Читать книгу Hau ab! Flüchtlingskind! - Birte Pröttel - Страница 6

… Mutter ist im Pommernland …

Оглавление

Als ich klein war, woll­te ich alles andere, nur nicht BIRTE heißen. Ich woll­te nicht aus der Reihe tanzen. Und wenn ich meinen Namen buchstabieren musste, nannte man mich trotzdem Berta und wurde ich wütend, denn das war der gehasste Spitzna­me, den mir die Brüder gaben. Ich fand es jedenfalls blöd, Birte zu heißen.

Nun muss ein Kind einen Namen haben und beim Standesamt angemel­det und registriert werden, sonst exis­tiert es überhaupt nicht, auch wenn es noch so schreit. Meine Großmutter übernahm das Kommando zu Hause. Vater musste ja den Erbfeind in Frankreich besiegen und von dort Päckchen schicken. Darin waren für mich und meinen großen Bruder Spielsachen und für Mutter Champagner, Foie gras, Froschschenkel, geräucherte Gänsebrust und allerhand Leckereien, die meiner Mutter die Trennung von ihrem Gemahl versüßen sollten.

Mutter, beschließt mir drei Vornamen zu geben: Birte, Hanna (nach Mutter) und Martine nach der Urgroßmutter. Denn Mutter war zeitlebens beleidigt, dass man ihr nur einen Vornamen gegeben hatte. Sie empfand das als Lieblosigkeit ihrer Eltern, schließlich hatte damals jeder mehrere Vornamen und je vornehmer er war, umso mehr. Um das wieder gut zu machen, bekam ich drei Vornamen und Birte soll der Rufname werden.

Großmutter zieht sich ihr feines kamelhaarfarbiges Kostüm an, setzt den eleganten dunkelbraunen Filzhut mit der wippenden Fasanenfeder auf und geht zum Standesamt und sagt, dass das neue Baby – also ich – Birthe heißen solle.

„Dieser Name steht nicht auf der Liste deutscher Vornamen.“ sagt die strenge Beamtin zu meiner Großmutter.

„Das ist ein dänischer Name und meine Enkelin soll so heißen.“ antwor­tet meine resolute Großmutter, sie ist nämlich in Dänemark geboren. Dabei trommelt sie ungeduldig mit den frisch manikürten Fingern auf dem Tisch mit den vielen Akten. Deutschland und sein „Herr Hitler“ konnten ihr überhaupt nicht imponie­ren.

„Wir sind in Deutschland und dieser Name ist nicht erlaubt, er steht nicht auf der offiziellen Namensliste!“

„So, dann zeigen sie mir mal, ob Holdine in der Liste steht. Denn euer Herr Goebbels hat eine Tochter, die so heißt!“

Die Standesbeamtin guckte ängstlich in der offiziellen deutschen Namenliste nach und siehe da, Holdine stand nicht drin.

„Wenn Herr Goebbels seine Tochter Holdine nennen kann, darf meine En­kelin auch Birthe heißen!“

Die Beamtin machte ihren Rücken noch runder als er schon war und schaut verlegen von unten hoch zu meiner frischgebackenen Großmutter, die sich aufrecht, als hätte sie ein Lineal verschluckt vor der Beamtin aufplustert. Sie wirft den Kopf in den Nacken, wie immer, wenn etwas nicht nach ihrem Willen geht und der imposante Busen wogt drohend: „Na???“

Die Beamtin drugst rum, stottert und dann fiel ihr ein: „Aber, dann kann das Kind aber nur Birthe ohne TH heißen.“

Großmutter strahlt: Sieg auf der ganzen Linie!

Großmutter schreitet wie eine Walküre in der Wagneroper aus dem Amt.

Und so kam es, dass ich Birte, Hanna, Martine heiße.

Als wir nach dem Krieg im kleinen Schwarzwalddorf als Flüchtlinge ein­quartiert wurden, haben die Leute um meinen Namen und den meiner Ge­schwister ein riesiges Theater gemacht. „Die bilden sich ein, was Besseres zu sein!“ wurde über uns geklatscht.

Hau ab! Flüchtlingskind!

Подняться наверх