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Donnerstag

Prinz der Stäbe

Er liebt mich. Er liebt mich nicht … Verdammt, warum kann ich nicht den "Prinz der Kelche" ziehen?

Ich war kurz davor, eine Lupe zu holen. Warum war die Schrift auf dem Röhrig-Tarot so klein? Normalerweise störte mich das nicht, da ich den Tarot interpretierte, ohne die vorgegebene Deutung zu nutzen. Aber wenn ich für mich selbst legte, war ich blind. Ohne die angegebene Interpretation fühlte ich mich wie eine Anfängerin.

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte den Text zu lesen. Stand da "erblühende Liebe?"

Ja, eindeutig. "Erblühende Liebe". Warum aber war das Herz von lauter Rissen durchzogen?

Vielleicht sollte ich eine zweite Karte ziehen? Nur zur Erklärung?

Ich trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

Eine kleine Zusatzinformation konnte nichts schaden. Beim letzten Mal hat es ja auch so gut geklappt.

Wie von selbst griff meine Hand nach den Karten, mischte sie und fächerte sie auf der Tischplatte auf. Dann konzentrierte ich mich auf das, was ich wissen wollte. Die nähere Bedeutung der Prinz-der-Stäbe-Karte.

Meine linke Hand strich über den Tarot, darauf bedacht, keines der umgedrehten Bilder zu berühren, sondern zu spüren, welche Karte meine Frage beantworten würde.

8 der Schwerter.

Verdammt! Hätte ich nur nicht gefragt.

"Ich habe sowieso keine Zeit für eine Beziehung", murmelte ich und starrte trotzig die Karte an, die mit "Unentschiedenheit" betitelt war. Der Name sagte alles, aber um die Aussage wirklich idiotensicher zu machen, war ein Mann abgebildet, der sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden konnte.

"Genau. Ich kann die Ablenkung nicht gebrauchen", führte ich mein Selbstgespräch fort. Das Studium und mein Beruf nahmen mich voll in Anspruch. München war teuer. Um meinen Aufenthalt hier zu finanzieren, musste ich jeden Tag online für Beratungsgespräche zur Verfügung stehen. Dazu noch der Unterrichtsstoff und die Klausuren, die am Ende des Semesters wie eine dunkle Wolke vor mir aufragten. All das war genug, um meine Tage auszufüllen, auch ohne einen Mann, der nicht wusste, ob er mit mir oder einer anderen flirten wollte.

"Wahrscheinlich ist er ein eingebildeter Idiot", sagte ich laut. Meine Worte verhallten in der leeren Wohnung. Ich wollte es nicht zugeben, aber mir fehlten meine Freunde und meine Familie. Dabei hatte ich mich gerade von meinen Verwandten lösen wollen. Ich studierte nicht in Frankfurt, sondern war nach München gezogen, um auf mich selbst gestellt zu sein und mir darüber klar zu werden, was ich tatsächlich in meinem Leben erreichen wollte.

Das schrille Geräusch meines Handyweckers riss mich aus meinen Gedanken. Höchste Zeit, meine Sachen zu packen und zur U-Bahn zu hetzen. Die nächste spannende Vorlesung von Professor Meinert wartete auf mich.

Ich weiß nicht, wie es kam, aber statt an der Uni fand ich mich auf dem Viktualienmarkt wieder. Meine Füße hatten eine eigene Meinung entwickelt und mich nicht zur U-Bahn-Haltestelle geführt, sondern über die Isar hinweg zur Stadtmitte.

Obwohl es bereits Mitte Oktober war, strahlte die Sonne vom Himmel. Die Stände auf dem Viktualienmarkt erblühten in all ihrer bunten Pracht und der Geruch nach etlichen Leckereien stieg mir in die Nase. Wie von selbst steuerte ich die kleine Bude an, bei der es die besten Weißwürste Münchens gab.

Ich bestellte mir eine Wurst und eine Tasse Kaffee. Ich weiß, ein Stilbruch, aber ich bin keine Biertrinkerin. Zufrieden setzte ich mich auf eine der Bänke und knabberte an meiner Brezel.

"Guten Appetit", begrüßte mich eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Lex stand vor mir. Er hatte seine Baseballkappe so tief in die Stirn gezogen, dass ich ihn fast nicht erkannte. In der Hand hielt er eine Kaffeetasse. "Kann ich mich zu dir setzen?", fragte er, bevor ich mich aus meiner Starre lösen und etwas sagen konnte.

"Ja, klar. Freut mich, dich zu sehen. Ich …" Warum verwandelte ich mich jedes Mal in eine brabbelnde Idiotin, wenn er mich ansprach?

"Gehörst du auch zu den Glücklichen, die einen freien Tag haben?", fragte Lex und setzte sich.

"Nein, ich gehöre zu den Faulenzern, die ihre Vorlesung schwänzen", gab ich zu.

"Das ist fast schon eine Verpflichtung, wenn man studiert."

"Ich bin mir da nicht so sicher. Das letzte Mal habe ich kein Wort von dem verstanden, was der Prof da vorne erzählt hat. Es wäre klüger, im Hörsaal zu sitzen."

"Was studierst du?"

"BWL."

Lex nickte wissend. "An deiner Stelle wäre ich auch lieber hier als an der Uni."

"Und du? Was machst du, wenn du nicht auf dem Viktualienmarkt bist?"

"Ich bin Softwareprogrammierer." Lex zuckte mit den Schultern. "Nichts Aufregendes, kommt gleich nach Buchhalter."

Ich musterte ihn. Irgendetwas stimmte nicht an dieser Aussage, aber ich wusste nicht was. Behutsam streckte ich meine Fühler aus, suchte in seinem Energiefeld nach einer Erklärung für das Gefühl, aber ich fand nichts. Interessant. Lex hatte eine Mauer hinter dieser Aussage errichtet. Wahrscheinlich unbewusst. Aber eines war klar: Er wollte nicht, dass man hinter die Fassade sah.

"Du siehst nicht aus wie ein Buchhalter oder ein Programmierer."

"Danke." Lex grinste. "Wie sehe ich denn aus?"

"Also, ich … keine Ahnung. Du trägst keine langweiligen Anzüge …" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mittlerweile sah ich mit Sicherheit wie eine Tomate aus. Lex sah mir tief in die Augen, was nicht hilfreich war. Im Gegenteil, ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber mir wurde noch heißer. Vielleicht war ich extrem früh dran mit den Wechseljahren. So mussten sich Hitzewallungen anfühlen.

"Schmeckt dir die Weißwurst nicht mehr?", erlöste Lex mich aus der Starre.

"Die? Oh, doch!" Hektisch zupfte ich an der Wurst. Der Appetit war mir vergangen. Das war immer so, wenn ich verliebt war.

Augenblick.

Ich war nicht verliebt! Ausgeschlossen. Ich kannte den Mann nicht. Okay, er sah gut aus, war nett, trug mir die Einkäufe fünf Stockwerke hinauf und flirtete mit mir.

Aber er kann sich nicht zwischen mir und einer anderen entscheiden!

Die Weißwurst rutschte aus meiner Hand auf den Teller zurück. Bei meinem Geschick konnte ich froh sein, dass sie nicht auf meinem Schoß lag.

"Ich muss weg. Heute ist eine wichtige Vorlesung. Habe ich total vergessen." Bevor Lex etwas sagen konnte, stürzte ich mich in den Pulk japanischer Touristen, der Fotos schießend den Viktualienmarkt überflutete. Zum Glück hatte ich mein Essen bereits bezahlt.

Vielleicht täuschen sich die Karten, argumentierte ich, während ich zur U-Bahn hastete.

Sie haben sich noch nie geirrt, hielt ich mir selbst entgegen. Stimmt, aber ich habe mich schon des Öfteren bei der Interpretation getäuscht.

Lügner küssen besser

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