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Freitag

Der Narr

Ich bin kurz davor, etwas Idiotisches zu tun. Warum erstaunt mich das nicht?

"Wow!" Lex musterte mich anerkennend. Natürlich wurde ich rot, wie immer, wenn wir uns trafen. "Du siehst toll aus."

"Danke." Ich glühte so sehr, dass man mit mir die Straße hätte beleuchten können. "Wollen wir gehen?", fragte ich, um von mir abzulenken.

"Nach dir." Lex trat einen Schritt zurück und deutete in einer schwungvollen Geste auf die Treppen.

"Wie war dein Tag?", fragte Lex, während wir die Stufen hinabgingen.

"Wie üblich. Zwei langweilige Vorlesungen, jede Menge Bücher, die ich nach Hause geschleppt habe und jetzt eigentlich lesen sollte."

"Dann hast du dir eine Pause verdient."

"Ich hoffe es. Ich wünschte nur, BWL würde mich mehr interessieren. Sollte ich jemals unter Schlafstörungen leiden, brauche ich vor dem Einschlafen nur ein Buch über Finanzliteratur aufschlagen."

"Warum studierst du es dann?" Lex hielt mir die Eingangstür auf und ließ mich voraus auf die Straße gehen. "Hier entlang", sagte er und deutete in die Richtung, in der sein Auto stand.

"Meine Eltern wollen, dass ich etwas Anständiges lerne. Nach dem Debakel mit Susanna glaube ich fast, sie haben recht."

"Lass dich dadurch nicht verunsichern. Du hast alles getan, was du konntest."

"Ja, aber es hat mir klargemacht, wie fragil manche der Menschen sind, die mich anrufen. Wie sehr sie hoffen, durch eine Tarotberatung mehr Halt im Leben zu finden und ihre Probleme zu lösen. Und das ist nicht möglich."

"Allein diese Aussage zeigt, wie verantwortungsvoll du mit dem Thema umgehst." Lex blieb stehen und fasste mich sanft an den Schultern. "Ich glaube, du brauchst eine Pause, um über den Schreck hinwegzukommen. Warum lässt du dir nicht ein wenig Zeit, zu entscheiden, was du wirklich willst? Wenn du das herausfindest, wirst du auch wissen, ob es gut ist, weiterzustudieren, oder nicht."

"Du hast recht." Ich holte tief Luft und versuchte zu lächeln. Es gelang mir gerade so.

"Und jetzt sollten wir die ernsten Themen vergessen und zum angenehmen Teil des Abends übergehen." Lex öffnete die Tür seines Autos und wartete, bis ich eingestiegen war.

Die Fahrt zum Paulaner Bräuhaus war kurz. Das Restaurant lag auf der anderen Seite der Isar, am Kapuzinerplatz. Ich war erst einmal hier gewesen und hatte mich gleich in das Bräuhaus verliebt. Die urige Einrichtung, das bayrische Essen und die freundliche Bedienung ließen alle Alltagssorgen vergessen. Ich freute mich auf den Abend.

"Was ist mit dir? Magst du deinen Beruf?", fragte ich Lex, nachdem wir uns an einem abseits gelegenen Tisch niedergelassen hatten. Wir saßen hinter einer mit Weinreben überwachsenen Trennwand, die uns von den anderen Gästen abschirmte.

Lex zuckte mit den Schultern. "Was soll ich sagen? Ich bin einer der typischen Nerds. Ich habe schon als Teenager Programme geschrieben und mich als Hacker versucht. Zum Glück hat mich nie jemand dabei erwischt. Es macht mir Spaß, komplexe Probleme zu lösen und Softwarefehlern auf die Spur zu kommen. Auch wenn sich das sehr langweilig anhört."

"Nein, das tut es nicht", protestierte ich.

"Doch. Und deshalb sollten wir schleunigst das Thema wechseln." Er sah mir in die Augen und nahm meine Hand. "Mich interessiert viel mehr die Frage, ob ich dich nach dem Essen noch zu mir auf einen Kaffee einladen darf. Ich kann dir natürlich auch meine Briefmarkensammlung zeigen oder meine neueste Playlist vorspielen."

"Vielleicht." Ich legte den Kopf auf die Seite und musterte Lex. Er sah gut aus. Obwohl die Temperaturen gesunken waren und der Herbst Einzug gehalten hatte, trug er ein T-Shirt, das seine Armmuskeln betonte. Er war schlank, durchtrainiert und mit fast einem Meter neunzig ein gutes Stück größer als ich. Dazu blaue Augen und dunkle Haare. Wenn ich ehrlich war, hätte ich nur zu gerne herausgefunden, wie er ohne Kleidung aussah. Noch mehr hätte mich interessiert, wie er im Bett war.

Mein Gesicht wurde heiß. Hastig entzog ich ihm meine Hand, rückte mein Besteck gerade und legte mir die Serviette auf den Schoß.

"Nervös?", fragte Lex und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Natürlich war er vollkommen entspannt, während ich immer unruhiger wurde.

"Was? Nein!"

"Dann ist ja gut. Ich wollte dich nicht verunsichern. Außerdem würde ich mich wirklich freuen, wenn wir den Abend bei mir ausklingen lassen." Er legte eine kurze Pause ein. "Ich verspreche auch, dass ich nicht versuchen werde, dich ins Bett zu bekommen."

Er meinte es ernst. Meine Sensibilität, die mich so oft im Stich ließ, wenn er in der Nähe war, fing seine Gefühle auf. Zum ersten Mal war ich mir sicher, ihn lesen zu können.

Ich beendete meine Musterung der kleinen Schnipsel, zu denen ich die Serviette reduziert hatte.

"Ich nehme dich beim Wort." Dieses Mal war ich diejenige, die lächelte. Lex konnte nicht wissen, dass ich überlegte, ob ich ihn in mein Bett locken sollte.

Der weitere Abend verging schnell. Zu schnell. Lex unterhielt mich mit Anekdoten aus seinem Berufsalltag, ich erzählte von den seltsamen Fragen, die manche Ratsuchenden mir stellten. Die Zeit verging wie im Flug, bald verließen wir das Bräuhaus und schlenderten zu Lex' Auto.

Soll ich, oder soll ich nicht? Die Frage, wie weit ich gehen wollte, kreiste durch meinen Kopf. Obwohl ich im Bräuhaus seine Gefühle aufgeschnappt hatte, war ich nicht sicher, welche Absichten er hatte. Vielleicht war er nur auf einen One-Night-Stand aus. Nicht heute Nacht, das war klar, aber irgendwann in der Zukunft. Möglicherweise wollte er sogar eine Beziehung. Oder hatte er entschieden, nur eine Freundschaft zu suchen? War das der Grund, weshalb er mir versprochen hatte, nichts zu versuchen?

Verdammt! Wenn meine Intuition nur zuverlässiger wäre! Wenn ich wenigstens in der Lage wäre, die Menschen zu durchschauen, die wie Lex meine Gefühle in Aufruhr brachten.

Wir fuhren nach Hause. Obwohl wir nicht redeten, herrschte eine entspannte Atmosphäre, zumindest zwischen uns beiden. In mir sah es anders aus. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, meine Hormone hatten die Kontrolle übernommen und wollten nur eines: Von Lex geküsst werden. Mit Lex ins Bett fallen.

"Wie geht es weiter?", fragte Lex, als wir vor seiner Wohnungstür standen. Er lehnte sich mit einer Schulter an die Wand und sah mir in die Augen. In meinem Bauch kribbelte es.

Tu es, Jana, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Ich will mehr als einen One-Night-Stand, hielt eine andere Stimme dagegen. Niemand sagt, dass es nur für eine Nacht ist.

"Jana?" Lex räusperte sich. Eine Augenbraue leicht nach oben gezogen wartete er auf meine Antwort. "Ich habe versprochen, dich zu nichts zu überreden. Wenn du möchtest, kommst du auf einen Kaffee mit herein. Mehr nicht."

"Okay. Ein Kaffee wäre toll." Ja, genau. Damit ich die ganze Nacht wach liegen und über meine Blödheit nachdenken kann.

Lex begleitete mich, ganz der vollendete Kavalier, nach einem Espresso in den fünften Stock. Vor der Tür zu meiner Wohnung drückte er mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand.

Ein Kuss. Auf die Stirn!

Wir hätten genauso gut Geschwister sein können.

Er will nichts von mir.

Ich warf meinen Schlüssel auf den Couchtisch und streifte mir die High Heels von den Füßen. Mit einem tiefen Seufzer ließ ich mich in die Kissen fallen und starrte auf den dunklen Bildschirm meines Fernsehers.

"Er hat gesagt, er würde mich zu nichts überreden." Ich legte die Füße auf den Tisch.

"Er hat sich an sein Wort gehalten", führte ich die Unterhaltung mit mir selbst fort.

"Warum, verdammt noch mal, habe ich nicht die Initiative ergriffen?"

Die Antwort auf diese Frage war einfach. Weil ich zu schüchtern war.

Ich konnte mich nicht auf einen Mann stürzen und ihn küssen, einfach so. Ich wartete darauf, dass er es tat.

Unzufrieden mit der Analyse der Situation stand ich auf und räumte meine Schuhe weg. Dann ging ich zur Küchenzeile hinüber und wischte die Spüle so lange, bis das Metall glänzte. Danach kam der Tisch an die Reihe.

Ich fand ein Wasserglas, das ungewaschen auf der Küchentheke stand, spülte es, trocknete es ab und stellte es in den Schrank. Dann ging ich zu der Couch hinüber, zog sie aus, bezog sie mit einem Laken und holte meine Bettdecke aus dem Flurschrank.

Im Badezimmer säuberte ich das Waschbecken, die Duschkabine und das WC. Als alles vor Sauberkeit glänzte, putzte ich mir die Zähne. Ein guter Anlass, danach das Becken noch einmal zu polieren.

Ich bürstete meine Haare, flocht einen Zopf und schminkte mich ab.

Noch immer wollte sich keine Müdigkeit einstellen. Im Gegenteil, ich fühlte mich fit genug, um fünf Kilometer zu joggen.

Ich könnte runtergehen und Lex fragen, ob er Milch hat. Für einen Kakao. Damit ich einschlafen kann.

Bevor ich nachdenken konnte, schnappte ich meinen Wohnungsschlüssel und sprang die Stufen hinab.

"Hallo." Lex öffnete die Tür. Anscheinend war er kurz davor gewesen ins Bett zu gehen, denn er trug nur noch eine Jeans. "Ich hätte nicht gedacht, dich heute noch einmal zu sehen." Für einen Augenblick wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Mein Blick wanderte über seinen nackten Oberkörper, blieb an seinen Bauchmuskeln hängen.

"Jana?" Lex lehnte sich in den Türrahmen, verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

"Also, ja. Tut mir leid. Ich dachte, ich wollte … Es ist so. Ich bin nicht müde und vielleicht hast du …"

Eine Gefühlswelle traf mich. Lex war amüsiert, aber da war mehr. Darunter war eine gute Portion sexueller Erregung. Mit einem großen Schritt war er bei mir und zog mich in seine Arme.

"Ich hatte gehofft, dass du es dir anders überlegst", flüsterte er in mein Ohr. Seine Lippen strichen meinen Hals entlang. "Du hast es dir doch anders überlegt?", raunte er.

"Ich glaube schon", murmelte ich. Was gelogen war, denn jede Zelle meines Körpers schrie "Ja". Seine Haut war glatt und seidig unter meinen Händen. Seine Muskeln hart wie Stahl.

"Gut." Lex küsste mich, fuhr mit seinen Lippen sanft an meinem Mund entlang. Der Mann wusste, was er tat. Das Kribbeln in meinem Bauch erfasste meinen Körper. Die widerstreitenden Gedanken in meinem Kopf lösten sich in Nichts auf. Ich spürte nur noch seine Hände, seine weiche Haut und seinen harten Körper, der sich an mich presste.

"Vielleicht sollten wir besser reingehen", raunte er in mein Ohr.

"Hmmm. Stimmt."

Irgendwie schafften wir es, seine Wohnung zu betreten, ohne uns voneinander zu lösen. Mit einem Knall fiel die Tür zu. Lex musste sie mit einem gezielten Tritt geschlossen haben. Dann knöpfte er meine Bluse auf, streifte sie mir von den Schultern und ließ sie zu Boden fallen.

Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "So gefällst du mir noch besser."

Lex nahm mich in die Arme und hob mich hoch. Wie von selbst schlossen sich meine Beine um seine Hüften.

Lügner küssen besser

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