Читать книгу Dreizehn. Das Spiegelbild. Band 3: Roman (13. Dark Fantasy, Steampunk) - Carl Wilckens - Страница 11
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Die kalte Nachtluft zerrte an den Papieren in meiner Hand. Hohe Wellen brachen an der Kaimauer, und Gischt spritzte mir ins Gesicht. Der Himmel über dem Meer war noch dunkel, doch über der Stadt kündete bereits ein heller Streifen den nahenden Morgen an.
Mein Blick war leer. Ich starrte auf die Zeilen aus Williams Tagebuch. Ich hatte ihren Sinn verstanden, aber sie lösten kein Gefühl in mir aus. Emily war tot. Es war, wie auf eine frische Wunde zu starren und darauf zu warten, dass der Schmerz kommt – in dem Bewusstsein, dass er grausam sein würde. Ich las die letzten Zeilen noch einmal. Eiskristalle wucherten auf ihrer blauen Haut. Emily war tot. William hatte sie gesehen, eingefroren in einer Eiskammer, und hatte es niedergeschrieben mit blauer Tinte auf weißem Papier. Ihre Augen wirkten wie aus Glas. Meine Suche endete hier. Jetzt. Erbarmungslos wurde ich mit dieser Tatsache konfrontiert. Bestand die Hoffnung, dass William nicht die Wahrheit geschrieben hatte? Nein. Wieso sollte er in seinem Tagebuch lügen? Einem Buch, das nur er selbst zu lesen beabsichtigt hatte. Hatte William sich geirrt? Hatte nicht Emily, sondern jemand anders in der Gefrierkammer gelegen? Nein. William hatte sie geliebt. Wie könnte er sie verwechseln?
Der Wind riss mir die Papiere aus den tauben Fingern. Sie schlugen Purzelbäume auf dem Pflaster und schlitterten bis vor ein paar modrige Fässer vor einer Hafenkneipe. Die Beine gaben unter mir nach, und ich sank auf die Knie. Es war vorbei. Der Unterrumpf, die Piraten, Mario, der Metzger … sie hatten meine Welt ins Dunkel gestürzt. Emily war der einzige Lichtblick gewesen, der alles hätte ungeschehen machen können. Heiße Tränen stiegen mir in die Augen. Ihr kleiner Bruder war noch da, irgendwo unter dem Panzer des Monsters, das das Töten aus mir gemacht hatte. Doch nun gab es niemanden mehr, der ihn zurückbringen konnte. Mein Oberkörper sank nach vorn, und ich hieb mit den Fäusten aufs Pflaster. Dunkelheit brach über mir herein. Wäre das schwarze Perl noch in meinem Besitz gewesen, ich hätte es mir auf der Stelle unter die Zunge gelegt.
Ein Schluchzen kam über meine Lippen.
»Hey, Heulpepe«, rief jemand. Ich richtete mich auf und warf einen Blick über die Schulter. Hinter mir war einer von Damons Gardisten. Als er mein Gesicht sah, weiteten sich seine Augen. »Dich kenne ich doch. Damon hat dich in den Rattensumpf geworfen. Wie bist du entkommen?« Ich funkelte ihn an. Natürlich war Emilys Schicksal nicht die Schuld des Gardisten. Er war lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich erhob mich und ging auf ihn zu; schnellen Schrittes, aber ohne zu rennen. Der Gardist legte alarmiert eine Hand auf den Griff seiner Pistole. »Komm nicht näher, Arschloch, oder ich jag dir eine Kugel ins Hirn.« Er zog die Waffe und richtete sie auf mich. Im Bruchteil der Sekunde, bevor er den Abzug betätigte, riss ich die Schulter herum; ein riskantes Manöver, das man nur einsetzt, wenn man seinen Gegner kennt. Wenn man weiß, dass seine Reaktionen langsam und seine Schusslinie treffsicher sind.
Oder wenn man lebensmüde ist.
Das Projektil verfehlte mich um Fingerbreite. Im nächsten Moment war ich bei ihm und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Noch ehe er seinen Säbel gezogen hatte, ließ ich einen Treffer mit dem Ellbogen auf seiner Nase landen. Es knirschte. Er stöhnte und strauchelte rückwärts. Blut strömte aus seinen Nasenlöchern, über die Lippen und das Kinn. Ich trat ihm gegen den Fuß, und er stolperte und stürzte. Ich ließ ihn auf die Beine kommen, nur um ihn mit einem gezielten Schlag gleich wieder niederzustrecken. Ich spielte mit ihm. Ließ ihn für das bezahlen, was man Emily angetan hatte. Ich trat ihm mit Wucht gegen den Oberschenkel, und er wand sich stöhnend am Boden.
»Bitte«, flehte der Gardist heiser, während er mit schmerzerfüllter Miene zu mir aufblickte. »Lass mich leben!« Ich gab keine Antwort. Packte ihn am Kragen, hob ihn hoch und schmetterte ihn vor den Pfahl einer defekten Gasleuchte. Stechender Schmerz meldete sich in meiner Brust. Ich biss die Zähne zusammen und verfluchte Esper stumm. Zog meine Machete und sagte: »Lauf.« Er wandte sich um und humpelte davon. Als er etwa fünf Schritte gegangen war, holte ich aus und warf die Machete. Die Klinge wirbelte durch die Luft, durchbohrte sein Herz, und er brach zusammen. Ich ging zu ihm, zog die Waffe aus seinem Leib und wischte sie an meiner Hose sauber. Anschließend stieg ich eine Treppe zu einem niedrig gelegenen Bootssteg hinab, kappte eines der Seile, mit dem ein Fischerboot vertäut war, und kehrte damit zu dem Toten zurück. Ich schlang es ihm um den Hals und schleifte ihn zu der defekten Gasleuchte. Warf das andere Ende des Seils über den Balken, der Mast und Gehäuse miteinander verband, und zog ihn daran hoch. Blut tropfte auf das Pflaster. Ich band das Seil am Geländer des nächsten Bootsstegs fest und ging fort; eine Botschaft für Damon zurücklassend, die im Wind schaukelnd sagte: Ich scheiß auf deine Gesetze. Mir ist egal, ob du die Hafenbewohner tötest. Mir ist egal, ob du mich tötest. Eigentlich wünsche ich es mir sogar. Aber bis dahin werde ich dir das Leben schwer machen.
Ich wollte irgendjemanden dafür bezahlen lassen, was mit Emily geschehen war. Weil mir sonst nichts geblieben war. Limbania hatte die Dunkelheit nicht aus mir herausgeschnitten, als wäre sie ein Tumor, sondern lediglich eingekapselt. Sie war immer noch da – auf einer Insel gestrandet, fern vom Festland, das mein Verstand war. Doch Emilys Tod hatte ihr eine Brücke gebaut.
Zugleich ähnelte Treedsgow dem Unterrumpf stärker denn je. Zwar war da die Sonne am Himmel, doch war die Stadt zur Heimat von Mördern, Drogensüchtigen und Wahnsinnigen geworden. Die Bewohner des Unterrumpfes hatten sich lediglich insoweit vom Hafenvolk unterschieden, als dass sie alles zugleich gewesen waren.
Am Tag nach dem Massenausbruch aus Sankt Laplace ließ der Bürgermeister die Tore zum Universitätsviertel endgültig schließen. Er verstärkte die Wachen auf der Mauer und gab die Anweisung, auf jeden zu feuern, der sich bis auf zehn Schritte näherte.
In der kommenden Zeit tötete ich drei weitere Gardisten und drapierte ihre Körper an öffentlichen Plätzen. Damon reagierte auf die Provokationen mit zunehmender Härte. Ich entzog mich seinen Versammlungen auf dem Marktplatz und beobachtete das Spektakel aus sicherer Entfernung. Nach dem ersten Mord blieb er demonstrativ unbeeindruckt. Er köpfte einen zufällig erwählten Mann aus der Menge und erklärte anschließend, dass er zwar der Henker gewesen sei, der Schuldige sich aber unter den Hafenbewohnern befände. Nachdem er mein zweites Opfer baumelnd an dem Mast eines Schiffes, das vor dem Marktplatz ankerte, vorgefunden hatte, verlangte Damon den Namen des Täters.
»Wer versucht, mir weiszumachen, dass keiner wisse, wer dahintersteckt«, sagte er und sein Zorn verlieh seiner Stimme Nachdruck, »ist der Nächste, den ich in den Tod schicke!« Die Menge schwieg. Niemand wusste, wie ich hieß, auch wenn mich viele inzwischen den Redscarf Butcher nannten. Schließlich nahm Damon drei Geiseln und verkündete, dass er sie allesamt töten würde, sollte einem seiner Männer noch einmal etwas zustoßen. Am nächsten Morgen fand er einen Gardisten mit durchgeschnittener Kehle auf der Türschwelle des Whitehall Nord. Daraufhin köpfte Damon die erste der drei Geiseln vor den versammelten Hafenbewohnern. Die Menge kochte. Die Menschen wüteten, rangen mit den Gardisten, die den Platz umstellten, und verwünschten den Redscarf Butcher. Damon schien zu begreifen, dass der Mörder auf eigene Faust handelte, denn er ließ die anderen beiden Geiseln am Leben.
Nachdem ich den vierten Gardisten in einem Fass über die Mauer des Whitehall Nord geworfen hatte, schlug Damon eine andere Richtung ein. Bei der nächsten Versammlung verkündete er, dass es von nun an verboten sei, Waffen bei sich zu tragen. Jeder Bürger, der eine Waffe besaß, die über ein gewöhnliches Küchenmesser hinausging, hätte diese bis Sonnenuntergang im Whitehall Nord abzuliefern. Wer danach noch mit einer Waffe gesehen würde, dem würde eine Hand abgeschlagen.
»Wie sollen wir uns so vor den Wahnsinnigen schützen?«, fragte ein Mann aus der Menge.
Damon lächelte gönnerhaft. »Wir beschützen euch«, sagte er. »Deshalb müssen wir sicherstellen, dass ihr uns nicht gefährlich werdet. Zu eurem eigenen Schutz.«
»Keiner kann meine Familie besser beschützen als ich selbst«, beharrte der Mann.
»Ein wahres Wort.« Damon sprang von dem Stand, den er sich als Podium erwählt hatte, und trat vor den Mann. »Wie heißt du?«
»Willis«, sagte der Mann ein wenig kleinlaut ob der Nähe von Damon, aber nach wie vor mit düsterer Miene.
»Du siehst kräftig aus, Willis. Was ist dein Handwerk?«
»Ich arbeite in den Minen von Minersfort.«
Damon nickte wissend. »Wenn du deine Familie und die Hafenbewohner selbst beschützen möchtest, Willis, kannst du bei mir vorsprechen. Ihr alle könnt bei mir vorsprechen«, fuhr er an die Menge gewandt fort. »Ich werde euch auf die Probe stellen, und wenn ihr mich von eurem Talent und eurer Loyalität überzeugt, werdet ihr die Plätze derer einnehmen, die in den letzten Tagen ermordet worden sind. Als Zeichen meines guten Willens entlasse ich die Geiseln.« Die Hafenbewohner verfluchten Damon. Sie schworen sich, keine gemeinsame Sache mit ihm zu machen.
Doch die Grausamkeit von Schwarzbergs Patienten zwang ihren Stolz bald in die Knie. Schwarzberg hatte etwas Dunkles in ihre Köpfe gepflanzt. Sie schienen nur ein Ziel zu verfolgen, und zwar Chaos und Leid zu verbreiten. Sie kamen an Bedrohlichkeit einem Perlsüchtigen auf Entzug nahe. Zwar verfügten sie nicht über deren Entschlossenheit und Kraft, doch waren sie geduldig und ihr Einfallsreichtum ohne Grenzen. Sie mischten sich unter das Hafenvolk. Gaben sich normal, manchmal gar viertellang, und erschlichen sich das Vertrauen der Menschen. Immer wieder hörte man von blutigen Gräueltaten und von Entführungen oder wurde selbst Zeuge des Moments, da einer der Patienten sein wahres Gesicht zeigte. Keiner wusste, wem man noch trauen durfte. Also wandten sich die Hafenbewohner an Damon. Sie hatten nicht vergessen, was er ihnen angetan hatte. Aber zumindest war seine Grausamkeit nicht willkürlich. Solange man nach seinen Regeln spielte, blieb man am Leben. Damon erweiterte seine Garde um eine stattliche Anzahl an Mitgliedern. Es wurde fast unmöglich, einen seiner Leute zu töten, gingen sie doch nur noch schwer bewaffnet und zu dritt oder zu viert auf die Straße.
Und dennoch akzeptierten nicht alle Damon als ihren hartherzigen Beschützer. Vor allem jene, die durch Damons Schwert einen geliebten Menschen verloren hatten, gründeten eine Organisation und benannten sich nach Charles Rabotnik, dessen Name, nachdem er den ersten Aufstand gegen die Barone angeführt hatte, zu einem Synonym des Widerstands geworden war. Sie weigerten sich, Damons Forderung, ihre Waffen abzugeben, nachzukommen, versammelten sich heimlich in Kellern und auf Dachböden und waren immer wieder in Scharmützel mit den Gardisten verwickelt.
Während dieser Zeit sprach ich mit niemandem. Ich ernährte mich durch Stehlen, von Abfall und Ratten. Fast konnte ich Hunger wieder hören, der mir zuraunte, dass die Dunkelheit zu mir zurückgekehrt war. Nachts streifte ich durch die Stadt, oft über die Dächer. Die Gebäude im Hafen standen dicht beieinander. Auf den rauen Ziegeln fanden meine Sohlen sicheren Halt, und von oben hatte ich einen guten Überblick; anders als in den dunklen Gassen, in denen man stets mit unangenehmen Überraschungen rechnen musste. Tagsüber schlief ich neben einem Schornstein auf dem Flachdach einer Textilfabrik gleich hinter dem Güterhafen. Der, der ich jetzt war, fühlte sich hier draußen in der Gesellschaft von Gaunern und Irren heimischer als in einem wohlbehüteten Bett im Fourier. Ich baute mir aus Decken und Kleidungsstücken ein improvisiertes Zelt, das mich vor Licht und Regen schützte. Jüngst lag der Geruch des Sommers in der Luft. Während ich schlief, klammerte ich mich an Williams Tagebuch wie ein Kind an sein Stofftier; ein Andenken, dem noch der Geruch von Hoffnung anhaftete.
Eines Abends bemerkte ich vom Dach eines zweistöckigen Wohnhauses aus ein eigentümliches Glitzern in einer dunklen Gasse. Ich schritt über das flachgeneigte Dach und spähte über die Kante. Erst da bemerkte ich die dunkle Gestalt. Sie saß auf einem Stapel morscher Kisten, hatte das Gesicht in den Händen vergraben und weinte. Vor ihr stand eine gläserne Statue. Sehr merkwürdig. Allmählich gewöhnte ich mich an die Dunkelheit. In dem Moment, da die Gestalt sich die Augen wischte, erkannte ich sie. Es war Rocío, Damons Geliebte. Hinter mir auf der anderen Seite des Gebäudes flüsterte ein Kirschbaum im abendlichen Wind. Godric End. Ich ignorierte ihn und lauschte Rocíos Schluchzern. Sie wirkte dünner als bei unserer letzten Begegnung. Die Nadel, mit der sie ihr Haar hochgesteckt hatte, konnte nur mit Mühe den Schein eines gepflegten Äußeren wahren. Godric End. Ich überlegte, zu ihr zu gehen. Zögerte. Als wir das letzte Mal zusammen gewesen waren, war ich noch voller Hoffnung gewesen, Emily zu finden. Ich wollte nicht daran erinnert werden, dass diese Hoffnung gestorben war. Godric End. Ich wandte mich wütend zu dem Baum um.
Was?!, formten meine Lippen.
Aliona, flüsterte der Baum. Aliona? Der Name sagte mir etwas. Doch wollte mir nicht einfallen, woher ich ihn kannte. Ich sah wieder zu Rocío und biss mir auf die Unterlippe. Dann fasste ich mir ein Herz und schwang mich über die Dachkante. Ich landete neben der gläsernen Figur in der Gasse. Rocío sprang auf und griff in ihre Hosentasche. Instinktiv legte ich die Hand auf den Griff meiner Pistole. Dann sah ich, dass sie nichts weiter als einen saphirblauen Stein hervorgeholt hatte und ihn mir zwischen Daumen und Zeigefinger entgegenstreckte. Obwohl es dunkel war, brach sich Licht in seinem Innern. Er war so tiefblau, dass mein Blick darin zu versinken schien. Ich versuchte wegzusehen, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Meine Arme erschlafften. Mein Mund klappte auf wie der eines sabbernden Idioten. Ich wankte.
Im nächsten Moment schlossen sich Rocíos Finger um das Kleinod und brachen den Bann. Ich keuchte und stolperte rückwärts.
»Was ist das?«, fragte ich heiser – es waren die ersten Worte, die ich seit Vierteln sprach – und starrte auf Rocíos Faust.
»Was willst du von mir?«, gab Rocío zurück, ohne auf meine Frage einzugehen.
»Ich habe dich weinen sehen.«
»Und da wolltest du mich trösten?« Der Spott ließ ihre dunklen Augen blitzen. Sie war hübsch, stellte ich nicht zum ersten Mal fest. Auf eine femininere Art, als Sam es gewesen war, dafür nicht weniger exotisch. Ob das Tattoo in ihrem Gesicht irgendeine Bedeutung hatte?
Ich antwortete nicht, sondern betrachtete die Statue von allen Seiten. Eine kalte Aura umgab sie. Dann wurde mir klar, dass sie nicht aus Glas war. Sie war aus Eis.
»Wie machst du das?«, fragte ich leise. Sie hatte den Mann bis ins kleinste Detail abgebildet: die Schnallen an den Stiefeln, die Narben im Gesicht, ja, sogar jedes einzelne Haar als mikroskopisch dünne Stränge auf dem Kopf. Mein Blick fiel auf das rechte Ohr, dem die halbe Ohrmuschel fehlte. »Das ist Damon!« Bei der Erwähnung des Namens fing Rocío wieder an zu schluchzen.
»Ich habe ihn geliebt«, brach es aus ihr heraus, das Gesicht in den Händen verborgen. »Ich wäre bereit, alles für ihn zu geben, würde er mich nur so behandeln wie früher.« Sie schluchzte und fuhr fort: »Damals hatte er nur Augen für mich. Wir haben stundenlang miteinander geredet. Er versprach mir, seine Königin zu werden. Aber jetzt … bin ich nicht mehr für ihn als seine Insomniumversorgerin.«
»Insomnium?«, fragte ich.
»Es ist der Trank, den ich für ihn zubereite«, erklärte Rocío schniefend und wischte sich die Augen. »Er versetzt dich in den Zustand eines Mondsüchtigen und verleiht dir die Gabe, dich wie ein Tänzer zu bewegen. Als hättest du jede Handlung einstudiert wie eine Choreographie. Er entkoppelt unser Denken von unseren Bewegungen und verleiht uns vollkommene Geschicklichkeit, wo uns zuvor der eigene Kopf behinderte. Inzwischen verteilt Damon den Trank auch an seine Männer. Und weil ihm die Produktion nicht schnell genug ging, stellte er mir einige Assistenten zur Verfügung. Dabei wies er diese Hure an, mich zu beobachten. Er ließ meine Formel stehlen.« Plötzlich glühten Rocíos dunkle Augen vor Zorn. Sie las einen Stein vom Boden auf, rief: »Meine Formel, du Wichser!« und schleuderte der Statue den Stein ins Gesicht. Er riss Damon das unversehrte Ohr weg und einen Teil seiner Wange. Der Anblick verschaffte mir Genugtuung. Rocíos Zorn war so schnell verflogen, wie er gekommen war. Sie sank zurück auf die Kisten und fing wieder an zu schluchzen. Ich ließ mich auf dem Boden nieder und lehnte mich mit dem Rücken gegen eine Mauer. Trost spenden war nicht meine Stärke. Ich wartete, bis Rocíos Tränen versiegt waren, und wartete noch ein bisschen länger, während sie mit leerem Blick zu Boden sah.
»Rocío?« Schweigen. »Warum hast du mich damals nicht an Damon verraten?« Es tat gut, sich zu unterhalten.
Rocío ließ sich Zeit mit der Antwort. »Weil ich erkannte, dass du wichtig bist.«
»Du hast es erkannt? Woran?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich beschäftige mich viel mit Spirituellem. Schärfe meine Sinne durch magische Tränke …« Durch Drogen, korrigierte ich sie in Gedanken.
»Inwiefern bin ich wichtig?«
Wieder zuckte sie die Schultern. »Ich weiß vieles, aber die Zukunft kenne ich nicht.« Erneut schwiegen wir, und es war nur das ferne Rauschen der Wellen und das Flüstern des Kirschbaumes zu hören. Aliona.
»Aliona«, murmelte ich.
»Was?«
»Aliona!« Ich erhob mich. »Ich erinnere mich!«
»Wovon redest du?«
»Aliona war eine der Hibridia.« Eine von fünf Magiern, die ich im Keller der Nervenheilanstalt belauscht hatte. Schwarzberg wollte sie dazu bewegen, sich dem Wurmgott anzuschließen. Als sie sich ihm verweigerten, befreite er sämtliche Patienten im Keller. Was hatte Esper, ihr Anführer, gesagt? Weil ich dich aus den Kerkern von Noviomaridum befreit habe. Weil ich Tybalt davor bewahrte, in den Feuern von Maridmagus zu brennen. Weil ich Nathaniel sein Gesicht zurückgab und Aliona von den Toten zurückholte.
»Von den Toten zurück«, sagte ich und sah zu Rocío. »Hast du schon mal von den Hibridia gehört?« Rocío erwiderte meinen Blick mit verwirrter Miene.
»Wieso fragst du mich das?«
»Sag schon«, drängte ich. »Kennst du die Hibridia?«
»Jeder kennt die Märchen der Hibridia«, erwiderte sie. Ich hob die Brauen. »Naja, jeder, der unter halbwegs normalen Umständen aufgewachsen ist.«
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse«, entgegnete ich. »Was sind sie?«
»Angeblich halb Menschen, halb Dämonen«, sagte Rocío. »Es gibt Dutzende Märchen von ihnen. Sie treten mal als Engel in Erscheinung, die einem nicht helfen, mal als Dämonen, die einem nichts tun.«
»Aber es gibt sie wirklich!«, sagte ich.
Rocío schüttelte den Kopf und eine Strähne ihres dunklen Haares fiel ihr ins Gesicht. »Sie sind eine Erfindung, um Kinder zu belehren. Die bekannteste Geschichte ist die von Sem und Levi: zwei Brüder, die sich um das Erbe ihres Vaters streiten. Sem fängt schließlich an, Zuris um Gerechtigkeit zu bitten. Levi versucht, einen Pakt mit der dunklen Seite zu schließen. Ihnen beiden begegnen die Hibridia: Tybalt spricht als Engel zu Sem, Nathaniel als Dämon zu Levi. Sie machen ihnen klar, dass nicht das Erbe, sondern ihre Einigkeit das einzig Wertvolle ist. Die Moral ist meist, dass es keine Macht gibt, die uns gut oder böse werden lässt. Wir entscheiden durch unsere Taten, was wir sind.«
»Du verstehst nicht, Rocío. Ich habe die Hibridia gesehen! Sie waren in Sankt Laplace, als wir dort waren!«
Rocío runzelte die Stirn. »Ich bin gerade nicht zu Scherzen aufgelegt, weißt du?«
»Wieso fällt es dir so schwer, mir zu glauben?«, fragte ich und blickte sie herausfordernd an. »Du bist doch diejenige, die Voodoo-Puppen erschafft, Eisskulpturen bis ins kleinste Detail herbeizaubert und einen Stein besitzt, der jeden, der ihn sieht, in einen sabbernden Idioten verwandelt.«
»Du meinst meinen Blickfänger?« Rocío lächelte bescheiden. »Aber das ist bloß Alchemie. Nichts weiter.«
»Mir erscheint es wie Zauberei. An der Universität sind die klügsten Männer und Frauen Dustriens versammelt. Aber ich wette, sie könnten sich keinen Reim auf das machen, was du tust.«
Rocío lachte leise. »Weil es keine Wissenschaft ist, Dummkopf. Es ist Kunst.«
»Ich schwöre dir, Rocío, sie waren da. Esper, der mit dem Auge auf der Stirn, war einer von ihnen! Du hast selbst gesehen, wie er seine Kleidung und seinen Stab aus dem Nichts herbeizauberte.« Rocío erwiderte meinen Blick mit verunsicherter Miene. »Da war außerdem Fiur in einem Kranz aus Feuer. Tybalt, Nathaniel und … Aliona.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Was weißt du über Aliona?«, fragte ich.
Rocío dachte kurz nach. »Nicht viel. Man nennt sie Aliona, die Auferstandene, weil sie von den Toten zurückkehrte.«
»Ist es möglich, jemanden von den Toten zurückzuholen?« Rocío begegnete meinem Blick mit trauriger Miene.
»Nein«, sagte sie. »Es tut mir leid, Godric, aber das sind nur Geschichten. Die Toten bleiben tot.«
»Aber die Hibridia sind keine Geschichten. Hast du die Schmetterlinge nicht gesehen, als du in den Keller gekommen bist?« Nachdem Schwarzberg die Gefangenen befreit hatte, hatte einer der Hibridia eine ganze Wolke der Tiere beschworen. Schmetterlinge aus schwarzem Mana.
Rocío blickte mich zweifelnd an. »Es war dunkel.«
Ich unterdrückte einen Fluch. »Ich muss die Hibridia finden«, sagte ich und ballte entschlossen die Hände zu Fäusten. »Vielleicht haben sie Treedsgow nicht verlassen.«
»Godric«, sagte Rocío leise. »Die Toten bleiben tot.«
»Du verstehst das nicht! Ich finde die fehlenden Seiten von Williams Tagebuch. Jemand lässt sie mich finden. Es muss einen Grund dafür geben. Emily lebt womöglich schon wieder!«
»Williams Tagebuch?«
»Es ist das Tagebuch eines ehemaligen Studenten aus Treedsgow. Er hat meine Schwester gekannt. Er … hat sie tot aufgefunden.« Ich rief mir die letzten Zeilen der zweiten Seite in Erinnerung. Ich ahnte nicht, dass ich draußen schon erwartet wurde. Wer hatte vor Raum 21 im Keller der Universität auf William gewartet? Vielleicht Aliona? Mir war klar, dass es eine verzweifelte Hoffnung war, an die ich mich klammerte. Aber das war immer noch besser als gar keine Hoffnung. Eines war jedoch klar: Die Geschichte ging weiter. Ich hatte noch nicht alle Seiten des Tagebuchs gefunden. Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar. Hätte ich doch bloß die Seite noch, um nach weiteren Hinweisen zu suchen.
»Das Buch, das Eagon und Dave bei sich hatten«, sagte Rocío, als fiele es ihr wie Schuppen von den Augen. »Natürlich. Ich habe gleich gesehen, dass es nicht für sie bestimmt war! Dein Name steht in seiner Aura. Es gehört zu dir, Godric End. Früher oder später wird es immer zu dir zurückfinden, genau wie die fehlenden Seiten dich finden.«
»Du glaubst, es hat einen eigenen Willen?«, fragte ich skeptisch.
Rocío schnalzte verneinend mit der Zunge. »Es hat eine Bestimmung. Es ruft nach dir. Allerdings …«, fügte sie hinzu und erschauerte, »… haftet ihm auch etwas Dunkles an. Ein unsensibler Mensch würde von alldem nichts merken. Doch ist er auch nur ein kleines bisschen empfänglich für die Schwingungen des Spirituellen, würde er seine Bestimmung erfüllen – oder es vernichten.«
»Wie könnte jemand seine Bestimmung erfüllen?«
»Es ist eigentlich ganz einfach«, entgegnete Rocío. »Alles besitzt eine Bestimmung. Jeder Gegenstand. Jedes Lebewesen.«
»Also glaubst du, dass alles vorherbestimmt ist?«, fragte ich.
Rocío schüttelte den Kopf. »Ich rede von einer Bestimmung, nicht von einer Vorherbestimmung. Es handelt sich um etwas Gegenwärtiges. Alles, was ein Bewusstsein hat, kann die Bestimmung – seine eigene, die eines anderen Lebewesens oder die eines Gegenstandes – mit Gewalt ändern. Je schwächer das jeweilige Schicksal ausgeprägt ist, desto einfacher ist es. Geh zum Strand, nimm einen Stein und wirf ihn ins Meer. Es war nicht die Bestimmung des Steines, ins Meer geworfen zu werden. Es war seine Bestimmung, am Strand zu liegen. Nachdem du ihn ins Meer geworfen hast, ist seine Bestimmung am Grund des Meeres.«
»Was hat das mit dem Tagebuch zu tun?«
»Das Tagebuch hat eine feste Bestimmung«, sagte Rocío. »Man kann es mit einem Gegenstand von persönlichem Wert vergleichen. Jemand stiehlt ihn. Anschließend quält ihn sein Gewissen. Er braucht den Gegenstand nur anzusehen, um den Diebstahl zu bereuen. Fast kann er ihn nach seinem rechtmäßigen Besitzer rufen hören. So ähnlich ist es mit dem Tagebuch. Wenn jemand es in Händen hält, der nicht du ist, braucht er nur seine Augen zu schließen und seiner Bestimmung zu lauschen. Ein Leichtes, wenn man mit der spirituellen Welt vertraut ist. Ich habe es in den Geigenkasten gelegt, weil ich auch in seiner Aura deinen Namen las. Ich dachte, falls es dir gelingen sollte, dem Rattensumpf zu entkommen, dass du ihn stehlen würdest. Nun, ich habe mich nicht getäuscht.«
»Das klingt alles ziemlich … verrückt«, sagte ich vorsichtig.
Rocío lächelte wissend. »Verrückter als du und deine Hibridia?« Darauf wusste ich keine Antwort. »Wenn du möchtest, lade ich dich auf einen Trank ein«, fuhr Rocío fort. »Dann würdest du verstehen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sobald ich Aliona gefunden habe vielleicht«, entgegnete ich. Wenn jemand wusste, ob die Hibridia noch in Treedsgow waren, dann sicherlich Roberto. Er gehörte zur Familie Fonti und war nach Dustrien gekommen, um mich zu finden. Man hatte ihn in vielen Disziplinen ausgebildet, unter anderem darin, Netzwerke aus Informanten zu spinnen. Er hatte schon mehrfach unter Beweis gestellt, wie gut er über vieles, was in Treedsgow vor sich ging, Bescheid wusste.
»Ich verstehe«, sagte Rocío. »Eine Sache noch, Godric.« Ich hob die Brauen. Sie holte tief Luft und fragte: »Hast du Damons Männer getötet?« Ich sagte nichts. Ein Blick genügte, damit Rocío verstand. »Es war nicht immer leicht, Damon nicht zu verraten, dass du noch lebst. Ich hätte es wohl getan, hätte er sich mir gegenüber nicht wie ein Arsch verhalten.« Schweigend wartete ich auf das, worauf sie hinauswollte. »Mord ist eine gewalttätige Änderung der Bestimmung eines Lebewesens, die irreversibel ist«, sagte sie mit großem Ernst. Kam sie mir jetzt etwa mit Moral? »Jeder Mord hinterlässt eine Narbe in der Aura des Täters.« Ich erwiderte Rocíos Blick mit ungerührter Miene.
»Wie sieht meine aus?«, fragte ich, als fürchtete ich mich nicht vor der Antwort.
Rocío trat näher. Sie hob die Hände und ihre filigranen, olivfarbenen Finger tasteten durch die Luft, die mich umgab. »Ich habe noch nie in einer Aura wie deiner gelesen. Sie hat so viele Narben, dass ich es nicht glauben kann.«
»Du weißt, wer ich bin?«
»Godric End.«
»Du kennst meine Geschichte?«
»Ich denke, du könntest Frieden vertragen«, flüsterte Rocío und blickte zu mir auf.
»Den werde ich erst finden, wenn ich wieder mit meiner Schwester vereint bin.« Einen Moment lang sagte keiner etwas, während wir in den Augen des anderen lasen. Dann stellte Rocío sich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals. Ihre Lippen fanden die meinen, hauchten nur einen flüchtigen Kuss darauf, so zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, während ihre Hände noch immer wenige Zentimeter über meinen Armen schwebten. Ihr Atem schmeckte nach Sommer. Schmeckte wie das Sonnenlicht, als ich es nach all den Jahren im Unterrumpf zum ersten Mal wiedersah.
»Wer seid ihr?«, rief jemand hinter uns. Rocío löste sich von mir und sah an mir vorbei. »Warum lungert ihr hinter meinem Haus herum?« Ich wandte mich um. Hinter uns stand ein Mann mit kahlem Schädel, bewaffnet mit einem Nudelholz. Er hatte die gläserne Statue offenbar noch nicht bemerkt. »Verschwindet oder ich rufe die Gardisten.« Zum ersten Mal, seit ich von Emilys Tod erfahren hatte, war mir zum Lächeln zumute. Der Kerl wusste ja nicht, dass er dem Redscarf Butcher gegenüberstand.
»Gehen wir.« Rocío und ich gingen an dem Mann vorbei.
»Nichts für ungut«, sagte der, ohne uns auch nur einen Moment lang aus den Augen zu lassen. »Aber ihr könntet genauso gut zu den Irren aus Sankt Laplace gehören.« Jäh veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Augen wurden dunkel. Er fing an zu grinsen und entblößte zwei Reihen nadelspitzer Zähne. Das Misstrauen war wie aus seinem Gesicht gewischt. Rocío bemerkte es nicht. Er schwang das Nudelholz nach ihrem Kopf. Ich stieß sie zur Seite und zog meine Machete. Das Nudelholz fuhr herab und erwischte mich am Musikantenknochen. Vibrierender Schmerz durchlief meinen Arm, und ich ließ meine Waffe fallen. Der Mann wandte sich mir zu und warf sich mit zuckenden Augäpfeln und irrem Grinsen auf mich. Ich wich seinem nächsten Schlag aus, ergriff sein Handgelenk und drängte ihn zurück. Er fletschte die Zähne und stemmte sich gegen mich. Mit der freien Hand verpasste ich ihm einen Schlag in den Magen. Er gab keinen Laut von sich. Ich packte ihn am Hals und riss ihn in die Höhe. Für gewöhnlich versuchten meine Feinde sich zu wehren, wenn ich sie auf diese Weise in die Zange nahm. Sie fingen an zu strampeln und an meiner Hand zu zerren und zu kratzen. Doch er hing bloß da und grinste mich an.
Im nächsten Moment durchzuckten stechende Schmerzen mein Herz. Ich stöhnte und ließ den Mann los. Stolperte zurück und griff mir an die Brust. Was hatte Esper mit mir angestellt? Ich tastete nach dem Griff meiner Pistole. Dann war Rocío neben mir. In der Hand hielt sie ihren Blickfänger, der mich unvermittelt in seinen Bann schlug. Den Irren allerdings nicht, wie ich am Rande meines Bewusstseins wahrnahm. Wieder holte er mit dem Nudelholz aus. Rocío stieß ein leises Kreischen aus und ließ den Stein in der Faust verschwinden. Ich stolperte aus seinem Bann. Das Nudelholz fuhr herab und traf meine Rechte, mit der ich soeben die Pistole aus dem Halfter gezogen hatte. Das Eisen flog mir aus der Hand und fiel klappernd zu Boden. Mit der Linken zog ich eine zweite Pistole und schoss dem Irren zwei Löcher in die Brust. Erstaunlich wenig Blut trat aus den Wunden. Mein Gegner senkte überrascht den Blick, dann hob er den Kopf und fing wieder an zu grinsen. Einen Moment lang war ich zu überrascht, um irgendwas zu tun. Der Mann hob das Nudelholz und stürmte auf mich los. Ich riss die Pistole hoch und schoss ihm in die Stirn. Er stolperte und fiel der Länge nach zu Boden.
Rocío und ich starrten auf den Leichnam. Der Schwefelgeruch des Schießpulvers biss uns in die Nasen. Das Grinsen des Irren war noch nicht verblasst. Eine schwarze Substanz lief aus dem Loch in seiner Stirn. Sie schien weder flüssig noch gasförmig zu sein und löste sich auf, kaum dass sie den Boden berührte.
Rocío erholte sich zuerst von dem Schock. »Wie konnte er das überstehen?«, flüsterte sie. »Du hast ihm zwei Mal in die Brust geschossen.«
»Schwarzberg hat irgendwas Merkwürdiges mit ihnen angestellt«, sagte ich. »Vor einigen Vierteln war es noch leicht, sie zu töten. Sie werden stärker.« Ich ging neben dem Toten auf die Knie und tauchte meinen Finger in die schwarze Substanz. Sie fühlte sich kalt an und kribbelte auf der Haut, während sie sich auflöste. »Was ist das?«
»Dunkles Mana«, flüsterte Rocío hinter mir.
Ich sah zu ihr. »Du kennst es?«
Sie nickte. »Es ist eine alchemistische Zutat. Aber wieso ist sie in dem Kopf dieses Mannes?«
»Sie scheint irgendwie die Persönlichkeit von Schwarzbergs Patienten zu verändern«, entgegnete ich.
»Und ihnen übermenschliche Kräfte zu verleihen«, fügte Rocío hinzu. »Mein Blickfänger hatte keine Macht über ihn.« Sie erschauerte. »Damon sollte davon erfahren.« Etwas an diesen Worten störte mich. Sie stieg über den Toten hinweg und wandte sich noch einmal zu mir um. »Pass auf dich auf«, sagte sie, ehe sie die Gasse verließ.