Читать книгу Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas - C. M. Spoerri - Страница 17

Kapitel 8 - Damaris

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Im Grunde hätte ich nicht so dringend das stille Örtchen aufsuchen müssen. Und auch der Brief hätte noch warten können. Aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten, in diese azurblauen Augen zu blicken, die mich so nachdenklich musterten. Wenn Cilian mich ansieht, habe ich das Gefühl, er schaute in meine Seele. Und von ebenjener habe ich ihm sehr viel gezeigt in der vergangenen Stunde, während ich ihm die Geschichte von Schneeflocke und mir erzählte. Nun ja, zumindest den Beginn davon.

Ich bin es nicht gewohnt, so lange und so viel über mich zu reden, und schon gar nicht mit einem Mann. Meine Begegnungen mit attraktiven Männern kann ich beinahe an einer Hand abzählen – und keiner davon wollte je über mich sprechen. Fast keiner. Léthaniel war da anders, aber der hat mich nach Chakas geschickt. Auch nicht wirklich ein gutes Zeichen, wenn man fortgeschickt wird, nachdem man sein Innerstes preisgab, oder?

Jedenfalls habe ich keinerlei Erfahrung darin, mit einem Mann alleine in einem Zimmer zu sitzen, und fühlte mich daher zusehends überfordert. Womöglich ist mein geringer Erfahrungsschatz auch der Grund, wieso ich auf Cilians Anwesenheit derart stark reagiere. Noch nie hat mich ein Mann mit so viel ehrlichem Interesse und so viel Wärme angesehen wie er. Nun gut, mir fehlen da wirklich die Vergleichswerte, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Männer wie Cilian gibt.

Als ich in meine Gemächer zurückkehre, liegt Schneeflocke zusammengerollt mitten auf meinem Bett und brummt schläfrig, während er noch nicht einmal die Augen öffnet, um mich zu begrüßen.

»Ich habe einen Magierring erhalten«, sage ich, aber das scheint ihn nicht sonderlich zu beeindrucken – er bleibt einfach liegen. »Herzlichen Glückwunsch, Damaris, ich freue mich für dich?«

Keine Regung.

Seufzend gehe ich an ihm vorbei und mache mich frisch, nicht dass nachher meine Blase drückt, wenn Cilian die Zirkelbesichtigung fortsetzt. Das wäre mir ziemlich peinlich, wenn er denkt, ich müsste ständig aufs Klosett.

Nachdem ich rasch ein paar Zeilen an meine Schwester auf ein Pergament, das ich in der Kommode meines Zimmers fand, verfasst habe, versiegle ich den Brief. Dann überprüfe ich kurz mein Spiegelbild – viel gibt es da nicht zu sehen –, und setze mich neben Schneeflocke aufs Bett, der immer noch die Augen geschlossen hat.

Ich streiche über das glänzend weiße Löwenfell, das ich zu Beginn für das eines Pumas gehalten hatte. Ich hatte ja keine Ahnung, wie Löwen aussehen, das habe ich erst in einem der Bücher meiner Schwester entdeckt, als ich sie endlich studierte. »Na? Bist du nun ausgeruht?«

Der Greif schickt mir ein Bild eines Schneehuhns, was mich schmunzeln lässt. Das ist seine Art, mir den Vogel zu zeigen – er hat schließlich keinen Zeigefinger, mit dem er sich an die Stirn tippen kann. Ich frage mich, ob andere Greife ihre Reiter ebenfalls in einem fort beleidigen, aber das ist nun mal Schneeflockes Art und ich komme gut klar damit.

»Frechdachs«, schimpfe ich gespielt empört, was ein weiteres Bild zur Folge hat.

Dieses Mal ein nicht ganz jugendfreies von zwei Bergziegen. Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was die genaue Bedeutung davon ist, weiß aber, dass Schneeflocke damit eine ziemlich starke Beleidigung ausdrücken will.

Obwohl ich verärgert sein sollte, lache ich laut auf. Ich kann dem Greif einfach nicht böse sein – und das weiß er leider. »Du scheinst heute auf Krawall gebürstet zu sein«, bemerke ich, während ich ihm einen Klaps auf den Löwenhintern gebe. »Aber du musst jetzt trotzdem aufstehen, auch wenn du lieber noch etwas schlafen würdest. Denn Cilian wird uns gleich abholen, um die Arena zu zeigen.«

Vor meinem inneren Auge erscheinen zwei Turteltauben, die umeinander herumfliegen, und ich schüttle vehement den Kopf.

»Ich bin nicht in ihn verliebt«, widerspreche ich Schneeflockes Andeutung. »Er ist … er sieht einfach gut aus und ist sympathisch. Und seine Stimme … Hast du darauf geachtet, wie sanft sie klingen kann? Wie plätscherndes Wasser …« Schneeflocke grunzt, was mich schmunzeln lässt. Um ihn zu ärgern, setze ich noch einen drauf und fahre mit dem Schwärmen extra übertrieben fort. »Und diese Augen. Hast du je so blaue Augen gesehen? Ich meine, sie sind nicht nur blau, sondern irgendwie … Sie wirken wie tiefe Seen und gleichzeitig sind sie so klar wie Quellwasser. Diese Augen sind wirklich die schönsten, die ich je … Wieso schickst du mir jetzt das Bild einer Tür?« Ich sehe Schneeflocke verdattert an, der den Kopf gehoben hat und etwas hinter mir fixiert. Im gleichen Moment höre ich ein leises Räuspern und fahre herum.

»Entschuldige«, sagt Cilian, der im Türrahmen lehnt und mich amüsiert betrachtet. »Die Tür war nur angelehnt, daher habe ich nicht geklopft.« Er stößt sich ab und betritt mein Zimmer.

Wenn mein Kopf je versucht hat, die Farbe einer Tomate nachzuahmen, so ist dies nun seine Stunde. Ich spüre, wie meine Wangen zu glühen beginnen, während mein Herz stehen bleiben will, ehe es so laut klopft, dass ich mir sicher bin, dass Cilian es mitbekommt.

Wie viel von meiner kindischen Schwärmerei hat er gehört? Alles? Nur den letzten Teil? Was schlimm genug wäre …

Viel zu rasch will ich mich vom Bett erheben, stolpere dabei über meine eigenen Füße, die sich irgendwie in dem Teppich unter mir verheddern, und falle – die Götter innerlich verfluchend – seitlich aufs Bett. Ich stoße ein lautes Keuchen aus, will mich am Laken festhalten, doch dieses gibt nach und ich stürze mit einem lauten »Nein!« zu Boden.

In meinem Geist erscheint das Bild einer Ente. Das in Schneeflockes Augen tollpatschigste Tier, das es gibt. Wieso auch immer er Enten für ungeschickt hält, ich habe das noch nie verstanden.

»Damaris, alles in Ordnung?«, ertönt Cilians Stimme an meinem Ohr und ich spüre seine Hände, die sich unter meine Achseln schieben.

Irgendwann während des Strauchelns und Fallens muss ich meine Augen geschlossen haben, wie mir erst jetzt bewusst wird, denn es ist dunkel um mich herum. Ich blinzle und blicke ausgerechnet in diese azurblauen Iriden, die mein Herz von der ersten Sekunde an haben etwas schneller schlagen lassen.

Wenn mir Schneeflocke jetzt ein Turteltauben-Bild schickt, brate ich ihn mir morgen zum Frühstück!

Mit erstaunlicher Kraft zieht mich Cilian auf die Beine und sein Blick gleitet forschend über mein Gesicht, ehe er seine Musterung über meinen Körper fortsetzt.

Ja, er will wissen, ob ich mich verletzt habe, aber ich kann nichts dafür, dass mein Herz einen kleinen Satz macht, während er mich sanft an den Schultern aufs Bett drückt.

Habe ich vorher nur gespielt geschwärmt, so wird mir nun auf einmal ganz warm als ich merke, wie nahe er mir ist.

Diese Augen …

Mir wird schwummerig, während ich ihn so nahe vor mir sehe.

Sein Geruch dringt mir in die Nase … er riecht nach Regen, vermischt mit Sand und Moos.

Wundervoll. Hat ein Mensch je so wundervoll gerochen?

»Damaris.«

Oh, und wie er meinen Namen ausspricht …

Hatte er immer schon so goldene Sprenkel um die Iris?

Sprenkel … ein komisches Wort.

Spreeenkel. Sprenkeeel. Sprenkkkkkel.

Dämlich … wieso sagt man eigentlich ›dämlich‹ und drückt damit Dummheit aus, während ›herrlich‹ etwas Gutes bedeutet? Das ist Frauen gegenüber doch nicht gerecht …

»Damaris.«

Da, er tut es schon wieder – sagt meinen Namen und es klingt wie eine Melodie.

Und seine Hände ruhen immer noch an meinen Schultern …

Bilde ich es mir ein, oder beugt er sich gerade etwas näher zu mir?

Ich starre unwillkürlich auf seine Lippen.

»Du blutest.«

Was sagt er da?

Ich blinzle verwirrt.

Er hebt die Hand und als er sie an meine Wange legt, entfährt mir ein entzücktes Seufzen – das in ein Keuchen übergeht, nachdem er seinen Finger von meiner Schläfe genommen hat. Dieser ist blutrot.

Scheiße, ich blute!

Das ist der letzte Gedanke, bevor es erneut langsam dunkel um mich wird. Das und die Frage, woran verdammt noch mal ich mir denn den Kopf gestoßen habe.

Zudem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich das Bild einer Ente sehe, ehe sich mein Geist in die Schwärze verabschiedet.

»Damaris.«

Der einzige Grund, wieso ich gewillt bin, aus der wohligen Wärme zurückzukehren, in der ich geschwebt habe, ist Cilians Stimme. In Erwartung, sein Gesicht vor mir zu erblicken, blinzle ich – und bin enttäuscht, als ich anstelle von azurblauen Iriden graue Augen vor mir sehe.

Aber es war doch seine Stimme, die mich geweckt hat, oder?

Ich blinzle erneut und versuche, meinen Blick zu fokussieren. Ein schwarzhaariger Mann hat sich über mich gebeugt. Ein paar Haarsträhnen haben sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst und fallen ihm ins Gesicht, das kantig, aber irgendwie attraktiv wirkt.

Woher kenne ich ihn bloß?

Es braucht einige Sekunden, ehe ich mich erinnere, dass es sich um den Magier handelt, dem Cilian und ich in den Greifen-Stallungen begegnet sind.

»Sie ist wach. Kann wohl kein Blut sehen.« Seine Stimme ist dunkel und abweisend. Ebenso sein Blick, der sich nun von mir löst.

Ich spüre, wie sich die Matratze bewegt, als er aufsteht, und nun wandern meine Augen doch noch zu Cilian, der mit verschränkten Armen hinter dem schwarzhaarigen Magier steht.

»Danke, Adrién«, sagt der Ordensleiter in nun viel kühlerem Tonfall. »Gut, dass du zufälligerweise vorbeigekommen bist.«

Die Art, wie Cilian ›zufälligerweise‹ betont, sagt mir, dass er nicht wirklich von einem Zufall ausgeht.

Wollte dieser Magier … Adrién … mich etwa ausspionieren? Irgendwie ist er mir nicht geheuer …

Ich beobachte, wie Adrién dem Ordensleiter kurz zunickt, ehe er sich ohne ein weiteres Wort abwendet und mein Zimmer verlässt.

Dass ich ihm nachgestarrt habe, bemerke ich erst, als Cilian ans Bett tritt und meine Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkt.

»Du solltest noch kurz liegen bleiben.« Seine Stimme ist so warm und freundlich, wie ich sie von ihm kenne. »Adrién hat die Platzwunde geheilt.«

Aha, der schwarzhaarige Sonderling ist also Erdmagier …

»Es war nur oberflächlich, aber ich habe mir trotzdem Sorgen gemacht, weil du ohnmächtig geworden bist«, fährt Cilian fort.

»Ich … kann kein Blut sehen«, murmle ich beschämt und bestätige damit Adriéns Vermutung. »Konnte ich noch nie … meine Schwester musste mich immer aus unserer Hütte schicken, wenn sie jemanden geheilt hat. Ich …« Ich merke, dass ich gerade ins Plappern gerate, und beiße mir auf die Unterlippe, um mich selbst zu unterbrechen. »Tut mir leid«, schicke ich nach einem tiefen Atemzug hinterher.

»Du musst dich doch nicht entschuldigen«, erwidert Cilian kopfschüttelnd. »Das kann jedem passieren.«

In meinem Kopf erscheint wieder das Bild einer Ente, was mich dazu veranlasst, den Blick suchend durch den Raum zu schicken. Schneeflocke hat es sich auf einem Sessel bequem gemacht, der wohl zum Lesen da ist. Der Greif ist viel zu groß dafür, daher hängen seine Hinterbeine über die eine Seitenlehne, während er die Vorderpfoten auf dem Tisch daneben platziert hat.

Cilian ist meinem Blick gefolgt. »Schneeflocke scheint sich langsam hier wohlzufühlen«, bemerkt er.

Ich sehe den Ordensleiter an und nicke. »Ich glaube, es wird schwer, ihn in die Greifenstallungen zu verfrachten.«

»Da könntest du recht haben.« Cilians Augen funkeln belustigt, während er meinen Greif betrachtet.

»Heilige Scheiße!«, entfährt es mir, als ich aus dem Augenwinkel ein riesiges schwarzes Tier wahrnehme, das soeben auf dem Balkon landet.

Wie von der Tarantel gestochen, springe ich vom Bett und suche hinter Cilian Schutz, während ich mich bemühe, mit meiner Magie einen Schild zu bilden. Darin war ich noch nie wirklich gut, daher misslingt mir der Versuch und ich bringe nur ein kurzes Aufflackern meiner Kräfte zustande.

Schneeflocke hat meine Panik natürlich bemerkt und ist ebenfalls auf den Beinen, breitet die Flügel aus, als wollte er mich dadurch abschirmen, und macht ein paar bedrohliche Schritte auf die Balkontür zu, während er ein tiefes Knurren ausstößt.

»Keine Sorge.« Cilian dreht sich zu mir um und sieht mich beschwichtigend an. »Das ist Mondsichel, mein Königsgreif.«

»Dein … ich meine, äh … Euer …« Ich starre ihn entgeistert an, ehe mein Blick wieder zu dem schwarzen Wesen auf dem Balkon wandert.

Ich habe schon einmal einen schwarzen Greif zu Gesicht bekommen, aber der war etwas kleiner als dieses Tier, das nun auf dem Balkon sitzt und Schneeflocke einen halbherzigen Blick schenkt. Er scheint nicht wirklich von dessen Knurren beeindruckt zu sein.

»Hast du den Brief an deine Schwester geschrieben?«, holt mich Cilian aus meiner Verblüffung.

Ich nicke fahrig und zeige zur Kommode, wo ich ihn hingelegt habe. Cilian geht hin und steckt ihn ein, dann wendet er sich mir wieder zu.

»Ich werde ihn gleich nachher an einen Boten übergeben«, meint er. »Wenn du dann bereit bist, lass uns in die Arena gehen. Ich bin gespannt, was du und Schneeflocke mir zeigen werdet.«

Ich schlucke, ehe ich dem Ordensleiter aus meinem Zimmer folge. Schneeflocke stößt nochmals ein Knurren aus, bevor er sich uns anschließt.

Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas

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