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Großvaters Schatz

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Ich war schon immer eine Sachen- und Schatzsucherin. Jetzt im Oma-Alter sind allerdings Hausschlüssel und Brillen Objekte meiner Begierde. Auslöser dieser permanenten Schatzsuche ist sicher mein Großvater Hermann. Als Mutter mit uns längst auf der Flucht war, ist er in Stet­tin geblieben. Die blank polierte Glatze war sein Markenzeichen.

Er hat eine Dienstwohnung in einer großen Behörde an der Hakenterrasse. Die russischen Truppen kommen näher. Großvater harrt im März 1945 so lange aus, bis die Stadt auf Anordnung der Militärs geräumt werden muss. Und je näher der Russe kommt, desto fester ist sein Entschluss, die Wertsachen zu verstecken. Sie sollen auf keinen Fall den Russen in die Hände fallen.

Wenn wir später mal so gemütlich Anekdoten aus alten Zeiten vor kramen, wird Großvater regelmäßig wegen der Sache mit dem Schatz Zielscheibe des Familienspotts. Er hatte nämlich einen Schatz vergraben, und jedes Mal, wenn davon erzählt wird, nennt ihn Großmutter Martha einen Dummkopf. Er zieht sich dann zurück, kriecht halb in sein Radio und lernt die Nachrichten auswendig:

„Konnte ja keiner wissen, dass der Krieg so lange dauert.“ brummelt er.

Die Sache war die: Er war allein, verbrachte schließlich fast jede Nacht bei Fliegeralarm auf dem Dach, um die Brandbomben zu löschen.

Schließlich packte er Schmuck, Silber, Ketten und Goldstücke in eine große Truhe, buddelte im Fußbo­den in der riesigen Eingangshalle der Versicherungsanstalt ein großes Loch und versteckte dort den „Schatz“. Aber da Großvater ein praktisch den­kender Mann war, dachte er:

„Was soll man mit silbernen Gabeln, wenn man nichts zu essen hat?“

Und so packte er auch noch einen Sack Saat­kartoffeln – „für nach dem Krieg“ - in die Grube. Dann gab er sich viel Mühe und setzte die Bodenplatten so ein, dass man nicht sehen konn­te, wo der Schatz unter dem Boden versteckt war.

Und jedes Mal, wenn nun nach dem Krieg die Sprache auf den vergra­benen Schatz kommt, rauft sich Großmutter die grauen Haare und zittert mit ihrem Dreifach-Kinn. Sie stellt sich vor, wie die keimenden Kartoffeln die schweren Steinplatten anheben und den kostbaren Schatz verraten. Ihr ganzer Stolz, das schwere Tafelsilber aus der Aussteuer, ihr schöner Erbschmuck, ihre geliebten Fotos sind fremden Räubern, Plünderern und Tunichtguten in die Hände gefallen. Nicht auszudenken, wenn diese Barbaren dann womöglich das in dänischer Handwerks Kunst fein geschmiedete Silber eingeschmolzen hätten! Und darum schilt Großmutter den Großvater einen Dummkopf. Und der ver­sucht schnell vom heiklen Thema abzulenken, wenn wir Enkel unbe­dingt wieder die Geschichte vom Schatz hören wollen.

Meine andere Großmutter, die ja auch Martha hieß, hatte ebenfalls eine schwere Schatztruhe gepackt, als Stettin mehr und mehr in Schutt und Asche gebombt wurde. Ihr Sohn, unser Onkel Kurt, hat ihre Truhe aufs Land nach Hinterpommern gebracht und dort vergraben, so wie es sich gehört. Leider hat auch sie nie wieder etwas von ihrem Schatz gesehen. Ich träume davon, den Schatz irgendwann in den Weiten Polens zu heben. Eine Schatzkarte hat sie leider nicht hinter­lassen.

Ich hab mir schon überlegt, ob ich nicht wenigstens einmal nach Stettin fahre. Dort weiß ich, wo ein Schatz versteckt ist. Das Gebäude an der Hakenterrasse existiert noch. Zu gern würde ich dort mit einem Metalldetektor den Fußboden der großen Halle an der Hakenterrasse in Stettin absuchen.

Mein Mann meint aber, dass ich das besser bleiben lassen soll. Er fürchtet Komplikationen für die deutsch-polnische Freundschaft, die ja ohnehin ein so zartes Pflänzchen ist.

Hau ab! Flüchtlingskind!

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