Читать книгу Dreizehn. Das Spiegelbild. Band 3: Roman (13. Dark Fantasy, Steampunk) - Carl Wilckens - Страница 17

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End

Die Taverne Zum Haifischzahn war eine heruntergekommene Bleibe nicht weit vom Marktplatz des Hafens entfernt. Es wunderte mich, dass Roberto nun hier leben sollte, nachdem Damon das Whitehall Nord übernommen hatte. Kalter Zigarettenrauch schlug mir entgegen, als ich den Saal betrat. Ein Fenster im hintersten Winkel war geöffnet, doch Wände und Boden sonderten stärker einen säuerlichen Geruch ab, als er nach draußen entweichen konnte. Generationen von Zigarettenrauch, verschüttetem Bier und Erbrochenem waren in die Holzdielen und die Wandbekleidung eingezogen. Zwei Männer saßen an einem Tisch neben dem geöffneten Fenster, rauchten und unterhielten sich in gedämpftem Ton. Der Tavernenbesitzer saß hinterm Tresen und las die Treedsgow Gazette, wobei er so aussah, als würde er jeden Moment einschlafen. Als ich vor ihn trat, hob er den Blick.

»Ich möchte zu Roberto Fonti«, sagte ich.

»Es gibt hier keinen Roberto Fonti«, erwiderte der Mann hinterm Tresen gelangweilt und richtete seinen Blick wieder auf die Zeitung. Ich runzelte die Stirn. Hatte Roberto sich auch hier als Jasper ausgegeben? Was sollte dieses Spiel?

»Wohnt hier ein Mann namens Jasper?«, fragte ich.

»Die Treppe hoch, dritte Tür links.« Ob Roberto überhaupt noch hier ist?, überlegte ich, während ich die Treppe hinaufstieg. Er ging vermutlich genau wie Haakon davon aus, dass ich tot war. Vielleicht wusste er aber auch, dass ich der Redscarf Butcher war. Schließlich suchte ich ihn gerade wegen seines Talents, Informationen zu beschaffen. Gut möglich, dass ich in eine Falle lief. Ich legte die Hand auf den Griff meiner Machete, die ich unter der Kleidung seitlich am Körper trug, und klopfte an die Tür. Kurz darauf schwang sie nach innen auf.

Ich riss die Augen auf.

Vor mir im Türrahmen stand Jasper. Ich musste aussehen wie ein Idiot, während ich ihn mit offenem Mund anstarrte. Das war unmöglich! Jasper war tot! Die Miene des Izzianers hellte sich auf, als er mich erkannte.

»Ich wusste, dass du früher oder später kommen würdest«, sagte er. Ich bemerkte, wie meine erstaunte Miene einem Lächeln wich. Er lebte! Ein verblüfftes Lachen kam über meine Lippen. Dann schloss ich ihn in eine Umarmung; eine Geste, die ich mir nach Vierteln der Isolation nicht zugetraut hätte. Auch Jasper lachte, während er mir auf den Rücken schlug.

»Komm rein«, sagte er und trat zurück.

»Wie kannst du hier sein?«, fragte ich, sobald er die Tür hinter mir geschlossen hatte. »Du hast dich für mich geopfert.«

»Nicht wirklich.« Jasper setzte sich auf das Bett. »Ich dachte auch, dass die Gestalten im Spiegel mich in Stücke reißen würden. Doch dann ließen sie mich passieren.«

»Aber der Mahlstrom«, sagte ich. Jasper sah mich verständnislos an. Wie konnte er ihn nicht bemerkt haben? »Er hat alles verschlungen. Auch dich!«

»Welcher Mahlstrom?«, fragte Jasper. »Ich bin einfach dem Weg zurück gefolgt. Die Strömung trug mich geradewegs ins Lagerhaus.« Ich war einen Moment lang sprachlos.

»Nachdem du durch das Glas getreten bist, sahen wir, wie die Welt im Spiegel in einem schwarzen Strudel verschwand«, sagte ich.

Jaspers Miene zeigte nach wie vor Unverständnis. »Wie gesagt, Mann. Ich bin einfach wieder zurückgegangen.« Ich dachte an Uthers Worte. Der Spiegel fordert immer ein Opfer. »Ich wollte nicht wieder durch den Spiegel«, fuhr Jasper fort. »Also bin ich in mein Zimmer hier und habe am nächsten Morgen bei Haakon eine Nachricht hinterlassen.« Ich runzelte die Stirn. Es sah Jasper nicht ähnlich, untätig zu bleiben, während ich in Sankt Laplace in Gefahr war. Er hatte seinen Treueeid stets sehr ernst genommen. Ich hätte geglaubt, dass er zur Anstalt zurückkehren und versuchen würde, mir zu helfen. Unsinn, dachte ich. Er wollte sich für mich opfern. Er hat seine Schuld beglichen. Auch wenn ich mir nicht mehr sicher war, ob er mir wirklich das Leben gerettet hatte. Wenn die Wesen im Spiegel ihn nicht getötet hatten, wäre wohl auch mir nichts zugestoßen. Oder irrte ich mich? Ich dachte an die schwarzen, nasskalten Hände, die an mir gezogen hatten. War es vorstellbar, dass sie mir nichts getan hätten? Hatte Uther nicht berichtet, dass er seinen Gefährten verloren hatte, als er durch den Spiegel aus dem Sanatorium geflohen war? Vielleicht war auch das gelogen gewesen. Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass er lebt? Jeder Tod, den ich bislang erfahren hatte, war endgültig gewesen. Nun erfuhr ich innerhalb von kurzer Zeit, dass es vielleicht eine Möglichkeit gab, Emily wiederzubringen, und fand he­raus, dass Jasper noch lebte.

»Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?«, fragte ich.

Jasper zuckte die Achseln und legte sich aufs Bett. »Ich habe mich unauffällig verhalten.« Er zog ein Messer, warf es in die Luft und fing es wieder auf. »Habe beobachtet, was im Hafen passiert, und darauf gewartet, dass du kommen würdest. Ich hatte ehrlich gesagt keine große Hoffnung mehr. Wo warst du?« Was sollte ich sagen? Ich habe erfahren, dass meine Schwester gestorben ist, und einen Rückfall erlitten. Habe Damons Gardisten massakriert und mir einen Namen als Redscarf Butcher gemacht. Bin auf die Idee gekommen, dass Emily durch Magie vielleicht wieder am Leben sein könnte, und suche nach Aliona, eine der Hibridia, die angeblich einst von den Toten zurückgeholt worden war. Das alles klang so verrückt, dass es mir selbst schwerfiel, daran zu glauben.

»Ich suche Roberto«, sagte ich bloß. »Er kann mir vielleicht bei einer Angelegenheit helfen.«

Jasper sog scharf die Luft ein. »Dann habe ich schlechte Neuigkeiten für dich«, sagte er. »Roberto wird von Damons Leuten gefangen gehalten. Er soll am nächsten Lohntag hingerichtet werden.«

»Das ist morgen! Was hat er getan?«

Jasper zuckte die Achseln und warf das Messer wieder in die Luft. »Er hat sich wohl mit ihnen in die Haare gekriegt. Wahrscheinlich würden wir mehr erfahren, wenn wir zur Hinrichtung gingen.«

Ich ballte die Hände zu Fäusten. »Das kann ich nicht zulassen. Ich brauche ihn!«

Jasper fing das Messer auf und sah mich an. »Was hast du vor?«

»Ich weiß es nicht. Wenn Damon selbst dort ist …« Vielleicht war das die Gelegenheit, ihn aus sicherer Entfernung zu erledigen.

Jasper fing wieder an, das Messer in die Luft zu werfen. »Er hat sich schon lange nicht mehr blicken lassen. Keine Ahnung, was mit ihm los ist. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass er sich mit einer solchen Belanglosigkeit abgibt.«

»Wenn es nicht zu viele Gardisten sind, werde ich vielleicht mit ihnen fertig«, sagte ich. Als Jasper bei diesen Worten das Messer in die Luft warf, blieb es in der Decke stecken. Er sah mich mit großen Augen an. »Sie werden mindestens zu fünft oder zu sechst sein.« Ich knirschte mit den Zähnen. Wenn ich meinen eigenen Revolver hätte, könnte ich es vielleicht schaffen. Dann wären drei von ihnen tot, ehe sie überhaupt wüssten, aus welcher Richtung die Schüsse kamen. Aber unter diesen Umständen? »Du kannst auf meine Hilfe zählen«, fuhr Jasper fort, »aber wir sollten uns einen Plan zurechtlegen.«

Ich hob die Brauen. »Du klingst, als hättest du schon eine Idee.«

Jasper lächelte und seine Augen funkelten. »Du hast doch sicher vom Redscarf Butcher gehört.«

Ich sah ihn an. »Jasper … ich bin der Redscarf Butcher.« Die Augen des Izzianers weiteten sich, und er setzte sich in seinem Bett auf. Ich seufzte, ließ mich auf den einzigen Stuhl im Raum sinken und fuhr mir mit der Hand durchs Haar.

»Ich war nicht ganz ich selbst in letzter Zeit«, sagte ich, den Blick auf ein Astlochauge in der Holzverkleidung der Wand gerichtet. Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, fragte ich mich, ob ich in den vergangenen Vierteln nicht mehr denn je ich selbst gewesen war. »Emily ist tot.«

»Nein«, flüsterte Jasper.

Ich nickte und kratzte mich am Hinterkopf. »Ich habe gewissermaßen die Kontrolle über mich selbst verloren.« Ich blickte auf. Der Izzianer kannte vermutlich die Geschichten über mich. Trotzdem hatte er nicht mit der Wimper gezuckt, als ich ihm meinen Namen genannt hatte. Aber würde er auch die mordende Bestie tolerieren, die in mir lebte, darauf lauernd, dass der Hoffnungsschimmer, Emily zu finden, erstarb?

»Du wirkst jetzt aber sehr gefasst«, bemerkte Jasper nach kurzem Schweigen.

Ich atmete einmal tief ein und wieder aus. »Wie sich he­rausstellte … habe ich mich vielleicht geirrt.« Jasper hatte mit der Information, dass ich der Redscarf Butcher war, im Moment genug zu verdauen. Ich musste ihm nicht auch noch von Alchemie, Magie und den Hibridia erzählen.

»Nun«, sagte Jasper, und ich war erleichtert, als er lächelte. »Dann bist du eben der Redscarf Butcher. Umso besser …«

Dreizehn. Das Spiegelbild. Band 3: Roman (13. Dark Fantasy, Steampunk)

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