Читать книгу Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas - C. M. Spoerri - Страница 16
Kapitel 7 - Cilian
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Ich mustere das Mädchen nachdenklich, das vor mir sitzt und einen Schluck Wasser trinkt, nachdem es mir seine Geschichte erzählt hat. »Das war in der Tat eine interessante Art, einen Greif kennenzulernen«, kommentiere ich das eben Gehörte. Was eine Untertreibung ist – normalerweise sind Greife scheue Wesen, die viel Zeit benötigen, sich einem Menschen zu öffnen. Geschweige denn, sich von einem Fremden heilen zu lassen. Schneeflocke scheint in dieser Hinsicht eine Ausnahme zu sein.
»Oh ja.« Damaris nickt mit Nachdruck. »Und ich bin den Göttern dankbar dafür, dass sie mich an diesem Tag zu Schneeflocke gebracht haben.«
»Hm.« Ich streiche mir mit dem Finger über das Kinn. »Und wie kam es, dass er seine Magie mit deiner verband?« Dass Schneeflocke dies von sich aus getan hat, erscheint mir fast noch merkwürdiger als die Tatsache, dass er von Anfang an so zutraulich war. Umso mehr bin ich gespannt darauf, zu erfahren, wie und wann es vonstattenging.
Nun blitzt Schalk in den dunklen Augen meiner Gesprächspartnerin auf. »Das werde ich Euch ein anderes Mal erzählen.« Sie erhebt sich und deutet eine Verbeugung an. Eine Geste, die nicht wirklich zu ihr passen will und die sie ungewollt steif wirken lässt. »Wenn Ihr mich entschuldigen würdet? Ich muss mal für kleine Mädchen.«
»Das Badezimmer liegt da drüben.« Ich deute mit der Hand auf eine Tür, die an den Wohnraum angrenzt, in welchem wir gefrühstückt haben. Damaris sieht mich mit entgeistertem Gesichtsausdruck an und ich bemerke zu spät, dass es sich nicht geziemt, einer Schülerin vorzuschlagen, mein privates Klosett zu benutzen. »Du kannst natürlich auch …« Ich fahre mir zerstreut mit der Hand durch das Haar. »Ich meine …«
Seit wann stottere ich denn?
Nun gleitet doch noch ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, Cilian. Aber ich glaube, ich gehe trotzdem lieber zurück in meine Gemächer und Ihr könnt mich dann von dort in etwa …« Sie macht eine unbestimmte Geste mit ihrer Hand. »… einer halben Stunde wieder abholen? Ich würde noch gern rasch den Brief an meine Schwester verfassen. Oder sollen wir uns irgendwo treffen?« Ihre Augen werden groß. »Nicht, dass ich Euch herumkommandieren möchte. Das liegt mir fern … ich … meine, ich würde überall auf Euch warten. Also ich will sagen, dass …« Eine sanfte Röte erscheint auf ihren Wangen und ich schmunzle unwillkürlich. Dieses Mädchen ist wirklich sehr erfrischend.
»Ich hole dich gerne in einer halben Stunde wieder ab«, versichere ich Damaris. »Dann zeige ich dir die Arena und den Rest des Zirkels.«
Sie lächelt mich fast schon schüchtern an, ehe sie eilig nickt und sich zum Gehen wendet.
Noch ein paar Sekunden lang starre ich auf die Tür, die sich hinter ihr geschlossen hat. Sie ist so anders … so … schützenswert. Ich habe keine Ahnung, wieso ich solch eine Empfindung spüre, aber ich weiß, dass ich sie nicht ignorieren sollte. Damaris rührt etwas tief in mir, was ich längst tot glaubte und sich das letzte Mal bei Mica bemerkbar gemacht hat. Zur falschen Zeit. Bei der falschen Person … womöglich ist das auch dieses Mal der Fall.
Manchmal hasse ich mein Herz für seine Regungen.
Ich seufze leise und erhebe mich, um nach einem Diener zu rufen, der die Reste des Frühstücks beseitigt, da klopft es unvermittelt an der Tür.
Wahrscheinlich will Damaris noch etwas fragen …
Ich durchquere meine Gemächer – und halte mitten in der Bewegung inne, als ich in smaragdgrüne Augen blicke, nachdem ich die Tür geöffnet habe.
»Catina«, murmle ich erstaunt, während ich auf die dunkelhaarige Magierin hinunterblicke, die mich mit einem anziehenden Lächeln mustert.
Sie ist Heilerin hier im Zirkel, allerdings beherrscht sie nicht genügend Magie, um sich zu verjüngen, und ist inzwischen fast schon dreißig Jahre alt. Dennoch ist es schwer, ihr Alter zu schätzen, da ihre Wangen stets eine zarte Röte aufweisen und sie eine äußerst jugendliche Ausstrahlung besitzt. Sie ist schön und klug. Vor allem Letzteres schätze ich an einer Frau – neben der Tatsache, dass sie mich auf ihre ganz eigene Weise abzulenken versteht.
»Cilian«, antwortet sie mit ihrer melodischen Stimme. »Ich dachte mir doch, dass ich dich hier finde. Du siehst gut aus. Hast du dich verjüngt?«
Ich nicke erst und schüttle dann leicht den Kopf, um die Erinnerung an Damaris und ihre Geschichte zu verscheuchen. »Wir … waren doch erst zum Abendessen verabredet, oder?«, versuche ich meine Verlegenheit zu überspielen. Es kommt oft genug vor, dass ich Termine vergesse – selbst bei so schönen Frauen wie Catina. Aber manchmal habe ich einfach zu viel um die Ohren, um mich auf mein eigenes Leben zu konzentrieren.
»Das stimmt«, antwortet sie mit einem leichten Nicken und lässt die Hände wie beiläufig über das grüne Kleid streichen, das ihre Figur hervorragend zur Geltung bringt und meinen Blick zu ihrem Ausschnitt wandern lässt. »Aber ich habe es nicht mehr ausgehalten.«
Ehe ich michs versehe, hat sie ihre Arme um meinen Nacken geschlungen und drückt sich an mich. Ich spüre jede ihrer Rundungen gegen meinen Körper drängen, rieche ihr angenehmes Duftwasser, das ich manchmal nach unseren gemeinsamen Nächten noch tagelang in meinen Laken wahrnehme. Catina ist einer der Gründe, wieso ich nicht das Gefühl habe, eine leblose Hülle zu sein. Sie gibt mir Kraft – und einen Sinn im Leben. Auch wenn ich nicht in sie verliebt bin, so weiß ich, dass ich ihr guttue. Und sie mir.
Schon fühle ich ihre Lippen, die sich auf meine pressen, und vergesse für einen Moment alles um mich herum. Es gibt nur sie und mich und ihre Zunge, die in meinen Mund eindringt, über die meine streicht und mich liebkost. Ein leises Stöhnen entfährt ihr, was mich daran erinnert, dass ich mich heute früh für eine zu enge Hose entschieden habe. Meine Hände gleiten über ihre Hüften zu ihrem Po, legen sich darum, ziehen sie noch näher zu mir.
Ich will sie. Ebenso wie sie mich. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Es braucht einiges an Überwindung, mich von ihr loszureißen und sie so weit von mir wegzuschieben, dass ich in ihr herzförmiges Gesicht blicken kann.
»Catina«, raune ich. »Ich bin gerade dabei, einer neuen Schülerin den Zirkel zu zeigen.«
Ihre Augenbrauen hüpfen überrascht in die Höhe und sie blickt hinter mich, als erwartete sie, diese neue Schülerin in meinen Gemächern vorzufinden. Was ein nachvollziehbarer Gedanke ist, denn meine Formulierung war uneindeutig.
»Ich meine …« Ich räuspere mich. »Ich habe ihr heute früh den Greifenorden gezeigt. Genauer, die Stallungen. Und nun ist der restliche Zirkel an der Reihe.«
Catina sieht mich mit schief gelegtem Kopf an. »Dann muss ich mich wohl bis heute Abend gedulden«, murmelt sie mit einem gespielten Schmollmund. »Du denkst aber daran, mich abzuholen?«
»Wie könnte ich das vergessen?« Ich lächle sie – wie ich hoffe – herzlich an.
Zumindest scheint sie damit zufrieden zu sein, denn sie nickt ebenfalls lächelnd und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Dann freue ich mich auf später«, haucht sie in mein Ohr, ehe sie sich von mir löst.
Ich nicke immer noch lächelnd und streiche ihr mit der Hand über den Arm. »Bis später.«
Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hat, atme ich leise durch. Es wäre wahrscheinlich langsam an der Zeit, Catina zu erklären, dass ich ihr nicht mehr geben kann als das, was sie in den vergangenen Monaten von mir bekommen hat. Ein paar gestohlene Stunden, einige leidenschaftliche Nächte, eine kurze Flucht aus dem Alltag. Mehr schaffe ich einfach nicht. Nicht nach allem, was ich in meinem Leben schon durchgemacht habe.
Ich bin kein Mann für eine Beziehung oder gar Familienpläne. Für Letzteres bin ich zu alt – für Ersteres zu kaputt. Wie man es auch dreht und wendet, ich bin ein Wrack, das sich danach sehnt, in den Heimathafen gebracht und dort versenkt zu werden. Melodramatisch, ja. Aber immer noch besser, als es dem Rest meiner Familie gleichzutun und am Schicksal dieses verdammten Zirkels zu zerbrechen …
Ein leises Krächzen lässt mich zusammenfahren und mein Blick gleitet zur Balkontür, wo ich meinen Greif erkenne, der soeben das Zimmer betritt. Seine majestätische Gestalt und sein hoheitsvoller Gang lassen mein Herz aufgehen, das eben dabei war, sich wieder einmal zu verschließen.
»Mondsichel«, murmle ich und höre selbst, wie erleichtert ich klinge. Der Greif schafft es immer wieder, mich aus den Löchern zu ziehen, die ich mir selbst grabe. Er ist mein Ein und Alles. Und ohne ihn würde ich definitiv in einem dieser Löcher zugrunde gehen.
Ich trete zu ihm und streiche mit der Hand zärtlich durch die Federn an seinem Hals, kraule den Ansatz unter seinem Schnabel.
»Na, mein Junge, warst du wieder jagen?«, frage ich ihn etwas, das ich eigentlich weiß. Mondsichel jagt fast jeden Morgen – so mit Sicherheit auch heute. »Wie wär’s mit einer kleinen Vorführung in der Arena?«
Meine Gedanken gleiten zu Damaris. Ich bin gespannt darauf, zu sehen, wie stark sie sich schon mit ihrem Greif verbunden hat – und was sie alles imstande ist zu zaubern. Nun, mit dem Magierring, wird sie ihre Kräfte ziemlich sicher noch besser bündeln können. Gut möglich, dass sie mich überraschen wird, denn sie ist seit fünf Jahren mit Schneeflocke zusammen. Fünf Jahre ohne Unterricht, aber immerhin sind es viele Monate, in denen sich ihre Beziehung vertiefen konnte.
»Wir haben eine neue Greifenreiterin«, erkläre ich Mondsichel, der die Augen geschlossen hat und gerade die Massage genießt, die ich seinem Adlerkopf gewähre. »Sie und ihr Greif sind etwas Besonderes. Frag mich nicht, wieso ich das denke.« Ich schnaube, selbst amüsiert über meine Worte. Dann werde ich wieder ernst. »Wir werden die beiden unterrichten und du wirst dafür sorgen, dass Schneeflocke von den anderen akzeptiert wird und sich bald wie ein Greif benimmt, der im Orden von Chakas ausgebildet wurde.« Ich halte inne und sehe Mondsichel in die gelben Augen, die mich nun anblinzeln. »Ich glaube, aus ihr kann eine richtig gute Reiterin werden.«
Mondsichel betrachtet mich und schickt mir dann ein Bild, das mich leise auflachen lässt.
»Ich schulde dir noch einen Berg Fleisch, stimmt.« Ich tätschle ihm den Hals. »Bekommst du gleich nach dem Training …«