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Vater beim Vermessen der Welt in Norwegen

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Er hatte zunächst im Frankreich Feldzug gedient. Nach kurzer Zeit wurde er abgerufen, um seine Arbeit an der Autobahn nach Königsberg fortzusetzen. Er war mit sogenannten „kriegswichtigen“ Arbeiten beschäftigt. Dadurch konnte er 1942 des Öfteren zu uns auf Besuch kommen.

Als die Front im Osten näher kommt und eine Weiterarbeit an

der Autobahn nun nicht mehr vorangeht, wird Vater wieder eingezogen. Er kommt zu Organisation Todt. OT genannt, einer Einheit, die sich mit dem Bau von Bunkern, z. B. mit dem Westwall beschäftigte. Er wurde nach Norwegen geschickt. Vater muss in Norwegen schreckliche Dinge erlebt haben, von denen er nie erzählte. Außer einer Begebenheit, die uns Kinder erschauern ließ. Er berichtete, dass er das Land rings um Hammerfest vermessen sollte. Norwegen war von den Truppen Hitlers ohne großen Widerstand erobert worden. Aber es gab im Untergrund viele Norweger, die gegen die Nazis kämpften.

Bei seinen Erzählungen erstand ein Bild vor mir: Vater auf der Schulter einen Theodolit, auf der anderen ein Sturmgewehr. Der lange, schwere Wehrmachtsmantel schleift über den Schnee, die Langschäfter sinken bei jedem Schritt bis über den Rand in den Harsch. Der Wind zerrt an den Fellklappen über den Ohren, die anderen beiden Soldaten stöhnen, schleppen schwere Kisten mit sich. Vater freut sich, bald die Unterkunft zu erreichen, heißen Tee zu schlürfen, ausruhen. Die vorausgeschickten Soldaten haben die Unterkunft bestimmt geheizt. Diese Vision treibt die drei Landvermesser voran. Sie fühlen sich wie Amundsen, Bering und Nansen beim Erforschen neuer Länder.

Der Wind kämpft mit den Männern, er drückt die Tür zu, die sie zu öffnen versuchen. Plötzlich reißt die Tür quietschend auf. Der Raum ist dunkel, Schnee ist hereingeweht, die Fenster sind zerbrochen. Am Boden liegen erschossen die drei Männer der Vorhut. Wenn Vater an diese Stelle seiner Erzählung kam, stockt uns der Atem, wir erschauern und Vater verstummt. Mehr hat er nie erzählt.

Er war so geschockt, dass er am liebsten den Dienst quittiert hätte. Aber da gab er uns eine Lektion in Vasallentreue. Wer auf die Fahne geschworen hat, darf nicht einfach so desertieren. Das wäre Hochverrat und darauf steht die Todesstrafe.

Nach dem Erlebnis in Norwegen ließ er sich zurückversetzen. Er blieb bei der OT und bekam einen Posten im noch sicheren Heidelberg.


Die Hütte in Nordnorwegen


Hau ab! Flüchtlingskind!

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