Читать книгу Hau ab! Flüchtlingskind! - Birte Pröttel - Страница 13

Vaters Autobahn

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Später werden sie sagen: „Der Hitler hat ja auch was Gutes gemacht. Autobahnen zum Beispiel.“ Aber das weiß ich besser, die Autobahn hat mein Vater gemacht, nicht Herr Hitler. Und Vater war auch mächtig eingebildet auf die neue Autobahn, die von Stettin nach Danzig führte. Einmal, als Vater Urlaub vom Krieg hat, holt er uns in Eichenwalde mit seinem Dienstauto ab und fährt zu seiner Autobahn. Der weiße Beton in gleißender Sonne blendet mich. Weiß wie platt gewalzter Schnee. Wir stehen mitten darauf. Auf der Autobahn.

Ich drehe mich um die eigene Achse, kreisele, bis mir schwindlig wird. Vater lacht. Gut sieht er aus. Blitzende himmelblaue Augen spiegeln sich in meinen ebenfalls himmelblauen Augen, strohblonde Haare fallen ihm in die Stirn, auch um mein Gesicht kräuseln sich hellblonde Haare und sein Kinn hat ein Grübchen, mei­nes nicht. Der lange Uniformmantel sitzt wie angegossen. Ich vergöttere mei­nen Vater, und wenn ich groß bin, heirate ich ihn.

„Er hat sie gemacht, sagt Mutter, diese Autobahn nach Danzig, da werden meine Freundinnen neidisch sein.“ Er hat sie gemacht, mein Vater. Und Mutter lächelt ihr süßes Lächeln mit den niedlichen Grübchen. Noch glaubt sie, hofft sie, dass alles gut wird.

„Und dann haben wir auch wieder eine schöne eigene Wohnung!“ strahlt sie meinen Vater an. Der wird verlegen und möchte, dass wir die Autobahn be­wundern.

Wo sind die Autos?

Jetzt sind wir drauf. Vater, Mutter, Arne und ich. Mutter schaut ihn nach­denklich an, sie weiß, warum sie so oft allein sein muss. Eines Tages werden hier die tollen Autos fahren, wie das von Onkel Kurt. Adler Triumph. Sagt er.

Mir ist schwindlig. Arne wünscht sich Rollschuhe für die Autobahn. Mir ist heiß. Es gibt keinen Schatten. Rechts und links der Betonpiste ist kein Baum, kein Strauch. Aber ich muss mal.

„Setz dich in den Graben.“

Ich kullere die steinige Böschung runter. Es riecht nach Brennnesseln und Minze. Ich will nach Hause. Und dann steigen wir in den Dienstwagen und ich soll stolz auf Vater sein. Aber der muss wieder in den Krieg. Der Urlaub vom Krieg ist vorbei. Komisch eigentlich. Wie kann man bloß Urlaub vom Krieg haben? Wenn Krieg ist, ist doch Krieg. Und sonst nichts. Und später, wenn der zu Ende ist, fahren wir hier mit dem eigenen Auto nach Königsberg verspricht Vater.

Aus dem Versprechen wurde leider nichts, wie aus vielen anderen Träumen, die meine Eltern geträumt haben.

Hau ab! Flüchtlingskind!

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