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Oberto conte di San Bonifacio
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ie Enstehungsgeschichte dieser Oper, anhand derer erstmals die starke Wechselwirkung zwischen Komponist und Sängern ersichtlich wird, beschreibt Verdi im Detail so:
Massini[82], der anscheinend Zutrauen zu dem jungen Maestro [Verdi] hatte, schlug mir damals vor, eine Oper für das von ihm geleitete Teatro Filodrammatico zu schreiben und übergab mir ein Libretto, aus welchem dann, zum Teil von Solera[83] abgeändert, der Oberto di San Bonifacio[84] wurde.
Ich nahm das Angebot mit Freuden an und kehrte nach Busseto zurück, wo ich als Organist angestellt war. Ich blieb etwa drei Jahre in Busseto; sobald die Oper fertiggestellt war, unternahm ich abermals die Reise nach Mailand und brachte die ganze Partitur schon fix und fertig mit, da ich mir die Mühe gemacht hatte, alle Gesangspartien selbst herauszuschreiben und abzuschreiben.[85]
Doch hier begannen die Schwierigkeiten: Massini war nicht mehr Direktor des [Teatro] Filodrammatico: es war daher nicht mehr möglich, meine Oper dort aufzuführen. Doch entweder hatte Massini wirklich Vertrauen zu mir, oder er wollte mir gegenüber auf irgendeine Art seine Dankbarkeit beweisen, weil ich ihm nach der Schöpfung noch mehrmals geholfen hatte, indem ich mehrere Opernaufführungen (darunter La cenerentola) für ihn einstudiert und dirigiert hatte, ohne jemals ein Honorar dafür zu verlangen, er ließ wegen dieses Zwischenfalls den Kopf nicht hängen, sondern sagte mir, er würde alles nur Erdenkliche versuchen, um meine Oper anläßlich des Benefizkonzerts des Pio Istituto [Filarmonico] an der Scala aufführen zu lassen. Graf Borromeo und der Rechtsanwalt Pasetti versprachen Massini ihre Unterstützung, der Wahrheit zuliebe muß ich aber sagen, daß es mir in keiner Weise festzustehen scheint, daß diese Unterstützung aus mehr als ein paar Empfehlungsworten bestand. Im Gegensatz dazu gab sich Maestro Massini große Mühe; er wurde dabei tatkräftig vom Cellisten Merighi unterstützt, der mich kennengelernt hatte, als er noch Mitglied des Orchesters des Teatro Filodrammatico war, und anscheinend Vertrauen in den jungen Maestro hatte.
Schließlich kam es so weit, daß alles für das Frühjahr 1839 arrangiert wurde: Bei dieser Gelegenheit hatte ich das doppelte Glück, meine Arbeit im Teatro alla Scala anläßlich der Benefizvorstellungen zugunsten des Pio Istituto in Szene zu setzen und vier wirklich außergewöhnliche Interpreten zu haben: die Strepponi[86], den Tenor Moriani[87], den Bariton Giorgio Ronconi[88] und den Baß Marini.[89]
Kaum waren die Rollen verteilt und einige Gesangsproben abgehalten worden, da erkrankt Moriani so schwer!... daß alles abgebrochen wird und nicht mehr daran zu denken ist, meine Oper aufzuführen!... Nun saß ich da und trug mich mit dem Gedanken, nach Busseto zurückzukehren, als eines Morgens ein Theaterdiener der Scala zu mir kam und mich ganz brüsk fragte: „Sind Sie der Maestro aus Parma, der eine Oper für das Pio Istituto aufführen sollte?... Kommen Sie mit ins Theater, der Impresario möchte Sie sehen.“ – „Ist das möglich?. . .“, sagte ich, darauf der andere: „Ja, er hat mir befohlen, den Maestro aus Parma zu holen, der eine Oper geben sollte: Wenn Sie es sind, kommen Sie mit.“ – Und ich ging mit.
Der Impresario war damals Bartolomeo Merelli; eines Abends hatte er auf der Bühne des Opernhauses ein Gespräch zwischen Frau Strepponi und Giorgio Ronconi mitangehört, in welchem die erstere sich sehr vorteilhaft über die Musik des Oberto äußerte; dieser Eindruck wurde auch von Ronconi geteilt.
Ich stellte mich also Merelli vor, der gleich zur Sache kam und mir sagte, daß er auf Grund der günstigen Informationen, die er über meine Musik habe, sie in der kommenden Saison aufführen wolle; wenn ich einverstanden wäre, müßte ich jedoch einige Anpassungen der Tessitura[90] vornehmen, da nicht mehr alle vier Künstler vom letzten Mal zur Verfügung stünden. Das war ein schönes Angebot: Als junger, unbekannter Komponist traf ich auf einen Impresario, der das Risiko auf sich nahm, ein neues Werk aufzuführen, ohne irgendeine Sicherstellung von mir zu verlangen, eine Sicherstellung, die ich im übrigen nicht in der Lage gewesen wäre zu geben: Merelli riskierte, die gesamten Kosten für die Inszenierung aus eigener Tasche bezahlen zu müssen; er schlug mir lediglich vor, die Summe, die ich bekommen würde, wenn ich im Falle eines Erfolges die Oper verkaufte, zur Hälfte mit ihm zu teilen. Man darf nicht glauben, daß sein Vorschlag für mich belastend gewesen wäre: schließlich war es die Oper eines Anfängers!... Fest steht, daß nach dem günstigen Erfolg der Verleger Giovanni Ricordi die Rechte für zweitausend österreichische Lire erwarb.
Oberto di San Bonifacio hatte zwar keinen riesigen, aber doch recht guten Erfolg; er brachte es auf eine ansehnliche Anzahl von Aufführungen[91], die zu verlängern Merelli für angemessen hielt, indem er einige mehr gab, als im Abonnement vorgesehen waren. Die Oper wurde gesungen von der Marini[92], Mezzosopran, von Salvi, Tenor, und vom Baß Marini; wie bereits erwähnt, mußte ich die Musik aus Gründen der Tessitura teilweise abändern und eine neue Nummer schreiben, das Quartett, dessen Anordnung im Drama von Merelli vorgeschlagen wurde und das ich von Solera in Verse setzen ließ: Es ergab sich, daß dieses Quartett zu einer der besten Nummern der ganzen Oper wurde.[93]
Während der Probenzeit zu Oberto, nur wenige Tage nach Verdis sechsundzwanzigstem Geburtstag (aufgrund dieses Debut-Alters wurde er nach damaligen Begriffen als Spätstarter empfunden), setzt sich die Familientragödie mit dem Tod seines kleinen Sohnes Icilio Romano am 22. Oktober 1939 fort. Am 17. November 1839 wird der Opernerstling des Komponisten am Mailänder Teatro alla Scala uraufgeführt. Trotz der großen Publikumszustimmung ist die Aufnahme bei der Kritik gemischt: Zwar bescheinigt La Moda dem Komponisten, daß er von den marktbeherrschenden Kollegen Donizetti, Bellini, Mercadante und Rossini abgerückt sei und eigene Wege beschreite, der Korrespondent des Il Figaro aber empfiehlt Verdi, doch die Klassiker zu studieren, und die Gazzetta Previlegiata di Venezia geht so weit, ihn vor der Überschätzung des Publikumserfolges zu warnen. Die Allgemeine Musikalische Zeitung berichtet unter Abdruck der Noten des Quartetts Eleonora-Cuniza-Riccardo-Oberto aus dem 2. Akt („des besten Stückes der Oper“) ausführlich über die Neuheit.
Wiewohl aus diesem A quattro (das ebenfalls leicht zu vermeidende Oktavengänge enthält) wenig Neues und Künstliches hervorblickt, so ist es doch im ganzen hübsch, und von den beiden benannten Künstlern, von der löblich mitwirkenden Shaw, und der Scala-Stimme (ein sehr wichtiges Wort!) des Herrn Marini vorgetragen, von ungemein guter Wirkung. [...]
Hierauf folgt eine alltägliche Kabalette mit dem gewöhnlichen Schlussschlendrian, welches gegen das Uebrige so grell absticht, dass die Zuhörer in den folgenden Vorstellungen schon nach dem langsamen Tempo das Theater verliessen.
Diese ursprünglich für das Pio Istituto des Orchesters alla Scala bestimmte Oper hat nun das Glück ihres Verfassers gemacht. [...] Die Mailänder Zeitschrift Moda machte Verse, welche auf die Namen Verdi (grün) und Speranza[94] (Hoffnung) anspielen, bekannt; wobei sie Ersterem das Rührende (commovere), Letzterem das Brillante (brio) beilegt. Mercadante’s Nichtverehrer gingen so weit, zu sagen, er möchte um Gotteswillen bei Herrn Verdi in die Schule gehen!!... Vielleicht könnte man die jetzigen aktiven Maestri so ordnen: Donizetti, Mercadante, Ricci, Verdi u.s.w. Donizetti singt mehr als Mercadante und kennt die Komposizion so gut als er. Ricci ist origineller als Verdi. Ob Letzterer sich höher schwingt, steht zu erwarten; zu wünschen ist es sehr, dann könnte er all seine Kollegen übertreffen.[95]
Die Mailänder Zeitung La Fama berichtet über die Interpreten der Opernneuheit:
Die Kavatine der Marini und die von Salvi im ersten Akt, die Arie der Marini, die von Salvi sowie das Quartett des zweiten Aktes sind meisterhafte Nummern, die viel musikalisches Wissen zeigen und den Stempel der Inspiration tragen. Die Aufführung trug, ehrlich gesagt, nicht gerade dazu bei, uns deren Schönheiten auskosten zu lassen; denn mit Ausnahme der Marini, die vortrefflich sang, schienen die anderen im Falschsingen zu wetteifern. Salvi, ermüdet von einer langen Aufführungsserie, konnte die schöne Stimme, die er besitzt, nicht in ihrer ganzen Fülle zur Entfaltung bringen und traf oft nicht die gewünschte Note. Die Marini schien Blindekuh zu spielen und glücklich zu sein, wenn sie die Töne traf. Die Shaw, die zum ersten Mal auf der Bühne auftrat, hat zwar Stimme und eine gute Aussprache, doch als Anfängerin, sowohl im Gesang wie in der Bühnenpraxis, ist sie für ein so bedeutendes Theater wie das unsere noch nicht geeignet. Wenn die Sänger an den kommenden Abenden neuen Mut schöpfen und sich besser aufeinander abstimmen sollten, wird diese Oper gewiß in der Publikumsgunst steigen, die sich am Ende der Introduktion so deutlich kundtat. Wenn schließlich Ausstattung und Kostüme besser und entsprechender wären, dann wäre die Unterhaltung perfekt.[96]
E
tliches Kurioses enthält diese Rezension: Der wohl auffälligste Umstand ist das Fehlen der Besprechung der Leistung des Protagonisten, ja selbst das Fehlen seines Namens. Die Titelrolle wurde von Ignazio Marini (Tagliuno di Castelli Calepio bei Bergamo 1811 – Mailand 1873), einem der bedeutendsten Bassisten dieser Zeit, verkörpert, der sogar als Nachfolger des berühmten Luigi Lablache[97] bezeichnet wurde. Marini war von seinen Eltern ursprünglich für eine geistliche Karriere bestimmt, zog es aber vor, sich seiner Berufung als Sänger zu widmen. Er debutierte am 16. Jänner 1832 in einem Konzert in Brescia und noch im selben Jahr in Brescia in zwei Opern: Didone abbandonata von Saverio Mercadante und Gli Arabi nelle Gallie von Giovanni Pacini. Nach Auftritten in Varese und Ferrara kam er bereits 1833 an die Mailänder Scala, an der er bis 1847 engagiert war. Dort sang er u.a. 1834 den Cedrico in Pacinis Ivanhoe, den Fernando in Rossinis La gazza ladra, den Guido in der Uraufführung von Donizettis Gemma di Vergy, den Elmiro in Rossinis Otello sowie den Oroveso in Bellinis Norma, die beiden letzteren Rollen an der Seite von Maria Malibran. In diesem Jahr heiratete er die Sopranistin Antonietta Rainieri. 1835 trat er mit ihr in Donizettis Maria Stuarda auf. 1839 war er in der Mailänder Erstaufführung von Donizettis Roberto Devereux und Gianni di Parigi besetzt. Sein Spezialgebiet war anfänglich das Rossini-Repertoire, und zwar sowohl seriöse Rollen wie die Titelrolle in Mosè in Egitto, als auch komische Rollen wie der Mustafà in L’italiana in Algeri. Obwohl Marini mit Verdi immer in freundschaftlichem Kontakt blieb, kam es nach Oberto erst 1846 wieder zu einer Zusammenarbeit, und zwar in der Uraufführung des Attila. 1844 war er der Silva in der Wiener Erstaufführung des Ernani, wo er die Cabaletta des Silva „Infin che un brando vindice“ sang.
Abb. 2 – Der Bassist Ignazio Marini (1811-1873)
Da kein Autograph dieser Cabaletta überliefert ist und sie auch nicht im Notenmaterial der ersten Aufführungen aufscheint, glaubte man zunächst, sie stamme nicht von Verdi. Am Teatro alla Scala wurde sie „aus philologischen Gründen“ in der Neuproduktion von 1982 von Riccardo Muti gestrichen. Als die vom Publikum erwartete Cabaletta ungespielt blieb, war der an Muti gerichtete laute Zuruf zu vernehmen: „La cabaletta, filologo!“ Das Wort „filologo“ wurde dabei mit hörbarer Verachtung ausgesprochen. Wie sich herausstellte, ist die Cabaletta aber sehr wohl von Verdi: Er komponierte sie auf Marinis Wunsch für eine Aufführung des Oberto in Barcelona (1842). Marini fügte die Cabaletta dann auch in den Ernani ein. Es ist nicht bekannt, ob Verdi Marini das explizit gestattete oder es nur tolerierte.[98]
1847-49 sang Marini in den Sommerspielzeiten an der Covent Garden Opera in London. Seine Rollen an diesem Haus inkludierten den Silva (Ernani), den Marcel (Les Huguenots), den Bertram (Robert le diable), den Figaro (Le nozze di Figaro) und den Leporello (Don Giovanni). 1850 wurde er in New York und St. Petersburg gefeiert. In der Spielzeit 1850-51 trat er in Havanna auf, 1852 in London in der englischen Erstaufführung von Donizettis Poliuto. Zu den Uraufführungen, in denen er mitwirkte, zählen neben Verdis Oberto und Attila (1846) Lillos Rosmunda (1839), Donizettis Adelia (1841) und Pacinis Ebrea (1844). In der Uraufführung von La forza del destino (1862) übernahm er die Rolle des Alkalden. 1870 wurde er am Opernhaus von Kairo zum direttore di scena (eine Art Spielleiter) ernannt, mußte diesen Posten aber aus gesundheitlichen Gründen bald aufgeben und kehrte nach Italien zurück.
D
er Tenor Lorenzo Salvi (Ancona 1810 – Bologna 1879) war der Interpret des Riccardo. Er debutierte 1830 in Neapel als Comprimario und sang bereits 1831-32 in Rom, u.a. an der Seite von Maria Malibran in Rossinis Otello. Donizetti schätzte ihn sehr; er besetzte ihn in der Uraufführung von Il furioso all’isola di San Domingo und in drei weiteren Uraufführungen: Betly (1836), Gianni di Parigi (1839) und Adelia (1841). Er trat an den großen italienischen Bühnen auf, sang 1840 in Turin den Arnoldo in Rossinis Guglielmo Tell und war zwischen 1839 und 1842 an der Mailänder Scala engagiert, wo er nach dem Oberto noch in der Uraufführung von Un giorno di regno zum Einsatz kommen sollte. An diesem Haus sang er noch andere Ur- und Erstaufführungen, darunter den Tonio in Donizettis La figlia del reggimento. 1839 sang er in Wien, 1843 debutierte er in Paris mit Lucia di Lammermoor und trat in Maria di Rohan auf. Zwischen 1845 und 1848 gastierte er in St. Petersburg, 1847 und 1850 in London, auch hier konzentrierte er sich auf Opern von Bellini (Il pirata, La straniera) und Donizetti. 1850 war er in New York und Havanna zu hören. Nach einer Konzerttournée durch Nordamerika an der Seite von Jenny Lind (1851) trat er von der Bühne ab und war als Gesangslehrer in Bologna tätig.
Abb. 3 – Der Tenor Lorenzo Salvi (1810-1879)
Salvis Repertoire zeigt nicht nur, daß er den Anforderungen von Spezialistenrollen wie Arnoldo und Tonio mit ihrer hohen Tessitura und extremen Höhen gewachsen war, sondern daß seine vokalen Stärken in Partien wie dem Edgardo (Lucia di Lammermoor), der allgemein als seine Paraderolle bezeichnet wurde, am besten zur Geltung kamen. An Verdi-Partien hatte er nur den Riccardo im Oberto und den Edoardo in Un giorno di regno im Repertoire. Der Umstand, daß er bis zu seinem (frühen) Karriereende keine anderen Rollen von Verdi übernahm, scheint darauf hinzuweisen, daß er sich im Rossini- und Donizetti-Fach stimmlich wohler fühlte.
D
ie Interpretin der Cuniza war die Altistin Mary Shaw (Lea i.d. Grafschaft Kent 1814 – Hadleigh Hall, Suffolk 1876). Die Sängerin war weder, wie in der Kritik behauptet wird, eine Anfängerin, noch trat sie zum ersten Mal auf einer Bühne auf. Sie hatte 1834 in London als Konzert- und Oratoriensängerin debutiert und war in den darauffolgenden Jahren in verschiedenen englischen Städten, bei Festivals usw. aufgetreten. 1838 sang sie bei Leipziger Gewandhauskonzerten als Solistin unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy. In Italien hatte sie vor ihrem Scala-Debut bereits mit großem Erfolg zwei große Rossini-Rollen verkörpert: den Arsace in Semiramide und den Malcolm in La donna del lago. Sie war nach den Maßstäben der heute gebräuchlichen Stimmkategorien eine echte Altistin (contralto), die sich in ihrer wegen familiärer Umstände nur bis 1847 dauernden Karriere auf Opern von Rossini und Cimarosa spezialisierte.
A
ntonietta Rainieri-Marini (1815-?) debutierte 1835 in Parma als Giulietta in I Capuleti e i Montecchi, trat 1839 in Rom in derselben Partie auf und war schon im selben Jahr mit Hauptrollen in Turin am Teatro Regio und am Teatro alla Scala in Mailand zu hören. Sie sang die Matilde in Rossinis Guglielmo Tell, die Isabella in L’italiana in Algeri, die Lucia di Lammermoor, die Emilia in Mercadantes La vestale sowie etliche Uraufführungen: 1839 Donizettis Gianni di Parigi und Giacomo Panizzas I ciarlatani, 1840 Otto Nicolais Il Templario und Odoardo e Gildippe sowie Alessandro Ninis Cristina di Svezia. 1840 nahm sie in Mailand als Marchesa del Poggio an der Uraufführung von Verdis Un giorno di regno teil. Sie gastierte in ganz Italien sowie am Kärntnertortheater in Wien (in Mercadantes La vestale und als Pacinis Saffo) und in Barcelona. 1841 sang sie in Neapel in der Uraufführung von Mercadantes Il proscritto. Sie hatte darüber hinaus Opern von Pacini und Bellini ebenso wie von heute wenig bekannten Komponisten im Repertoire und scheint bald ins Mezzosopranfach gewechselt sein. Sie dürfte ihre Karriere bereits 1847 beendet haben. Sie war verheiratet mit dem Bassisten Ignazio Marini, mit dem sie oft auftrat.
Betrachtet man die an ihre stimmlichen Mittel angepaßte Tessitura ihrer Rolle im Oberto, so war sie anscheinend ein „kurzer“ (das heißt: in der Höhe eingeschränkter) Sopran oder ein lyrischer Mezzosopran. Der höchste Ton der Leonora ist ein a², weshalb Verdi sie in seinen Erinnerungen auch als Mezzosopran bezeichnet, obwohl die Leonora als Sopran ausgewiesen ist.
Man bemerkt, daß der oben zitierte Oberto-Rezensent offenbar über die Intonationssicherheit dieser Sängerin mit sich selbst nicht im reinen war: Während er zuerst befand, daß die Sängerin „vortrefflich sang“ und nur die Kollegen „mit Ausnahme der Marini im Falschsingen zu wetteifern“ schienen, urteilte er nur wenige Zeilen später, daß sie „Blindekuh zu spielen“ und „glücklich zu sein“ schien, „wenn sie die Töne traf“. Man sieht, daß Kritiken schon damals Anlaß zu Ärger geben konnten, wie Presseberichte im allgemeinen: Eine andere Zeitung behauptete Jahre später, Oberto sei nur gegen Bezahlung aufgeführt worden. Dazu der Komponist lapidar: „Was mich betrifft, so ist nichts Wahres an dem, was Il Monitore schreibt. Ich habe nie und niemand hat je einen Groschen ausgegeben, um meine Opern aufzuführen.“[99]
I
n der Karnevalssaison 1840 wird Oberto in Turin aufgeführt, wahrscheinlich auf Betreiben der Rainieri-Marini, der die Leonora besonders gut liegt. Die Cuniza wird hier von Luigia Abbadia (Genua 1821 – Rom 1896) gesungen, einer Mezzosopranistin, die eine Kavatine für sich beansprucht, die, wie das Libretto zeigt, tatsächlich hinzugefügt wird. Allerdings stammt die Musik dazu nicht von Verdi, sondern von Saverio Mercadante. Er wiederum hat sie für eine andere Sängerin anstelle einer Romanze in seiner Oper Elena da Feltre komponiert. Der der Situation angepaßte neue Text wird der Musik (Andante und Cabaletta) einfach untergelegt. Die Sängerin debutierte 1836, wurde von Merelli unter Vertrag genommen und unternahm hierauf ausgedehnte Auslandstournéen. Donizetti schrieb für sie die Mezzo-Partie in Maria Padilla (1841). Sie trat hauptsächlich in Opern von Mercadante, Pacini, Rossini, Donizetti und Verdi, hier vereinzelt auch als Sopran (Nabucco, Attila, Ernani) auf. Ab 1870 war sie als gesuchte Gesangslehrerin in Mailand tätig.
Der Oberto wird auch in Genua, Neapel, Barcelona und Malta nachgespielt, hält sich aber nicht im Repertoire.