Читать книгу Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas - C. M. Spoerri - Страница 14

Kapitel 5 - Damaris

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»Ich werde veranlassen, dass man dir angemessene Kleidung bringt«, sagt Cilian, während ich das letzte Brötchen verspeise, das so herrlich schmeckt, dass ich noch glatt ein Dutzend mehr davon essen möchte.

Seine Worte lassen mich innehalten und an meiner Kleidung herumzupfen.

Was stimmt denn damit nicht?

»Sie ist zu warm«, erklärt der Ordensleiter, dem meine Geste aufgefallen ist. »Hier in Chakas tragen wir leichtere Gewänder, die dem Wüstenklima angepasst sind.«

Ich nicke verstehend und schlinge den letzten Bissen herunter, ehe ich meine Hände an den Hosen abwische. Cilian räuspert sich und deutet auf die Serviette, die auf dem reich gedeckten Tisch liegt. Augenblicklich spüre ich, wie meine Wangen warm werden, und senke den Blick.

Verdammt, ich fühle mich hier so fehl am Platz …

Hatte ich meine eigenen Gemächer schon für prunkvoll gehalten, so wirken Cilians einfach nur einschüchternd auf mich. So viel Gold und Protz – ich will mir gar nicht vorstellen, wie viel Geld in den Bau dieses magischen Zirkels geflossen ist. Und wie viele arme Menschen man damit stattdessen bis ans Lebensende ernähren könnte. Auch wenn Cilian mir auf meine Frage hin, wieso denn hier alles vergoldet werden müsse, antwortete, dass er nicht für die Ausstattung des Zirkels verantwortlich gewesen sei, so will es mir nicht in den Kopf, wie man sich hier wohlfühlen kann. Zum Glück muss ich nur drei Jahre in Chakas aushalten. Und ich bezweifle, dass ich mich in der Zeit an all den Prunk gewöhnen werde …

»Erzähl mir ein bisschen was von dir, Damaris«, holt mich Cilian aus meiner Befangenheit. »Du stammst also aus den Talmeren? Wer ist deine Familie?«

Ich greife nach einem Glas Wasser und spüle die Reste des Honigs, den ich auf mein Brötchen geschmiert habe, herunter. »Meine Familie besteht eigentlich nur aus meiner Schwester«, erkläre ich.

Cilians Augenbrauen hüpfen in die Höhe, ehe sich seine Stirn in Falten legt. »Wenn ich fragen darf … was ist mit deinen Eltern geschehen?«

Ich wende die Augen ab und sehe stattdessen aus dem Fenster, betrachte den Hafen und das Meer, die vor mir liegen. Der Ausblick aus Cilians Gemächern ist atemberaubend. »Sie starben sehr früh bei einem Ausflug in den Talmeren«, sage ich leise. »Meine Schwester war Mutter und Vater für mich.« Mir kommt ein Gedanke und ich wende mich Cilian wieder zu. »Darf ich nachher einen Brief an sie schreiben? Um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen bin und sie sich keine Sorgen machen muss?«

»Natürlich, das darfst du sehr gerne tun«, sagt Cilian mit einem einfühlsamen Lächeln. »Gib ihn mir nachher einfach, ich werde ihn mit einem Boten losschicken.«

»Danke.« Ich blicke wieder aus dem Fenster.

»Ihr seid also nur zu zweit aufgewachsen?«, hakt Cilian nach, als ich nicht weiterspreche.

Ich nicke seufzend, ehe ich ihn wieder ansehe. »Es klingt schlimmer, als es ist. Gabriella ist eine tolle Frau. Sie war es auch, die mich dazu überredet hat, herzukommen.«

»Zweifellos scheint sie einen guten Einfluss auf dich gehabt zu haben.« Cilian fährt sich gedankenversunken mit der Hand über das Kinn, kratzt an seinem Dreitagebart. Dabei fällt mir wieder der schwarze Magierring an seiner Hand auf.

»Werde ich ebenfalls einen Ring erhalten?«, wage ich eine Frage zu stellen, die mir seit gestern Abend auf der Zunge brennt. Ich weiß, dass Menschen ohne Magiebegabung goldene Ringe tragen und jene, die Magie beherrschen, schwarze. Jeweils mit eingravierten Runen des entsprechenden Elements.

Cilian nickt bedächtig. »Ich habe einen Ring hier, den ich dir geben möchte, ja. Er wird dir helfen, deine Kräfte noch besser zu kontrollieren, und du wirst damit auch offiziell als Magierin des Zirkels von Chakas gelten.« Er erhebt sich und geht zu einer Kommode, aus der er einen kleinen Gegenstand nimmt. Als er zu mir zurückkommt, legt er ihn vor mir auf den Tisch. »Der ist für dich.«

Ich mustere den schwarzen Ring andächtig. Die blaue Wasserrune sieht wundervoll aus und scheint von einem inneren Licht erfüllt zu sein. »Stimmt es, dass man den Ring nicht mehr ablegen kann, wenn man ihn einmal trägt?«, will ich wissen.

»Das stimmt.« Cilian setzt sich wieder hin und streicht sich eine Locke hinters Ohr. »Die Rune ist nach der Vorlage der Zwerge geschmiedet und verbindet sich mit deinem Element, sobald du den Ring anlegst.«

»Tut das weh?« Ich hebe meine Hand, um den Magierring zwischen Daumen und Zeigefinger zu drehen.

»Es ist ein seltsames Gefühl, aber nicht schmerzhaft«, antwortet er schulterzuckend.

»Hm.« Mein Blick gleitet wieder zu seiner Hand, die er inzwischen auf den Tisch gelegt hat.

»Ehe du ihn anlegst, musst du einen Schwur leisten«, fährt er fort. »Da ich der Leiter des Wasserzirkels bin, kann ich dich hiermit offiziell aufnehmen. Normalerweise geschieht das ja während der Aufnahmezeremonie, aber bis zur nächsten zu warten, erscheint mir zu lange. Denn wie gesagt hilft dir der Ring auch dabei, deine Kräfte zu bündeln.«

»Was für ein Schwur?«, frage ich und sehe ihn mit schmalen Augen an.

»Einen an Wassergott Aquor sowie den magischen Zirkel«, erklärt er. »Er lautet: ›Ich gelobe hiermit feierlich, bis ans Ende meiner Tage die Geheimnisse der Magiergilde zu bewahren und den Kodex des Zirkels zu befolgen. Das Wasser ist tief, tief wie meine Seele.‹«

Ich starre ihn entgeistert an. »Ist das Euer Ernst? Das klingt reichlich dramatisch, wenn Ihr mich fragt.«

Cilian nickt, ohne die Miene zu verziehen. »Das ist der Schwur, den alle Magier leisten müssen. Sonst werden sie kein Mitglied der Gilde.«

»Und … was ist das für ein Kodex?«, will ich weiter wissen.

»Das Herzstück davon besagt, dass du niemals Magie gegen Wehrlose oder Unschuldige anwenden darfst. Zudem niemals grundlos gegen andere Magier. Außer zum Beispiel zur Verteidigung oder wenn du jemandem helfen möchtest. Und natürlich ist es auch beim Training erlaubt, wenn ein Lehrer anwesend ist.«

»Na gut, das macht Sinn«, lenke ich ein.

»Das tut es«, bestätigt Cilian. »Früher gab es noch das Gesetz der schwarzen Magie, aber dieses wurde seit dem Umbruch in Altra hinfällig.«

»Und was für Geheimnisse sind gemeint?« Ich lege den Kopf schief.

Cilians Brustkorb hebt sich, als er leise Luft holt. »Diese Passage stammt noch aus dem alten Gesetz. Inzwischen sind die Magier offener geworden, was das angeht.«

»Dennoch muss ich es schwören?«

»Ja«, ist die schlichte Antwort. »Das hat Tradition.«

»Hm.«

»Du kannst den Schwur heute ablegen oder auch morgen früh«, meint Cilian. »Aber auf jeden Fall vor deinem ersten Unterrichtstag.«

Ich nicke langsam. »Dann lege ich ihn jetzt gleich ab. Denn es bleibt mir ja keine andere Wahl, wenn ich hierbleiben will, oder?«

»So ist es.« Cilians Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.

»Gibt es für die Aufnahme im Greifenorden auch so etwas?«, frage ich sicherheitshalber nach.

Cilian schüttelt den Kopf. »Keinen Schwur, nur ein Gelöbnis. Und es wird eine Aufnahmezeremonie geben, sobald du bereit dazu bist.«

»Bereit dazu?«

»Normalerweise findet die Aufnahmezeremonie statt, sobald sich Greif und Reiter miteinander verbinden«, erklärt er. »Bei dir allerdings ist das schon geschehen, daher möchte ich dich einer kleinen Prüfung unterziehen, ehe ich dich offiziell im Greifenorden aufnehme.«

Mein Herz rutscht in die Hose. »Prüfung?«, hauche ich.

Prüfung? Nur über meine Leiche! Ich hasse Prüfungen!

Wenn meine Schwester mich zu Hause geprüft hat, hatte ich einen Tag vorher bereits Magenbeschwerden, weil ich so nervös war. Von Cilian geprüft zu werden, wird meine Innereien für immer zerstören, das weiß ich!

Er lächelt beschwichtigend. »Nichts Schlimmes. Nur ein paar Übungen, damit ich prüfen kann, ob deine Aufnahme ihre Berechtigung hat.«

»Und wann soll das stattfinden?« Meine Augenbrauen sind angespannt in die Höhe gehüpft.

»Wie gesagt, wenn du bereit dazu bist.« Cilians Blick wird einfühlsam. »Sicher noch nicht heute, morgen oder in einer Woche. Wir gehen es langsam an und du wirst zunächst lernen, deine magischen Kräfte richtig zu beherrschen.«

Ich hole Luft und puste sie dann scharf wieder aus. »Gut. Also ist der erste Schritt, diesen Ring anzulegen.«

Cilian nickt wortlos.

»Dann … könnt Ihr mir den Schwur nochmals vorsagen?«, bitte ich ihn, was er bereitwillig tut.

Nun gut, jetzt gibt es kein Zurück mehr – ich werde unwiderruflich der Magiergilde beitreten. Und später irgendwann dem Greifenorden.

Nachdem ich seine Worte nachgesprochen habe, schiebe ich den Ring über meinen rechten Ringfinger. Ein unangenehmer Stich verrät mir, dass sich mein Wasserelement mit der Rune verbindet, dann ist es vorbei.

»Das ging ja einfach«, murmle ich. »Ich fühle mich nicht anders als zuvor.«

»Das wäre auch komisch.« Cilian sieht mich belustigt an. »Willkommen im Magierzirkel.«

»Danke.« Ich streiche mit der anderen Hand sorgfältig über das Schmuckstück.

»Erzähl mir doch noch ein bisschen was über dich und deine Schwester«, bittet mich Cilian, nachdem ich meinen neuen Ring eingehend betrachtet habe. »Wo genau in den Talmeren seid ihr aufgewachsen?«

»Wenn Ihr jetzt einen Ortsnamen hören möchtet, so muss ich Euch leider enttäuschen«, erwidere ich und lehne mich im Stuhl zurück. »Wir haben in einer kleinen Hütte gelebt, weit weg von anderen Menschen. Es gab nur Gabriella und mich. Für viele Jahre.«

»Hm.« Cilian nickt nachdenklich. »Und du hast dich also einfach eines Tages an Schneeflocke gebunden?«

Ich schenke ihm ein leichtes Lächeln. »So ungefähr, ja. Ich war elf Jahre alt und meine Kräfte gerade erwacht, da traf ich ihn.« Ich lasse meinen Blick erneut über das Meer schweifen und rufe die Erinnerungen an den wohl bedeutungsvollsten Tag in meinem bisherigen Leben zurück.

Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas

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