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1. Teil:Einleitung 1.Klausuren

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1a) Anforderungen. – aa) Praktische Lösung. Die Klausuren im zweiten Examen stellen meist andere Anforderungen an die Bearbeiter, als die Klausuren im ersten Staatsexamen. Während im ersten Examen Klausuren häufig auf ein Problem zugeschnitten sind – beispielsweise Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis; gestörter Gesamtschuldnerausgleich usw. – und deshalb eine intensive Auseinandersetzung mit den dogmatischen Fragen und Problemen erwartet wird, kommen solche Klausuren im zweiten Examen nur noch sehr selten vor. Im zweiten Examen geht es meist um einen Fall aus der Praxis, bei dem eine praktikable Lösung vom Bearbeiter (meist in der Rolle eines Richters) erwartet wird. Diese Klausuren sind nicht mehr der Platz für eine vertiefte wissenschaftliche Abhandlung und für dogmatisch interessante Lösungen. Gefragt ist stattdessen eine praktikable Lösung. Dies bedeutet nicht, dass sich der Bearbeitende keine eigenen Gedanken machen soll und sich nicht mit den Problemen und auch den abweichenden Ansichten auseinandersetzen, nur eben im angemessenen Rahmen, der meist schon durch die knapp bemessene Zeit vorgegeben ist. In vielen Klausuren des zweiten Staatsexamens tauchen viele (z. T. auch nur kleinere) Probleme auf, bei denen es wesentlich wichtiger ist alle zu bearbeiten, als sie wissenschaftlich zu klären.

Meist wird für die vertiefte wissenschaftliche Bearbeitung eines Problems der Klausur auch die Zeit fehlen; es muss in der knapp bemessenen Zeit eine vernünftige, in der Praxis brauchbare Lösung gefunden und auch niedergeschrieben werden. In vielen Klausuren des zweiten Staatsexamens sind auch mehrere Anträge bzw. mehrere Begehren zu bearbeiten; jeder Antrag bzw. jedes Begehren mit seinen eigenen Problemen. Eine nicht zu unterschätzende Leistung der Arbeit ist es deshalb schon, eine „runde“, vollständig bearbeitete und richtig gewichtete Arbeit abzuliefern.

Werden in einer Klausur mehrere (verschiedene) Anträge gestellt, führen die Anträge meist zu unterschiedlichen Ergebnissen; es macht ja wenig Sinn, dieselbe Lösung mehrfach erarbeiten zu lassen. Häufig sind die Anträge auch nicht „gleichrangig“, sodass eine unterschiedliche Gewichtung geboten ist. Beliebt als Annexantrag ist bei der Vollstreckungsgegenklage bspw. der Antrag auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung, § 371 BGB analog; bei der Grundbuchberichtigungsklage nach § 894 BGB der Antrag nach § 896 BGB auf Vorlage des Hypothekenbriefes an das Grundbuchamt, damit das Grundbuch berichtigt werden kann; bei der Berichtigung des Grundbuches schließt sich häufig die Frage an, was zu veranlassen ist, damit ein gutgläubiger Erwerb eines Dritten ausgeschlossen werden kann.

2bb) Keine feststehenden Sachverhalte. Im Gegensatz zum ersten Staatsexamen (in dem der Sachverhalt zivilrechtlicher Klausuren i. d. R. nicht mehr als fünf Seiten umfasst) steht im zweiten Staatsexamen (i. d. R.) der zu bearbeitende Sachverhalt nicht fest und muss stattdessen erst noch aus der Klausur (die durchaus auch 20 Seiten Sachverhalt enthalten kann) herausgefiltert werden. In diesem Zusammenhang sind häufig der Beweis – mit den verschiedenen Beweismitteln – und die Beweislast – wenn der Beweis von keiner Partei erbracht werden kann – von Bedeutung. Oft sind Zeugen angeboten – ganz beliebt das „Mithören am Telefon“ – oder sind die Aussagen vom Sachverständigen im Protokoll der mündlichen Verhandlung abgedruckt oder werden Urkunden vorgelegt, deren Echtheit der Beklagte bestreitet; regelmäßig wird auch eine Parteivernehmung verlangt, die aber meist nicht möglich ist, vgl. §§ 445 ff. ZPO (bitte unbedingt lesen).

3cc) Urteile und Anwaltsklausuren. Gefragt im zweiten Staatsexamen ist auch eine andere Bearbeitungsweise und ein anderer Stil. Während im ersten Staatsexamen ein Gutachten – bei dem Fragen aufzuwerfen und anschließend zu beantworten sind und bei dem alles zurückhaltend zu formulieren ist (beispielsweise „Der Kläger könnte einen Anspruch aus … haben. Fraglich ist …“) – gefordert war, muss nun ein (überzeugendes) Urteil abgeliefert werden. Bei einem Urteil ist mit dem gefundenen Ergebnis zu beginnen, welches anschließend (kurz) zu begründen ist (beispielsweise „Der Kläger hat einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB, denn er hat mit dem Beklagten wirksam einen Kaufvertrag geschlossen“). Hinzu kommt bei der Anwaltsklausur – wohl der wesentlichste Unterschied zur Urteilsklausur –, dass nicht nur ein Ergebnis gefordert wird, der Prüfungskandidat muss plötzlich auch Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen. Das Ergebnis reicht also nicht, es wird auch verlangt, dass unter den verschiedenen Möglichkeiten die sinnvollsten ausgesucht wird.

4b) Folgerungen. – aa) Beginn der Vorbereitung. Die Referendarzeit ist – für das, was sich für die Kandidaten verändert und was an neuem Stoff hinzukommt – zu kurz bemessen. Die Examensvorbereitung beginnt daher am ersten Tag der Referendarzeit. Zu beachten ist dabei, dass in jeder Ausbildungsstation neuer Stoff hinzukommt bzw. neue Methoden (z. B. die Anwaltsklausur) zu erarbeiten sind, so dass der in einer Ausbildungsstation „verpasste neue Stoff“ nicht ohne weiteres in einer folgenden Ausbildungsstation nachgeholt werden kann. Zudem nehmen Pflichtklausuren und der Pflichtunterricht zu, Zusatzfächer und Sondergebiete werden zusätzlich zu den „normalen“ Unterrichtstagen unterrichtet. Zuletzt muss sich das neu erlernte auch (durch Wiederholungen) im Gedächtnis „setzen“, damit es in der Klausur sicher angewandt werden kann.

5bb) Klausuren schreiben. Um alles neu Gelernte in praktisch brauchbare Lösungen umzusetzen, müssen unbedingt Klausuren geschrieben werden. Aus diesem Grund werden in den Arbeitsgemeinschaften viele Klausuren angeboten, zudem gibt es in der Regel auch einen OLG-Klausurenkurs. Dieses Angebot sollte genutzt werden, auch dann, wenn eine Klausur gestellt wird, deren Stoff noch nicht gelernt wurde, denn auch dies kann in einer Examensklausur passieren. Wird eine Klausur geschrieben, sollte zwingend auch deren Besprechung mitgenommen werden bzw. sollte zwingend die Klausur nachbearbeitet werden. Nur so können vorhandene Lücken geschlossen und nicht bekannte Probleme gelernt werden. Wichtig beim Klausurenschreiben ist auch, dass diese vernünftig ausgesucht sind, so sollten Klausuren aus allen Teilen des Examenstoffes geschrieben werden.

6c) Vorbereitung. – aa) Klausuren. Wie wichtig es ist Klausuren zu schreiben, wurde bereits dargestellt. Nicht hunderte von Klausuren, sondern Klausuren gezielt auf einzelne Bereiche, gut ausgesucht und – vor allem – gut bearbeitet und nachbearbeitet. Eine gute Klausur eines Bereichs sollte sozusagen als „Musterklausur“ genommen werden, an der das System und die Art der Bearbeitung eingeprägt wird. Das Zivilrecht ist zu vielfältig, um jede mögliche Konstellation auswendig zu lernen. Es können aber einige Klausuren als Grundlage genommen werden und anhand dieser, vergleichbare Klausuren bearbeitet werden. So haben beispielsweise eine Vollstreckungsgegenklage und eine Drittwiderspruchsklage stets denselben Aufbau, nur die Detailfragen unterscheiden sich. Eine Klausur aus dem Arbeitsrecht wird ganz überwiegen eine Kündigungsschutzklage sein. Aus dem Mietrecht kommen meist Räumungsklagen mit einer außerordentlichen Kündigung und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung – manches Mal noch kombiniert mit der Frage der Wirksamkeit einer AGB-Klausel. Eine Klausur mit einem Verkehrsunfall ist immer gleich aufgebaut; ebenso eine Klage aus den anderen Bereichen der unerlaubten Handlung – derzeit meist Tierhalterhaftung, §§ 833, 834 BGB. Mit guten Klausuren aus diesen Bereichen können große Teile des Stoffes abgedeckt werden.

7bb) Klausuren korrigieren und erstellen. Nicht nur das Klausurschreiben ist wichtig, eine der besten Arten der Vorbereitung ist es, Klausuren zu korrigieren. Wer eine Klausur zu korrigieren hat, muss sich Gedanken machen, was er in der Lösung erwartet, wie er gewichten und bewerten will. Dies hilft ganz wesentlich beim Schreiben der eigenen Klausur. Noch besser als zu korrigieren ist es, selbst eine Klausur zu erstellen. Dabei wird klar, es ist oft gar nicht so einfach an alle Lösungswege und Gedankengänge zu denken. Derjenige, der weiß, wo und wie man Klausurprobleme versteckt, wird sie auch in einer fremden Klausur finden. Wer anderen in einer Klausur mit besonderen Formulierungen und Hinweisen Hilfestellung geben möchte, wird diese Hinweise auch in der Klausur deuten können.

8cc) Lernen nach „Sachzusammenhang“. Eng mit den Klausuren hängt das Erarbeiten des Stoffes zusammen. Auch wenn der Stoff weit gefächert ist, wiederholen sich doch viele Probleme immer wieder. Dabei gilt es, diese Probleme als abrufbaren Grundstock parat zu haben. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, sich gleich von Beginn der Referendarzeit an eine Problemsammlung selbst zu erstellen und immer zu ergänzen; so erweitert man sein Wissen und vertieft das Gelernte. Nahezu kein Examen vergeht ohne Erledigungserklärung, ohne unbezifferten Klageantrag, ohne Zuständigkeitsfragen – wie §§ 32 ZPO, 20 StVG –, ohne Streitgenossenschaft und Klageänderung. Aber auch im materiellen Recht wiederholen sich die Fragestellungen; kein Examen ohne Übereignungskette mit gutgläubigem Erwerb; Tierhalterhaftung hat sich in den letzten Jahren in den Vordergrund geschoben und Mietrechtsklausuren häufen sich wie auch Klausuren aus dem Vollstreckungsrecht. Gewährleistungsrechte und AGB-Kontrolle sind selbstverständlich.

9Dieses Buch dient u. a. dazu, einen Grundstock an wiederkehrenden Problemen zu vermitteln und zu vertiefen. Es werden wichtige, stets vorkommenende prozessuale Klausurprobleme besonders herausgestellt und viele bekannte Klausurfälle aus dem materiellen Recht aufgeführt. Dabei werden bewusst Fälle und Probleme auch mehrfach geschildert, wenn sie in den behandelten Zusammenhang passen. Dadurch muss nicht immer in andere Teile verwiesen werden; außerdem dient dies dem Vertiefungs- und Lernzweck. Zu beachten ist dabei auch, dass viele der Probleme nicht isoliert auftreten, sondern auch häufig mit anderen Problemen kombiniert werden. Dabei hilft das „Lernen im Sachzusammenhang“:

– So ist eine (einseitige) Erledigungserklärung immer eine (Klage-) Änderung von einer Leistungsklage in eine Feststellungsklage, die nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist; das besondere Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO, liegt dabei im Kosteninteresse.

– Eine Verkehrsunfallklausur ist nicht ein isolierter Anspruch des Klägers gegen den Beklagten, sondern ist meist gegen Fahrer, Halter und Versicherung (Streitgenossenschaft) gerichtet; die Beklagten wehren sich und erheben Widerklage auch gegen die noch nicht am Verfahren beteiligte Versicherung des Klägers (Drittwiderklage); beide Seiten verlangen Schadensersatz und Schmerzensgeld (unbezifferter Antrag).

– Eine Stufenklage lässt sich leicht mit Verjährungsproblemen kombinieren – die Stufenklage ist eine Leistungsklage und hemmt mit ihrer Erhebung die Verjährung, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB – und wird regelmäßig mit dem Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch, §§ 2303 ff. BGB, in der Klausur erscheinen, da in § 2314 BGB einer der wenigen gesetzlich geregelten Auskunftsansprüche geregelt ist.

– Bei einer Drittwiderspruchsklage ist bei der Frage des Interventionsrechts meist eine Veräußerungskette mit gutgläubigem Erwerb zu prüfen, also §§ 929 ff. BGB, erweitert um § 366 HGB; es ist nämlich zu klären wer Eigentümer ist, um zu wissen, ob der Kläger die Drittwiderspruchsklage hat.

– Bei der Haftung nach §§ 823, 832, 833, 834 BGB kommt es meist zur gesamtschuldnerischen Haftung, § 840 Abs. 3 BGB, womit sich dann das Problem des Gesamtschuldnerregresses, §§ 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB stellt; oft kombiniert mit dem Problem des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs.

– Auch bei der Bürgschaft stellt sich häufig die Frage der gesamtschuldnerischen Haftung und des Regresses; hier sind dann meist noch Probleme der Verjährung zu klären, weil diese Ansprüche alle unterschiedlich verjähren.

– Im Grundstücksrecht geht es nahezu immer um einen gutgläubigen Erwerb und darum, wie ein solcher gesichert oder verhindert werden kann. Bei einem solchen gutgläubigen Erwerb ist immer wieder der Erbschein, §§ 2365, 2366 BGB, von Bedeutung, denn nur dieser ermöglicht einen redlichen Eigentumserwerb.

An diesen Beispielen ist auch zu erkennen, dass im zweiten Examen plötzlich Normen von Bedeutung sind, mit denen der Student selten zu tun gehabt hat.

10dd) Palandt und Thomas/Putzo. In den Klausuren im 2. Examen sind der Palandt und Thomas/Putzo zugelassen und müssen zwingend auch verwendet werden, da den Klausurerstellern bekannt ist, dass diese verwendet werden dürfen, so dass deren Verwendung auch vorausgesetzt wird. Diese Kommentare kann allerdings in der Klausur nur derjenige sinnvoll verwenden, der dies auch geübt hat. Nachdem Kommentare in den meisten Bundesländern in den Ersten Staatsexamen nicht zugelassen sind, muss deren Anwendung erst geübt bzw. neu erlernt werden. Demnach sollte sich jeder Referendar diese Kommentare bereits zu Beginn der Referendarzeit anschaffen und diese von Beginn an zur Klausurlösung verwenden. Nachdem diese Kommentare in der Klausur verwendet werden dürfen, muss Vieles nicht gewusst werden, es muss stattdessen schnell im Kommentar gefunden werden. So sind die Streitwerte der einzelnen Klagen und Ansprüche nach Stichworten in alphabetischer Reihenfolge in Thomas/Putzo bei § 3 ab Rn. 5 aufgeführt (z. B. Aufrechnung Rn. 19; einstweilige Verfügung Rn. 52; Feststellungsklage Rn. 65; Mietstreitigkeiten Rn. 101). Es ist auch nicht sinnvoll zu lernen, welche Klauseln der BGH bei der AGB Kontrolle für nichtig erachtet und welche nicht, dies steht im Palandt bei § 307 (vgl. das dortige Inhaltsverzeichnis); und wenn es ums Mietrecht geht bei § 535 etwa die berühmten Schönheitsreparaturen bei Rn. 41 ff.

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