Читать книгу Abgebrühte Mörderkunst: 6 Strand Krimis - Cedric Balmore - Страница 11

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Marv Bronstein führte uns zum Labor Nummer 5c, einem Trakt, der hermetisch vom Rest des Gebäudes abgeschlossen war. Es herrschten strenge Quarantänebedingungen. Milo und ich mussten Schutzoveralls und Mundschutz tragen und passierten in Begleitung einer jungen Mitarbeiterin von General Biotech die Sicherheitsschleuse.

Bronstein brauchte etwas länger, um sich in seinen Overall zu zwängen und folgte uns wenig später.

Kollegen der SRD nahmen gerade die Türen genauestens unter die Lupe, denn es war noch immer ein Rätsel, wie der Täter in den Quarantäne-Bereich gelangt war.

„Woher wissen Sie so genau, dass es nur ein Täter war?“, fragte ich.

„Normalerweise wird hier ein Iris-Scan bei jedem durchgeführt, der den Sicherheitsbereich betritt“, sagte Bronstein. „Und in dieser Nacht wurde Labor 5c nur von einer einzigen Person betreten, das steht fest.“

„Aber dann musste diese Person doch autorisiert gewesen sein“, schloss ich.

„Der abgespeicherte Iris-Scan stimmt mit keinem der autorisierten Mitarbeiter überein“, erklärte Bronstein.

Milo und ich wechselten einen etwas irritierten Blick. „Wie ist der Kerl dann hier herein gekommen?“, hakte mein Kollege nach.

„Wir nehmen an, dass am Rechnersystem herummanipuliert wurde“, antwortete jetzt die junge General Biotech-Mitarbeiterin anstelle von Captain Bronstein. An ihrem Schutzanzug stand ihr Name: Dr. Tessa Johnston. Ich schätzte sie auf Mitte zwanzig. Sie musste ziemlich schnell studiert haben, um bereits in so jungen Jahren so weit zu kommen.

Ich wandte ihr den Blick zu. „Das würde bedeuten, dass der Täter einen Komplizen bei General Biotech haben muss.“

„Ich fürchte, Ihre Schlussfolgerung ist die einzig logische Konsequenz“, nickte sie. Sie seufzte hörbar. „Der Gedanke gefällt mir absolut nicht, dass einer meiner Kollegen dem Verrückten geholfen hat, der uns das alles hier einbrockte.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn man weiß wie, ist die Angelegenheit doch ziemlich simpel. Man sorgt nur einfach dafür, dass ein bestimmtes, ins System eingeschmuggeltes Irisbild mit der Autorisation eines Zugangsberechtigten verknüpft wird.“

„Aber soweit ich bisher verstanden habe, ist das Datennetz von General Biotech nach außen hin absolut abgeschlossen“, vergewisserte ich mich noch einmal bei der jungen Wissenschaftlerin. „So kann diese Manipulation nur von innen vorgenommen worden sein.“

„Vollkommen richtig“, bestätigte sie.

Wenig später erreichten wir einen Laborraum, dessen Tür erkennbar beschädigt worden war. Offenbar war die Tür mit einem Tritt geöffnet worden. Weitergehende Sicherheitsmaßnahmen – abgesehen von ganz gewöhnlichen elektronischen Schlössern – schien es im inneren Sicherheitsbereich nicht mehr zu geben.

Warum auch?, überlegte ich. Schließlich gab es eigentlich genug Barrieren, die verhinderten, dass sich ein Unbefugter Zutritt zu den streng geheimen Labors des aufstrebenden Biokonzerns verschaffte.

Aber genau das war hier geschehen.

Und dass mit einer generalstabsmäßigen Planung, die ihresgleichen suchte. Der Täter hatte zunächst die Außenbarriere des Geländes überwinden oder an den Wachen am Haupteingang vorbei müssen. Dann gab es das elektronische Schloss mit ID-Kontrolle und einem elektronischen Schloss, das mit einer Chipkarte geöffnet werden konnte.

Anschließend kamen noch mehrere solcher Schlösser, bevor der Täter die Sicherheitsbarriere des Quarantäne-Sektors sowie die Tür zum eigentlichen Labor mit der Bezeichnung 5c, überwand.

„Der Kerl hat also eine gültige Chip Card besessen“, stellte ich fest. „Wie konnte er denn an so ein Ding herankommen?“

„Auch da muss ihm jemand geholfen haben“, meinte Dr. Johnston.

In Labor 5c herrschte penible, sehr sterile Ordnung. Eigentlich hatte ich nach einem Einbruch etwas anderes erwartet. Aber der Täter schien ganz genau gewusst zu haben, was er wollte.

Mehrere SRD-Kollegen waren inzwischen im Einsatz und machten mit den Laborassistenten eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Präparate.

Die Rechner waren hochgefahren worden.

„Das ist Professor Dr. Lew Davis, der wissenschaftliche Leiter der Entwicklungsabteilung von General Biotech“, stellte uns Tessa Johnston einen Mann vor, dessen Kopf vollkommen haarlos war. Sein Alter war schwer zu schätzen. Ich nahm an, dass er Ende fünfzig war.

„Jesse Trevellian, FBI“, stellte ich mich vor. „Dies ist mein Kollege Milo Tucker.“

Lew Davis blickte kurz in Bronsteins Richtung. Dann meinte er: „Jetzt sagen Sie nicht, dass ich den beiden G-men alles noch einmal erzählen muss, Captain!“

„Ich denke, wir werden nicht einmal die letzten sein, denen gegenüber Sie alles noch mal haarklein wiederholen müssen“, erwiderte ich kühl, noch bevor Bronstein etwas hatte sagen können.

Lew Davis schluckte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, was seiner Körperhaltung einen abweisenden Ausdruck verlieh. Er schien zu überlegen. Schließlich machte er eine wegwerfende Handbewegung. „Wahrscheinlich haben Sie sogar Recht, Agent Trevellian“, musste der Chefentwickler des General Biotech Konzerns zugeben. Versicherungen und die Presse würden sich vermutlich gleich nach uns der Sache annehmen, später folgten dann unweigerlich Staatsanwaltschaft und das Gericht.

Davis sah mich einige Augenblicke lang nachdenklich an, ehe er schließlich sagte: „Der Einbrecher hat zunächst einmal einen hochsensiblen Datensatz kopiert und auf einen Datenträger gezogen. Das geht aus den Protokolldaten hervor.“

„Ich nehme an, Sie benutzen Passwörter und dergleichen Sicherungen“, erwiderte ich.

Die sehr hellen und daher kaum sichtbaren Augenbrauen des Wissenschaftlers zogen sich zusammen. Er schien allein schon meine Frage als Beleidigung zu empfinden.

„Selbstverständlich!“, sagte er ziemlich pikiert. „Aber dieser ungebetene Gast hat es trotzdem geschafft.“

„Dann nennen Sie mir bitte alle Personen, denen die Zugangscodes zu diesem Rechner bekannt sind.“

„Das beschränkt sich auf die Mitglieder unseres wissenschaftlichen Teams – meine Person und die von Dr. Johnston eingeschlossen. Dazu kämen noch der Systemadministrator unseres internen Datennetzes und seine Mitarbeiter. Insgesamt etwa 25 Personen. Ich werde in der Personalabteilung Bescheid sagen, dass man Ihnen eine Liste anfertigen soll.“

„Wissen Sie inzwischen, ob auch Präparate entwendet wurden?“, fragte Milo Tucker.

Professor Davis’ Gesicht wurde sehr ernst. Er nickte stumm und schluckte. „Ja. Der Täter hat genug RCH-432 entwendet, um damit eine Katastrophe auszulösen.“

„Was ist RCH-432?“, hakte ich nach.

Ein Tumult entstand draußen auf dem Flur.

Ein Mann ohne den vorgeschriebenen Schutzanzug ließ die Labortür zur Seite fliegen und trat zusammen mit zwei Begleitern in dunklen Anzügen ein. Er war groß, hager, hatte eine hohe Stirn und einen Knebelbart. Sein Gesicht war V-förmig, die Augen eisgrau. Er hielt einen Ausweis wie ein Bannschild vor sich. „Scott Graham, National Security Agency! Wir übernehmen jetzt!“

„Trevellian, FBI“, sagte ich.

„Danke für Ihre Mithilfe, Agent Trevellian, Sie können jetzt gehen.“

„So einfach geht das nicht“, erwiderte ich. „Mein Kollege Agent Tucker und ich haben den Auftrag, hier Ermittlungen durchzuführen und solange ich vom Chef des Field Office New York keine gegenteilige Anweisung bekomme, gilt für mich das, was Assistant Director Jonathan D. McKee sagt.“

Scott Graham trat nahe an mich heran.

Wir waren etwa gleich groß.

Der Blick seiner eisgrauen Augen bohrte sich förmlich in die meinen. Er verzog das Gesicht. Ein Lächeln konnte man das nicht nennen. Es erinnerte eher an das Zähneblecken eines Raubtiers. „Dieser Fall berührt die nationale Sicherheit und fällt daher in unser Ressort.“

„Wenn ich das richtig sehe, sind Sie mir gegenüber keineswegs weisungsberechtigt!“, erwiderte ich kühl. „Und jetzt hindern Sie mich bitte nicht daran, meine Arbeit zu tun und ein Verbrechen aufzuklären.“

„Hier gibt es nichts zu klären, Agent Trevellian. Jedenfalls nicht für Sie!“

„Wenden Sie sich an Mister McKee, den Chef unseres Field Office an der Federal Plaza. Sollte von ihm die Anweisung kommen, dass wir dir Sache abgeben, bin ich schneller weg, als Sie glauben. Aber bis dahin werde ich meinen Job machen und sollte dieser Job eine Anzeige gegen einen Regierungsbeamten wegen Behinderung der Justiz beinhalten, so sollten Sie sich darüber später nicht wundern, Agent Graham!“ Ich wandte mich an Professor Davis. „Sie wollten mir gerade erklären, was RCH-432 ist.“

„Das ist eine interne Bezeichnung für…“

„Stopp!“, fuhr Graham dazwischen. „Sie Sind Professor Dr. Lew Davis?“

„Ja.“

Er hielt ihm seinen NSA-Ausweis unter die Nase.

„Dann sehen Sie sich diesen Ausweis gut an. Ihre Firma arbeitet im Regierungsauftrag an Abwehrpräparaten und Impfstoffen gegen biologische Kampfmittel…“

„Das ist korrekt, aber…“

„Sämtliche Informationen darüber, was hier hergestellt wurde und woran im Einzelnen geforscht wird, unterliegen den Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Nationalen Sicherheit und den damit verbundenen Geheimhaltungsrichtlinien. Alle Mitarbeiter, die an diesem Projekt teilgenommen haben, sind über diese Bestimmungen aufgeklärt worden und haben sich mit ihrer Unterschrift verpflichtet, sie auch einzuhalten. Das gilt auch für Sie, Professor Davis. Ein unbedachtes Wort und Sie haben einen Prozess am Hals, der Sie nie wieder froh werden lässt!“

Davis wandte sich an mich.

„Es tut mir Leid, Agent Trevellian, aber…“

„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Graham“, mischte sich Milo ein. „Da läuft ein Kerl mit einem hochgefährlichen Präparat herum und die ermittelnde Polizeibehörde bekommt noch nicht einmal die nötigen Informationen darüber, um die Gefahren abwenden zu können!“

„Wir werden schon die richtigen Schritte veranlassen“, versprach Graham.

„Aber noch ist das unser Tatort!“, wies ich ihn zurecht. „Sorgen Sie für eine rechtliche Klärung, dann sehen wir weiter! Und jetzt möchte ich wissen, was RCH-432 ist!“

„Ich werde keine Aussage dazu machen, Agent Trevellian, bis ein Justiziar von General Biotech anwesend ist“, erklärte Davis. Er drehte sich herum, wandte sich den anderen anwesenden Mitarbeitern zu. „Ich werde jedem von Ihnen raten, dasselbe zu tun! Schließlich hat Agent Graham recht, wir haben alle eine Erklärung unterzeichnet, die uns zu striktester Geheimhaltung verpflichtet.“

Scott Graham grinste schief. „Viel Spaß bei der Arbeit, Agent Trevellian! Ich werde mich jetzt darum kümmern, dass man Ihnen im Bundesgebäude einen besonders warmen Empfang bereitet und Sie wahrscheinlich nie wieder auf irgendeiner Beförderungsliste stehen!“

„Überschätzen Sie sich nicht!“, erwiderte ich.

„Ach – noch etwas, Trevellian!“

Ich habe Ihre Erklärung nicht unterschrieben, Graham! – falls Sie darauf hinauswollen! Und was die nationale Sicherheit angeht, würde ich niemals etwas tun, was diese gefährdet.“

Graham verzog das Gesicht.

„Absichtlich vielleicht nicht, aber wenn Sie wüssten, welche Gefahren schon durch gutmütige Trottel verursacht wurden… Wie auch immer, was ich Ihnen noch zu Ihrer Beruhigung sagen wollte, ist Folgendes: Ich weiß sehr genau, was RCH-432 ist und bin auch in der Lage diese Gefahr einzuschätzen. Wir bekommen die Sache in den Griff, seien Sie sich dessen gewiss! Falls wir dabei Ihre Hilfe brauchen, werden wir euch G-men schon verständigen!“ Er machte eine ausholende Geste. „Wenn hier irgendeiner Ihrer Leute was am Tatort vermasselt, dann sind Sie und Ihre Vorgesetzten dran, das kann ich Ihnen flüstern.“

Damit wandte sich Graham um. Er machte seinen Begleitern ein Zeichen, woraufhin sie ihm folgten. Lautstark fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

„Sieht nach Ärger aus, Jesse!“, meinte Milo. „Was bildet dieser Kerl sich eigentlich ein?“

Wahrscheinlich war Graham uns bereits ein paar Schritte voraus und glaubte wohl auch deshalb, uns wie dumme Jungs behandeln und dementsprechend abkanzeln zu können.

„Ich werde mit Mister McKee sprechen“, kündigte ich an. Ich griff zum Handy. Wenige Augenblicke später hatte ich unseren Chef am Telefon.

„Was gibt es Jesse?“

In knappen Worten schilderte ich Mister McKee die Begegnung mit Graham.

„Machen Sie weiter wie bisher“, sagte unser Chef. „Das nehme ich notfalls auf meine Kappe. Es geht schließlich nicht an, dass die Bekämpfung des Verbrechens durch Kompetenzstreitigkeiten behindert wird.“

„Ganz meine Meinung, Sir.“

„Ein Dutzend unserer Agenten sind auf dem Weg zu Ihnen, um Sie zu unterstützen“, kündigte unser Chef dann an.

„Unterstützung haben wir hier dringend nötig – und das nicht nur wegen den Knüppel, die uns Agent Graham zwischen die Beine wirft, sondern auch deshalb, weil hier wahrscheinlich mehrere Dutzend Mitarbeiter von General Biotech sowie dem Sicherheitsdienst SAFETY FIRST befragen müssen.“

„Zwei Spezialisten in Sachen Biowaffen sind bei der FBI-Zentrale in Washington angefragt. Gegen 11 Uhr steigen die am JFK Airport aus dem Flieger und sind dann entsprechend später bei Ihnen, Jesse.“

„Gut. Aber vielleicht wissen wir ja bis dahin auch ohne diese Spezialisten schon etwas mehr.“

„Ich werde mich inzwischen ganz offiziell mit den Kollegen der NSA in Verbindung setzen, um die bestehenden Kompetenzprobleme zu lösen! Bis später, Jesse!“

„Ja, Sir.“

Abgebrühte Mörderkunst: 6 Strand Krimis

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