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ОглавлениеDIE TAGELÖHNER
Der Weg zu unserem Büro in der Hauptstadt führte durch die Baumarktstraße. In dieser Straße fand man alles, was man zum Bauen und Renovieren brauchte: Holz, Steine, Beton, Farbe, Nägel, Rohre, Türen, Fenster, Styropor und vieles mehr. Sogar Arbeiter konnte man dort finden. Sie standen oder saßen – gut sichtbar für alle Passanten – auf der breiten Treppe des ersten Geschäfts an der Kreuzung bei der Bushaltestelle. Manche hatten Schilder mit Berufsbezeichnungen in den Händen, andere waren bereit, alles zu tun, wofür man sie anwarb.
Morgens war die Treppe voll, mittags war sie leerer, abends saßen immer noch einige wenige Leute dort. Die Treppe war nie leer. Immer saßen dort noch Menschen, die hofften, von irgendjemandem angeheuert zu werden, um für einen Tag Lohn zu bekommen und etwas Geld nach Hause zu bringen.
Wenn ich das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg lese, sehe ich immer diese Treppe mit Tagelöhnern vor mir. Wie der Gutsbesitzer zu der Treppe kommt und Arbeiter anwirbt. Morgens in der Frühe, um neun, um zwölf, um drei und um fünf Uhr. Ja, und selbst um fünf Uhr stehen noch Leute untätig herum und auf die Frage, was sie hier tun, antworten sie: »Es hat uns eben niemand angestellt.« Und statt nach möglichen Gründen zu suchen – vielleicht haben sie zu lange geschlafen und kamen einfach zu spät für die guten Jobs oder sie können nicht viel oder Arbeitgeber haben schon schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht –, stellt der Gutsbesitzer sie einfach ein. Und nach nur wenigen Stunden Arbeit gibt er ihnen einen Tageslohn!
Was für ein Arbeitgeber! Ich bin mir sicher, hätte ich die Tagelöhner auf der Treppe gefragt, ob sie so etwas schon einmal erlebt haben, keiner hätte Ja gesagt. Und ich bin genauso sicher, dass jeder dieser Arbeiter, die um zwölf, drei und fünf Uhr immer noch unerwünscht und arbeitslos herumsaßen, gerne bei so einem großzügigen Menschen arbeiten würde. Einem Menschen, der einem seine Würde wiedergibt und einen mit Geld in der Hand nach Hause gehen lässt.
Wirklich schade, dass die meisten Menschen sich nicht vorstellen können, dass Gott so einem einzigartigen Arbeitgeber gleicht.