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ОглавлениеDER BETRUNKENE PILOT
Ich bin schon viel geflogen, aber den Piloten meines Flugzeuges habe ich fast nie gesehen. Ist ja auch nicht nötig. In gewisser Weise ist er jemand, der eine Dienstleistung vollbringt, für die man bezahlt hat und die einen von A nach B transportiert. Man macht sich nicht viel Gedanken um den Piloten, außer seine Dienstleistung lässt zu wünschen übrig.
Das war diesmal der Fall. Es war ein Inlandsflug, bei dem man jegliche internationalen Erwartungen schon um einiges herunterschraubte. Flugzeugsitze, die umfielen, wenn man mit dem Handgepäck dran hängen blieb, Anschnallgurte, die nicht funktionierten, doppelt gebuchte Plätze – an so etwas war ich in gewisser Weise gewöhnt und das Gebet für das Flugzeug und dessen Wartung begleitete mich stets.
Es sollte noch erweitert werden. Denn der Inlandsflug von der Hauptstadt in den Westen des Landes machte noch einen Zwischenhalt im Norden. Es waren nur 20 Minuten. Aber sie reichten, damit manche Passagiere aufs Plumpsklo gehen konnten und der Pilot im kleinen Flughafengebäude Wodka zu sich nahm. So viel, dass er beim Heraustreten wankte.
Das war der Moment, in dem ich ihn sah. Schicke Uniform, selbstbewusstes Auftreten, wie in einem Film; nur, dass er nicht mehr sicher auf den Beinen war. Vermutlich hatte er mit dem Trinken schon in der Hauptstadt angefangen. Wir waren das einzige Flugzeug auf dem Flughafen und somit war nicht viel Verkehr auf der Start- und Landebahn. Trotzdem weiteten sich die Augen der Passagiere vor Schreck, als das Flugzeug Schlangenlinien fuhr. Man wollte aussteigen, aber das Flugzeug beschleunigte bereits und hob ab – und ich saß mittendrin.
Es ist erstaunlich, welch sonderbaren Gebete man manchmal zum Himmel schickt: »Herr, lass den Co-Piloten nüchtern sein! Lass den Piloten die nächsten zwei Stunden seinen Rausch ausschlafen, damit er später irgendwie erfolgreich landen kann! Befiehl deinen Engeln, dieses Flugzeug zu halten! Hilf uns zu landen und lass mich heute Abend lebendig zu Bett gehen!«
Gott erhörte mein Gebet. Und ich bin inzwischen schon wieder so weit, dass ich nur noch bei Inlandsflügen für den Piloten bete.