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DIE FOLGEN VON BABEL

Schon in der Schule waren Englisch und Französisch meine schlechtesten Fächer. Als ich endlich mein Abitur geschafft hatte, freute ich mich vor allem darüber, ab jetzt nur noch Deutsch zu sprechen. Ich hatte mich geirrt, denn ich lebte nach meinem Abi nur ein Jahr in Deutschland und hielt mich anschließend 16 Jahre im Ausland auf. Man hatte mich vorgewarnt, dass Mongolisch nicht einfach sei. Für Menschen mit anglosächsischem Sprachhintergrund gehöre Mongolisch zu den fünf am schwersten zu erlernenden Sprachen.

Ich ließ mich nicht entmutigen, im festen Glauben, dass ich mit Gott »über Mauern springen« kann. Aber anstatt über Mauern zu springen, rannte ich dagegen. Nie hatte ich nur im Entferntesten gedacht, dass Menschen so anders denken und eine Sprache so völlig anders sein könnte. Die mongolische Sprache wurde die größte intellektuelle Herausforderung meines Lebens, eine Quelle ständiger Frustration, der Grund vieler Tränen und eine lang anhaltende Lektion der Demut.

Auf einmal bekam die Geschichte vom Turmbau zu Babel eine persönliche Bedeutung. Warum nur, warum waren die Leute damals so stolz gewesen?! Hätten sie sich nur brav kleine Häuschen gebaut, müsste ich mich jetzt nicht mit dem Mongolischen abkämpfen!

Aber die Geschichte bewirkte auch eine neue Achtung vor Gott in mir. Ich kann mir kaum ein effektiveres Mittel vorstellen, als das Erlernen einer schweren Sprache, um stolze Menschen demütig zu machen. Man kann jemand sein, man kann viel wissen, man kann vor Erfahrungen nur so strotzen, doch sobald man in einem anderen Land ist und die Sprache nicht spricht, verstummt man. Nichts von dem, was man ist und weiß, kann man vermitteln. Die ersten Sprechversuche rufen Unverständnis oder vielleicht sogar Belustigung hervor. Man wird zu einem schweigenden Beobachter, nach dem niemand fragt.

Kleinste Aufgaben werden zur unüberwindlichen Herausforderung, sobald Sprache nötig ist. Man freut sich über gelungene Tätigkeiten, die Sprachkundige nebenbei erledigen. Man ist ständig unsicher, ständig überfordert, ständig müde und man erkennt im tiefsten Innern, wie wertlos alle vorherigen Errungenschaften sind und wie wichtig es ist, von Gott gesehen und geliebt zu werden. Denn er kennt unser Innerstes, er kennt unsere Gedanken, bei ihm müssen wir sie noch nicht einmal aussprechen, egal, in welcher Sprache, bei ihm dürfen wir sein.

Salz im Tee

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