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Täuschmanöver
ОглавлениеTäuschung. Sobald es im Tierreich darum geht, Sex zu finden und auszuüben, ist es eher die Ausnahme, wenn keine Form von Trickserei dabei eine Rolle spielt. Es gibt eine große Vielfalt an Paarungsstrategien, die sich auf Betrug stützen.
Bei einer häufigen Form der Täuschung leiten Weibchen sowohl ihren aktuellen Partner als auch andere Weibchen in die Irre, die versuchen, sich mit ihm zu paaren. In Systemen, in denen die Männchen einen bedeutenden Elternaufwand betreiben, kann ein Weibchen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Nachwuchs, für den er sorgt, vorwiegend von ihr stammt. Das ist keine einfache Aufgabe, da die Paarung in vielen Fällen polygam erfolgt, sich also ein Männchen mit mehreren Weibchen paart. Bei den Goldbaumsteigern (Dendrobates auratus) beispielsweise, einer tropischen Froschlurchart, verteidigen die Männchen Reviere und versuchen, Weibchen zur Paarung (und zum Ablaichen) hineinzuziehen. Sobald ein wichtiges Balzritual (zwischen einem Männchen und einem Weibchen) stattgefunden hat, legt sie ihren Laich in seinem Revier ab. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt das Männchen die komplette Verantwortung für die heranwachsenden Embryonen, indem es sie beschützt, sauber hält und mit Wasser versorgt. Nach einigen Wochen bringt es den Laich in speziell ausgesuchte Wasserlöcher, wo er sich zu Kaulquappen weiterentwickelt. Neben der Versorgung der sich entwickelnden Eier ist also die Wahl eines geeigneten Wasserlochs ein wesentlicher Überlebensfaktor. Die Kaulquappen mehrerer Arten zeigen ein kannibalistisches Verhalten, eine hohe Konzentration von Individuen in einem kleinen Gebiet könnte sich also extrem ungünstig auf das Überleben kleinerer (vor kürzerer Zeit abgelegter) Eier auswirken.
Es liegt daher im eigenen Interesse des Weibchens, nicht nur kritisch bei der Partnerwahl zu sein, sondern auch die Anzahl der Gelege anderer Weibchen zu begrenzen, damit der Papa den größten Teil seiner väterlichen Energie für ihren Nachwuchs aufwendet. Um Letzteres zu erreichen, greift das Weibchen teilweise auf ein Täuschungsmanöver zurück. Nachdem es im Revier eines Männchens abgelaicht hat, bleibt das Weibchen in der Nähe und bewacht „seinen“ Mann; taucht ein anderes paarungsbereites Weibchen auf, greift es den Neuankömmling entweder an oder verwickelt das Männchen in ein ausgedehntes „Pseudobalz“-Ritual – nur, um es dann zu verlassen, ohne ein zweites Mal abgelaicht zu haben (zum großen Erstaunen und Entsetzen des Männchens, das annehmen musste, dass noch mehr Eier im Spiel sind). Ein ähnliches Pseudo-Balzverhalten wurde bei einer Vielzahl von Amphibien- und Vogelarten beobachtet und lässt sich (wenn auch nur ganz grob) auch auf das menschliche Verhalten übertragen.
Die Weibchen sind allerdings nicht das einzige Geschlecht, das auf Täuschung zurückgreift. Auch Männchen unternehmen große Anstrengungen, um potenzielle Partnerinnen hinters Licht zu führen, und nutzen dabei die Macht der Trickserei auf ganz verschiedene Arten. Einige Kapitel weiter vorn sprach ich bereits von den Geschenken, mit denen die Männchen um die Weibchen werben (siehe „Tand und Tinnef“), und wie einige dieser „Geschenke“ sich bei näherer Betrachtung als wertlos entpuppen. In einigen Fällen verlegen sich Männchen sogar auf noch unverfrorenere Betrügereien. Zum Beispiel gibt es bestimmte Arten von Geschenken, die Weibchen nicht vor der Paarung „einlösen“ können. Nährstoffe in der Samenflüssigkeit können zum Beispiel erst aufgenommen werden, nachdem der Samen übertragen wurde (also nachdem die Kopulation stattgefunden hat). Hier ist es von entscheidender Bedeutung für die Weibchen, dass sie tricksende Männchen, die ihnen ein minderwertiges Geschenk unterjubeln wollen, bestrafen. Bei den Grillen der Unterfamilie Gryllinae, bei denen zum „Geschenkversprechen“ auch bestimmte Teile der Samenflüssigkeit gehören, können die Männchen die Weibchen betrügen, indem sie ihnen eine Ressource von minderer Qualität überlassen. Die Weibchen vergelten das, indem sie eine erneute Paarung mit diesen Männchen verweigern, was ihren Fortpflanzungserfolg verringert (wenn auch nicht vollkommen unmöglich macht).
Laubenvögel sind nicht die einzige Art, die das andere Geschlecht mit dem Bau ausgefallener „Junggesellenbuden“ umgarnen. Lauben sind nur für Balz und Kopulation gedacht, nicht zum Brüten oder für die Jungenaufzucht. Daher ist es für die Männchen vieler Arten sinnvoll, einen möglichst „weibchenfreundlichen“ Ort zu schaffen, und genau das tun sie in den meisten Fällen auch. Um die Tatsache auszugleichen, dass erfolgreichere Männchen bessere Nester bauen, greifen rangniedere Männchen auf Täuschungsmanöver zurück, um ihre zweitklassigen Angebote verlockender erscheinen zu lassen. Bei den Buntbarschen (Familie Cichlidae) im Malawisee ist die Höhe der vom Männchen errichteten kegelförmigen Struktur ein wichtiger Faktor, zeigt sie doch die Überlegenheit eines Männchens über andere und macht es damit begehrenswerter für die Weibchen. Einige rangniedere Männchen verschaffen sich selbst einen Vorsprung, indem sie ihre Struktur auf Felsenplattformen anstelle des sandigen Seegrundes errichten. Das macht den Kegel nicht nur höher, sondern verringert auch die Kosten für Bau, Wartung und Wettbewerb. Auch wenn wir das in der Menschenwelt wohl als Geniestreich werten würden, ist es in der Tierwelt ein unglaubwürdiges Zeichen für den männlichen Aufwand (also eine irreführende Falle). Interessanterweise suchen die Weibchen die hohen, täuschenden Kegelstrukturen zwar eher auf, jedoch zieht die Mehrheit nach einem kurzen Blick darauf weiter. Da ihre halbherzigen Bemühungen einer kritischen Betrachtung nicht standhalten, gewinnen die täuschenden Männchen diesen Kampf also nicht.
Männliche Graulaubenvögel bauen nicht nur raffinierte Lauben, sondern erzeugen auch optische Illusionen, um ihre Signale für potenzielle Partnerinnen noch verlockender zu machen. Bei der „erzwungenen Perspektive“ werden Objekte so angeordnet, dass sie mit zunehmender Entfernung vom Laubeneingang immer größer werden. Die Qualität der Illusion hängt eng mit dem Fortpflanzungserfolg zusammen; die Weibchen entscheiden sich also für die Männchen, die sie am besten täuschen. Der Fairness halber sei jedoch erwähnt, dass nur die intelligentesten Männchen erfolgreich eine solche Illusion erzeugen können; in diesem Fall ist die Täuschung also tatsächlich repräsentativ für eine authentische biologische Qualität. Sind wir jetzt alle gründlich verwirrt?
Es gibt noch andere Möglichkeiten, wie Männchen die Weibchen durch Täuschung zur Kopulation mit ihnen bringen. Männliche Korrigum-Leierantilopen (Damaliscus korrigum) bringen Weibchen dazu, in ihren Revieren zu bleiben, indem sie die Macht der Angst für sich nutzen. Wenn Weibchen versuchen, das Revier eines bestimmten Männchens zu verlassen, stößt es falsche Alarmrufe aus und signalisiert dem Weibchen damit, dass es direkt in die Fänge eines Räubers läuft. Diese Strategie sorgt recht effektiv dafür, dass die Weibchen für weitere Paarungsgelegenheiten in der Nähe bleiben – obwohl man sich schon fragt, wie oft ein einzelnes Weibchen wohl auf diese List hereinfällt.
Blaue Pfauen (Pavo cristatus) nutzen ebenfalls Laute zum Täuschen, wobei das Männchen hier aber eine vorgetäuschte Sexshow inszeniert. Pfauenweibchen wählen ein Männchen häufig auf der Grundlage der Entscheidungen anderer Weibchen (siehe „Einmal dasselbe wie sie, bitte“). Wenn daher ein Männchen ein Weibchen dazu bringen kann zu glauben, dass es erwählt wurde (in diesem Fall durch Laute, die den Eindruck vermitteln, dass es gerade im Gebüsch kopuliert), kann das dazu führen, dass weitere Weibchen auf einen Sprung vorbeischauen. Lautäußerungen zu manipulieren, um eine potenzielle Partnerin zur Kopulation zu bringen, ist eine ziemlich einfache Strategie, die gut funktionieren kann – sofern sie nicht zu häufig eingesetzt wird. Das ist der Schlüssel zu jeder Form von Täuschung: Wenn man sie zu oft einsetzt, stellt sich das Gegenüber darauf ein und sie wird ineffektiv.
Nun haben wir Weibchen gesehen, die Männchen täuschen, und Männchen, die Weibchen täuschen – gibt es auch Männchen und Weibchen, die zusammen einen Dritten täuschen? Blutbrustpaviane (Theropithecus gelada) leben in großen sozialen Gruppen mit typischerweise einem dominanten Männchen (Alphamännchen). Dieses Männchen beansprucht den Großteil der sexuellen Begegnungen für sich, zum großen Leidwesen anderer geschlechtsreifer Männchen in der Gruppe. Rangniedere Männchen können jedoch trotzdem an sexuellen Aktivitäten teilhaben, sofern sie das Alphamännchen erfolgreich täuschen. Einzelne Männchen und Weibchen, die sich in „verbotenen“ Kopulationen zusammenfinden, tun das heimlich und nur in sicherer Entfernung vom Alphamännchen. Darüber hinaus unterdrücken sowohl männliche als auch weibliche Fremdgeher die Lautäußerungen, die normalerweise den Geschlechtsakt begleiten, und geben sich ihrer verbotenen Leidenschaft unter dem Mantel des Schweigens hin. Vorsicht ist wichtig für die Täuschenden – wenn das betrogene Alphamännchen von ihrer Affäre Wind bekäme, bestünde das Risiko, dass es seine Stärke dazu nutzen würde, die Schuldigen zu bestrafen.
In allen bisher angeführten Beispielen können wir unabhängig davon, wer wen täuscht, eine Partei als Gewinner betrachten und die andere als Verlierer. Mindestens ein Individuum profitiert durch die Täuschung, indem es seine eigene biologische Fitness erhöht. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Manchmal verlieren Männchen und Weibchen auch beide, zum Beispiel wenn die Sexualtäuschung durch eine ganz andere Art erfolgt.
Eine solche sexuell parasitäre Strategie setzen zum Beispiel die Larven des Ölkäfers Meloe franciscanus ein, die beide Geschlechter der Solitärbienenart Habropoda pallida täuschen. In diesem Fall imitieren Knäuel von Larven die chemischen und visuellen Signale weiblicher Bienen. Das Männchen wird von diesen Signalen angelockt und bei der versuchten Kopulation hängen sich die parasitischen Larven an seinen Körper. Findet das Männchen anschließend ein paarungsbereites Weibchen seiner eigenen Art, steigen die Larven während der Kopulation auf ihren Körper um. So gelangen sie in ihr Nest, wenn sie dort die gerade befruchteten Embryonen absetzt. Die Ölkäferlarven fressen Eier und Pollen ihrer Bienenwirtin, was jede Überlebenschance für den Bienennachwuchs in einem infizierten Nest zunichte macht und die biologische Fitness von männlichen wie weiblichen Bienen verringert.
Indem sie eine beträchtliche Menge an Energie, Zeit und Spermien auf den Fortpflanzungserfolg von anderen verwenden, verringern die Individuen, die sich an dieser Art von Pseudobalz und -kopulation beteiligen, indirekt ihren eigenen Erfolg. Andere Arten geben sich nicht mit Parasitismus zufrieden, sondern setzen Sex gar als Mordwaffe ein. Viele Räuber nutzen die Macht der Sexualtäuschung, um nichts ahnende Junggesellen in den Tod zu locken. Bolasspinnen (Gattung Mastophora) haben die Fähigkeit entwickelt, die Sexualpheromone weiblicher Nachtfalter zu imitieren, sodass die Männchen auf der Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen sich in einer klebrigen Falle aus Spinnenseide wiederfinden. Die Mimikry der Bolasspinne ist so hochentwickelt, dass sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Nacht nach verschiedenen Nachtfalterarten „angeln“, die jeweils gerade am aktivsten sind.
Die räuberische Laubheuschreckenart Chlorobalius leucoviridis ahmt die akustischen und visuellen sexuellen Signale weiblicher Zikaden nach, indem sie artspezifische Flügelklick-Signale (typische Lautmuster durch eine bestimmte Art von Flügelschlägen) imitiert und synchronisierte Körperbewegungen ausführt. Weibliche Leuchtkäfer der Gattung Photuris imitieren auf der Jagd die spezifischen Blinksignale ihrer Beutearten (ebenfalls Leuchtkäfer). Interessanterweise ahmen männliche Photuris-Käfer ihrerseits die Blinksignale der Beutearten nach, um ihre Chancen zu erhöhen, mit einem paarungsbereiten Weibchen in Kontakt zu treten! Jawohl, Sie lesen richtig: Sie jagt und er gibt sich als Beute aus.