Читать книгу Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas - C. M. Spoerri - Страница 12

Kapitel 3 - Damaris

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Dass ich in der Nacht trotz der brütenden Hitze einigermaßen Schlaf finde, liegt wohl vor allem daran, dass ich wirklich müde bin. Als ich am Morgen erwache, fühle ich mich ausgeruht und strecke mich gähnend in den ungewohnt weichen Laken. Sie stehen im starken Gegensatz zu dem, was ich aus meinem alten Leben kenne. Ich habe irgendwann in der Nacht beschlossen, mich meiner Kleider zu entledigen, da sie ohnehin nur an der Haut klebten. Nun liege ich, wie die Götter mich schufen, in dem breiten Bett und blicke zur Balkontür, durch welche die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg ins Zimmer erschleichen. Draußen schläft Schneeflocke wie eine Katze eingerollt.

Bei Tageslicht ist der Raum, den ich als Schlafzimmer zugewiesen bekommen habe, noch prunkvoller. Ich frage mich, wie viel Gold wohl in all den Fresken und Gemälden verarbeitet wurde. Noch nie habe ich mich so … wichtig gefühlt. Ja, Wichtigkeit. Das ist es, was dieser Raum ausstrahlt. An ihn grenzt ein Bad, in dessen Wanne ich mir gestern Abend den Schmutz der Reise abgewaschen habe.

Gerade überlege ich, ob ich den Morgen mit einem weiteren Bad starten soll – wenn ich schon mal den Wohlstand einer eigenen Wanne besitze –, da klopft es unvermittelt an der Tür und ich schrecke hoch. Rasch sehe ich mich nach meinen Kleidern um, die allerdings kreuz und quer im Zimmer verteilt sind. Es würde ewig dauern, sie zusammenzusuchen. In Ermangelung einer Alternative zerre ich das Laken vom Bett und schlinge es mir um den Leib, ehe ich zur Tür eile und sie aufreiße.

Im ersten Moment versuche ich, den azurblauen Augen standzuhalten, die mich mit einem erheiterten Ausdruck mustern.

Im zweiten Moment wird mir bewusst, dass ich nur das Laken trage.

Und im dritten Moment würde ich gerne im Erdboden versinken.

»Guten Morgen, ich hoffe, du hast gut geschlafen«, begrüßt mich Cilian, der eine Leinenhose und ein helles Hemd trägt. Gestern konnte ich unter seinem weiten Burnus nur erahnen, wie gut er gebaut ist – das ist heute für alle Augen sichtbar, da die Kleidung um einiges enger an seinem Körper anliegt.

»Gu… guten Morgen«, antworte ich verlegen und beiße mir auf die Unterlippe. »Tut mir leid.« Ich deute auf das Laken, das ich mit einer Hand ungeschickt festhalte.

Cilian schmunzelt. »Habe ich dich geweckt?«

Rasch schüttle ich den Kopf. »Nein. Ich … war schon wach. Konnte mich nur noch nicht aus den Laken schälen – also …« Ich unterbreche mich selbst, da ich das Laken ja immer noch ›trage‹. Schnell wechsle ich das Thema. »Ich wollte noch ein Bad nehmen, es ist scheiße heiß hier.« Ich beiße mir erneut auf die Unterlippe, da mir der Fluch entwichen ist, ehe ich darüber nachdenken konnte.

Cilian hingegen stößt ein leises Lachen aus und seine Augen funkeln dabei wie Saphire. »Scheiße heiß …«, wiederholt er amüsiert. »Ja, das ist es in der Tat. Wenn du aus Oshema stammst, solltest du aber eine gewisse Tagestemperatur gewohnt sein, oder?«

Ich ziehe das Laken noch enger um meinen Leib und senke den Blick. »Ich … ich habe in den Talmeren gelebt. Hochgebirge.«

»Ah, das erklärt natürlich einiges.« Cilian nickt verstehend. »Nun, ich dachte, ich führe dich heute an deinem ersten Tag ein wenig im Zirkel herum und zeige dir alles. Wenn du das möchtest, versteht sich.«

Als ich den Blick wieder hebe, bemerke ich, dass in seinen Augen diese Wärme liegt, die mein Herz schneller schlagen lässt.

Ob ich Zeit mit ihm verbringen will? Natürlich! Sofort! Wo muss ich unterschreiben?

Im Gegensatz zu meinen sich überschlagenden Gedanken bringt mein Körper nur ein abgehacktes Nicken zustande.

Cilian räuspert sich und deutet dann auf das Laken. »Vielleicht solltest du dir dafür etwas … weniger Luftiges anziehen. Wenn du noch ein Bad nehmen willst, komme ich später nochmals wieder und …«

»Nein!«, unterbreche ich ihn wohl etwas zu laut, denn er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich meine … nein. Ich habe gestern schon gebadet. Ich brauche nur … Gebt mir drei Sekunden, dann bin ich bereit!«

Cilian nickt und sein Mundwinkel zuckt dabei ein wenig, als wollten sich seine Lippen erneut zu einem Lächeln verziehen. »Gut, ich warte hier auf dich.«

»Ist … Ich beeil mich«, stammle ich und schließe rasch die Tür.

Ich wirble herum und stürze zu meinen Kleidern. Als ich die Hose aufhebe und in den Ankleidespiegel blicke, keuche ich allerdings laut auf und erkenne Schamesröte, die sich auf meinen Wangen ausbreitet. Das Laken ist zwar fest um meinen Leib gewickelt, aber meine rechte Brust liegt trotzdem frei.

Verflucht! Hat mich Cilian etwa so gesehen? Hat er meine Brust … Bei den Göttern …!

Ich schlage mir die Hand vor die Stirn und schließe die Augen, während ich spüre, wie das Laken zu Boden gleitet.

Es dauert eine Weile, bis ich meine Fassung wiedererlangt, mich eilig mit einem Schwamm gewaschen und angezogen habe. Der Gedanke, dass Cilian die ganze Zeit vor meiner Tür wartet, macht meine Scham auch nicht besser.

Von wegen drei Sekunden … dreißig Minuten wäre realistischer gewesen …

Mit fliegenden Fingern richte ich meine kurzen, glatten Haare, die ich mir ab und an selbst schneide, damit sie pflegeleicht bleiben, und blicke dann kritisch mein Spiegelbild an. Die Wangen sind immer noch gerötet, aber ansonsten bin ich vorzeigbar.

Rasch erkläre ich Schneeflocke, der inzwischen aufgewacht ist, anhand von ein paar Bildern, was ich vorhabe. Er gähnt nur und tappt dann ins Innere des Zimmers, da es ihm draußen auf dem Balkon langsam zu warm wird. Mit einem müden Blinzeln gibt er mir zu verstehen, dass er hier auf mich warten und Schlaf nachholen wird. Der Arme ist von der langen Reise immer noch ganz erschöpft.

Als ich mein Zimmer verlasse, lehnt Cilian gegenüber an der Wand und stößt sich mit einem Lächeln ab, ehe er auf mich zukommt.

Bestimmt hat ein Mann wie er schon viele Brüste gesehen, aber die Tatsache, dass er mit ziemlicher Sicherheit ausgerechnet meine zu Gesicht bekommen hat, lässt mich die Augen auf den Boden richten, da ich ansonsten unter seinem Blick verglühen würde.

»Bereit?«, fragt er in unverfänglichem Tonfall.

Ich nicke knapp, ohne ihn anzusehen.

»Ich zeige dir die Stallungen der Greife, danach essen wir zusammen Frühstück und dann fahren wir mit dem restlichen Zirkel fort«, erklärt Cilian, während ich neben ihm durch die Gänge gehe. »Du wirst ab morgen im Wasserzirkel sowie im Greifenorden unterrichtet.«

Ich hebe nun doch wieder den Blick und sehe ihn von der Seite neugierig an. »Unterrichtet Ihr auch?«, frage ich und verwünsche mich dafür, dass meine Stimme so hoffnungsvoll klingt.

Cilian wendet mir den Kopf zu. »Ja, das tue ich. Allerdings nur ein paar Lektionen in der Woche. Mehr lässt meine Arbeit als Ordensleiter und Zirkelrat leider nicht zu.«

»Wenn Ihr so beschäftigt seid«, murmle ich, »wieso nehmt Ihr Euch dann die Zeit, mich herumzuführen?«

Jetzt bleibt Cilian stehen. »Normalerweise kenne ich die Magier, die sich dem Greifenorden anschließen, schon seit vielen Jahren, da die meisten aus dem Zirkel stammen.« Seine Stirn legt sich in Falten. »Bei Ausnahmen wie dir möchte ich mir daher Zeit nehmen, um dich besser kennenzulernen. Wenn das für dich in Ordnung ist, natürlich.« Sein Blick gleitet forschend über mein Gesicht.

Ich nicke hastig. »Natürlich. Natürlich ist das in Ordnung.«

Cilians Lippen verziehen sich wieder zu einem Lächeln. »Dann bin ich ja beruhigt. Es liegt mir fern, mich dir aufdrängen zu wollen.«

Ich erwidere sein Lächeln und komme mir vor, als würde ich eine Grimasse schneiden. »Ich fühle mich geehrt, dass Ihr mir alles zeigt«, antworte ich ehrlich.

Der Ordensleiter nickt und lässt dabei seine braunblonden Locken wippen. »Du wurdest von einem meiner besten Greifenreiter hergeschickt. Daher bin ich neugierig auf deine Geschichte – und deine Fähigkeiten.« Er holt leise Luft. »Aber das hat Zeit. Zuerst werde ich dir zeigen, wo du deinen Greif später unterbringen kannst. Wie heißt er eigentlich?«

»Schneeflocke«, antworte ich.

»Das passt zu ihm.« Cilian hebt eine Augenbraue.

»Nun ja, es ist ja eigentlich ein weiblicher Name, aber mir gefällt er. Er hat ihn mir selbst offenbart«, sprudelt es aus mir heraus.

»Das tun Greife sehr häufig«, erklärt mir Cilian, während wir unseren Weg fortsetzen. »Was weißt du alles über Schneeflocke?«

Ich überlege einen Moment. »Er spricht mit mir in Gedanken«, beginne ich, was ein Nicken des Ordensleiters zur Folge hat. »Und er liebt Hasenfleisch. Wenn er seine Kräfte mit meinen verbindet, fühlt sich das an, als würde er meinen Geist streicheln. Er schläft manchmal fast den ganzen Tag und manchmal nur eine Stunde. Er mag es, wenn ich seine Federn streichle und sein Fell bürste. Manchmal träumt er in der Nacht und schickt mir Bilder davon, sodass ich aufwache. Wenn er ein Mensch wäre, würde er wohl ziemlich oft fluchen. Er ist manchmal so launisch, dass ich ihn am liebsten schütteln würde. Und manchmal, da ist er so anschmiegsam wie ein kleiner Welpe.« Ich unterbreche mich und sehe Cilian an, der sich mir ebenfalls zugewandt hat. »Ich liebe ihn und könnte mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.«

Cilian nickt langsam und ein trauriger Ausdruck gleitet über sein Gesicht. »Die Verbindung zwischen einem Greif und einem Menschen ist etwas vom Innigsten, das man erfahren kann. Entsprechend schlimm ist es, wenn einem von beiden etwas zustößt. Es fühlt sich an, als würde einem das Herz herausgerissen und außerhalb der Brust weiterschlagen.«

»Habt Ihr …« Ich schlucke, ehe ich mich die Frage zu stellen getraue. »Habt Ihr schon einmal einen Greif verloren?«

Cilians Augen verdunkeln sich kaum merklich und er bleibt erneut stehen. »Das habe ich. Und ich wünsche dieses Gefühl nicht einmal meinem ärgsten Feind.«

Ich nicke stumm und senke den Blick.

Die Vorstellung, Schneeflocke nie wieder mit meinem Geist zu spüren, ihn nicht mehr um mich zu haben, nie wieder in seine roten Adleraugen blicken zu können … sie ist kaum auszuhalten.

»Wieso habt Ihr Euch trotzdem wieder mit einem Greif verbunden?«, frage ich, nachdem wir eine Weile unseren Weg wortlos fortgesetzt haben.

»Mit Greifen ist es wie mit der Liebe«, antwortet Cilian und ich bemerke, dass seine Kiefermuskeln sich anspannen. »Man weiß zwar, dass man verletzt werden kann, aber es gibt keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Das Herz entscheidet – und es ist ein grausamer Ratgeber fürs Leben. Masochistisch und stur. Und trotzdem besitzt es eine Macht und eine Überzeugungskraft, der man sich immer wieder beugt.«

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er nicht mehr nur von Greifen spricht, aber ich wage es nicht, nachzuhaken.

Mit einem Mal bekomme ich ein etwas anderes Bild des Ordensleiters. War ich im ersten Moment von seiner Ausstrahlung geblendet, so erkenne ich nun, dass hinter dieser schönen Maske ganz viel Schmerz lauert. Schmerz und Einsamkeit …

Meine Schwester hat mir immer gesagt, dass ich eine hervorragende Menschenkenntnis hätte und es eine Stärke von mir sei, andere einzuschätzen. Gerade verfluche ich diese Fähigkeit, denn ich würde gerne noch eine Weile den hübschen Mann im strahlenden Sonnenschein sehen. Aber das geht nun nicht mehr … nicht nach dem, was er gerade über die Liebe gesagt hat. Nun bemerke ich einen langen, düsteren Schatten hinter ihm, der ihm überallhin folgt – und den er wohl nie wieder loswird.

Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas

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