Читать книгу Grundwissen Zivilrecht im Assessorexamen - Christian Kaiser - Страница 17
4.Folgen der Unzuständigkeit
Оглавление63a) Unzuständigkeit des Gerichts. Ist das Gericht unzuständig, liegt eine Sachurteilsvoraussetzung nicht vor und die Klage muss als unzulässig abgewiesen werden. Der Kläger kann die Abweisung aber vermeiden, wenn er einen Antrag auf Verweisung an das zuständige Gericht stellt, § 281 ZPO (oder sich der Beklagte wenn kein ausschließlicher Gerichtsstand besteht – rügelos einlässt, § 39 ZPO). Der Antrag kann auch zu Protokoll des Urkundsbeamten erklärt werden, §§ 281 Abs. 2, 129a, 78 Abs. 3 ZPO (also auch ohne Anwalt). Auch ein hilfsweiser Verweisungsantrag für den Fall, dass das Gericht sich für unzuständig halten sollte, ist möglich. Für die Verweisung von der Zivilkammer des Landgerichts an die Kammer für Handelssachen oder umgekehrt bestehen Sonderregeln in §§ 95 ff. GVG. Keine Verweisung nach § 281 ZPO sind die Verweisungen zwischen Gerichten verschiedener Gerichtsbarkeiten, die in § 17a GVG eine einheitliche Regelung erfahren haben. Auch die formlose Abgabe ist keine Verweisung, etwa die Abgabe an einen anderen Spruchkörper des Gerichts oder die Abgaben nach §§ 696 Abs. 1 S. 1, 700 Abs. 3 S. 2 ZPO (Mahnverfahren).
64b) Antrag. Die Verweisung geschieht nur auf Antrag. Dieser muss die Bezeichnung des zuständigen Gerichts, an das verwiesen werden soll, enthalten. Es kann nicht dem Verweisungsgericht überlassen werden, das unter mehreren Gerichten zuständige Empfangsgericht zu bestimmen. Diese Wahl obliegt dem Kläger, § 281 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Der Richter kann auch nicht einfach die Klage als unzulässig abweisen, er muss die Parteien vorher auf die Unzuständigkeit hinweisen, § 139 ZPO. Verweist er ohne Hinweis, ist die Verweisung nicht bindend, wegen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör.
65c) Entscheidung durch Beschluss. Stellt der Kläger Verweisungsantrag, wird der Rechtsstreit durch Beschluss verwiesen, § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, § 128 Abs. 4 ZPO. Es kann über die Frage der Zuständigkeit auch abgesondert verhandeln und ggf. durch Zwischenurteil entschieden werden, § 280 ZPO.
Das Gericht muss vor der Verweisung die Gewährung rechtlichen Gehörs beachten (BVerfG NJW 1982, 2367). Die Verweisung ist unwiderruflich, bindend und unanfechtbar. Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist auch der fehlerhafte Verweisungsbeschluss bindend. Ausnahme: Die Verweisung bindet nicht, wenn rechtliches Gehör verletzt wurde oder die Verweisung willkürlich war (BGH NJW 1980, 290). Die Bindungswirkung geht aber nicht über den Verweisungsgrund hinaus, d. h. sie betrifft nur die Zuständigkeitsfragen, die das verweisende Gericht berücksichtigt hat (BGH NJW-RR 1998, 1219). Bei Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit kann deshalb z. B. hinsichtlich der sachlichen Unzuständigkeit noch weiterverwiesen werden (BGH NJW 1978, 887). Die Verweisung des PKH-Verfahrens entfaltet mangels Rechtshängigkeit keine Bindungswirkung für das anschließende Hauptsacheverfahren (BGH NJW-RR 1992, 59).
Klausurproblem: K klagt gegen B, beide wohnhaft in Leipzig, auf Lieferung aus einem Kaufvertrag. Die Klage geht beim Landgericht Leipzig ein und wird von diesem zugestellt. Nach Eingang, aber vor der Zustellung (sonst § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) verzieht der Beklagte von Leipzig nach Stuttgart. Eine Verweisung nach Stuttgart wegen Wohnsitzwechsel wäre ein rechtswidriger Verweisungsbeschluss, da die Zuständigkeit des Erfüllungsortes, §§ 29 ZPO, 269 BGB, in Leipzig liegt, und das Landgericht Leipzig deshalb zuständig ist. Verweisen kann nur ein unzuständiges Gericht. Die Verweisung wäre dennoch bindend, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO; eine Ausnahme greift nicht.
66Voraussetzung einer Verweisung ist stets, dass das verweisende Gericht selbst unzuständig ist. Es hat die eigene Unzuständigkeit im Verweisungsbeschluss auszusprechen, § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ebenso ist das zuständige Empfangsgericht im Verweisungsbeschluss bestimmt zu bezeichnen. Unzulässig ist eine Verweisung an ein ausländisches Gericht (auch EuGH), weil die deutsche Hoheitsgewalt an der Staatsgrenze endet. Der Verweisungsbeschluss ist kurz zu begründen. Er wird erst durch Mitteilung an beide Parteien wirksam (BGH MDR 1995, 739). Mit Eingang der Akten beim aufnehmenden Gericht endet die Anhängigkeit der Rechtssache beim verweisenden Gericht, es wird diejenige beim Empfangsgericht begründet, § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Die Einheit des Verfahrens bleibt gewahrt: Bisherige Prozesshandlungen, PKH-Bewilligung und Einzelrichterübertragung wirken ebenso fort wie ergangene – ggf. anfechtbare – Sachentscheidungen (BGH NJW-RR 1992, 1091). Gesetzte Fristen laufen weiter. Auch die Rechtshängigkeit wird durch Verweisung nicht unterbrochen.
Der Verweisungsbeschluss enthält keine Kostenentscheidung. Das Empfangsgericht hat in seiner Endentscheidung (Urteil) jedoch zwingend die (Mehr-) Kosten der Verweisung dem Kläger aufzuerlegen, § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO, auch wenn der Beschluss falsch war. Hierbei handelt es sich um einen Kostentrennungstatbestand.
Klausurproblem: Die Kosten nach einer Verweisung des Rechtsstreits können im Urteil gesondert ausgewiesen werden, es ist keine Quote zu bilden. Etwa: Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind, diese trägt der Kläger, §§ 91, 281 Abs. 3 ZPO. Für den Verweisungsbeschluss entstehen keine besonderen Gerichtskosten, jedoch können den Parteien für die Terminswahrnehmung vor dem unzuständigen Gericht Kosten entstehen (z. B. Anwalts- und Reisekosten).
Klausurproblem: Hatte das unzuständige Gericht ein Versäumnisurteil erlassen, so muss es die Zulässigkeit des Einspruchs vor der Verweisung prüfen. Erweist sich hierbei der Einspruch als verspätet oder formfehlerhaft, ist er als unzulässig zu verwerfen, § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Zu einer Verweisung kann es hier nicht mehr kommen. Ist die Einspruchsprüfung durch das verweisende Gericht versäumt worden, so muss das neue Gericht über die Zulässigkeit des Einspruchs entscheiden, § 341 ZPO.
67d) Rechtswegverweisung. Hat der Kläger den falschen Rechtsweg beschritten, so ist die Klage unzulässig. Hier erfolgt die Verweisung auch ohne Antrag von Amts wegen durch Beschluss, § 17a Abs. 2 GVG. Dieser Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar §§ 17a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, GVG, 567 ZPO. Der Verweisungsbeschluss ist für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.