzfläche, zog beide Beine an und drückte sie gegen ihre Brust. Die Dehnung auf der festen Unterlage brachte Erleichterung.

„Was gibt es denn zu essen?“, fragte Tom.

Lisa kreiste die Beine. Ihr war es egal, was es zu essen gab. Sie hatte keinen Hunger, war einfach nur müde und sehnte sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder nach einem heißen Bad.

„Was wohl? Gemüse. Ich soll es einfach mal putzen und klein schneiden.“

„Ich wusste nicht, dass du kochen kannst“, sagte Tom.

„Wusste ich auch nicht. Ist laut Agnes kinderleicht.“ Dave lachte grob.

„Sag mal, muss das so unregelmäßig sein?“

„Sie hat gesagt, ,ungefähr gleich groß‘. Hast du das schon desinfiziert?“, fragte Dave und wies mit dem Kinn auf Toms Wunde.

„Ja, mach ich noch. Das dauert ja eine Ewigkeit, bis du das Gemüse fertig geschnitten hast.“

„Du darfst gern übernehmen“, brummte Dave.

Die Unterhaltung hatte aufgehört. Lisa zog die Beine abwechselnd Richtung Brust. Die Dehnung löste die Verspannung im Kreuz. Sie schrie auf, als plötzlich die Schürze auf ihrem Kopf landete und zu Boden glitt.

„Was soll das? Vergesst es, ich kann nicht kochen“, rief sie und stöhnte, als sie ein Bein fest zu sich zog.

„Du hast Agnes immer beim Kochen zugesehen“, sagte Dave.

„Hab’ ich nicht. Ich kann nur den Tisch decken.“ Lisa setzte sich auf und angelte nach der Kochschürze. Sorgfältig faltete sie sie zusammen und strich einmal darüber. Das waren bestimmt Roys und Kevins bunte Hände. Wie alt sie da wohl gewesen waren? Dann hörte sie ihren Namen und blickte hoch. Sie verkniff sich ein Lachen. Beide Brüder schauten sie mit demselben Gesichtsausdruck an. Als sie sich von der Bank erhob, legte sie die Hände ins Kreuz; vielleicht hatte sie es mit dem Dehnen übertrieben. Die Füße zog sie schwer hinter sich her. Schmerzvoll verzog sie das Gesicht, als sie mit den Fingern die kritische Stelle im Kreuz fand.

„War wohl ziemlich anstrengend“, sagte Tom und grinste schief.

„Du hast mich auch wie einen Sklaven schuften lassen. Die Holzlatten waren schwer.“

„Welche Holzlatten?“, fragte Tom.

„Die ich schleppen musste.“ Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Du meinst die paar Pfähle, die du zum Auto getragen hast?“

Sie presste den Mund zusammen und stellte sich zu Dave. Maude hatte recht – ihr Bruder Tom konnte ein richtiges Ekel sein. Mit ihm wollte sie nie mehr sprechen, ihn nicht einmal mehr ansehen.

Dave streckte vor lauter Konzentration die Zungenspitze heraus. Mit einem langen, scharfen Messer viertelte er auf einem fleckigen Schneidebrett die Kartoffeln. Lisa wollte schon etwas sagen wegen des zu großen Messers, als Dave einen Fluch ausstieß und sie zur Seite schob. Blut tropfte auf die Schälabfälle im Spülbecken.

„Leute, ich bin raus“, sagte er und hielt seinen verletzten Zeigefinger unter das fließende Wasser. „Einer von euch muss übernehmen.“ Er hob die Hand in die Luft. Blut rann am Zeigefinger entlang, über die Handfläche hinunter bis zur Armbeuge.

„Das hast du doch mit Absicht gemacht.“ Tom nahm die Schürze vom Tisch und band sie Lisa um die Taille. Sie ließ es geschehen, starrte wie hypnotisiert auf die rote Spur und hätte beinahe den hellen Streifen Haut am Ringfinger übersehen.

„Ist was?“, fragte Dave, als er ihren Blick bemerkte.

„Du blutest“, sagte sie mit zittriger Stimme und zwang sich, nicht die ganze Zeit auf die blanke Stelle an seinem Finger zu starren.

„Was du nicht sagst“, brummte Dave und verließ die Küche. Sie hörte, wie er die Treppe hochstampfte.

„Was ist mit Dave und Agnes los?“ Sie hatte bereits vergessen, dass sie nie mehr mit Tom sprechen wollte.

„Nichts, warum?“ Er sah sie lange an.

„Ach, nur so“, murmelte sie und schaute zur Spüle. Daves Ehering war nicht dort. Sie suchte die ganze Arbeitsfläche ab. Auch auf dem Fenstersims lag er nicht. Wenn nicht zum Kochen, warum hätte er sonst den Ring abgenommen? War Dave dahintergekommen, dass zwischen Agnes und BigWam etwas lief? Sie schlurfte zur Bank und setzte sich hin. Was genau hatte sie in jener Nacht erfahren? Sie hatte so viel Angst gehabt, erwischt zu werden, dass sie dem Wortlaut nicht genau hatte folgen können. Sie kratzte einen eingetrockneten Fleck auf der Schürze weg.

„Was machst du da? Du musst weiterhelfen“, unterbrach Tom mit lauter Stimme ihren Gedankengang.

„Ich brauche eine Pause.“ Um zu zeigen, wie erledigt sie war, legte sie den Kopf auf ihre Arme und seufzte tief.

„Ach komm, das war nicht viel Blut“, sagte Tom.

„Und du?“ Sie blickte hoch und schaute ihn an. „Du lebst doch allein. Warum kochst du nicht für uns?“

„Ich? Ich koche nicht.“ Er machte eine Pause. „Ich lass’ mir meistens etwas ins Haus liefern oder schieb mir ’ne Pizza in den Ofen.“ Er schaute auf die großen dunklen Hände auf der Schürze. Sie lagen direkt auf ihren Brüsten.

„Au ja! Hamburger und Pommes!“, rief Kevin und klatschte vor Freude in die Hände.

Lisa zuckte zusammen. Woher war der denn jetzt gekommen? Die Kamera steckte in einer Hülle und hing ihm um den Hals.

„Gute Idee. Warum nicht.“ Tom klopfte seinem Neffen auf die Schulter.

„Kommt nicht infrage!“

Diesmal war es nicht allein Lisa, die zusammenzuckte. Agnes stand mit eng umschlungenen Armen in der Tür. Ihre Augen waren eingefallen. Das sonst so lockige Haar hing ihr kraftlos ins Gesicht.

„Solange wir frisches Gemüse aus dem Garten haben, essen wir zu Hause.“ Agnes trat ans Spülbecken und blickte auf die Abfälle; ohne etwas zu sagen, schaute sie jeden in der Küche an.

„Du bist so gemein.“ Kevin zitterte am ganzen Körper. Er rempelte seine Mutter an. „Schlampe“, flüsterte er – laut genug, dass es alle in der Küche hörten. Schnell rannte er aus dem Haus. Die Haustür fiel mit voller Wucht ins Schloss. Die Vibration war bis unters Dach zu spüren.

„Verdammt noch mal, was ist hier los?“ Dave trat in die Küche. Er hatte seinen Zeigefinger verarztet und hielt ihn in die Luft. Als er Agnes sah, wurden seine Augen eng.

Agnes legte ihm die Hand auf den Arm. „Hast du dich verletzt?“

Er schob ihre Hand weg, ging wortlos zur Spüle und räumte die Gemüseabfälle mit einer Hand in den Komposteimer.

Agnes kehrte sich um und verschwand. Die Schlafzimmertür knallte. Lisa hielt den Atem an. Dave verschwand mit dem Abfalleimer durch die Küchentür und gab ihr von außen einen kräftigen Tritt. Nach diesem dritten Türknallen hatte Lisa das Gefühl, das ganze Haus hinge schief. Sie suchte Toms Blick. Die einzige Antwort, die sie erhielt, war ein ahnungsloses Schulterzucken.

„Agnes ist heute wirklich schräg drauf“, sagte Tom.

„Sie hat noch nichts von BigWam gehört“, erklärte Dave, der gerade wieder hereinkam. Eine Kartoffelschale klebte an seinem Ärmel.

„Ich versteh’ die Aufregung nicht, BigWam war auch schon mal länger fort.“

Dave knallte den leeren Eimer auf die Küchenablage. „Bisher hat er uns aber informiert, wenn er länger wegblieb, und er antwortete auch auf SMS.“

„Warum bist du so wütend?“

„Ich bin nicht wütend!“, schrie Dave.

„Verdammt nochmal! Reiß dich zusammen!“

„Reiß dich zusammen? Wer bist du? Mein Vater?“ Daves Schultern wurden steinhart.

Die Brüder standen einander mit geballten Fäusten und gereckten Köpfen gegenüber.

„Hört auf der Stelle auf!“ Lisa hielt mit beiden Händen ihre heißen Wangen. „Ich will nicht, dass Agnes heute nochmal in der Tür steht. Habt ihr nicht gesehen, wie sie aussieht? Ich glaub’, es geht ihr wirklich schlecht.“ Dabei ging es ihr nicht um Agnes. Sie hatte Angst, die beiden Brüder würden sich gegenseitig die Köpfe einschlagen.

Dave verließ mit raschen Schritten die Küche durch die Tür, durch die er eben zurückgekommen war, und ließ sie offen stehen.

Von draußen vernahm Lisa etwas, das nur sie hören konnte: Die Blumen riefen leise nach ihr. Sie zog die Bändel der Schürze auf und blickte hinaus. Was war los mit ihnen? Lisa hatte den Eindruck, dass die Blätter welk aussahen. Hatte sie ihnen zu wenig Wasser gegeben? Sie musste nachsehen. Sie warf die Schürze über den Stuhl. Schon beim Gedanken an den Garten ließen die Rückenschmerzen nach.

„Wo willst du hin?“

Sie blieb bei der Tür stehen und drehte sich um. Toms Blick war auf sie gerichtet. Sie sah das Braun in seinen Augen – und sah es auch noch, als sie ihre Lider schloss. Langsam hob sie die Hand und zeigte nach draußen. Als sie die Augen öffnete, stand er direkt vor ihr.

„Nichts da“, sagte er nah an ihrem Gesicht. „Jetzt wird gekocht.“ Er zog die Tür hinter ihr zu.

Sie schaute durch die Fenster zu den Blumen.

„Was hast du?“ Er sprach nah an ihrem Ohr.

Dein Bruder trägt den Ehering nicht mehr, hätte sie gerne gesagt. „Es ist komisch, wenn ich jetzt an Agnes’ Stelle kochen soll“, antwortete sie stattdessen.

Tom nahm die Schürze vom Stuhl und band sie sich selbst um. „Machen wir Hamburger“, sagte er und berührte kurz ihre Schulter als er zum Kühlschrank ging.

„Ich dachte, du kannst nicht kochen.“

„Komm her und hilf mir.“ Tom öffnete das Tiefkühlfach, holte Hackfleisch heraus und taute es in der Mikrowelle auf. Dabei ging er so routiniert vor, dass Lisa ihm das Nicht-kochen-Können kaum mehr abnahm.

Lisa schnitt Zwiebelringe, bis sie weinen musste. Tom würzte das Fleisch, und Dave stand auf einmal wieder in der Küche und schaute den beiden zu. Dann setzte er sich wortlos auf die Bank und hob den verletzten Finger in die Luft. Das Pflaster war mit Blut getränkt. Tom formte Pattys, legte sie auf einen Teller, bestäubte alles mit Mehl. Dann begann er, die restlichen Kartoffeln zu vierteln.

„Wenn du so weitermachst, hackst du dir noch den Finger ab“, bemerkte Dave.

Tom grinste und schüttelte den Kopf. „Es haben nicht alle zwei linke Hände wie du.“

„Ich rede aus Erfahrung und sehe, wie gefährlich nah du am Finger vorbeischneidest.“

„Aus deiner Perspektive mag es gefährlich aussehen. Keine Sorge, ich hab alles im Griff.“

Schließlich schnitt sich Tom doch noch in den Finger, und Lisa, die kein Blut sehen konnte, musste ihn verarzten. Er stützte sie, als sie ihm das Pflaster auf die Wunde klebte. Dann wollte er auch noch, dass sie ihm den Arm desinfizierte.

„Selber schuld“, meinte er, „jetzt musst du schauen, dass alles wieder in Ordnung kommt.“ Sie wusste nicht, was genau er meinte, und fragte auch nicht nach.

Jeder wollte den Hamburger anders gebraten haben, und Roy heulte, weil es keine Pommes dazu gab.

Dave und Tom beugten sich über ihre Teller und hörten sich die Geschichten der Kinder an. Roy meinte, eines der Hühner sei krank, und Kevin zeigte ihnen auf seiner Kamera die neusten Bilder. Mit den erhobenen Zeigefingern sah es aus, als wollten Dave und Tom sich wie in der Schule zu Wort melden. Doch sie blieben stumm und hörten aufmerksam zu. Und sie sagten auch dann nichts, als Roy die Kartoffeln liegen ließ und sich kein Gemüse auf den Teller schöpfte. Er war als Erster fertig mit dem Essen. Ungeduldig zappelte er mit den Beinen und seufzte übertrieben lang, als sein Vater sich als Einziger noch einen Nachschlag Gemüse holte.

Tom erzählte von der traurigen Erna und der neugierigen Zazah. In dem Moment, als alle anderen lachten und zu Lisa blickten, fiel Daves Fassade. Für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein Ausdruck auf seinem Gesicht, der Lisa verstörte. Sie hatte Wut und Trauer erwartet, sah jedoch blanke Hoffnungslosigkeit.

„Lisa.“

„Was?“ Eines der Kinder hatte ihren Namen gerufen.

Kevin legte die Hand auf seine Kamera und lächelte sie an. „War es anstrengend, den Zaun zu reparieren?“, fragte er unschuldig.

„Ja, sehr“, gestand sie.

„Wärst du nicht einfach verschwunden, hätte ich nicht Lisa fragen müssen“, mischte sich Tom ein.

„Ich wusste nicht, dass du den Zaun reparieren wolltest“, erwiderte Kevin und schaute seinen Onkel frech an.

„Doch, das wusstest du.“ Tom zeigte mit dem verletzten Finger auf seinen Neffen. „Du hast dich verkrochen. Wie jedes Mal, wenn es was zu tun gibt. Ich frage mich, wo du dich die ganze Zeit herumtreibst.“

„Du hast mir nichts zu sagen. Du bist nicht mein Vater“, blaffte Kevin.

„So spricht man nicht mit Erwachsenen. Willst du, dass ich dir die Kamera wegnehme?“ Daves Stimme donnerte über den Esstisch.

Kevin presste die Kiefer zusammen.

„Willst du das?“, bohrte Dave nach.

„Nein“, sagte Kevin kleinlaut und ließ den Kopf hängen.

Die Stimmung war gekippt. Keiner sprach mehr eine Silbe. Alle starrten in ihre Teller, nur Dave aß verbissen weiter. Roy warf seinem Vater immer wieder Blicke zu, und als dieser nie hochschaute, nur mit grimmigem Gesicht weiterkaute, begann er, die Kartoffel in seinem Teller klein zu schneiden. Das Messer auf dem Teller war das einzige Geräusch in der Küche.

Plötzlich schob Dave den Stuhl krachend zurück, stand auf und verließ die Küche.

„Was hat Dad?“, fragte Roy leise.

Lisa drückte ihn an sich. „Roy, du hast noch kein Gemüse gegessen.“ Sie strich ihm mit kreisenden Bewegungen über den Rücken.

„Lass ihn doch.“ Tom stand auf. „Hast du nicht von einem kranken Huhn gesprochen? Komm, wir schauen mal nach ihm.“ Tom streckte seinem Neffen die Hand entgegen.

Als die beiden weg waren, rutschte Kevin vom Stuhl und verließ mit hängendem Kopf die Küche. Lisa schaute ihm nach und sah ihn ganz allein draußen stehen. Er stellte die Kamera vor eine welke Blume. Dann sah er sich um, griff nach etwas Kleinem und setzte es auf die Pflanze. Es war wohl lebendig, denn es wollte nicht still sitzen: Immer wieder versuchte Kevin vorsichtig, das Insekt zum Bleiben zu bewegen.

Lisa löste sich von der Szenerie und machte sich daran, die Küche aufzuräumen. Sie erledigte den Abwasch, putzte den Herd und war gerade mit dem Aufräumen der Pfannen beschäftigt, als die Tür leise aufging und Tom hereinkam.

Bist du noch nicht fertig?“, fragte er und trat hinter sie.

Sie schüttelte den Kopf und verstaute die letzte Pfanne. „Statt mich zu hetzen, was du sehr gut kannst, solltest du mir lieber helfen.“

„Was gibt es noch zu tun? Du hast bereits alles gemacht“, sagte er.

„Der Tisch muss noch abgewischt werden.“ Sie hielt ihm den Lappen hin.

Er legte ihr die Hände auf die Schultern und fing an, sie zu massieren. Sie schloss die Augen und atmete zufrieden aus.

„Du bist ganz schön verspannt.“ Tom drückte seinen Daumen fest in die harte Stelle.

„Au!“ Lisa zuckte zusammen.

Tom entschuldigte sich. Seine Hände lagen weiter auf ihren Schultern. „Warum hat Rufus mitten in der Nacht gebellt?“, fragte er leise.

Sie drehte sich zu ihm und sah ihn mit den gleichen Augen an, mit denen sie ihre Mutter oftmals angeschaut hatte. „Was meinst du genau?“, fragte sie.

„Du weißt genau, was ich meine.“

Was wusste er? Sein Gesicht war ruhig und ernst, der Mund diesmal nicht zu einem spöttischen Grinsen verzogen.

„Vielleicht war ihm zu heiß?“, sagte sie und hielt seinem forschenden Blick stand. Langsam strich sie sich eine Strähne hinters Ohr. „Mir war es auf jeden Fall zu heiß.“ Erst als sie sein anzügliches Grinsen wahrnahm, wurde ihr bewusst, was sie soeben gesagt hatte. Auch ohne Spiegel war ihr klar, dass ihr Gesicht rot glühte. Fluchtartig verließ sie die Küche. Tom rief ihr hinterher, doch sie hastete weiter die Treppen hoch und verschanzte sich in ihrem Zimmer. Sie ließ sich aufs Bett sinken. Ich wollte doch noch in den Garten, dachte sie. Sie blieb in ihrer Kammer.

Rosa-weiße Marshmallows

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