Читать книгу Abgebrühte Mörderkunst: 6 Strand Krimis - Cedric Balmore - Страница 22
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ОглавлениеEine halbe Stunde später tauchten wir im Bistro ‚Savoir Vivre’ auf. Es lag in einer Traumetage in der Fifth Avenue und war einem original-französischen Bistro nachempfunden. Der Unterschied war nur, dass man statt einer Aussicht auf die Seine oder Montmartre einen freien Blick auf den Central Park hatte. Im Augenblick hing allerdings eine Glocke aus grauem Dunst über der grünen Lunge New Yorks.
Tessa Johnston fanden wir gedankenverloren an einem der Tische. Als sie uns bemerkte, spielte ein spöttisches Lächeln um ihre vollen Lippen. „Sie beide treten wohl immer als Zwillingspaar auf, - oder wie soll ich das verstehen?“
„Sie wollten über die entwendeten Krankheitserreger sprechen“, kam ich auf den Punkt.
„Ich bin mir jetzt schon nicht mehr sicher, ob ich wirklich das Richtige tue.“
Wir setzten uns zu ihr.
Sie nippte an ihrem Milchkaffee.
Dann schluckte sie, sah mich mit ihren dunklen Augen an und beugte sich etwas vor. Ihre Stimme klang gedämpft. „Was ich Ihnen jetzt sage, werde ich nicht wiederholen. Weder vor Gericht noch sonst wo. Und wenn Sie sich auf ich berufen, werde ich abstreiten, Sie überhaupt zu kennen, Jesse!“
„Worum geht es?“
„Wenn ich mit Ihnen darüber spreche, verstoße ich gegen die Verpflichtung zur Geheimhaltung, die ich unterschrieben habe. Ich hoffe, Sie wissen das zu schätzen!“
„Was ist mit diesen Erregern, das niemand wissen darf? Ist es denn nicht schon pervers genug, diese Erreger so zu verändern, dass sie mehr Menschenleben fordern als ohnehin schon?“
„Ich gebe zu, dass das Wort pervers in diesem Zusammenhang passt. Aber es ist durchaus noch eine Steigerung denkbar.“
„So?“
„Es trifft alles auf diesen Erreger zu, wovon Sie gesprochen haben. Er wurde so verändert, dass er sich als perfekte Massenvernichtungswaffe eignet. Aber das Perverseste an RCH-543 ist, dass er nur Schwarze tötet.“
Sie verfolgte genau meine Reaktion.
„Habe ich das richtig verstanden?“, vergewisserte ich mich. „Ein Krankheitserreger, der nur Schwarze befällt?“
„Ja. Es wird seit langem an verschiedenen Orten auf der Welt daran gearbeitet, Biowaffen zu entwickeln, die ihre Opfer nach bestimmten genetischen Merkmalen auswählen. Normalerweise ist das Hauptproblem bei der Anwendung von Biowaffen, dass sie vollkommen blindwütig zuschlagen. Man konnte eine Epidemie bislang nicht derart kontrollieren, dass sie nur die Bevölkerung des Feindes trifft und die eigenen Leute verschont.“
„Aber genau danach klingt das doch, was Sie uns gerade gesagt haben“, stellte ich fest.
Tessa Johnston nickte. „Vollkommen richtig. Die Gentechnik macht es nun prinzipiell möglich, einen Erreger so zu verändern, dass er nur beim Vorhandensein bestimmter genetischer Merkmale ausbricht. Für ein Land, das eine so heterogene Bevölkerung wie die USA hat, macht die Entwicklung solcher Waffen natürlich kaum Sinn – es sei den zum Zweck der Gewinnung von Impfstoffen… Aber in Nordkorea zum Beispiel ist die Situation ganz anders.“
„Erzählen Sie weiter“, forderte ich sie auf, als sie plötzlich abbrach.
„Ich habe Ihnen schon viel zu viel gesagt. Wie gesagt, ich wiederhole nichts. Vor keinem Gericht der Welt.“
„Weil dann Ihre Karriere bei General Biotech oder einem anderen Unternehmen, das für die Regierung so riskante Forschungen durchführt, sofort beendet wäre?“, mischte sich Milo mit einem ziemlich schneidenden Unterton ein.
Tessa Johnston blieb vollkommen ruhig.
Ihr Lächeln wirkte geschäftsmäßig.
„Sie verstehen gar nichts, G-man“, flüsterte sie. „Wissen Sie, was mich bei meiner Arbeit vorantreibt? Ich möchte dazu beitragen, dass derartige Gefahren abgewendet werden können. Das motiviert mich – nicht die Karriere!“ Sie erhob sich. „Wie gesagt, ich habe schon zuviel gesagt. Machen Sie mit den Informationen, die ich Ihnen gegeben habe, was Sie wollen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Ihre Kollegen, die versuchen aus den beschlagnahmten Rechnern eine Bestätigung für meine Aussagen zu bekommen, indem Sie Daten rekonstruieren, sich darauf einstellen sollen, dass es noch ganze Weile dauern kann, bis Sie feststellen, dass ich die Wahrheit gesagt habe!“
„Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, die von dem Behälter ausgeht?“, fragte ich und wollte sie damit gleichzeitig zum Bleiben bewegen. Schließlich gab es noch so vieles, was ich sie hätte fragen wollen.
Ihr Lächeln wirkte sehr müde.
Fast verzweifelt.
„Das Zeug ist in eine Speziallösung in einem CX-Behälter. Solange es da drin bleibt, ist es so sicher wie sonst nirgendwo.“ Ihre Brust hob und senkte sich, während sie sprach. „Welche Gefahr von dem Zeug ausgeht, hängt davon ab, wer es in die Hände bekommt.“
Ich wollte sie am Arm halten, aber sie riss sich los und ging energischen Schrittes davon. So energisch, dass dieser Vorfall die Aufmerksamkeit des Kellners auf sich zog.
Milo deutete auf ihren halbvollen Café au lait.
„Dr. Johnston scheint davon auszugehen, dass ihre Rechnung auf das Spesenkonto des FBI gebucht wird!“, meinte er.
Ich sah ihr nach.
Leider hatten wir nicht die geringste Handhabe um sie festzunehmen und zur Aussage zu zwingen.