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2.2 Detailliert hinweisende Symbolnotationen

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Die detaillierten hinweisenden Symbolnotationen haben zumeist den Vorteil, dass sie musikalische Zusammenhänge bezeichnen, die in gewisser Weise von einzelnen Texten ablösbar erscheinen und so gesehen textunabhängig betrachtet werden können. Dem stehen allerdings die einschränkenden Beobachtungen gegenüber, dass häufig unklar ist, ob die mit ihrer Hilfe bezeichneten musikalischen Verläufe überhaupt jemals zum Vortrag gebracht wurden und unter welchen Umständen dies geschah. Vielfach handelt es sich um zu bestimmten Zwecken konstruierte Idealkonstellationen. Gewisse Klangfolgen wurden bereits in der Antike in einigen Fällen schriftlich festgehalten. Dabei wurde auf Schriftzeichen zurückgegriffen, die bereits bekannt waren: die Buchstaben des Alphabets, die mitunter umgestellt und verändert wurden. Sie konnten gut für einzelne Töne stehen, wie sie sich beispielsweise beim Anzupfen der Saiten eines Saiteninstruments ergeben. Beim Musikvortrag treten solche Einzeltöne nicht notwendig hervor. Dort können auch die Verbindungen mehrerer Töne oder Klangereignisse, Geräusche oder Übergänge sowie die Bandbreite von Artikulationen der menschlichen Stimme bestimmend sein. Diese Elemente werden oftmals nicht angemessen mit Buchstaben bezeichnet, die mit dem begrenzten Inventar des Alphabets von vielleicht zwei Dutzend Lettern einhergehen. Das ist anders, wenn auf abstrakte Grundlagen des Musikvortrags eingegangen wird wie Intervallproportionen und modellhafte Tonleitern oder Skalen. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass die antiken Buchstabennotationen im Mittelalter in den Theorietraktaten aufgegriffen wurden. Dort waren sie geeignet, beispielsweise die exakte Lage von Tönen zueinander zu bezeichnen und dabei gleichzeitig auf die Tradition antiker Musiktheorie einzugehen.

Im früheren Mittelalter wurde eine von Buchstabensymbolen ausgehende Tonschrift entwickelt, die auf ganz ähnliche Weise gewisse melodische Zusammenhänge eindeutig angeben konnte: die sogenannte Dasia-Notation. Sie wurde wie die aus der Antike aufgenommenen Buchstabennotationen hauptsächlich in musiktheoretischen Darstellungen gebraucht und basiert auf regelmäßig wiederkehrenden Halbtonschritten in einem Umfeld aus Ganztonabständen. Die damit vielerorts verdeutlichten Tonfolgen gingen mit neuartigen Tonordnungen einher, wie sie aus der Antike nicht bekannt waren. An manchen Stellen ergeben sich aus den Dasia-Zeichen detaillierte Hinweise auf den Gesangsvortrag. Man kann nämlich davon ausgehen, dass einige der notierten Verläufe nicht auf Theoriedarstellungen beschränkt waren. Sie sind in Quellen enthalten, die zwar nicht für den praktischen Gebrauch im Vortragskontext etwa von Gottesdienstfeiern vorgesehen waren, Erfahrungen damit aber in verschiedener Form aufgenommen haben.

Tonbuchstaben oder Dasia-Zeichen sind genau abzählbar. Je nachdem, wie viele von ihnen pro Textsilbe notiert sind, kann man die Anzahl der Töne und der Silben miteinander vergleichen. Dabei gibt es Grundkonstellationen, für die man eigene Begriffe verwendet: Syllabisch wird eine Setzweise genannt, bei der ein Ton pro Textsilbe vorgesehen ist. Melismatisch gesetzt ist eine Melodie, bei der viele Töne auf einer Silbe zu liegen kommen. Nicht ganz so eindeutig sind die Begriffe für Situationen, in der wenige Töne pro Textsilbe stehen. Hier spricht man häufig von einer neumatischen, mitunter auch von einer oligotonischen (aus dem Griechischen herrührend für: wenige Töne umfassend) Setzweise.

Tonbuchstaben oder Dasia-Notationen scheinen in melismatischen Situationen besonders unanschaulich zu sein, denn hier sollten vielleicht besser Merkmale des Melodieverlaufs verdeutlicht sein, die nicht auf der Abzählbarkeit von Einzelelementen beruhen und stattdessen etwa auf die Verbindungen zwischen Tönen hinweisen. Eine andere Notationsweise ist hierin viel anschaulicher: jene in Neumen.

Die Musik des Mittelalters

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