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Monogamie? Im Ernst?

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Monogamie war lange ein Themenfeld des sexuellen Verhaltens, das ich gleichzeitig faszinierend und frustrierend finde. Warum sind Menschen weitgehend monogam? Wird das eher von gesellschaftlichen als von biologischen Aspekten diktiert? Die Scheidungs- und Untreueraten liegen so hoch, dass ich das Konzept nur eines Sexualpartners über einen längeren Zeitraum ernsthaft infrage stellen muss, und doch ist es uns mit unseren großen Gehirnen und unserem emotionalen Wesen nahezu unmöglich, mit vielen Partnern gleichzeitig klarzukommen. Wenn wir also einen Blick ins Tierreich werfen, was sehen wir da? Wie zu erwarten eine breite Palette an sozialen und sexuellen Beziehungen, zu denen teilweise auch Monogamie gehört. Viele Jahrzehnte lang galten soziale und sexuelle Monogamie als identische Konzepte. Ein gesundes „Familienleben“ und lang andauernde Beziehungen mit einzelnen Partnern wurden bei vielen Vogel-, Fisch-, Amphibien- und Reptilienarten beschrieben. Jedoch änderte sich unser Verständnis der Monogamie grundlegend mit dem Aufkommen der genetischen Sequenzierung. Sobald wir die Möglichkeit hatten zu untersuchen, wessen Jungen zu wem gehörten, bestand bald kein Zweifel mehr daran, dass soziale Monogamie und sexuelle Monogamie zwei unterschiedliche Dinge sind.

Ohne Frage gehen viele Tiere für eine Fortpflanzungsperiode oder für mehrere aufeinanderfolgende Perioden eine Bindung mit immer demselben Partner ein. Die Partner unternehmen dabei sowohl soziale als auch sexuelle Aktivitäten miteinander; für die meisten Partner lassen sich jedoch auch sexuelle Aktivitäten außerhalb der Paarbindung nachweisen. Und warum auch nicht? Wenn es um die geschlechtliche Fortpflanzung geht, ist die Maximierung der eigenen biologischen Fitness das ultimative Ziel und die Fortpflanzung mit nur einem Partner ist nicht die effizienteste Methode, um das zu erreichen (jedenfalls in den meisten Fällen). „Monogame“ Beziehungen durchlaufen die gesamte Skala von umfassender, absoluter sozialer und sexueller Treue (selten) bis zu Fremdgehen und schnellen Abenteuern in großem Stil. Wir beginnen dieses Kapitel beim ersten Extrem und arbeiten uns zum zweiten vor, und zwar anhand von Beispielen aus der Tiergruppe, in der Monogamie am häufigsten zu beobachten ist – den Vögeln.

Viele Vogelarten eignen sich schon aufgrund ihrer Lebenszyklusstrategien für die Paarbindung, weil in der Regel sowohl Mama als auch Papa intensiv an der Brutpflege beteiligt sind. Hier sehen wir Abweichungen von den üblichen Sexualstrategien, nach denen sich die Weibchen besonders wählerisch und die Männchen überenthusiastisch verhalten, denn wenn beide Partner dableiben, um sich um den Nachwuchs zu kümmern, sind auch beide eher wählerisch. Tatsächlich gehören zu den Partnerfindungsstrategien der Vögel häufig sowohl die Bewertung der Männchen durch die Weibchen als auch die der Weibchen durch die Männchen, und Männchen wie Weibchen präsentieren sekundäre Geschlechtsmerkmale. An dieser Stelle möchte ich jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass das nicht für alle Vogelarten gilt, da wir auch hier Fälle von extremem männlichem Prunk als Reaktion auf extrem kritisches weibliches Wahlverhalten bei Arten sehen, bei denen die Männchen sich in keiner Form an der Brutpflege beteiligen (etwa beim Pfau). Bei einer großen Zahl von Vogelarten kommt es jedoch zu monogamen Beziehungen in irgendeiner Form.

Am einen Ende des Spektrums stehen Beispiele für absolute Monogamie, wie sie etwa beim Florida-Buschhäher (Aphelocoma coerulecens) zu beobachten ist. Wenn wir einer Art Monogamie zuschreiben, dann sprechen wir meist ein Pauschalurteil – wenn also eine Art als sexuell monogam gilt, betrachten wir sie immer als hundertprozentig sexuell monogam. Das ist jedoch ein ziemlich unrealistischer Ansatz für jede der vielen Facetten des tierischen Verhaltens, weil es zu jeder Regel stets auch Ausnahmen gibt. Wie ich in einem Kapitel weiter vorn schon ausgeführt habe, spielt der ökologische Kontext eine Schlüsselrolle für die potenziellen Balz- und Fortpflanzungskapazitäten vieler Lebewesen und wir können daher eine ähnliche Variationsbreite erwarten, wenn es um die Tendenz zur sexuellen Monogamie geht. Weil die Biologen wissen wollten, wie monogam der Florida-Buschhäher tatsächlich ist, untersuchten sie ihn in einer Reihe von unterschiedlichen Lebensräumen wie 1) einem fragmentierten Gebiet, in dem geeignete Lebensräume (mit ausreichender Beutemenge) verschiedener Größe in eine zufällige Matrix ungeeigneter Lebensräume eingebettet ist, 2) einem optimalen durchgehenden natürlichen Lebensraum mit großem Beuteangebot und 3) einem Vorstadt-Lebensraum mit starkem menschlichem Einfluss und wenig Gliederfüßern (die Beute des Buschhähers). Solche Unterschiede bei Umweltstress, Nahrungsangebot und wahrgenommenem Elternaufwand haben der Hypothese zufolge einen Einfluss darauf, ob die Partner sexuelle Handlungen mit anderen vornehmen. In unwirtlicheren Gegenden wie dem Vorort-Lebensraum, in denen das Beuteangebot gering ist, würden wir einen höheren Elternaufwand sowohl seitens der Männchen als auch der Weibchen erwarten, was das Bedürfnis nach sowohl sozialer als auch sexueller Monogamie verstärkt. Die Männchen müssen bei Tätigkeiten wie dem Sammeln von Nahrung oder dem Finden geeigneter Nistmaterialien Einsatz zeigen und vergeuden daher keine Zeit oder Energie damit, mit anderen Weibchen zu kopulieren. Wären sie zu beschäftigt mit Kopulieren, statt Nahrung für ihre Jungen zu besorgen, würde die gesamte Brut wahrscheinlich verhungern. Ebenso müsste ein Weibchen in einer stressreichen Umgebung außerpaarliche Kopulationen vermeiden, die dazu führen würden, dass das Männchen seine Rolle als genetischer Vater infrage stellt und das Weibchen verlässt, denn ohne seine Unterstützung würde die Brut nicht überleben.

Das Gegenteil gilt für Lebensräume mit reichlich Unterschlupfmöglichkeiten und Nahrung. Hier können die Kosten für das Aufziehen der Brut geringer sein und es ist keine derart intensive Fürsorge beider Eltern nötig, damit die Jungen überleben. In einem solchen Szenario würden wir vorhersagen, dass sowohl Weibchen als auch Männchen daran interessiert sein könnten, ihre Gene ein wenig breiter zu streuen. Beste Voraussetzungen also für ein paar außereheliche Affären im Buschhäher-Land … Was fanden die Forscher nun aber tatsächlich heraus? DNA-Analysen tausender Nachkommen von Paaren in allen drei Gebieten belegten eine vollständige, absolute Dominanz genetischer Monogamie. Trotz der verschiedenartigen Umgebungen behielten die Buschhäher sowohl die soziale als auch die sexuelle Monogamie bei – ein ebenso überraschendes wie seltenes Ergebnis. Ich bin nicht sicher, ob wir die Gründe hinter einem so extremen Fall jemals vollständig verstehen werden, aber einige Biologen sind der Ansicht, dass der starke Wettbewerb um Brutplätze die sexuelle Monogamie bei Florida-Buschhähern erklären könnte. Intensiver Wettbewerb unter den Männchen führt zu einer allgemein guten Qualität aller Männchen in einer Population, sodass die Weibchen nicht auf Männchen in deutlich unterschiedlichem körperlichem Zustand treffen. Wenn aber alle Männchen im Hinblick auf ihre Qualität als Partner und Väter relativ gleich dastehen, könnte das ein Grund für die weibliche Treue sein, da sich die Weibchen nicht wirklich „verbessern“ können, indem sie sich einen anderen Partner suchen.

Hohe Raten sowohl sozialer als auch sexueller Monogamie wurden auch beim Diademhäher (Cyanocitta stelleri) beobachtet. Tatsächlich scheinen Langzeitpaare größere Bruterfolge verzeichnen zu können als neue Paare. Der mate familiarity effect („Partnervertrautheitseffekt“) beschreibt das (bei mehreren Vogelarten beobachtete) Phänomen, dass es bei Langzeitpaaren über die Zeugung gesunder Nachkommen zu einer erhöhten biologischen Fitness kommt. Dies könnte sich auf einige unterschiedliche Faktoren zurückführen lassen, unter anderen darauf, dass vertraute Partner durch eine bessere Koordinierung bei der Ressourcenbeschaffung und den Elternpflichten Energie sparen können. Zusätzlich bedeutet das Zusammenbleiben mit demselben Partner über mehrere Brutperioden meist auch, im selben Revier zu bleiben; es könnten also auch Fitnessvorteile durch die Vertrautheit mit dem Lebensraum entstehen. Das wirft die wichtige Frage auf: Bleibt sie meinetwegen oder wegen meines Reviers? Ein berechtigter Diskussionsansatz, da bei vielen polyandrischen Arten die Männchen vor allem aufgrund ihrer Fähigkeit beurteilt werden, andere Männchen mit hochwertigen Revieren auszustechen, in denen sie brüten und ihre Partnerinnen unterbringen können. Forscher, die der Wirkung der Revierqualität auf das Ausmaß der Partnertreue bei verschiedenen Arten nachgingen, sind zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Weibliche Langschwanzpipras (Chiroxiphia linearis) bleiben eher ihren Paarungsorten treu als den männlichen Partnern darin. Andererseits paart sich ein Seidenlaubvogelweibchen (Ptilonorhynchus violaceus) nicht, wenn es ein neues Männchen an seiner vertrauten Laube vorfindet, während die weibliche Doppelschnepfe (Gallinago media) auch dann frühere Partner aufsucht, wenn sie in nachfolgenden Brutperioden in andere Reviere zieht.

Beide oben beschriebenen Häherbeispiele sind eher untypisch, was das Ausmaß der sozialen und sexuellen Monogamie angeht. Im Allgemeinen finden wir bei sozial monogamen Vögeln fast immer ein geringes bis mittleres Maß an außerpaarlicher Vaterschaft, was darauf hindeutet, dass das Weibchen sich nebenbei mit anderen, ebenfalls untreuen Männchen vergnügt, während das Männchen möglicherweise gleichzeitig selbst auf Abenteuer aus ist. Es gibt Beispiele für Vogelarten, in denen die Menge des verfügbaren Lebensraums oder der Ressourcen in der Tat den Grad der sexuellen Monogamie beeinflusst, und es gibt auch ein überzeugendes Beispiel aus der Welt der Säugetiere. Polarfüchse (Vulpes lagopus) sind sozial monogam und die Männchen beteiligen sich in großem Umfang an der Jungenaufzucht. Bei reichlichem Nahrungsangebot kommt es zu einem hohen Grad an außerpaarlichen Vaterschaften (bis zu 31 Prozent). Wenn die Ressourcen knapper sind und die Weibchen daher im rauen arktischen Klima mehr Hilfe von ihren Partnern brauchen, suchen sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit Sex mit anderen Partnern. Neben dem Einfluss der Ressourcenverfügbarkeit kann das Ausmaß der sexuellen Monogamie bei sozial monogamen Paaren auch vom aktuellen Geschlechterverhältnis unter den adulten Tieren abhängen. Es versteht sich vielleicht von selbst, aber eine lokale Variation der Anzahl möglicher Partner kann eine Rolle dabei spielen, ob ein Männchen oder Weibchen sich um außerpaarliche Kopulationen bemüht.

Die „Scheidungsrate“ unter Vögeln in sozial monogamen Partnerschaften ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von 0 Prozent bei Seglern (Familie Apodidae) und Wanderalbatrossen (Diomedea exulans) bis 100 Prozent bei Mehlschwalben (Delichon urbicum) und Graureihern (Ardea cinerea) und hängt häufig vom operationellen Geschlechterverhältnis der geschlechtsreifen T Bei diesen hochpromiskuitiven Nagern iere ab. Wenn es mehr Weibchen gibt, verlassen die Männchen mit höherer Wahrscheinlichkeit ihre Partnerin, um sich eine andere zu suchen. Das Gegenteil gilt für ein männchenlastiges Geschlechterverhältnis; hier bemühen sich eher die Weibchen um außerpaarliche Kopulationen. Wenn es jedoch mehr Männchen gibt und daher nicht für alle Männchen in einer Population sexuelle Aktivitäten garantiert sind, kann es auch vermehrt zu erzwungenen Kopulationen kommen, was sich über eine genetische Analyse allein nicht von Weibchen unterscheiden lässt, die die außerpaarliche Kopulation suchen. Tatsächlich fand man in einer Studie an Wanderalbatrossen heraus, dass die Rate außerpaarlicher Vaterschaften über drei Beobachtungsperioden auf der Marion-Insel (Antarktis) zwischen 14 und 24 Prozent lag. Dies ließ sich auf eine Kombination aus Weibchen auf der Suche nach zusätzlichen Kopulationen und sexuell frustrierten Männchen zurückführen, die sich ihnen aufdrängten.

Zu den Vogelarten mit dem höchsten Grad an sexueller Untreue gehören Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) und Sumpfschwalben (Tachycineta bicolor), bei denen bis zu 90 Prozent der Bruten gewöhnlich Jungen enthalten, die von einem anderen Männchen als dem Sozialpartner des Weibchens stammen. Die Weibchen suchen aktiv Kopulationen außerhalb der sozialen Paarbindung und behalten so die Kontrolle über die genetische Vaterschaft ihrer Nachkommen. In Zeiten ökologischer Stabilität bemühen sich Sumpfschwalbenweibchen mit geringerer Wahrscheinlichkeit um außerpaarliche Kopulationen; sind die Umweltbedingungen jedoch unvorhersehbar oder schlecht, sorgen sie für genetische Diversität in ihren Bruten, indem sie die Gene mehrerer Verehrer sammeln. Die ausschlaggebenden Umstände beschränken sich dabei nicht auf unmittelbare Aspekte wie Wetter oder Beuteangebot: Auch andere Faktoren – ob es früh oder spät in der Brutperiode ist, Synchronizität in der Gruppe, Parasitenlast oder das Ausmaß anthropogener Störungen – können das Ausmaß außerpaarlicher Vaterschaften in einem Gelege beeinflussen.

Das Fazit für fast alle „Väter“ bei sozial monogamen Vogelarten mit einem hohen Grad an sexueller Polygamie lautet: Die Männchen kümmern sich um Nachwuchs, den sie nicht gezeugt haben. Das scheint, zumindest oberflächlich betrachtet, unter dem Gesichtspunkt der biologischen Fitness des Männchens eine schlechte Wahl zu sein, aber es müssen hier mehrere Faktoren berücksichtigt werden, bevor wir Schlussfolgerungen daraus ziehen. Zunächst einmal ist es möglich, dass die Männchen einfach nicht wissen, wann ihnen Hörner aufgesetzt wurden und sie Nachkommen aufziehen, die von anderen Männchen stammen. Zweitens: Auch wenn ein Männchen vielleicht „vermutet“, dass einige der Jungen in seinem Nest von einem anderen Männchen gezeugt wurden, da es selbst ein paar außerpaarliche Kopulationen auf dem Kerbholz hat und die Sorge für die daraus entstehenden Jungen wiederum einem anderen Männchen überlässt – vielleicht gleicht sich das auf diese Weise einfach aus. Drittens ist es möglicherweise gar nicht so einfach, eine Paarbindung einzugehen, oder es dauert seine Zeit. Bei den oben erwähnten Albatrossen zieht sich die Knüpfung und Festigung der Paarbindung über einen langen Zeitraum; da kann es vom biologischen Standpunkt aus für ein Paar langfristig schon sinnvoller sein zusammenzubleiben, als dass einer von beiden mit einem neuen, unbekannten Partner von vorn anfängt. Also gibt es sehr wohl Szenarien, in denen die Männchen (vielleicht wissentlich) ihre eigenen Ressourcen für das biologische Wohlergehen anderer Männchen aufwenden, indem sie Elternaufwand für Nachkommen betreiben, die nicht von ihnen stammen.

Das ist jedoch noch gar nichts im Vergleich zu den praktisch unerklärlichen „elterlichen“ Bemühungen rangniedriger adulter Mahaliweber, die in monogamen Paarungsgruppen leben. Mahaliweber (Plocepasser mahali) sind eine in Gruppen lebende Vogelart, die aride und semiaride Gebiete in Subsahara-Afrika bewohnen. Sie bilden territoriale Kolonien, die kooperativ brüten; außer den genetischen Eltern der Jungen helfen also noch andere adulte Tiere bei der Aufzucht. Die Adulttiere kooperieren auch in anderen Bereichen und helfen sich beispielsweise gegenseitig bei der Nestpflege und der Revierverteidigung. Die Gruppen bestehen aus bis zu dreizehn Mitgliedern mit einem relativ ausgewogenen Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen. Und hier wird es interessant: Es gibt nur ein Brutpaar pro Gruppe, ein sozial und (überwiegend) sexuell monogames Männchen und ein ebenso monogames Weibchen. Alle anderen Adulttiere sind untergeordnete Helfer und versuchen nicht, sich miteinander oder mit dem dominanten Paar zu paaren. Die Rangniederen spielen eine wesentliche Rolle bei der erfolgreichen Aufzucht des Nachwuchses des dominanten Paares.

Bei manchen Tieren mit einem kooperativen Brutsystem lässt sich diese Art von Fortpflanzungsverzicht durch den Umstand erklären, dass die rangniederen Tiere tatsächlich ältere Nachkommen des Power-Pärchens sind. Indem sie bei der Aufzucht ihrer Geschwister helfen, erhalten sie als Individuen immer noch einen hohen Grad an inklusiver Fitness. Tatsächlich geht die „Monogamiehypothese“ davon aus, dass kooperatives Brüten entstehen kann, wenn wenig Promiskuität auftritt. Ein geringer Grad an Promiskuität führt zu stärkerer genetischer Verwandtschaft zwischen den Gruppenmitgliedern, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie helfen, statt sich selbst fortzupflanzen – genau das, was wir im eben beschriebenen Szenario beobachten können. Der Biologe E. O. Wilson wurde mit dem Satz zitiert: „Sex ist eine antisoziale Kraft in der Evolution“, da ein erhöhter Grad an Promiskuität (der einen geringeren Grad an genetischer Verwandtschaft zwischen Individuen bedingt) letztendlich zu einer verringerten Kooperation zwischen Gruppenmitgliedern führt.

Interessanterweise erklärt die Monogamiehypothese nicht die Präsenz rangniederer Hilfeleistungen bei Mahaliweber-Gruppen, in denen die Helfer nicht genetisch mit dem Brutpaar verwandt sind. In diesen Kolonien erhält das dominante Paar ein vollständiges Monopol über alle Brutaktivitäten aufrecht und adulte Helfer tragen zum Wohlergehen von Jungen bei, mit denen sie nicht direkt verwandt sind. Rangniedere Weibchen lassen ihre Fortpflanzungsaktivitäten ruhen, obwohl sie von ähnlicher Größe und ähnlichem Alter wie das dominante Weibchen und in ähnlicher körperlicher Verfassung sind. Warum nur tun sie das? Warum hüpfen sie nicht heimlich mit dem nicht verwandten und geschlechtsreifen Männchen in die Federn, das ihnen nicht nur direkt vor dem Schnabel sitzt, sondern ihnen auch noch bei der Sorge um die Jungen anderer, nicht im Geringsten verwandter Individuen hilft? Möglicherweise verzichten die rangniederen Männchen und Weibchen auf Fortpflanzungsversuche aus Angst vor Repressalien des dominanten Paares und den Gefahren für die Fitness ihres potenziellen Nachwuchses, zu denen es kommen könnte, wenn sie es durchzögen. Schließlich gibt es hier eindeutig definierte soziale Rollen; daraus folgt, dass das dominante Männchen/Weibchen fremden Nachwuchs bedrohen könnte oder dass die Jungen des dominanten Paares denen des rangniederen Paares im Wettbewerb überlegen wären. Für dieses Szenario wurde in der Biologie noch keine logische Erklärung gefunden – weil jeder Fortpflanzungsversuch durch ein nicht verwandtes Paar (biologisch gesprochen) mehr Vorteile bringen würde, als seine gesamte Energie in die Versorgung von nicht verwandten Jungen zu stecken.

In diesem Kapitel ging es vorwiegend um Vogelarten, weil sich hier der größte Teil der Beispiele für Monogamie unter Wirbeltieren findet. Bei den Säugetierarten kommt soziale Monogamie sehr viel seltener vor, nur bei etwa 5 Prozent, und sexuelle Monogamie wurde gar nur bei fünf Arten dokumentiert (bei den Nachtaffen der Gattung Aotus, der Kalifornischen Maus Peromyscus californicus, dem Kirk-Dikdik Madoqua kirkii, dem Votsotsa Hypogeomys antimena und bei im Rudel lebenden Coyoten Canis latrans). Das soll nicht heißen, dass es nicht weitere mögliche Fälle von sexueller Monogamie bei den Säugetieren gibt, sondern nur, dass bisher keine weiteren Fälle durch genetische Daten bestätigt wurden.

Es gibt eine Reihe von sozialen und physiologischen Gründen für das Fehlen von Monogamie. Vor allem wachsen bei den Säugetieren die Jungen in der Mutter heran, gefolgt von einer Laktationsperiode, in der die Säuglinge in ihrem gesamten Nahrungsbedarf von der Mutter abhängig sind. Primatensäuglinge sind dazu noch überwiegend Nesthocker; Neugeborene sind in den meisten Aspekten des Überlebens also auf ihre unmittelbare Versorgerin (Mama) angewiesen. Unsere sehr großen Gehirne müssen sich außerhalb des Mutterleibes noch lange weiterentwickeln (wären sie vor der Geburt noch größer, würden sie nicht mehr durch den Geburtskanal passen), daher sind neugeborene Primaten noch zu nicht besonders viel nütze. Aus diesem Grund kann ein Säugetiervater von der Empfängnis bis zum Abstillen nicht viel zum Wohlergehen seines Nachwuchses beitragen – eine ganz andere Situation als die der Vogelväter, die direkt zum Heranreifen ihrer ungeschlüpften Jungen beitragen können, indem sie sich um die Eier im Nest kümmern. Angesichts der Tatsache, dass ihr direkter Beitrag während dieser Phase stark eingeschränkt ist, ist es für Säugetiermännchen biologisch sinnvoller, woanders noch mehr Nachwuchs zu zeugen – und genau das passiert in der Regel auch.

Gleichwohl ist es wichtig, auf den Unterschied zwischen sexueller und sozialer Monogamie hinzuweisen, da es für Letzteres in der Primatenwelt durchaus einige Beispiele gibt. Biologen haben mehrere mögliche Gründe für ihre Entwicklung vorgeschlagen, darunter die Hypothese von der „weiblichen Sozialität“, wonach Revierüberschneidungen aufgrund von Nahrungskonkurrenz reduziert werden. Im Wesentlichen heißt das, dass die Weibchen sich unterschiedliche Nahrungsreviere suchen, wodurch es für die Männchen schwierig wird, sich den exklusiven Zugang zu mehr als einem Weibchen zu sichern. Die Männchen können daher nicht die Kontrolle über die sexuellen Aktivitäten von mehr als einem Weibchen behalten, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie nicht an zwei Orten gleichzeitig sein können. Ihre einzige Möglichkeit besteht darin, ein bestimmtes Weibchen auszuwählen, das sie überwachen, damit es monogam bleibt (jedenfalls kurzfristig).

Eine andere Lehrmeinung zur Entwicklung der sozialen Monogamie bei Primaten leitet sich vom Auftreten von Infantiziden durch Männchen ab. Infantizid, das Töten von fremden Nachkommen, ist bei einigen Primatengruppen recht häufig zu beobachten; etwa 34 Prozent der Todesfälle unter neugeborenen Gorillas und 64 Prozent aller toten Langurenbabys sind auf Infantizid zurückzuführen. Man glaubt, dass die Weibchen in mehreren Primatengruppen eine Strategie der sozialen Monogamie entwickelt haben, um das zu verhindern. Interessanterweise (wenn auch kaum überraschend in der wunderbaren Welt der Artenvielfalt) fahren andere Primatenweibchen eine genau gegenteilige Strategie, um der Gefahr des Infantizids zu begegnen: die Vaterschaftsverwirrung (mehr Einzelheiten zu diesem Thema in den Kapiteln „Sexuelle Nötigung“ und „SuperTramps“).

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