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PLÄNE

Alexanders berufliche Zielsetzung war ein Ingenieurstudium. Genauer gesagt: Bauingenieur. Martin hatte andere Pläne für ihn und lehnte ein Studium ab. Stattdessen musste Alexander eine Ausbildung zum Hotelkaufmann machen, was ihm so gar nicht behagte. Er hasste es. Bevor es zu diesen Entscheidungen kam, wurden wir alle von Martin ins Wohnzimmer zitiert. Er überraschte uns mit der Nachricht, dass er seine diversen Besuche ohne uns in Österreich dazu genutzt hatte, durch neugewonnene Kontakte vor Ort an einen 1A-Leckerbissen zu kommen. Martin lächelte vielsagend.

„Ja, ihr Lieben, bald ist es so weit. Habe dieses erstklassige Grundstück an der Angel. Nächste Woche unterschreibe ich die notwendigen Formalitäten. Werde danach ein todschickes Hotel mit Sportgeschäft und Nachtclub bauen lassen! Na, was sagt ihr dazu?“ Unsere Augen waren weit aufgerissen. Völlig ungläubig starrten wir Martin an, waren mehr als sprachlos, geschockt. Ich erholte mich am schnellsten. „Was heißt das jetzt für uns genau?“

„Natürlich harte Arbeit, sparen, sparen. So ist das, wenn man sein Ziel umsetzen will.“

„Ich meinte für mich persönlich. Du weißt doch, dass ich Architektur studieren möchte, vielleicht noch einen Auslandsaufenthalt dazu!“, erwiderte ich. Martin war sichtlich erbost über so viel Dreistigkeit. „Also, Hummel, ein Studium ist für dich nicht drin. So wie ich das sehe, bist du früh verheiratet, bekommst einen Stall voller Kinder, damit wäre das Studium sowieso rausgeschmissenes Geld. Nee, das brauche ich jetzt dringend für mein Projekt.“ Ich war enttäuscht und verletzt, startete noch mal einen Versuch, ihn umzustimmen:

„Aber Papilein“, säuselte ich, „das ist doch mein Herzenswunsch!“ Diese Ansprache wählte ich als letzte Reserve, wenn ich spürte, dass gar nichts mehr ging. „Du weißt doch, dass ich mich brennend dafür interessiere. Bin auch bereit, während des Studiums im Hotel zu arbeiten. Biiiittteee“, flehte ich.

Martin zündete sich genüsslich eine dicke Zigarre an, blies den Rauch gelassen in mein Gesicht und lächelte, ohne ein Wort zu sagen. In meinem Zimmer schlug ich mein Frust- und Tagebuch auf.

Mein Kopf dröhnt. Bin stinksauer und wütend. Immer dasselbe. Toll, wie immer seine Entscheidung. Hätte ich mir denken können. Elender Sadist und Egoist. Bei seinen Absagen blieb er weiß Gott standhaft. Alles Flehen und Weinen für die Katz. Sein Traum hatte mal wieder oberste Priorität. Könnte schreien!

Ich blätterte im Tagebuch. Fand die Stelle und Situation mit Oma Frieda. Damals hatte ich kommentiert: blöde Oma. Der Schreibfehler war mir egal. Die Emotion stimmte. Ich ließ es so stehen. Auch die Seiten, auf denen ich über die blutigen Schläge gegen Alex im Keller geschrieben hatte, entdeckte ich, las die Notiz am Ende: Ich hasse beide. Ich hörte auf zu blättern. Die aufsteigende Wut hätte mich sonst überrollt. Mein Blick fiel auf den Froschkönig. Wie sehr wünschte ich mir beim Anblick des Frosches, dass ich eines Tages meinen zukünftigen Prinzen finden würde, der mich liebte, achtete und würdigte. So einer wie Martin käme nie auf meine Couch. Niemals!

Donnerstag 3. Mai. Mein Herzenswunsch ist IHM scheißegal. Nur sein Projekt zählt. Hat mich mal richtig spüren lassen, wer hier die Hosen an hat. Wünschte, ich hätte genügend Geld. Ich würde sofort abhauen. Wirklich, bin sauwütend. Oder ist er vielleicht eifersüchtig? Gibt es Eltern, die vordergründig stolz auf ihr Kind und dessen akademische, sportliche oder soziale Leistungen sind! Insgeheim aber sind sie eifersüchtig? Fühle ich mich minderwertig? Hm, möglich. Wie hält Ella das nur aus? Verstehe, wieso sie zum militanten Pillenfresser geworden ist. An ihrer Stelle würde ich ihn verlassen.“

Alexander hatte mit seinen neuen Freunden eine weitere Mutprobe absolviert. Die Schmerzen und Striemen der letzten Mutprobe hatte er verdrängt, er lief zur Höchstform auf. Ich wurde eingeteilt, um Schmiere zu stehen. Ich hatte keine Ahnung, was laufen würde, aber Dabeisein war alles, wie Opa Eugen es formulierte. Es war Kirmes. Die Jungs hatten ihren Späherblick aufgesetzt, sahen einen roten Porsche Cabriolet auf der riesigen Wiese, die als Parkplatz diente. Einer der Jungs stand am Heck des Autos. Alexander stocherte mit einem langen Draht durch das Gummi des Seitenfensters, öffnete geschickt den Wagen. Auf dem Autodach fingen die Jungs an zu knobeln. Der Becher wurde umgestülpt, die Würfel fielen. Alex juchzte: „Gewonnen.” Er legte sich im Fußraum unters Lenkrad, schraubte die Verkleidung ab und knotete die Drähte aneinander. Er öffnete die Beifahrertür, seine Kumpels stiegen ein. Mir stockte der Atem. Zu meinem Entsetzen sprang der Motor an. Alex fuhr erst rückwärts, lässig schaltend, dann vorwärts elegant zwischen den Autos entlang. Ich konnte es nicht glauben. Vor meinen Augen klaute mein doch so liebes Brüderlein, gefolgt von seinen Kumpels, ein schickes Auto. Ja wie war der denn drauf? Ich musste Pipi vor Aufregung. Sie drehten ihre Runden, kamen zurück und der andere Kumpel stieg ein. Der setzte sich hinten aufs Faltdach, seine Beine zwischen den Jungs, seine Füße abgestützt auf dem Mittelholm. Sie kreischten vor Bewunderung und Freude, drehten das Radio noch eine Umdrehung lauter.

„Born to be wild“ entsprach genau ihrem Lebensgefühl. Nach der vierten Runde wurde ihnen mulmig. Alex stellte den Wagen an die ursprüngliche Stelle. Sie waren erregt und völlig aus dem Häuschen. Ich wurde von meinem Posten abgezogen. Gemeinsam traten wir in der Dämmerung die Heimkehr an. Alex erntete Anerkennung und Bewunderung für seine hervorragenden Fahrkünste. Außerdem hatte niemand etwas bemerkt. Sie hielten sich für oberschlau!

Könnte schreien

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