Читать книгу Lügner küssen besser - Birgit Kluger - Страница 35

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„Verdammt, Jana. Bleib, wo du bist!“ Lex drehte sich zu mir um, und fixierte mich mit einem wütenden Blick. Die Schüsse waren verstummt, aber es herrschte trotzdem Chaos. Schreie hallten durch die Luft, Namen wurden gerufen und diejenigen, die sich ebenso wie wir auf den Boden geworfen hatten, standen auf. In dem allgemeinen Gewühl, das durch die vielen Besucher des Nachtclubs entstand, die weg von hier wollten, war es nicht leicht Lex zu folgen. Aber ich hatte eine Mission. Ich würde ihn nicht aus den Augen lassen, war er doch der Schlüssel zur Lösung all meiner finanziellen Probleme. Außerdem hatte ich so ein Gefühl, dass all das Chaos irgendwie mit ihm zusammenhing.

„Wenn du glaubst, ich lasse dich verschwinden, nach allem, was passiert ist, dann irrst du dich“, entgegnete ich.

Lex verdrehte die Augen. „Dann komm halt mit“, sagte er, drehte sich um und ging mit großen Schritten zum Parkplatz. Dort standen Taxis, die sich schnell mit Partygästen füllten, die das E! verließen. Eines nach dem anderen raste mit quietschenden Reifen davon. Scheinbar hatten die Taxifahrer nichts von den Schüssen gehört, denn der Parkplatz lag etwas abseits vom E! und die laute Musik, die in der Luft wummerte, hatte wohl die Geräusche von der Terrasse überdeckt. Jetzt aber hatte sich die Neuigkeit verbreitet, denn alle Fahrer, die Fahrtgäste hatten, fuhren davon, als wäre der Teufel hinter ihnen her.

Es sah nicht so aus, als würden wir noch eine Fahrgelegenheit ergattern. Vor dem Taxistand war ein Pulk mit Jugendlichen, die versuchten eines der letzten Fahrzeuge zu bekommen. Ohne sich mit Nettigkeiten aufzuhalten, boxte sich Lex durch die Menge und warf hin und wieder ein „Lasst uns durch, meine Freundin ist schwanger“ den Typen zu, die sich ihm rauflustig in den Weg stellen wollten. Lex schaffte es tatsächlich mit seiner Taktik die letzte Klapperkiste aufzureißen, die noch dort stand. Er schubste mich hinein und ließ sich neben mir auf den Rücksitz fallen. Noch bevor er dem Fahrer sagen konnte, wo wir hin wollten, schoss dieser zur Ausfahrt.

Erst als wir auf der Landstraße waren, die nach Santa Eulalia führte, drehte sich der Fahrer zu uns um.

„Wohin?“, fragte er auf Deutsch. Als Antwort deckte Lex ihn mit einem Schwall spanischer Worte zu, von denen ich kein einziges verstand. Dann wandte sich mein Ex zu mir.

„Ist es okay, wenn wir in mein Hotel fahren?“

„Ja, klar. Wir müssen ohnehin miteinander reden“, murmelte ich und versuchte meine zitternden Hände zu verstecken. Meine Zähne fingen an zu klappern, obwohl es in dem Taxi nicht kalt war. Das Zittern erfasste meinen ganzen Körper.

Ich könnte tot sein. Das war eine Schießerei mit richtigen Kugeln. Wie im Fernsehen, nur dass ich mittendrin war, lief als Endlosschleife durch meinen Kopf.

„Alles in Ordnung mit dir?“ Lex warf mir einen prüfenden Blick zu.

„Klar. Mir geht’s gut“, log ich.

„Du zitterst!“ Lex rückte an mich heran und legte seinen Arm um mich.

„Wiiiirr könn könnten tot sein“, stotterte ich.

„Unsinn. Das hörte sich nur so nah an. Wir waren nicht in Gefahr“, murmelte Lex in meine Haare und drückte meinen Kopf an sich. Mit geschlossenen Augen kuschelte ich mich in seine Halsbeuge und sog seinen Geruch ein.

„Alles ist in Ordnung“, flüsterte er.

Vielleicht lag es an der Nähe seines Körpers oder an seinen beruhigenden Worten, aber das Zittern hörte auf. Seine Hände wanderten von meinen Haaren zu meinem Gesicht. Sein Finger strich über meine Lippen.

Er küsste mich.

Es fühlte sich gut an. Vertraut und doch neu.

Ich verlor mich in den Gefühlen, die zum ersten Mal seit langer Zeit in meinem Körper tanzten. Ich drängte mich an ihn, wollte mehr. Wollte …

Nein!

Das eine Wort fuhr wie ein Stromschlag durch meinen Kopf.

Mit einem Ruck setze ich mich auf und rückte von ihm ab.

Ich hatte einen Auftrag zu erledigen. Außerdem war das mein Ex-Freund. Der Mann, der mich ohne Vorwarnung vor einem Jahr verlassen hatte.

„Wir müssen über deinen Verwandten reden. Dein Onkel hat mich beauftragt dich zu finden“, sagte ich und vergrößerte mit meinen Worten den Abstand zwischen uns.

„Wie wäre es, wenn wir das auf später verschieben?“ Lex musterte mich. Der Blick sagte deutlich, was er lieber tun würde, als zu reden.

„Vergiss es.“

„Vor ein paar Sekunden hat dein Körper etwas anderes gesagt.“

„Das war, bevor mein Verstand wieder funktionierte.“

„Schade.“

Ich zuckte mit den Schultern und tat so, als hätte ich nicht noch immer weiche Knie von dem Kuss.

„Wir müssen reden“, beharrte ich auf meiner Forderung.

„Na gut.“ Lex seufzte. „Ich spendiere dir einen Drink an der Hotelbar und du kannst mir mehr über den unbekannten Verwandten erzählen, den ich beerben soll.“

„Kennst du einen Thorsten Hermes?“

„Nein.“ Lex verschränkte die Arme vor Brust. „Lass uns später darüber reden, ja? Muss ein toller Auftrag sein, wenn du dadurch einen Urlaub auf Ibiza bezahlt bekommst.“

„So toll nun auch wieder nicht“, murmelte ich. „Von einer Schießerei war nicht die Rede.“

„Wir haben Pech gehabt. In Ibiza findet zurzeit so eine Art Bandenkrieg statt. Zwei rivalisierende Gangs, von denen jede den Drogenhandel kontrollieren will.“

„Woher weißt du das?“

„Ich lese regelmäßig Zeitung, das ist alles. Warst du schon am Strand?“, lenkte er das Thema wieder auf mich.

„Nur kurz, ich bin erst heute Mittag angekommen.“

„Du siehst süß aus mit dem Sonnenbrand.“ Sein Finger strich an meinem Kinn entlang, wanderte zu meinem Ohr und von dort zu meinen Lippen. Die sanfte Liebkosung sandte ein Prickeln durch meinen Körper.

„Lass das.“ Ich schlug seine Hand weg und funkelte ihn wütend an. „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass du ohne ein Wort der Erklärung verschwunden bist.“

„Oh, das. Es tut mir leid, wirklich.“

„Das ist alles? Das ist deine Entschuldigung?“

„Hey, wir waren nur ein paar Wochen zusammen. Es ist ja nicht so, als hätte ich versprochen, dich zu heiraten.“

„Du bist ein Arsch.“ Ich rückte so weit weg von ihm, wie ich nur konnte. Dann lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Ich würde im Hotel mit ihm reden und versuchen herauszubekommen, warum er auf einem Foto als Thorsten Hermes abgebildet war. Dann würde ich einen Bericht an meine Schwester abfassen, von der Insel verschwinden und diesen Idioten nie wieder sehen.

Etwa zehn Minuten verstrichen, ohne dass jemand von uns etwas sagte. Das Taxi sauste über die Landstraße. Hin und wieder kamen wir an Häusern vorbei, aber in der Dunkelheit konnte man nicht viel erkennen. Es musste gegen vier Uhr morgens sein, bald würde die Sonne aufgehen aber jetzt war die Insel noch immer in das Dunkel der Nacht gehüllt.

„An welchem Strand warst du?“, fragte Lex unvermittelt.

„Am Cala Gracio. Warum?“

„Nur um Konversation zu machen.“ Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, erahnte ich sein Lächeln.

„Viel Glück damit.“

„Dann übernachtest du also im du Sol. Schönes Hotel. Eines der besten, wenn man Massentourismus mag.“

„Ja, stimmt“, brummte ich wider besseren Wissens. „Beim Essen kommt man sich vor wie bei einem Almauftrieb, aber sonst ist es ganz gut.“

„Siehst du, war doch gar nicht so schlimm.“

„Ich habe keine Lust auf Small Talk“, sagte ich, aber es klang nicht überzeugt. Wenn Lex seinen Charme auspackte, war es schwer, ihm zu widerstehen.

Er rief dem Fahrer ein paar Worte auf Spanisch zu und drehte sich wieder zu mir.

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen, aber ich bin nicht gut in Beziehungen und ich habe Angst bekommen. Es fing an, ernst zu werden zwischen uns. Etwas, das ich nicht so einfach würde beenden können und da habe ich überreagiert. Ich dachte, es wäre einfacher, zu verschwinden, bevor es kompliziert würde.“

Wie von selbst streckte ich meine Fühler aus, versuchte seine Aura ab zu tasten und so heraus zu finden, ob er die Wahrheit sagte. Lass das!, ermahnte ich mich, als ich bemerkte was ich tat.

Mit einer Vollbremsung unterbrach der Taxifahrer die Gedanken, die durch meinen Kopf sausten. Er drehte sich um und sagte etwas zu Lex.

„Wir sind da“, flüsterte Lex nach der kurzen Diskussion in mein Ohr.

„Hmmm.“

„Wir sollten aussteigen.“ Die Worte wurden von einem sanften Stups begleitet.

„Dein Hotel ist gleich da vorne“, sagte Lex zu mir, als ich auf der Straße stand. Dann knallte die Tür zu und das Taxi schoss mit quietschenden Reifen an mir vorbei.

„Du verdammter Mistkerl!“, brüllte ich hinter ihm her.

Lügner küssen besser

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