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I.Zuständigkeit und Bezeichnung des Gerichts, § 253 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. ZPO 1.Begriff der Zuständigkeit

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38Der Rechtsanwalt hat als Erstes zu prüfen, an welches Gericht er die Klage zu richten hat – d. h. welches Gericht zuständig ist. Der Richter wird als erstes prüfen, ob er zuständig ist.

39a) Arten der Zuständigkeit. – aa) Sachliche Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit bestimmt, welches von mehreren möglichen Eingangsgerichten (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht) zur Entscheidung berufen ist. § 1 ZPO verweist dabei auf die Vorschriften des GVG; in den §§ 2 ff. ZPO ist bestimmt, wie der Gegenstandswert zu bemessen ist, wenn es auf den Streitwert ankommt. Ist das Gericht sachlich unzuständig, kann sich der Beklagte rügelos einlassen, § 39 ZPO, dadurch wird das zunächst unzuständige Gericht zuständig. Lässt sich der Beklagte nicht rügelos ein, kann der Kläger einen Antrag auf Verweisung an das zuständige Gericht stellen; erst wenn er dies nicht macht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

40bb) Örtliche Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit – das Gesetz spricht von Gerichtsstand – regelt, an welchem Ort das zuständige Eingangsgericht liegt. Viele Gerichtsstände sind in den §§ 12 ff. ZPO geregelt, aber auch sonst in der ZPO finden sich Zuständigkeitsregeln, etwa in § 771 Abs. 1 ZPO – Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfindet; § 767 Abs. 2 ZPO – Gericht des ersten Rechtszuges. Außerhalb der ZPO regeln etwa die §§ 61, 75 GmbHG, § 246 Abs. 3 AktG die örtliche Zuständigkeit – Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. Die Folgen der Unzuständigkeit sind wie bei der sachlichen Zuständigkeit: Rügelose Einlassung, Antrag auf Verweisung, Abweisung der Klage.

41cc) Funktionelle Zuständigkeit. Die funktionelle Zuständigkeit bestimmt, welches Rechtspflegeorgan diese konkrete Funktion ausübt, d. h. welches Justizorgan im konkreten Fall zuständig ist. So stellt sich häufig die Frage: Richter oder Rechtspfleger? Der Rechtspfleger ist etwa zuständig in Nachlasssachen, Mahnverfahren, Zwangsvollstreckungssachen, Kostenfestsetzung, vgl. §§ 3, 14 ff., 20 ff. RPflG. Die funktionelle Zuständigkeit betrifft auch die Fragen: Welches Instanzgericht ist zuständig? Beauftragter oder ersuchter Richter, §§ 361, 362 ZPO? Einzelrichter oder Kammer, §§ 348 ff. ZPO? Während bei der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit die Parteien meist noch ein Wahlrecht haben, zu welchem Gericht sie gehen, vgl. § 35 ZPO, ist die funktionelle Zuständigkeit stets ausschließlich. Die Parteien können nicht bestimmen, in welcher Instanz sie prozessieren wollen oder dass diesen Fall nicht der Richter, sondern der Rechtspfleger entscheiden soll. Ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit hat unterschiedliche Folgen; in manchen Fällen ist der gesetzliche Richter nicht eingehalten; anders etwa § 8 RPflG, danach ist das Geschäft wirksam – und damit ist die funktionelle Unzuständigkeit folgenlos –, wenn der Richter statt des Rechtspflegers gehandelt hat.

42dd) Geschäftsverteilung. Keine Frage der Zuständigkeit in diesem Sinne ist die Frage, welcher Richter denn für das zuständige Gericht zu entscheiden hat. Dies ist eine Frage der Geschäftsverteilung, die sich nach dem Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Gerichts richtet. Dieser wird nach § 21e GVG vom Präsidium des jeweiligen Gerichts beschlossen. Ein Verstoß gegen den Geschäftsverteilungsplan führt nicht zur Klageabweisung als unzulässig, es ist eine Frage des gesetzlichen Richters. Ein Verstoß führt zu einem absoluten Revisionsgrund, § 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, und zur Möglichkeit der Nichtigkeitsklage, § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Letztendlich dürfte auch die Frage der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen, §§ 93 ff. GVG, eine Frage der gesetzlich geregelten Geschäftsverteilung sein; § 71 Abs. 1 GVG weist die Streitsachen den Zivilkammern einschließlich den Kammern für Handelssachen zu. Zu diesen Kammern kommt man nur auf Antrag, §§ 96, 98 GVG, wenn eine Handelssache vorliegt, § 95 ZPO. Beachte: Der Rechtsanwalt hat bereits in der Klageschrift den Antrag zu stellen, dass die Sache vor der Handelskammer verhandelt wird, § 96 Abs. 1 GVG; später kann dies nur noch der Beklagte unter den Voraussetzungen des § 98 Abs. 1 GVG beantragen.

43b) Ausschließliche Zuständigkeit. Bei den Zuständigkeiten unterscheidet das Gesetz zwischen ausschließlichen Zuständigkeiten und Gerichtsständen mit Wahlmöglichkeiten. Ist eine Zuständigkeit als „ausschließlich“ bezeichnet, bedeutet dies zwingend, dass nur dieses Gericht für den Rechtsstreit zuständig ist; es gibt keine Parteivereinbarung darüber, § 38 ZPO, und auch keine rügelose Einlassung, § 39 ZPO. So sind alle Gerichtsstände in der Zwangsvollstreckung ausschließlich, § 802 ZPO. Auch die Zuständigkeit für Wohnraummiete in § 23 Nr. 2a GVG (für WEG § 23 Nr. 2c GVG) und die Zuständigkeiten des Landgerichts in § 71 Abs. 2 GVG sind ausschließlich. Teilweise regelt die ausschließliche Zuständigkeit die örtliche und die sachliche Zuständigkeit, etwa in § 767 Abs. 1 ZPO – Gericht des ersten Rechtszuges. In der Regel ist die örtliche oder die sachliche Zuständigkeit ausschließlich; etwa §§ 23 Nr. 2 a), 71 Abs. 2 GVG (sachlich), § 29a ZPO die örtliche ausschließliche Zuständigkeit für Mietsachen oder § 24 ZPO der ausschließliche dingliche Gerichtsstand.

44c) Wahlgerichtsstand. Ist die Zuständigkeit nicht ausschließlich, hat der Kläger bei mehreren in Betracht kommenden Gerichtsständen die freie Wahl, welches Gericht er auswählt, § 35 ZPO. Unter den strengen Voraussetzungen der §§ 38, 40 ZPO können auch Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden. Beachte: Mit der Angabe des Gerichts nach § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO im Mahnantrag hat der Kläger sein Wahlrecht ausgeübt. Er kann, wenn das Gericht zuständig ist, kein anderes Gericht mehr wählen. Eine Ausnahme gilt, § 696 Abs. 1 S. 1 a. E. ZPO, bei „übereinstimmendem Antrag der Parteien“. Das Gericht ist durch die Abgabe in seiner Zuständigkeit nicht gebunden, § 696 Abs. 5 ZPO. Ähnliches gilt für die Wahl zur Kammer für Handelssachen, § 96 Abs. 1 GVG.

45d) Zuständigkeitsbestimmung. Unter besonderen Umständen muss ein höheres Gericht eine Gerichtsstandsbestimmung treffen, § 36 ZPO. Etwa wenn mehrere Personen ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten haben, als Streitgenossen aber im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen, § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

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