Читать книгу Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas - C. M. Spoerri - Страница 18

Kapitel 9 - Cilian

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Die Arena befindet sich zwischen hohen Klippen am Meer, wo ich mit meinen Greifenreitern ungestört trainieren kann. Über einen Gang ist sie vom Zirkel aus erreichbar.

Als wir eine lange Treppe betreten, die auf den Platz hinunterführt, bleibt Damaris stehen und ich erkenne Erstaunen auf ihrem Gesicht. Ich versuche, die Arena mit ihren Augen zu sehen. Ja, es ist beeindruckend, was wir hier erschaffen haben.

Es handelt sich um einen von hohen Mauern eingegrenzten runden Platz, dessen Boden mit Sand bedeckt ist. Nach oben hin ist er offen und lässt den Blick auf ein paar Greifenreiter frei, die in der Luft ihren Übungen nachgehen. In der Mitte der Arena gibt es ein etwa fünf Schritt breites Podest, auf dem die Lehrer – heute ist es Mica – Anweisungen erteilen. Normalerweise wird hier auch das Kämpfen mit Schwertern oder Magie geübt, aber das Training scheint bereits vorbei zu sein.

Die Rufe der Greife am Himmel vermischen sich mit dem Rauschen der Wellen, die sanft an die Klippen spülen, welche die Arena umgeben. Warme Meeresluft umfängt uns und ich atme sie tief ein.

»Es ist wundervoll«, haucht Damaris ergriffen.

»Hier wirst du in den nächsten Jahren trainieren«, erkläre ich ihr.

Wir beobachten, wie sich Mondsichel in die Luft erhebt und ein paar Runden über unseren Köpfen dreht.

Schneeflocke stößt ein leises Fiepen aus. Er will ebenfalls fliegen, scheint sich aber nicht zu getrauen beim Anblick der anderen Greife. Eine Reaktion, die ich bei ihm fast erwartet hatte. Als Albino wird es für ihn schwer, von den anderen Tieren akzeptiert zu werden, das war mir schon klar, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Womöglich ist das auch der Grund, wieso er sich so tief in die Talmeren zurückgezogen hat – er wurde von seinen Artgenossen verstoßen. Ich hoffe einfach, dass Mondsichels Einfluss auf das Rudel genügend groß ist, dass sie irgendwann auch Schneeflocke in ihren Reihen aufnehmen. Schließlich haben sie das auch mit Wüstenträne, Micas Königsgreif, getan, obwohl das dickköpfige Weibchen alles andere als einfach war.

Die junge Frau mit den Silberlocken ruft gerade den Greifenreitern in der Luft zu, wie sie noch effektiver ihre Feuerbälle verwenden können, während sie auf dem Rücken ihrer Tiere sitzen. Im Flug Magie zu wirken, ist schwer und bedarf einiger Übung – aber es ist sehr effektiv im Kampf.

Micas Blick streift uns und sie hält inne, befiehlt den Reitern, auf dem Platz zu landen, ehe sie mit einem Lächeln auf uns zukommt.

»Cilian«, sagt sie und bleibt vor mir stehen. »Und Damaris.« Ihre dunklen Augen richten sich auf das Mädchen neben mir. »Na, möchtest du uns zeigen, was du und dein Greif vollbringen könnt?«

Damaris erwidert Micas Blick fast schon scheu, was nicht zu ihr passt. Ich habe heute früh erfahren, dass sie eine starke junge Frau ist, die sich in ihrem Leben selten untergeordnet hat. Aber die Arena und die vielen anderen Reiter scheinen nicht nur ihren Greif einzuschüchtern.

»Nur zu«, fordere ich sie auf. »Die Arena gehört ganz euch beiden.«

Damaris sieht mich mit ihren Augen an, die nun eher grün als blau sind. Ich vermute, dass sie je nach Stimmung ihre Farbe verändern.

»Was soll ich zeigen?«, fragt sie unsicher, während sich die anderen Greifenreiter an den Rand des Platzes zurückziehen.

Dass sie nun so kleinlaut ist, erscheint mir seltsam. Aber ich freue mich auf die nächsten Jahre, die sie hier im Zirkel verbringt – es wird spannend sein zu sehen, wie sie an ihren Aufgaben wächst und welche Stärken sie noch entwickelt. Und dass sie Stärken besitzt, das habe ich in den wenigen Stunden, in denen ich sie bereits kennenlernen durfte, schon erkannt. Sie ist selbstbewusst, entschlossen, mutig, direkt und besitzt ein großes Herz. Eigenschaften, die man selten vereint bei einem Menschen antrifft.

Während ich sie mustere, erscheint eine sanfte Röte auf ihren Wangen und ich räuspere mich, um sie nicht verlegen zu machen. »Dreh ein paar Runden über der Arena. Dann lass es regnen«, schlage ich ihr vor.

Regen aus einer Wolke entstehen zu lassen, ist zwar schwierig, aber ich bin gespannt, ob sie diesen Zauber beherrscht. Da sie nicht widerspricht, gehe ich davon aus, dass er ihr bekannt ist.

Damaris presst die Lippen zusammen und nickt, ehe sie zu ihrem Greif tritt und sich auf seinen Rücken schwingt.

Mica ist neben mich getreten und hat die Hände auf ihren Bauch gelegt. Unbewusst streichelt sie über ihren geschwollenen Leib, was mich wehmütig lächeln lässt. Nicht weil ich gerne an der Stelle des werdenden Vaters wäre, sondern weil ich mich daran erinnere, wie es sich anfühlt, Vater zu werden – und zu sein. Rasch verdränge ich die Trauer, die in mir aufkommen will, und beobachte stattdessen, wie sich Damaris und Schneeflocke in die Luft erheben.

»Du magst sie«, stellt Mica fest, ohne den Blick von ihr zu nehmen.

Die anderen Greifenreiter beobachten Damaris ebenso wie Mica und ich.

»Ja«, bestätige ich ohne Zögern. »Sie ist sehr … erfrischend.«

Mica wirft mir einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder dem Himmel zuwendet, wo Damaris und ihr Greif nun ein paar waghalsige Flugeinlagen zeigen. Selten habe ich so eine Einheit gesehen – so viel Vertrauen sowohl von Reiterin als auch von Greif. Es wirkt, als wären Schneeflocke und Damaris zu einem Ganzen verschmolzen.

»Sie verehrt dich«, fährt Mica neben mir fort.

Ich schüttle unwillkürlich den Kopf. Natürlich ist mir nicht entgangen, wie Damaris mich ansieht – aber sie ist nicht die erste Schülerin, die sich von meinem jugendlichen Aussehen blenden lässt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich einige Verehrerinnen in den Kreisen der Schüler habe, doch für mich kommt eine Beziehung zu einer derart jungen Frau nicht infrage. Für meine körperlichen Bedürfnisse habe ich Catina – für alles andere bin ich ohnehin zu kompliziert. Eine Frau könnte es an meiner Seite nicht lange aushalten, ohne in den Abgründen zu ersticken, in denen meine Seele seit Jahren verweilt.

Allein der Gedanke, jemals wieder mehr zu wagen als das, was ich mit Catina habe, lässt alles in mir gefrieren. Nein. Ich könnte das – mich – niemandem antun …

Damaris sieht mein Äußeres, nicht mein wahres Ich, das ich hinter einer Maske aus Freundlichkeit verberge. Es ist eine jugendliche Schwärmerei, wie sie bei vielen Mädchen auftritt. Und auch sie wird merken, dass es etwas anderes ist, für jemanden zu schwärmen oder tatsächlich zu lieben. Ich wünsche es ihr …

Ehe ich Mica antworten kann, spüre ich etwas Hartes, das mir mitten auf die Stirn fällt und mich zusammenzucken lässt. Als ich reflexartig an den Kopf fasse, bemerke ich, dass ich blute – und im nächsten Moment trifft erneut etwas Hartes auf meine Stirn.

»Achtung!«, höre ich Mica neben mir rufen, die blitzschnell einen Schutzschild um mich und sich selbst bildet.

Fassungslos starre ich in den Himmel, aus dem erst kleinere, dann faustgroße Hagelkörner prasseln, die uns auf der Stelle erschlagen könnten.

»Was bei den Göttern …«, keuche ich.

»Sie lässt es hageln!«, ruft Mica. »Du hast doch regnen gesagt!«

»Hab ich«, murmle ich leise, während ich versuche, zwischen den Gewitterwolken, die sich rasend schnell gebildet haben, Schneeflocke zu erkennen. Aber sie scheinen über den Wolken zu sein, ich kann den Greif nicht ausmachen.

»Bist du verletzt?« Micas Augen werden groß, als sie mich ansieht.

»Nur ein Kratzer«, antworte ich schulterzuckend, ehe ich den Blick wieder in den sich verdunkelnden Himmel richte.

Was für eine Macht in Damaris und ihrem Greif schlummert!

Die Hagelkörner werden vom Schutzschild zwar aufgehalten, aber dieser vibriert unter dem Beschuss. Für Mica muss es sich anfühlen, als würde sie jemand mit Fäusten attackieren.

»Los, in den Gang zurück!«, befehle ich den anderen Greifenreitern, die ebenfalls in Deckung gegangen sind.

Wir verlassen die Arena, so rasch es geht, da der Hagel nicht aufhören will. Nun bilde ich selbst einen magischen Schild um mich.

»Verdammt, sie soll den Zauber beenden!«, ruft Mica, die inzwischen dafür sorgt, dass sich die Greifenreiter in Reih und Glied in den Gang begeben und keine zu große Unruhe entsteht.

Ich gebe ihr recht. Aber Damaris scheint keine Ahnung zu haben, wie sie den Zauber abbrechen soll, denn der Hagel fällt mit unverminderter Stärke auf uns herunter.

Wenn sie nicht bald damit aufhört, wird sie unterkühlen …

Ich suche in meinem Geist nach Mondsichel, der irgendwo über den Klippen fliegt und sich das Ganze aus der Ferne ansieht. Rasch erkläre ich ihm, was gerade schiefläuft, und bitte ihn, herzufliegen.

Es braucht einiges an Überredungskunst, denn Mondsichel hasst Hagel. Aber es nützt nichts – ohne ihn werde ich nicht zu Damaris gelangen.

»Ich fliege zu ihr«, informiere ich Mica, die mir einen stirnrunzelnden Blick zuwirft, aber nicht widerspricht.

Inzwischen ist ein wahres Unwetter über der Arena entstanden. Blitz und Donner erklingen, obwohl es eigentlich strahlend blauer Himmel sein sollte. Nur meinem Schutzschild ist es zu verdanken, dass ich nicht schon bis auf die Haut durchnässt bin.

Jetzt zählt jede Sekunde … Wenn ich Damaris nicht aufhalte, wird sie an Unterkühlung sterben!

Endlich durchbricht Mondsichel die dunklen Wolken und fliegt im Zickzack auf mich zu, während ich in die Mitte des Platzes renne. Wir haben dieses Manöver schon einige Male geübt, daher gelingt es mir nun problemlos, mich auf seinen Rücken zu schwingen, ohne dass er dafür landen muss.

»Los, mein Junge«, feuere ich ihn an und ducke mich, nachdem ich meinen Schutzschild auch um den Greif ausgebreitet habe.

Mondsichel stößt ein lautes Krächzen aus, als er mit schraubenartiger Bewegung hinaufsteigt. Ich kralle mich in seine Halsfedern und presse meine Oberschenkel gegen den Löwenkörper, um nicht herunterzurutschen.

Gerade als wir die dunklen Wolken durchbrechen, aus denen immer noch Blitze schießen, verschwinden diese mit einem Mal und machen dem klaren blauen Himmel Platz.

Es scheint, als wären die Wolken niemals da gewesen.

Ich weiß, was das bedeutet: Der Zauber wurde beendet.

Aber in mir zieht sich alles zusammen, denn nun erkenne ich Schneeflockes weißen Körper – und auf ihm eine in sich zusammengesunkene Gestalt.

Verdammt noch mal … ich komme zu spät!

Damaris (Band 1): Der Greifenorden von Chakas

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