Читать книгу Salz im Tee - Birte Papenhausen - Страница 10
ОглавлениеDER MILCHTEE
Eine feste und wichtige Säule der mongolischen Kultur ist der Milchtee. Man kann die Mongolei nicht ohne ihn haben. Immer wenn es wichtig wird, ist er dabei: bei Segnungen, beim Geisterbeschwichtigen, bei Hochzeiten, wenn Gäste kommen, bei Festen, Ritualen und Feierlichkeiten.
Es ist nicht verwunderlich, dass auch viele Touristen in den Genuss kommen, Milchtee probieren zu dürfen beziehungsweise trinken zu müssen. Denn das gebührt die Gastfreundschaft. Der Genuss ist am Anfang fraglich, denn die meistens Touristen denken bei Tee an neutral oder süß – und das macht den ersten Schluck widerlich. In der Mongolei gehört nämlich Salz in den Tee und – wenn einem besondere Ehre zuteilwird – auch noch ranzige Butter.
Das hört sich unangenehm an und für viele Touristen schmeckt es auch so. Aber ich bin davon überzeugt, dass es auf die Erwartungshaltung ankommt. Erwartet man Tee, ist es eklig; erwartet man eine Art Suppe, schmeckt es einem in der Regel gut.
Man darf bei Milchtee nicht etwa an Teebeutel denken. Oh nein, es gibt eine ganz eigene Zubereitung, und die fängt damit an, dass man den aus Stängeln und Blättern gepressten Tee in einem Block auf dem Markt kauft. Zu Hause muss man den Tee erst einmal mit einem Hammer klein schlagen. Die losen Teile bewahrt man dann in einem Glas oder einer Dose auf. Dann macht man Feuer, bringt einige Liter Wasser zum Kochen und wirft den losen Tee hinein. Kurz darauf wird das Salz hinzugefügt. Nicht wenig, denn man soll das Salz auch schmecken. Wenn alles wieder kocht, kommt die Milch dazu. Jetzt muss man aufpassen. Damit der Milchtee seinen unverkennbaren Geschmack bekommt, darf die Milch nicht überkochen. Dazu muss man den Tee immer in Bewegung halten, indem man immer wieder mit einem Gefäß den Tee umgießt. Man nimmt Tee und lässt ihn aus einigem Abstand wieder in den Topf fließen. Dabei verbindet er sich auch mit der Luft. Dieser Vorgang wird viele Male wiederholt. Kurz bevor die Milch überkocht, nimmt man den Topf vom Feuer und gießt den Tee durch ein Sieb in Thermoskannen.
Der Milchtee nimmt eine so zentrale Stelle in der mongolischen Kultur ein, dass ein Schlager, der den Tee der eigenen Mutter besang, wochenlang die Hitlisten anführte und in aller Munde war. Der Milchtee war sogar für uns ein Thema, als wir darüber nachdachten, wie man in der Mongolei angemessen das christliche Abendmahl feiern sollte.
Die Mongolei ist ein Land, das jahrhundertelang schamanistisch, buddhistisch und kommunistisch gewesen war. Doch nun gab es in unserem Ort seit Kurzem eine kleine Gruppe Menschen, die an Jesus glaubten und ihm folgen wollten. Es war noch keine Tradition vorhanden, wie man das Abendmahl feiert. Da wir keine westlich geprägte Gemeinde gründen wollten, sondern eine, die in der mongolischen Kultur bestehen konnte, war es für uns eine ernsthafte Frage, was man beim Abendmahl trinken sollte. Wein gab es hier nicht, Wodka – ja, Saft – ab und zu, Sirup – oft. Und es gab den Milchtee, der bei keiner wichtigen Angelegenheit fehlen durfte und mit Ehre, Freude und der geistlichen Welt in Verbindung gebracht wurde.
Obwohl es viele gute Gründe für den Milchtee gab, haben wir uns am Ende – gemeinsam mit den mongolischen Gläubigen – dagegen entschieden. Erstens, weil er weiß ist und das Getränk beim Abendmahl das Blut Jesu repräsentiert, und zweitens, weil der Milchtee eben auch dafür benutzt wird, um böse Geister zu beschwichtigen. Wir wollten auf keinen Fall, dass Jesus mit diesen Geistern in Verbindung oder gar gleichgesetzt werden könnte.
Bei Heimataufenthalten habe ich oft versucht, Milchtee zu kochen, aber er schmeckte nie so, wie es sich gehört. War es das fehlende Feuer, der andersartige Topf, das Wasser oder die Milch?
Fazit ist: Wer echten Milchtee kennenlernen will, muss in die Mongolei reisen.