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1.2 Anliegen und Themen der musikwissenschaftlichen Mittelalterstudien im Wandel

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In den Gottesdienstfeiern der christlichen Kirchen ist die Musik aus dem Mittelalter über Jahrhunderte hinweg zugleich fremd geworden und präsent geblieben. Zu praktischen Zwecken sind die Gesänge für die liturgischen Anlässe immer wieder überprüft und erneuert worden. Dabei wurde auch mit historischen Interessen vorgegangen. Erfahrungen mit der zur jeweiligen Zeit neu entstandenen Musik sind allenthalben eingebracht worden. Nicht selten ist die letztere von den Traditionen des Mittelalters und der Antike ausgehend verständlich gemacht worden, so dass man geradezu von einem Austausch zwischen der jeweiligen Gegenwart und der Vergangenheit ausgehen kann.

Geschichtsschreibung

Eine Geschichtsschreibung im modernen Sinn, die sich auf Erkenntnisse aus diversen, wissenschaftlich auf je eigene Weise erschlossenen Bereichen stützen kann, hat erst recht spät eingesetzt. Die paläographische (schriftkundliche) Erschließung der notierten (d.h. mit Musiknotation versehenen) Quellen sowie das Entwickeln von Vergleichs- und Analysekriterien wurde in einer Zeit entscheidend vorangebracht, als auch im Konzertsaal nicht nur die eben erst komponierte, sondern auch die Musik der vergangenen Generationen bedeutender wurde, als man die Werke Bachs, Händels, Mozarts, Haydns und Beethovens sowie anderer Komponisten auch länger nach ihrem Tod noch spielte. Allmählich ergab sich eine große Vielfalt von Interessen und Vorgehensweisen, die auch die Auseinandersetzung mit dem Mittelalter prägte. Auf gewisse Autoren wie Guillaume Dufay (um 1400–1474), Guillaume de Machaut (um 1300–1377), Leonin (etwa 1135–1201) und Perotin (wahrscheinlich um 1200) wurde immer mehr so geblickt wie auf die Komponisten späterer Zeiten. Ihr Leben und Werk wurde allmählich besser erschlossen. Daneben trachtete die Musikgeschichtsschreibung vielfach danach, die Zusammenhänge nach Kriterien der ab dem 19. Jahrhundert verstärkt entstandenen Nationalstaaten oder regional- und lokalpolitischen Interessen zu erwägen. Mit der Musik des Mittelalters setzten sich vielfach kirchlich unterstützte Kreise von Forschenden oder Ordensangehörige auseinander. Sie waren nicht zuletzt daran interessiert, diese Musik nicht nur für den Konzertsaal, sondern auch für die liturgische Praxis wiederzugewinnen und dabei auch abweichend von den bestehenden Traditionen auf einen früheren und möglichst authentischen Zustand zurückzukommen. Daneben waren Fragen der Musik auf anderen Gebieten immer wieder aufgegriffen worden. Gerade im Umfeld altphilologischer Studien hat man sich wiederholt mit der Musik in der Antike auseinandergesetzt, denn sie kennzeichnete das Lebensumfeld der damaligen Menschen und ist auf verschiedenste Weise in die von ihnen hinterlassenen Texte eingegangen.

Die Musik des Mittelalters

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