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MEIN ERSTER MONGOLE

Er war der erste Mongole, dem ich bewusst begegnete, den ich ansah, wahrnahm und mit dem ich – wenn auch nur kurz – Kontakt hatte.

Ulaanbaatar, Dschingis-Khan-Flughafen: Meine erste Ankunft in der Mongolei. Ich war noch nie hier gewesen. Ich kannte niemanden und war doch gekommen, um zu bleiben. Einige Teamkollegen empfingen mich. Sie führten mich zum Parkplatz und da war er: leicht schmutzige, zerknitterte, grauschwärzliche Kleidung, ungewaschene Haare und mit einem kleinen Papierschild, das er mir in die Hand drückte.

Ich hatte gerade erst angefangen, es zu lesen, als einer meiner Teamkollegen mir das Papier aus den Händen nahm, es dem Mongolen zurückgab, ihm etwas auf Mongolisch sagte, ihn zur Seite schob und dann ignorierte. Die Lieblosigkeit erschreckte mich und ich drehte mich kurz um, damit ich noch einen Blick auf diesen Mongolen erhaschen konnte. Es war nicht mein letzter.

Nein, diesen Mongolen traf ich immer wieder, vorzugsweise an Orten, wo sich Ausländer aufhielten: am Flughafen, an der Hauptpost, am Bahnhof, an dem zentralen Sukhbaaterplatz und – wenn das Nationalorchester spielte – am Konzertgebäude. Er hatte immer den gleichen schlurfenden Gang, einen mitleidheischenden Blick und ein zerknittertes Papier, das er Ausländern mit ein, zwei Standardsätzen auf Englisch, Deutsch oder Russisch in die Hände drückte. Wenn ich ihn auf Mongolisch ansprach, tat er so, als verstehe er nichts. Es kam sogar vor, dass ich ihn an manchen Tagen mehrfach sah und mich fragte, wie er so schnell von einem Ort zum anderen gelangt war.

Als ich ihn einmal eher nebenbei in einer Runde von Ausländern erwähnte, wurde schnell klar, dass jeder ihn kannte. Manche meinten im Scherz, dass er vielleicht ein Zwilling oder Drilling sei, andere erklärten sein häufiges Erscheinen an unterschiedlichen Orten damit, dass er in Wahrheit vielleicht ganz reich sei und mit seinem Auto zwischen den Orten hin und her brause. Als ich sagte, dass er der erste Mongole gewesen sei, den ich getroffen hätte, antwortete ein Chor von Stimmen: »Stimmt, meiner auch!«

Wenn mir dieser Mann in den Sinn kommt, muss ich innerlich schmunzeln. Was würde wohl die Regierung denken, wenn sie wüsste, dass für viele Ausländer der erste bewusst wahrgenommene Repräsentant des mongolischen Volkes ein Bettler mit zerknittertem Papierschild in der Hand ist?

Salz im Tee

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