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1. Begriff der Zwangsvollstreckung

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Das Zwangsvollstreckungsrecht regelt das Verfahren der staatlichen Durchsetzung von gerichtlich oder anderweitig in ausreichender Weise festgestellten Gläubigerrechten. Man kann bei der Rechtsdurchsetzung letztlich drei Phasen unterscheiden. Während das Zivilrecht bestimmt, ob ein bestimmtes Recht einem Rechtssubjekt zusteht, ist es die erste wesentliche Aufgabe des Zivilprozessrechts, das Recht gerichtlich oder durch einen förmlich dokumentierten Titel festzustellen (Erkenntnisverfahren). Als zweite Aufgabe des Zivilprozessrechts kommt dem Zwangsvollstreckungsrecht die Funktion zu, den festgestellten Anspruch mithilfe staatlichen Zwangs durchzusetzen. Ein Zwangsvollstreckungsverfahren ist notwendig, weil die Rechtsordnung – mit nur engen Ausnahmen, wie § 859 II BGB – keine Selbstjustiz erlaubt, der Bürger also aufgrund des staatlichen Zwangsmonopols sein Recht nicht selbst durchsetzen kann und zwar auch dann nicht, wenn ein Gericht es bereits rechtskräftig festgestellt hat[1].

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Der Gläubiger ist daher zur Verwirklichung seines Anspruchs auf die Hilfe des Staats angewiesen. Er hat bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen sogar einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch gegen den Staat auf Vollstreckung gegen den Schuldner, der Teil des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 101 I 2, 103 I GG ist[2].

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Um die Hilfe des Staats bei der Vollstreckung erhalten zu können, muss der Gläubiger anspruchsberechtigt sein. Dabei reicht nicht die vermeintliche materielle Berechtigung aus, sondern erst der Vollstreckungstitel gibt dem Gläubiger die nötige Legitimation. Einen Vollstreckungstitel kann der Gläubiger auf vielfältige Weise erlangen. Der typische Weg ist das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren. Wenn der materielle Anspruch streitig ist, muss der Gläubiger seinen Anspruch im Wege des Erkenntnisverfahrens gerichtlich titulieren lassen, um dessen Vollstreckung zu ermöglichen. Daneben aber kann der Gläubiger einen materiellen Anspruch auch einvernehmlich mit dem Schuldner und ohne Inanspruchnahme eines Erkenntnisverfahrens titulieren lassen. Dies ist etwa bei einer notariellen Unterwerfungserklärung in die Zwangsvollstreckung nach § 794 I Nr. 5 ZPO der Fall. Der zu vollstreckende Anspruch braucht übrigens materiell-rechtlich nicht zu bestehen. Vielmehr genügt es, dass sich der Anspruch aus dem Titel ergibt. Die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den dem Titel zugrunde liegenden Anspruch kann nur in bestimmten Fällen mithilfe der zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe (insbesondere § 767 ZPO) erfolgen und die Zwangsvollstreckung infolgedessen eingestellt werden.

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Ein wesentlicher rechtlicher Konflikt besteht darin, dass der Staat bei der Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs in die verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen des Vollstreckungsschuldners eingreift (z.B. Art. 2 II, Art. 13, Art. 14 GG). Der Grundrechtsschutz des Schuldners ist aber stark geschmälert, weil der Eingriff letztlich auf einem gesicherten Recht des Gläubigers basiert. Man spricht von einem Dreiecksverhältnis (Rn. 41).

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Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Charakters des Vollstreckungsauftrags handeln die jeweiligen Vollstreckungsorgane bei der Vollstreckung in Ausübung von hoheitlicher Gewalt. Bei einer Pflichtverletzung der Vollstreckungsorgane kommen daher Amtshaftungsansprüche der Beteiligten gegen den Staat in Betracht (dazu unten Rn. 342, 670).

§ 1 Überblick › I. Zwangsvollstreckungsverfahren › 2. Gläubiger und Schuldner

Zwangsvollstreckungsrecht

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